Urteil des OLG Köln vom 27.06.2007

OLG Köln: verwertung, absonderung, hauptsache, konkursverfahren, konkurseröffnung, globalzession, zwangsvollstreckung, verfahrenskosten, vergleich, berechtigung

Oberlandesgericht Köln, 2 U 137/06
Datum:
27.06.2007
Gericht:
Oberlandesgericht Köln
Spruchkörper:
2. Zivilsenat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
2 U 137/06
Vorinstanz:
Landgericht Aachen, 1 O 400/06
Tenor:
Die Berufung des Beklagten gegen das am 26. Oktober 2006 verkündete
Urteil der 1. Zivilkammer des Landgerichts Aachen - 1 O 400/06 – wird
zurückgewiesen.
Die Kosten des Berufungsverfahrens hat der Beklagte zu tragen.
Dieses Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Der Beklagte kann die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung in
Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages
abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in
Höhe von 110 % des jeweils beizutreibenden Betrages leistet.
Die Revision wird zugelassen.
G r ü n d e
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(Anstelle von Tatbestand und Entscheidungsgründen gemäß § 540 Abs. 1 Satz 1 ZPO)
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I.
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Die Klägerin – eine Sparkasse - begehrt von dem beklagten Insolvenzverwalter gestützt
auf ein Absonderungsrecht Auskehrung eines restlichen Verwertungserlöses in Höhe
von 217.203,08 €.
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Der Beklagte ist Insolvenzverwalter in dem Insolvenzverfahren über das Vermögen der
Firma Q D Spedition oHG (im Folgenden: Schuldnerin). Die Schuldnerin stand in
Geschäftsbeziehungen mit der Klägerin und hat in diesem Zusammenhang durch
Vertrag vom 7. Februar 2002 zur Sicherung aller bestehenden und künftigen
Forderungen aus der Geschäftsbeziehung mit der Klägerin dieser die ihr zustehenden
Forderungen aus Warenlieferungen und Leistungen gegen alle Kunden mit den
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Anfangsbuchstaben A bis Z abgetreten. Soweit für das Berufungsverfahren noch von
Interesse zog der Beklagte Forderungen in Höhe eines Gesamtbetrages von 370.552,83
€ ein, die von der zu Gunsten der Klägerin erklärten Globalzession erfasst wurden (vgl.
Abrechnungsschreiben des Beklagten vom 26. September 2005, Bl. 46 ff. d. A.).
Die Klägerin hat die Ansicht vertreten, dass ihr von dem genannten Forderungserlös ein
Betrag in Höhe von 217.203,08 € zustehe. Dieser Betrag ergebe sich, wenn man von
dem Gesamterlös in Höhe von 370.552,83 € die Verwertungs- und
Feststellungspauschale in Höhe von 9 % (33.349,75 €) sowie den von dem Beklagten
unstreitig gezahlten Betrag in Höhe von 120.000,00 € abziehe. Sie sei auch im Hinblick
auf den streitigen Betrag absonderungsberechtigt, weil sie gegen die Schuldnerin noch
einen darüber hinausgehenden Zahlungsanspruch habe, der ebenfalls von der
Globalzession erfasst sei und deshalb dem Absonderungsrecht unterliege. Insoweit ist
zwischen den Parteien jedenfalls im Berufungsverfahren unstreitig, dass sich
rechnerisch eine Restforderung der Klägerin gegen die Schuldnerin in Höhe eines
Betrages von 239.702,35 € ergibt (vgl. Bl. 98 f. d. A.). Grundlage der Forderungen sind
im Wesentlichen Zinsen sowie Kosten, die nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens (10.
Juni 2003) entstanden sind. Die Klägerin hat die Ansicht vertreten, dass auch solche
nachinsolvenzlichen Zinsen und Kosten Gegenstand des Absonderungsrechts seien.
