Urteil des OLG Köln vom 20.06.2007

OLG Köln: verzinsung, hauptsache, erwerb, geldschuld, öffentlich, firma, anknüpfung, rechtshängigkeit, anwendungsbereich, rechtsgrundlage

Oberlandesgericht Köln, 2 U 4/07
Datum:
20.06.2007
Gericht:
Oberlandesgericht Köln
Spruchkörper:
2. Zivilsenat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
2 U 4/07
Vorinstanz:
Landgericht Köln, 5 O 292/06
Tenor:
Auf die Berufung des Klägers wird das am 5. Dezember 2006
verkündete Urteil der 5. Zivilkammer des Landgerichts Köln - 5 O 292/06
– teilweise geändert und insgesamt wie folgt neu gefasst:
Das beklagte Land wird verurteilt, an den Kläger 1.078,22 € zu zahlen.
Die Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens sowie des
Berufungsverfahrens trägt das beklagte Land.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
G r ü n d e :
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(Anstelle von Tatbestand und Entscheidungsgründen gemäß § 540 Abs. 1 S. 1 ZPO)
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I.
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Der Kläger macht gegen das beklagte Land Zahlungsansprüche im Wege der
Insolvenzanfechtung geltend.
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Der Kläger ist Insolvenzverwalter über das Vermögen der Firma J (im folgenden:
Schuldnerin). Das Insolvenzverfahren ist am 6. Juni 2006 eröffnet worden. Die
Schuldnerin hatte an das beklagte Land am 17. März 2005 25.000,00 €, am 5. April
2005 15.000,00 € und am 15. April 2005 10.354,64 € gezahlt. Den Gesamtbetrag in
Höhe von
50.354,64 €
vorprozessuales Schreiben vom 13. Juni 2006 unter dem Gesichtspunkt der
Insolvenzanfechtung heraus. Die Zahlung vom 5. April 2005 in Höhe von 15.000,00 €
machte der Kläger mit der ursprünglichen Klage gegenüber dem beklagten Land
geltend. Nachdem das beklagte Land am 28. September 2006 den Gesamtbetrag in
Höhe von 50.354,64 € an den Kläger gezahlt hatte, haben die Parteien den Rechtsstreit
im Hinblick auf diese Zahlung in der Hauptsache übereinstimmend für erledigt erklärt.
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Der Kläger hat im Übrigen lediglich noch die Zahlung von Zinsen in Höhe von 5
Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 50.354,64 € für den Zeitraum vom 6. Juni
2006 (Tag der Insolvenzeröffnung) bis zum 28. September 2006 (Zahlungseingang)
verlangt. Diese Zinsen hat der Kläger mit einem Betrag in Höhe von 1.067,80 € beziffert.
Der Kläger hat beantragt,
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das beklagte Land zu verurteilen, an ihn 1.067,80 € zu zahlen.
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Das beklagte Land hat beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Durch das angegriffene Urteil, auf das wegen aller weiteren Einzelheiten Bezug
genommen wird, hat das Landgericht das beklagte Land unter Abweisung der Klage im
Übrigen verurteilt, an den Kläger 86,29 € zu zahlen und die Kosten des Rechtsstreits in
Höhe von 80 % dem beklagten Land und in Höhe von 20 % dem Kläger auferlegt.
Soweit die Parteien den Rechtsstreit in der Hauptsache übereinstimmend für erledigt
erklärt hätten, seien gemäß § 91 a ZPO dem beklagten Land die Kosten des
Rechtsstreits aufzuerlegen. Hinsichtlich der begehrten Zinsen könne der Kläger
lediglich einen Betrag in Höhe von 86,29 € beanspruchen. Hierbei handele es sich um
Prozesszinsen betreffend der am 19. September 2006 zugestellten Klage, die bis zum
Zeitraum der Zahlung am 28. September 2006 von dem beklagten Land geschuldet
würden.
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Mit der Berufung verfolgt der Kläger den vom Landgericht nicht zuerkannten
Zinsanspruch weiter.
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Er beantragt,
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das Urteil des Landgerichts Köln vom 5. Dezember 2006 dahin abzuändern,
dass das beklagte Land verurteilt wird, an den Kläger Zinsen in Höhe von 5
Prozentpunkten über dem Basiszinssatz gemäß § 247 BGB aus einem Betrag
von 50.354,64 € für die Zeit vom 6. Juni 2006 bis zum 28. September 2006 zu
zahlen.
