Urteil des OLG Köln vom 23.01.2001

OLG Köln: körperverletzung, sicherheitsleistung, vollstreckung, bankbürgschaft, versicherungsschutz, öffentlich, fotografie, knochenbruch, polizei, lokal

Oberlandesgericht Köln, 9 U 8/00
Datum:
23.01.2001
Gericht:
Oberlandesgericht Köln
Spruchkörper:
9. Zivilsenat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
9 U 8/00
Vorinstanz:
Amtsgericht Aachen, 10 O 240/99
Tenor:
Die Berufung der Beklagten gegen das am 9. November 1999
verkündete Urteil der 10. Zivilkammer des Landgerichts Aachen - 10 O
240/99 - wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Berufungsverfahrens werden der Beklagten auferlegt.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte darf die Vollstreckung
durch Sicherheitsleistung von 9.000 DM abwenden, wenn nicht der
Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in dieser Höhe leistet. Den
Parteien wird nachgelassen, die Sicherheit durch Beibringung der
Bürgschaft eines als Zoll- und Steuerbürgen zugelassenen
Kreditinstituts zu leisten.
T a t b e s t a n d
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Die Beklagte ist Haftpflichtversicherer des Klägers, der in der Nacht vom 13./14.
Dezember 1997 ein Fest der Freiwilligen Feuerwehr K. besuchte. Gegen 4 Uhr morgens
geriet er mit einem anderen Festbesucher in eine Auseinandersetzung. Daraufhin
forderte der Zeuge D. ihn auf, das Gemeindehaus zu verlassen. Als der Kläger der
Aufforderung nicht nachkam, nahm der Zeuge D. ihn "in den Schwitzkasten" und
brachte ihn so ins Freie. Dort kam es durch einen Fußtritt des Klägers zu einer
Verletzung des Zeugen D. mit Wadenbeinbruch und Bänderabriß. Die Verletzung führt
möglicherweise zu einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von 20%. Am 30. April 1998
wurde der Kläger wegen des Vorfalls vom Amtsgericht Prüm wegen fahrlässiger
Körperverletzung zu einer Geldstrafe verurteilt (25 VRs 697/98 StA Trier).
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Der Kläger hat behauptet, er sei vor der Eingangstür bei einem Gerangel mit dem
Zeugen D. zu Fall geraten, als er sich gegen seine Entfernung aus dem Lokal zur Wehr
gesetzt habe. Hierbei sei es zur Verletzung des Zeugen gekommen.
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Der Kläger hat beantragt,
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festzustellen, daß die Beklagte aufgrund des zwischen ihr und dem Kläger
bestehenden Haftpflichtversicherungsvertrages verpflichtet ist,
Versicherungsschutz anläßlich des Schadensereignisses vom 14.12.1997
zu gewähren und den Kläger von an ihn deshalb herangetragenen
Ansprüchen freizustellen.
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Die Beklagte hat beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Sie hat behauptet, die Verletzung des Zeugen beruhe auf einem bewußten Tritt, einer
vorsätzlichen Körperverletzung.
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Das Landgericht hat über den Vorfall Beweis erhoben und sodann der Klage
stattgegeben. Wegen der Einzelheiten wird auf das am 9. November 1999 verkündete
Urteil verwiesen, das der Beklagten am 12. November 1999 zugestellt worden ist und
gegen das sie am 30. November 1999 Berufung eingelegt hat. Sie hat das Rechtsmittel
am 10. Dezember 1999 begründet.
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Die Beklagte wiederholt und vertieft ihren erstinstanzlichen Sachvortrag.
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Die Beklagte beantragt,
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unter Abänderung des Urteils des Landgerichts Aachen vom 9. November
1999 - 10 O 240/99 - die Klage abzuweisen.
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Der Kläger beantragt,
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die Berufung zurückzuweisen,
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ihm im Unterliegensfall nachzulassen, eine mögliche Sicherheitsleistung
durch Beibringung einer Bankbürgschaft einer öffentlich-rechtlichen
Sparkasse oder deutschen Großbank zu erbringen.
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Der Kläger wiederholt und vertieft seinen erstinstanzlichen Sachvortrag.
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Der Senat hat über das Geschehen am 13./14. Dezember 1997 gemäß dem
Beweisbeschluß vom 20. Juni 2000 (GA 149/150) Beweis erhoben durch Vernehmung
der Zeugen D. , M. Sch. und W. M. . Zum Ergebnis der Beweisaufnahme wird auf das
Protokoll vom 12. Dezember 2000 Bezug genommen. Wegen aller weiteren
Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf die Sitzungsniederschriften vom 15. Mai
und 12. Dezember 2000 sowie auf den vorgetragenen Inhalt der gewechselten
Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen. Die Akten 8012 Js 1259/98 StA Trier sind
Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.
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E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
18
Die Berufung ist zulässig, aber unbegründet.