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Die Klägerin hat beantragt,
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den Beklagten zu verurteilen, an sie 217.203,08 € nebst Zinsen in Höhe von 5
Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 27. März 2004 zu zahlen.
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Der Beklagte hat beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Der Beklagte hat die Ansicht vertreten, dass die in § 50 Abs. 1 InsO geregelte
Befriedigungsreihenfolge dazu führe, dass der Absonderungsberechtigte – hier die
Klägerin - nicht mehr wegen Zinsen und Kosten privilegiert sei. Zudem bestimme § 39
InsO, dass es sich bei nach Insolvenzeröffnung entstandenen Zinsen und Kosten um
nachrangige Forderungen handele.
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Durch das mit der vorliegenden Berufung angefochtene, hiermit wegen aller weiteren
Einzelheiten des Vorbringens der Parteien im ersten Rechtszug im Bezug genommene
Urteil vom 26. Oktober 2006 hat das Landgericht der Klage bis auf einen geringen Teil
des Zinsanspruches stattgegeben. Die Klägerin könne die Klageforderung gemäß § 170
Abs. 1 InsO verlangen. Der Bundesgerichtshof habe unter der Geltung der
Konkursordnung entschieden, dass sich das Recht auf abgesonderte Befriedigung auch
auf die Zinsansprüche erstrecke, die nach Konkurseröffnung bis zur Verwertung
entstanden seien (Bezugnahme auf BGH ZIP 1997, 120). Die Insolvenzordnung regele
die zwischen den Parteien streitige Rechtsfrage nicht direkt. Da jedoch die nach
Insolvenzeröffnung anfallenden Zinsen im Verfahren zu berücksichtigen und damit
aufgewertet worden seien, könne es nicht angehen, wenn man sie im Rahmen der
Absonderung wieder schlechter behandele. Entsprechendes gelte für die nach
Insolvenzeröffnung entstandenen Kosten.
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Gegen das ihr am 27. Oktober 2006 zugestellte Urteil hat der Beklagte am 27.
November 2006 Berufung eingelegt und diese mit einem am 29. Januar 2007
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eingegangenen Schriftsatz vom 29. Januar 2007 begründet, nachdem die
Berufungsbegründungsfrist bis zu diesem Tag verlängert worden war. Der Beklagte
verfolgt seinen Klageabweisungsantrag mit der Berufung weiter. Entgegen der
Auffassung des Landgerichts seien nachinsolvenzliche Zinsen nicht Gegenstand des
Absonderungsrechts, sondern könnten nur nachrangig Berücksichtigung finden. Dies
folge aus dem eindeutigen Wortlaut des § 50 Abs. 1 InsO in Verbindung mit § 39 Abs. 1
InsO. Es gehe nicht an, dass Forderungen vorrangig getilgt würden, denen der
Gesetzgeber in § 39 Abs. 1 Nr. 1, 2 InsO ausdrücklich nur den Nachrang eingeräumt
habe. Dem stehe die noch unter der Geltung der Konkursordnung ergangene
Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 5. Dezember 1996 (ZIP 1997, 120) nicht
entgegen. Anders als nach der Konkursordnung (§ 4 Abs. 2 KO) sei nunmehr die
Durchführung der Absonderungsrechte in das Verfahren integriert (§§ 50 ff., 166 ff.
InsO).
Der Beklagte beantragt,
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unter Abänderung des angefochtenen Urteils die Klage abzuweisen.
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Die Klägerin beantragt,
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die Berufung zurückzuweisen.
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Die Klägerin verteidigt das angegriffene Urteil. Die Insolvenzordnung habe an dem
Grundsatz, dass sich das Recht auf abgesonderte Befriedigung auch auf die nach der
Verfahrenseröffnung entstandenen Zinsansprüche erstrecke, nichts geändert. Wenn der
Gesetzgeber in § 39 InsO die Position der Gläubiger hinsichtlich der
nachinsolvenzlichen Zinsen verbessert habe, könne er nicht gleichzeitig eine
Verschlechterung der Position des Gläubigers gewollt haben.
