Urteil des OLG Köln vom 07.03.1995

OLG Köln (abweisung der klage, eintritt des versicherungsfalles, vgb, allgemeine versicherungsbedingungen, kläger, wohnung, auslegung, rechnung, sache, schaden)

Oberlandesgericht Köln, 9 U 290/94
Datum:
07.03.1995
Gericht:
Oberlandesgericht Köln
Spruchkörper:
9. Zivilsenat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
9 U 290/94
Vorinstanz:
Landgericht Köln, 24 0 376/92
Tenor:
Auf die Berufung der Beklagten wird das am 16.05.1994 verkündete
Urteil der 24. Zivilkammer des Landgerichts Köln - 24 0 376/92 -
teilweise geändert und wie folgt neu gefaßt: Die Beklagte wird unter
Abweisung der Klage im übrigen verurteilt, an den Kläger 567,72 DM
nebst 4 % Zinsen seit dem 15.07.1992 zu zahlen. Die weitergehende
Berufung wird zurückgewiesen. Die Kosten des Rechtsstreits trägt der
Kläger. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
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Die in formeller Hinsicht bedenkenfreie Berufung hat zum überwiegenden Teil in der
Sache selbst Erfolg.
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Die Beklagte ist lediglich verpflichtet, über die erbrachten Entschädigungsleistungen
hinaus wei-tere 567,72 DM für eine Wohnungseingangstür Limba F 30 gemäß der
Rechnung der Fa. K. J. Sch. vom 12.04.1992 (Bl. 26 d.A.) zu zahlen. Von den dort
unter Position 2. in Rechnung gestellten drei Türen zu einem Stückpreis von 498,00
DM Netto gehört unstreitig eine Tür zu der vom Brand betroffenen Wohnung im
zweiten Obergeschoß. Die Beklagte be-streitet auch nicht, dem Grunde nach die in
dieser Wohnung entstandenen Schäden einschließlich der Mehrkosten infolge
behördlicher Auflagen, soweit sich diese auf die Wohnung beziehen, entschädigen
zu müssen. Es ist deshalb unzutreffend, wenn sie in der Klageerwiderung vom
26.11.1992 auf Seite 5 unter Buchstabe e) die diesbezügliche Rechnung der Fa. Sch.
generell von der Regulierung ausschließen will, weil die betreffenden Leistungen
nichts mit dem Schaden zu tun hätten. Soweit sie nunmehr mit dem (nicht
nachgelassenen) Schriftsatz vom 08.02.1995 vorträgt, die Wohnungseingangstür sei
mit einem Betrag von 2.000,00 DM gemäß der Aufstel-lung ihres
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Regulierungsbeauftragten vom 14.07.1992 (Bl. 53 d.A.) bezahlt worden, steht dies mit
ihrem bisherigen Vorbringen in Widerspruch. Den Betrag von 2.000,00 DM hat sie
gemäß Schriftsatz vom 16.03.1993 (dort S. 2 zu Ziff. 4. = Bl. 74 d.A.) auf die vom
Kläger geltend gemachte Posi-tion "Feuerschutzwand im Treppenhaus" in Höhe von
1.938,60 DM bezahlt, die zwar auch mit dem "Ge-schoßabschlußelement" zwischen
Wohnung und Treppen-haus im zweiten Obergeschoß im Zusammenhang steht (vgl.
den Vortrag des Klägers auf S. 3 des Schrift-satzes vom 16.02.1993 zu Ziff. 2. = Bl. 67
d.A.), aber nicht die Wohnungstür selbst enthält (siehe Rechnung der Fa. Sch. vom
05.12.1991, Bl. 20 d.A.). Diese ist daher noch zu bezahlen.
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Weitergehende Ansprüche stehen dem Kläger jedoch nicht zu. Die Beklagte ist
entgegen der Auffassung des Landgerichts nicht verpflichtet, auch die-jenigen
Aufwendungen zu ersetzen, die dem Kläger aufgrund behördlicher
Brandschutzauflagen erwachsen sind, aber andere Wohnungen und Gebäudeteile
betreffen und nicht die vom Brand in Mitleiden-schaft gezogene Wohnung im zweiten
Obergeschoß. Eine solche Verpflichtung folgt nicht aus der Bestimmung des § 15 Nr.