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Der Kläger hat gegen die Beklagte Anspruch auf Deckungsschutz aus der
Haftpflichtversicherung, § 149 VVG, §§ 1, 3 AHB. Entgegen der Ansicht der Beklagten
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kann nicht von einer vorsätzlichen Körperverletzung ausgegangen werden.
Dementsprechend ist ihre Eintrittspflicht nicht nach § 4 II Nr. 1 AHB, § 152 VVG
ausgeschlossen.
Allein die Aussage des Zeugen M. Sch. entsprach zunächst der Darstellung der
Beklagten, die von einer vorsätzlichen Körperverletzung des Zeugen D. ausgeht. Der
Zeuge Sch. hat nämlich bekundet, der Kläger habe dem Zeugen D.
gegenübergestanden und aus dieser Stellung heraus gegen das Bein des Zeugen
getreten. Ein solcher Ablauf der Ereignisse steht aber nicht nur in Widerspruch zu den
Angaben des Verletzten, sondern auch zu dem Fußabdruck, den der Fußtritt
ausweislich der Fotografie BA 6 auf dessen Hose hinterließ. Der Abdruck befindet sich
nämlich nicht auf der Schienbein-, sondern auf der Wadenbeinseite des äußeren
rechten Hosenbeins, wobei die Fußspitze nach unten gerichtet ist. Bei dem vom Zeugen
Sch. geschilderten Tritt wäre hingegen ein Fußabdruck mit einer nach oben gerichteten
Fußspitze im Bereich des Schienbeins zu erwarten. Diese Ungereimtheit bedarf keiner
weiteren Erörterung oder gar Klärung, denn auf Nachfrage räumte der Zeuge ohnehin
ein, überhaupt nichts gesehen zu haben, er habe nur von D. erfahren, daß der Kläger
diesen getreten habe. Auch nachdem ihm vorgehalten wurde, daß er seinerzeit
gegenüber der Polizei (BA 10)angegeben habe, er habe den Tritt beobachtet, konnte er
zu dem Vorfall keine weiteren verwertbaren Angaben machen.
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Aus der Aussage des Zeugen D. ergeben sich keine Anhaltspunkte für einen
vorsätzlichen Tritt. Er schilderte den Ablauf dahin, daß der Kläger sich gegen seinen
Abtransport wehrte und dabei um sich trat. Es ergab sich aus den Bekundungen dieses
Zeugen insbesondere kein Geschehen, bei dem der Kläger etwa auf den bereits am
Boden liegenden Zeugen vorsätzlich eingetreten haben könnte. Der Zeuge D. hat den
Vorfall zwar zunächst dahin geschildert, daß er gemeinsam mit dem Kläger gefallen sei,
er habe plötzlich ein schweres Krachen am rechten Knöchel verspürt. Diese Darstellung
ließ offen, ob der Tritt erst erfolgte, als der Zeuge bereits hingefallen war oder ob der Tritt
den Sturz herbeiführte. Auf weiteren Vorhalt vermochte der Zeuge nicht zu bestätigen,
daß der Kläger ihn erst trat, als er bereits hingefallen war. Er vermochte den Zeitablauf
nicht zu präzisieren, sondern meinte, Tritt und Fall seien zeitlich nahezu
zusammengefallen. Anhaltspunkte für eine vorsätzliche Tat fehlen danach, zumal die
Angaben, die der Zeuge D. zeitnah nach dem Vorfall machte, nicht dafür sprechen, daß
er erst getreten wurde, als er schon am Boden lag. Vielmehr heißt es in der Darstellung
des behandelnden Arztes vom 16. Dezember 1997, die auf den Angaben D. beruhte,
der Zeuge sei durch den Tritt "weggeknickt" und so verletzt worden. Diese Darstellung
erscheint plausibel, zumal es nicht nur zu einem Knochenbruch, sondern darüber
hinaus auch zu einem Bänderabriß kam. Im übrigen hat der Zeuge auch vor dem
Landgericht nach einer zunächst nicht ganz eindeutigen Schilderung des zeitlichen
Ablaufs eindeutig bekundet, er sei "durch das Wehren des Klägers zu Fall gekommen",
er habe einen Schlag bekommen und sei "dann" hingefallen.
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Der Zeuge W. M. konnte zu dem Vorfall, der zur Verletzung des Zeugen führte, keine
Angaben machen, sondern nur zu Erklärungen des Klägers am nächsten Tag. Aus der
Aussage dieses Zeugen lassen sich keine Rückschlüsse darauf ziehen, daß die
Verletzung vorsätzlich erfolgte.
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Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme ist dementsprechend nicht von einer
vorsätzlichen Tat auszugehen.
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Die prozessualen Nebenentscheidungen folgen aus den §§ 97 Abs. 1, 108, 708 Nr. 10,
711 ZPO.
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Streitwert für das Berufungsverfahren und zugleich Wert der Beschwer für die Beklagte:
80.000 DM
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