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Wegen aller weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den
vorgetragenen Inhalt der zwischen den Parteien in beiden Rechtszügen gewechselten
Schriftsätze einschließlich der Anlagen zu diesen Schriftsätzen Bezug genommen.
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II.
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1. Die zulässige Berufung hat in der Sache keinen Erfolg. Das Landgericht hat der
Klage zutreffend (§ 513 Abs. 1 ZPO) stattgegeben. Der Kläger hat gegen den Beklagten
in der Hauptsache gem. § 170 Abs. 1 Satz 2 InsO einen Anspruch auf Zahlung in Höhe
von 217.203,08 €. Der zuerkannte Zinsanspruch ist gem. den §§ 280 Abs. 2, 286 Abs. 1
BGB begründet.
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a) Die Entscheidung des Rechtsstreits hängt in der Hauptsache alleine von der
Rechtsfrage ab, ob sich das Recht auf abgesonderte Befriedigung auch auf die
Zinsansprüche/Kostenansprüche erstreckt, die nach Insolvenzeröffnung bis zur
Verwertung entstanden sind. Ist diese Frage zu bejahen, kann die Klägerin Zahlung der
Klageforderung gemäß § 170 Abs. 1 Satz 2 InsO verlangen. Anderenfalls ist die Klage
unbegründet und das Urteil auf die Berufung des Beklagten entsprechend abzuändern.
In tatsächlicher Hinsicht ist jedenfalls im Berufungsverfahren zwischen den Parteien
unstreitig, dass der Klägerin noch Zahlungsansprüche wegen Zinsen und Kosten in
einer den restlichen Verwertungserlös übersteigenden Höhe zustehen.
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b) Der Senat ist mit dem Landgericht der Auffassung, dass sowohl nachinsolvenzliche
Zinsen als auch nachinsolvenzliche Kosten Gegenstand des Absonderungsrechtes
sind.
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aa) Unter der Geltung der Konkursordnung war die Rechtsfrage durch das Urteil des
Bundesgerichtshofs vom 5. Dezember 1996 eindeutig geklärt. Da die abgesonderte
Befriedigung nach § 4 Abs. 2 KO unabhängig vom Konkursverfahren erfolgte, so der
Bundesgerichtshof, beziehe sich die Norm des § 63 Nr. 1 KO, wonach die seit der
Eröffnung laufenden Zinsen im Konkursverfahren nicht geltend gemacht werden
können, nicht auf Absonderungsrechte (vgl. BGHZ 134, 195 = ZIP 1997, 120).
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bb) Hieran hat sich im Ergebnis auch nach Inkrafttreten der Insolvenzordnung nichts
geändert. Durch die Neufassung der Vorschrift des § 39 Abs. 1 Nr. 1 InsO sollte die
Rechtsposition des Absonderungsgläubigers gegenüber der Situation nach der
Konkursordnung nicht verschlechtert werden. Soweit demgegenüber in der Literatur
Uhlenbruck (vgl. Uhlenbruck, InsO, 12. Aufl. 2003, § 50 Rdn. 49 sowie § 52 Rdn. 8) die
Auffassung vertritt, der Gesetzgeber habe es gerade verhindern wollen, dass der
Schuldner auch nach Verfahrenseröffnung entstehende Zinsansprüche und
Verfahrenskosten in die dingliche Primärhaftung einbringe, vermag dies nicht zu
überzeugen. Im Vergleich zu § 63 Nr. 1 KO, wonach Zinsen, die nach Konkurseröffnung
entstanden, überhaupt nicht zu berücksichtigen waren, hat § 39 Abs. 1 Nr. 1 InsO
derartige Zinsansprüche gerade aufgewertet. Damit verträgt es sich jedoch nicht, wenn
man sie im Rahmen der Absonderung wieder schlechter behandelte (so auch Münchner
Kommentar/Ganter, 2001, vor §§ 49 bis 52, Rdn. 60 m. w. N.; in diesem Sinne auch
Frankfurter Kommentar zur Insolvenzordnung/Joneleit/Imberger, 4. Aufl. 2006, § 52 Rdn.
