Urteil des OLG Köln vom 30.10.1992

OLG Köln (feststellungsklage, zpo, kläger, zeitpunkt, schaden, leistungsklage, teil, leistung, konkretisierung, gutachten)

Oberlandesgericht Köln, 19 U 67/92
Datum:
30.10.1992
Gericht:
Oberlandesgericht Köln
Spruchkörper:
19. Zivilsenat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
19 U 67/92
Schlagworte:
SACHVERSTÄNDIGER; FRISTEN; ORTSTERMIN; BEWEISMITTEL
Leitsätze:
Die von einem Sachverständigen den Parteien zur Teilnahme an einem
Ortstermin gesetzten Fristen sind keine i. S. des § 356 ZP0, vielmehr ist
die Ausschließung des Beweismittels von der Versäumung einer
richterlichen Frist abhängig, die gerade zu dem Zweck gesetzt ist, das
Beweismittel beizubringen.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
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Die zulässige Berufung, bei der es nur noch um den Feststellungsantrag der Klägerin
geht, ist nicht begründet.
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1. Das Landgericht hat den Feststellungsantrag zunächst deshalb - unausgesprochen -
für unzulässig gehalten, weil ihm die Rechtskraft des Urteils in der Sache 17 O 494/89
LG Köln entgegenstehe. Da es allgemeine Prozeßvoraussetzung jeder Klage ist, daß
über den Streitgegenstand noch nicht rechtskräftig entschieden ist (vgl. Thomas/Putzow,
ZPO 17. Auflage, § 253 Vorbemerkung III A 1 i), führt das Fehlen dieser
Prozeßvoraussetzung zur Unzulässigkeit der Klage. Diese Meinung des Landgerichts
vermag der Senat jedoch nicht zu folgen. Die Klägerin hat in dem erwähnten Vorprozeß
die dort geltend gemachte Klageforderung von Anfang an als Vorschuß für die
Schadensbeseitigung bezeichnet (vgl. Blatt 10, 41 der Beiakten 17 O 494/89 LG Köln).
Das war zwar rechtlich insofern nicht richtig, als dem Beklagten ein Planungsfehler als
Architekt vorgeworfen wurde, aufgrund dessen er dann auch verurteilt worden ist. Bei
Planungsfehlern besteht aber der Datur der Sache nach kein Mängelbeseitigungs-,
sondern nur ein Schadensersatzanspruch des Auftraggebers gegen den Architekten
(vgl. Palandt/Thomas, BGB 52. Auflage, § 633 Randnr. 7 m.N.). Folgerichtig gibt es
insoweit auch keinen Vorschußanspruch in Bezug auf die Beseitigung der Mängel. Das
Landgericht hat seinerzeit deshalb dem Beklagten auch mit Recht nach § 635 BGB
verurteilt. Trotz dieses falschen rechtlichen Ausgangspunktes war aber aus dem
damaligen Vorbringen der Klägerin eindeutig ersichtlich, daß es sich nur um einen
"Vorschuß", also um einen Teil des letztlich entstehenden Schadens handeln sollte. In
solchen Fällen erfaßt aber naturgemäß die Rechtskraft des Urteils auch nur diesen Teil
des Streitgegenstandes (vgl. Thomas/Putzow, a.a.O., § 322 Randnr. 6 a). Die Klägerin
war also nicht gehindert über den im Vorprozeß und in diesem Prozeß geltend
gemachten Leistungsanspruch hinaus einen weitergehenden Anspruch geltend zu
machen.
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2. Die Feststellungsklage ist jedoch deshalb unzulässig, weil ihr das erforderliche
Feststellungsinteresse fehlt. Bereits bei Erhebung der Feststellungsklage mit Schriftsatz
vom 10. Juni 1992 hätte die Klägerin, jedenfalls in erheblichem Umfang, Leistungsklage
erheben können. Nach ständiger Rechtssprechung schon des Reichsgerichts und dann
auch des Bundesgerichtshofs ist im Falle des § 256 ZPO ein Feststellungsinteresse
regelmäßig da zu verneinen, wenn der Kläger auf Leistung klagen kann (vgl. z.B. RGZ
82, 34; 140, 235; BGHZ 5, 314; BGH LM 256 ZPO Nr. 48). Von einem Kläger kann
verlangt werden, daß er den einfachsten Weg wählt, um sein Ziel zu erreichen.
