Urteil des OLG Köln vom 17.12.1993

OLG Köln (abweisung der klage, firma, erwerb, zpo, haftung, vater, ausfertigung, beweisaufnahme, fahrzeug, kläger)

Oberlandesgericht Köln, 11 U 145/93
Datum:
17.12.1993
Gericht:
Oberlandesgericht Köln
Spruchkörper:
11. Zivilsenat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
11 U 145/93
Normen:
ZPO § 729; HGB § 25
Leitsätze:
Oberlandesgericht Köln, 11. Zivilsenat, Urteil vom 17.12.1993 - 11 U
145/93 -. Das Urteil ist rechtskräftig.
Nach § 729 Abs. 2 ZPO ist eine vollstreckbare Ausfertigung gegen
denjenigen, der ein unter Lebenden erworbenes Handelsgeschäft unter
der bisherigen Firma fortführt, bezüglich solcher Verbindlichkeiten zu
erteilen, für die er nach § 25 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 HGB haftet, sofern sie
vor dem Erwerb des Geschäfts gegen den früheren Inhaber rechtskräftig
festgestellt worden sind. § 729 Abs. 2 ZPO ist nach seinem eindeutigen
Wortlaut nur im Fall einer Haftung nach § 25 HGB anwendbar; eine
Ausdehnung auf andere Anspruchsgrundlagen ist nicht - auch nicht aus
Rechtsscheingrundsätzen - gerechtfertigt.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
1
Die zulässige Berufung der Beklagten ist begründet und führt zur Abweisung der Klage.
2
Der Kläger hat nicht den ihm obliegenden Beweis erbracht, daß die Voraussetzungen
erfüllt sind, unter denen ihm nach §§ 729 Abs. 2, 727 ZPO gegen die Beklagte eine
vollstreckbare Ausfertigung des gegen die St.Sch. KG erwirkten
Vollstreckungsbescheids vom 16. Mai 1989 zu erteilen wäre.
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Nach § 729 Abs. 2 ZPO ist eine vollstreckbare Ausfertigung gegen denjenigen, der ein
unter Lebenden erworbenes Handelsgeschäft unter der bisherigen Firma fortführt,
bezüglich solcher Verbindlichkeiten zu erteilen, für die er nach § 25 Abs. 1 Satz 1, Abs.
2 HGB haftet, sofern sie vor dem Erwerb des Geschäfts gegen den früheren Inhaber
rechtskräftig festgestellt worden sind.
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Hierzu hat die Beweisaufnahme nicht ergeben, daß die Beklagte das Handelsgeschäft
der KG erworben hat. Das Vorbringen des Klägers ist sogar weitgehend als widerlegt
anzusehen.
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Der Erwerb eines Handelsgeschäfts erfordert die Übernahme im ganzen, zumindest
aber des wesentlichen Kerns (vgl. Schlegelberger-Hildebrandt HGB 5. Aufl., § 25 Anm.
5).
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Es sind keine hinreichenden Anhaltspunkte dafür vorhanden, daß innerhalb der Familie
Sch. die Absprache getroffen worden ist, die Beklagte als "Auffanggesellschaft" für die
KG zu gründen und deren Vermögenswerte auf sie zu übertragen. Die Zeugen Frau
Sch. und Frau S. haben eine derartige Planung in Abrede gestellt und ausgesagt, der
Geschäftsführer der Beklagten habe sich selbständig machen wollen, weil er sich mit
seinem Vater, dem Komplementär der KG, zerstritten gehabt habe.
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Ferner kann auch aus den weiteren Vorgängen des Jahres 1989 nicht entnommen
werden, daß bei der Gründung der Beklagten oder auch später eine Übernahme des
Handelsgeschäfts der KG vereinbart worden ist und stattgefunden hat.
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Ein Erwerb des Handelsgeschäfts ist nicht schon darin zu sehen, daß die Beklagte
zuvor von der KG genutzte Büroräume im Hause der Mutter des Geschäftsführers unter
Beibehaltung des Telefonanschlusses angemietet hat, und zwar - wie jetzt klargestellt
worden ist - ab 1. September 1989. Ein Mieterwechsel, der auf einem neuen Vertrag mit
dem Eigentümer beruht, begründet nicht einen rechtlichen oder wirtschaftlichen
Zusammenhang zwischen den beiden Mietern.
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Ferner weist die Firma, die die Beklagte im Jahre 1989 angenommen hat, nicht auf
einen Erwerb des Handelsgeschäfts der KG hin. Eine Fortführung der bisherigen Firma
ist nicht nur ein selbständiges Tatbestandsmerkmal für die Haftung nach § 25 HGB,
sondern kann auch ein Anzeichen für den Erwerb des gesamten Handelsgeschäfts sein,
zumal eine Firma nicht ohne das Handelsgeschäft veräußert werden kann (§ 23 HGB).