3; HK/Eickmann, 4. Aufl. 2006, § 52 Rdn. 11). Im Übrigen sind Absonderungsrechte für
Schulden Dritter in voller Höhe zu berücksichtigen, obwohl hier überhaupt keine
Insolvenzforderung besteht. Dann kann das Absonderungsrecht keinen geringeren
Umfang haben, wenn es mit einer nachrangigen Insolvenzforderung verknüpft ist (vgl.
Ganter, a. a. O.). Dass nach der Insolvenzordnung durch die neu eingeführten §§ 166
bis 173 die Verwertung grundsätzlich dem Insolvenzverwalter obliegt, besagt als
solches noch nichts zur Berechtigung des Absonderungsberechtigten, auch im Hinblick
auf nach Insolvenzeröffnung entstandener Zinsen oder Kosten an dem
Verwertungserlös zu partizipieren.
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cc) Schließlich wird nur durch die hier vertretene Auffassung ein Wertungswiderspruch
zwischen Absonderungsrechten betreffend unbeweglicher Sachen nach § 49 InsO und
den sonstigen Absonderungsberechtigten nach §§ 50, 51 Inso vermieden (vgl. hierzu
auch Braun/Bäuerle, InsO, 2. Aufl. 2004, § 39 Rdn. 6). Gemäß § 49 InsO sind
absonderungsberechtigte Gläubiger, denen ein Recht auf Befriedigung aus
Gegenständen zusteht, die der Zwangsvollstreckung in das unbewegliche Vermögen
unterliegen, nach Maßgabe des ZVG zur abgesonderten Befriedigung berechtigt, so
dass nach § 109 Abs. 1 ZVG zunächst die Kosten des Zwangsverwaltungs- oder
Versteigerungsverfahrens aus dem Verwertungserlös beglichen werden und die
Befriedigung in der Rangfolge der § 10 ff. ZVG erfolgt. Für Absonderungsrechte an
unbeweglichen Gegenständen ergibt sich daher auch nach der Insolvenzordnung keine
Abweichung zur bisherigen Rechtslage. Es ließe sich jedoch nicht rechtfertigen, dass
bei sonstigen Absonderungsrechten Zinsen bzw. Kosten nicht mehr von dem
Absonderungsrecht erfasst würden.
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c) Der vom Landgericht der Klägerin zuerkannte Zinsanspruch ist gem. den §§ 280 Abs.
27
2, 286 Abs. 1 BGB begründet. Gegen die in dem Urteil hierfür gegebene Begründung,
die der Senat teilt, werden auch von dem Beklagten keine Einwendungen erhoben.
2. a) Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 97 Abs. 1
(Kostenentscheidung), 708 Nr. 10, 711 Satz 1 und 2 ZPO (vorläufige Vollstreckbarkeit).
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b) Der Senat lässt die Revision gemäß § 543 Abs. 2 ZPO zu, weil dem vorliegenden
Rechtsstreit grundsätzliche Bedeutung zukommt. Wie oben dargelegt worden ist, wird
die Frage, ob sich das Recht auf abgesonderte Befriedigung auch auf die
Zinsansprüche/Kostenansprüche erstreckt, die erst nach Insolvenzeröffnung bis zur
Verwertung entstanden sind, in der Literatur unterschiedlich beantwortet.
Rechtsprechung, insbesondere höchstrichterliche Rechtsprechung liegt – soweit
ersichtlich – nicht vor. Die Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 5. Dezember
1996 (vgl. BGHZ 134, 195) ist noch unter der Geltung der Konkursordnung ergangen
und deshalb für die Beurteilung nach der Insolvenzordnung nur bedingt aussagekräftig.
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Streitwert des Berufungsverfahrens: 217.203,08 €
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