Ausnahmen von dem oben erwähnten Grundsatz sind deshalb z.B. zugelassen worden,
wenn erwartet werden kann, daß der Kläger schon aufgrund des Feststellungsurteils
von dem Beklagten befriedigt wird, oder wenn schon der Feststellungsprozeß zur
Erledigung der zwischen den Parteien aufgetretenen Streitpunkte führt und damit ein
umfangreicherer Leistungsprozeß vermieden werden kann (BGH LM § 256 ZPO Nr. 48
m.w.N. aus der Rechtssprechung). Diese Voraussetzungen liegen hier nicht vor. Es ist
nicht zu erkennen, daß der Beklagte bereit sein könnte, aufgrund eines
Feststellungsurteils Zahlungen an die Klägerin zu leisten.
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Die Klägerin wäre auch in der Lage gewesen, ihren Schaden über die Feststellungen
des im Beweissicherungsverfahren tätig gewesenen Sachverständigen Winkel hinaus
zu beziffern. Zur Begründung ihres Feststellungsantrages hat die Klägerin in erster
Instanz ausdrücklich selbst darauf hingewiesen, daß die Kostenschätzung in dem
Gutachten Winkel nur einen groben Anhaltspunkt geben könne "und die genaue
Kostenermittlung aufgrund realer Planung und Ausschreibung vorbehalten bleiben"
müßte. Der Schaden, um den es hier geht, ist schon im Jahre 1987 entstanden; Anfang
Februar 1988 hat die Klägerin das Beweissicherungsverfahren eingeleitet. Im Zuge
dieses Verfahrens hat der Sachverständige Winkel sein Gutachten am 22. Januar 1989
erstattet, das Urteil im Vorprozeß ist am 18. Januar 1991 ergangen. Nach der seither
wiederrum verstrichenen Zeit ist es der Klägerin zuzumuten, die von ihr selbst erwähnte
genaue Kostenermittlung zu veranlassen und aus deren Grundlage Leistungklage zu
erheben. Der anspruchsbegründende Sachverhalt, nämlich die Fehlplanung des
Beklagten und die daraus resultierenden Baumängel, war zum Zeitpunkt der Erhebung
der Feststellungsklage längst abgeschlossen. Generell liegt dann die Annahme nicht
fern, der Geschädigte könne den geschuldeten Schadensersatz beziffern und
demzufolge auf Leistung klagen (vgl. BGH LM § 256 ZPO Nr. 126). Nur wenn sich der
anspruchsbegründende Sachverhalt im Zeitpunkt der Klageerhebung noch in der
Entwicklung befindet, steht der Umstand, daß in diesem Zeitpunkt eine teilweise
Bezifferung des Schadens möglich wäre, der Bejahung des Feststellungsinteresses
jedenfalls dann nicht entgegen, wenn der Anspruch seiner Natur nach sinnvollerweise
erst nach Abschluß seiner Entwicklung beziffert werden kann (BGH, a.a.O. m.w.N.). Im
vorliegenden Fall hätte die Klägerin die von ihr selbst erwähnte genaue
Kostenermittlung betreiben können und müssen, um auf dieser Grundlage
Leistungsklage zu erheben. Auch angebliche Folgeschäden wegen Beeinträchtigung
vermieteter Räume könnten aus dieser Grundlage beziffert werden, allenfalls noch
verbleibende Unsicherheiten hätten dann zusätzlich im Wege der Feststellungsklage
geltend gemacht werden können. Würde die Klägerin jetzt ein Feststellungsurteil
erstreiten, dann müsse sie später in einem Leistungsprozeß eben die Konkretisierung
nachholen, die sie jetzt versäumt hat. Wie schon ausgeführt, würde ein Leistungsprozeß
im vorliegenden Falle gerade nicht vermieden werden. Es besteht aber kein
vernünftiges Interesse einer Feststellungsklage, wenn der Kläger die Konkretisierung,
die er schon jetzt bringen könnte, in einem späteren Prozeß bringen müßte. Das
bisherige Verhalten der Klägerin zeigt, daß sie den Schaden nicht vorab beheben und
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dann die verauslagten Beträge geltend machen will. Auch unter diesem Gesichtspunkt
wäre die Sachlage in einem späteren Leistungsprozeß keine andere als jetzt. Unter
diesen Umständen ist eine Feststellungsklage wirtschaftlich nicht sinnvoll. Anstatt einen
unnötigen Prozeß zu vermeiden, führt die Klägerin gerade einen solchen mit der
Feststellungsklage.
Da die Berufung somit keinen Erfolg haben konnte, hat die Klägerin ihre Kosten nach §
97 Abs. 1 ZPO zu tragen. Das Urteil ist nach den §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO vorläufig
vollstreckbar.
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Wert der Beschwer der Klägerin: 3.000,00 DM (vgl. den Streitwertbeschluß des Senats
vom 24. März 1993).
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