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Die Firma "St.Sch. KG" ist jedoch zunächst nicht fortgeführt worden. Es kommt nicht
allein darauf an, daß auch in der Firma "T. Sch. A.-Bau GmbH" der Familienname Sch.
enthalten ist. Das Vorsatzwort "St." ist nicht von nebensächlicher Bedeutung, sondern ist
ausschlaggebend für die Unterscheidung gegenüber anderen Kaufleuten mit dem
Namen Sch.. Das gilt auch gegenüber T. Sch. (vgl. auch § 18 Abs. 2 Satz 2 HGB). Das
nachgestellte Wort "A.-Bau" weicht nach Bild, Klang und Bedeutung von dem Wort "St."
ab. Auch wenn es sich um verwandte Gewerbezweige handeln dürfte, so tritt das in der
Firma nicht in Erscheinung. Eine im wesentlichen übereinstimmende Firma hätte vom
Registergericht bis zum 12. Oktober 1990 gar nicht eingetragen oder geduldet werden
dürfen (vgl. §§ 30, 37 Abs. 1 HGB).
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Zu der vom Kläger darüber hinaus behaupteten Übernahme von Arbeitskräften und
Vermögenswerten hat der Zeuge V. keine Angaben machen können. Die von ihm
wiedergegebenen Wahrnehmungen aus dem Jahre 1993 stimmen im wesentlichen mit
dem unstreitigen Sachverhalt überein, lassen aber keine Rückschlüsse auf die
Verhältnisse von 1989 zu.
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Die Beweisaufnahme hat ergeben, daß die für die Beklagte tätigen Zeugen M. und Frau
S. nicht bei der KG beschäftigt gewesen sind. Frau K. M. hat für ihren Ehemann
Büroarbeiten ausgeführt, ist nach ihren Angaben aber erst seit dem 1. April 1991 bei der
Beklagten angestellt. Im übrigen würde ein Arbeitsverhältnis mit einem einzelnen
früheren Mitarbeiter der KG, noch dazu einem Familienangehörigen, nicht auf einen
Erwerb des gesamten Handelsgeschäfts hindeuten.
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Eine Übernahme von Sachwerten ist ebenfalls nicht erwiesen. Der jetzt vorhandene
Kraftwagen mit dem Kennzeichen ....... ist auch nach der Aussage des Zeugen V. der
unstreitig von der Beklagten neu angeschaffte Lkw Marke .... Auch bezüglich des
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...Transit ist eine Identität mit dem Fahrzeugbestand der KG nicht nachgewiesen. Nach
der Aussage des Zeugen M. handelt es sich um ein Fahrzeug, das zunächst ein
Subunternehmer geleast hat und das die Beklagte erst neuerdings übernommen hat.
Nach der Aussage der Zeugin M. sind zur Zeit des Konkursantrages am 1. August 1989
und bei der Begutachtung der Masse im Auftrage des Konkursgerichtes das Mobiliar,
die Arbeitsgeräte und das Fahrzeug der KG noch vorhanden gewesen; sie seien
anschließend durch die Gläubiger verwertet worden. Die Beklagte hat einige Teile der
Büroeinrichtung vom Vater der Zeugin, also dem Großvater des Geschäftsführers der
Beklagten, überlassen erhalten.
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Da nach alledem ein Erwerb des Handelsgeschäfts der KG nicht festgestellt werden
kann, braucht nicht näher darauf eingegangen zu werden, ob die Beklagte ab Januar
1991 die Firma der KG fortgeführt hat.
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Der Klageanspruch kann schon deshalb nicht auf Rechtsscheingrundsätze gestützt
werden, weil § 729 Abs. 2 ZPO nach seinem eindeutigen Wortlaut nur im Fall einer
Haftung nach § 25 HGB anwendbar ist und eine Ausdehnung auf andere
Anspruchsgrundlagen nicht gerechtfertigt ist.
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Darüber hinaus ist aber eine Rechtsscheinhaftung auch nicht gegeben. Während § 25
HGB daran anknüpft, daß ein Handelsgeschäft tatsächlich übernommen worden ist und
unter der bisherigen Firma fortgeführt wird (vgl. Baumbach-Duden-Hopt HGB 28. Aufl., §
25 Anm. 1 C; Schlegelberger-Hildebrand aaO. Anm. 6), setzt eine Rechtsscheinhaftung
voraus, daß ein von der wahren Sachlage abweichender Vertrauenstatbestand
geschaffen und für das Verhalten des anderen ursächlich geworden ist. Ein solcher Fall
liegt hier nicht vor, denn die maßgeblichen Vorgänge bezüglich der Forderung des
Klägers waren schon abgeschlossen, als die Beklagte ihren Geschäftsbetrieb
aufgenommen hat.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige
Vollstreckbarkeit auf §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO.
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Streitwert des Berufungsverfahrens und Beschwer des Klägers: 9.690,00 DM.
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