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Das beklagte Land beantragt,
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die Berufung zurückzuweisen.
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Das beklagte Land hält den Zinsanspruch des Klägers für nicht begründet.
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Der Senat hat die Parteien durch Berichterstatterschreiben vom 29. März 2007 auf die
Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 2. Februar 2007 (ZIP 2007, 488) und die
hierin dargelegten Grundsätze zur Verzinsung des Anfechtungsanspruches
hingewiesen. Hierzu hat das beklagte Land durch Schriftsatz vom 16. April 2007
Stellung genommen und die Auffassung vertreten, dass der Insolvenzverwalter gegen
den Fiskus keinen Anspruch auf Verzinsung des insolvenzrechtlichen
Rückgewähranspruches habe.
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Wegen aller weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird im übrigen auf den
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vorgetragenen Inhalt der von den Parteien in beiden Instanzen gewechselten
Schriftsätze und auf die zu den Akten gereichten Unterlagen Bezug genommen.
II.
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Die in formeller Hinsicht bedenkenfreie Berufung hat auch in der Sache Erfolg. Der
Kläger hat gemäß § 143 Abs. 1 S. 2 InsO i. V. m. den §§ 819 Abs. 1, 818 Abs. 4, 291 S.
1, 288 Abs. 1 S. 2 BGB Anspruch auf Verzinsung des von dem beklagten Land
anfechtbar erworbenen Gesamtbetrages in Höhe von 50.354,64 € ab Insolvenzeröffnung
bis zum Zahlungszeitpunkt.
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1. Dem Kläger stand gegenüber dem beklagten Land hinsichtlich der in der Zeit vom 17.
März 2005 bis zum 15. April 2005 von der Schuldnerin gezahlten Beträge in der
Hauptsache ein Rückgewähranspruch gemäß §§ 143 Abs. 1 S. 1, 133 Abs. 1 InsO zu.
Dies wird auch von dem beklagten Land nicht in Abrede gestellt.
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2. Dass ein Anfechtungsgegner bei – wie hier – anfechtbarem Erwerb von Geld
jedenfalls Prozesszinsen ab Eröffnung des Insolvenzverfahrens zu entrichten hat, folgt
aus den o. g. Vorschriften und ist durch das jüngste Urteil des Bundesgerichtshofs vom
1. Februar 2007 (veröffentlicht u. a. im ZIP 2007, 488 sowie in BGH Report 2007, 415
mit – jedenfalls im Hinblick auf die Verzinsung ab Insolvenzeröffnung – zustimmender
Anmerkung von Runkel und Schmidt) nunmehr auch höchstrichterlich geklärt. Der
Kläger hat deshalb gegen das beklagte Land einen Anspruch auf Zahlung von Zinsen in
Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus einem Betrag in Höhe von
50.354,64 € für die Zeit vom 6. Juni bis zum 28. September 2006. Dies ergibt
ausgerechnet einen Zinsbetrag in Höhe von 1.078,22 €, den der Kläger von dem
beklagten Land insgesamt beanspruchen kann.
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3. Soweit das beklagte Land geltend macht, die zitierte Entscheidung des
Bundesgerichtshofs finde auf einen insolvenzrechtlichen Rückgewähranspruch gegen
den Fiskus keine Anwendung, vermag dies nicht zu überzeugen.
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a) Das beklagte Land verkennt, dass sich die von ihm zur Stützung seiner Ansicht
zitierten Entscheidungen des Bundesgerichtshofs vom 3. Februar 2004 (XI ZR 125/03 –
veröffentlicht u. a. in BGHZ 158, 1 ff.) sowie vom 30. März 2004 (XI ZR 145/03 –
veröffentlicht u. a. in JURIS) ausdrücklich nur auf die Problematik der Verzinsung
zivilrechtlicher Bereicherungsansprüche gegen den Fiskus gemäß
§ 818 Abs. 1 BGB
beziehen. In den Entscheidungen hat sich der Bundesgerichtshof der Rechtsprechung
des Bundesverwaltungsgerichts angeschlossen, wonach bei einem öffentlich-
rechtlichen Erstattungsanspruch gegen eine Behörde eine Verzinsung
wegen
tatsächlich gezogener Nutzungen
Staat öffentlich-rechtlich erlangte Einnahmen in der Regel nicht gewinnbringend anlege,
sondern über die ihm zur Verfügung stehende Mittel im Interesse der Allgemeinheit
verfüge. Dies gelte für den zivilrechtlichen Bereicherungsanspruch gegen den
Steuerfiskus entsprechend.
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b) In den Entscheidungen wird jedoch gleichzeitig ausdrücklich darauf hingewiesen,
dass auch der Fiskus gemäß
§ 819 Abs. 1 BGB
Nur darum geht es aber vorliegend. Aus der in § 143 Abs. 1 S. 2 InsO enthaltenen
Rechtsfolgenverweisung auf § 819 Abs. 1 BGB folgt, dass der Anfechtungsgegner
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unmittelbar der verschärften Haftung des § 819 Abs. 1 BGB unterworfen ist. Er wird
damit einem bösgläubigen Bereicherungsschuldner gleichgestellt. In der Entscheidung
des Bundesgerichtshofs vom 1. Februar 2007 heißt es in diesem Zusammenhang
wörtlich u. a. wie folgt:
"Mit dieser Anknüpfung ist der Herausgabeanspruch als rechtshängiger
Anspruch zu behandeln, was, wie das Berufungsgericht zu Recht
angenommen hat, auch zur Anwendung der Regeln über die Zahlung von
Prozesszinsen führt. Danach ist bei einer fälligen Geldschuld gemäß § 291 S.
1 BGB die Vorschrift des § 288 Abs. 1 S. 2 BGB entsprechend anzuwenden."
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Aus diesen – nach Einschätzung des Senats eindeutigen – Ausführungen des
Bundesgerichtshofs folgt, dass auch der Fiskus bei anfechtbarem Erwerb von Geld
Prozesszinsen ab Eröffnung des Insolvenzverfahrens zu entrichten hat. Insoweit besteht
rechtlich kein Unterschied zu der Verzinsung einer Geldschuld durch den Fiskus ab
Rechtshängigkeit im unmittelbaren Anwendungsbereich des § 291 S. 1 BGB. Auch
insoweit wird – soweit ersichtlich – von keiner Seite vertreten, dass der Fiskus von einer
in dieser Vorschrift angeordneten Verzinsung ausgenommen wäre.
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4. a) Die Kosten des gesamten Rechtsstreits beider Rechtszüge hat gemäß den §§ 91
Abs. 1, 91 a Abs. 1 ZPO das beklagte Land zu tragen. Soweit die Parteien in der ersten
Instanz den Rechtsstreit in der Hauptsache übereinstimmend für erledigt erklärt haben,
folgt die Kostenbelastung des beklagten Landes aus der auch für den Senat bindenden,
von dem beklagten Land nicht angegriffenen Kostenentscheidung des Landgerichts
gemäß § 91 a Abs. 1 ZPO. Hinsichtlich des noch dem Streit befindlichen Zinsbetrages
beruht die Kostenbelastung des beklagten Landes für die erste und die zweite Instanz
darauf, dass der Kläger vollständig obsiegt.
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b) Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit hat ihre Rechtsgrundlage in den
§§ 708 Nr. 10, 713 ZPO.
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c) Die Voraussetzung der Zulassung der Revision (§ 543 Abs. 2 S. 1 ZPO) sind nicht
erfüllt. Wie oben dargelegt worden ist, bestehen keine, jedenfalls keine vernünftigen
Zweifel daran, dass bei anfechtbarem Erwerb von Geld nach der von Senat geteilten
Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs auch der Fiskus als Anfechtungsgegner
Prozesszinsen ab Eröffnung des Insolvenzverfahrens zu entrichten hat. Die Sache hat
deshalb weder grundsätzliche Bedeutung, noch bedarf es einer Entscheidung des
Revisionsgerichts zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen
Rechtsprechung.
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Berufungsstreitwert: 991,93 € (Geltend gemachter Gesamtzinsanspruch des Klägers in
Höhe von 1.078,22 € abzüglich vom Landgericht zuerkannter 86,29 €).
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