3 VGB 88, wonach auch die notwendigen Mehrkosten infolge behördlicher Auflagen
auf der Grundlage bereits vor Eintritt des Versicherungsfalles erlassener Gesetze und
Verordnungen ersetzt werden. Von dieser Regelung werden bei zutreffender
Auslegung der Bestimmung nur Mehrkosten infolge solcher behördlicher Auf-lagen
erfaßt, die sich auf beschädigte oder zerstörte versicherte Sachen beziehen und die
Kosten der Schadensbeseitigung erhöhen. Insoweit besteht auch keine Unklarheit
i.S.d. § 5 AGBG, wie sie vom Landgericht angenommen worden ist.
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Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichts-hofs sind Allgemeine
Versicherungsbedingungen so auszulegen, wie sie ein durchschnittlicher Versi-
cherungsnehmer bei verständiger Würdigung und auf-merksamer Durchsicht unter
Berücksichtigung des er-kennbaren Sinnzusammenhanges verstehen muß (so zu-
letzt noch BGH VersR 1995, 162 f.). Eine an diesen Grundsätzen ausgerichtete
Auslegung des § 15 Nr. 3 VGB 88 ergibt aber folgendes: Wie schon die Über-schrift
"Entschädigungsberechnung" zeigt, soll § 15 nur die Höhe der Entschädigung
regeln, nicht aber die Frage, welche Schäden (hier in Form von Auf-wendungen zur
Erfüllung behördlicher Auflagen) vom Versicherungsschutz umfaßt werden. Letzteres
wird vielmehr in den §§ 1 bis 9 VGB 88 geregelt. Geht es daher, wie hier, um
Schäden in Form von Aufwendun-gen anläßlich eines Versicherungsfalles, muß, ehe
die Entschädigung anhand von § 15 VGB 88 berechnet werden kann, zunächst
einmal anhand der §§ 1 ff. VGB 88 festgestellt werden, ob der Schaden vom Ver-
sicherungsschutz erfaßt wird. Das setzt eine Klä-rung dahingehend voraus, welche
Sachen versichert sind und inwieweit an diesen Sachen versicherte Schäden
eingetreten sind. Geht man vorliegend so vor, beantwortet sich die Frage, ob auch
Kosten infolge solcher behördlicher Auflagen gedeckt sind, die sich zwar auf
versicherte Sachen beziehen, nicht aber auf vom Schaden betroffene Sachen, im
negativen Sinne von selbst. Wie aus § 4 VGB 88 unzweifelhaft hervorgeht, werden
ausschließlich solche versicherten Sachen vom Versicherungsschutz umfaßt, die
zerstört oder beschädigt werden oder abhanden kommen. Nur auf solche Sachen
kann sich demzufolge auch die Entschädigungsberechnung nach § 15 beziehen,
was durch Nr. 1 dieser Bestimmung nochmals verdeutlicht wird. Wenn es dort heißt,
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daß Entschädigung "bei zerstörten" bzw. "bei beschädig-ten" Sachen geleistet wird,
müssen auch die in Nr. 2 und 3 der Bestimmung angesprochenen notwendigen
Mehrkosten sich auf zerstörte oder beschädigte Sachen beziehen; das erschließt sich
einem durch-schnittlichen Versicherungsnehmer sowohl aus dem äußeren
Zusammenhang der Ziff. 1 bis 3 des § 15 als auch aus dem erkennbaren
Sinnzusammenhang.
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Im Ergebnis bedeutet das dann, daß in Schadens-fällen, in denen es um
reparaturfähige Schäden an Einzelsachen oder Teilen von Sachen geht, Mehrko-sten
infolge behördlicher Auflagen nur dann ersetzt werden, wenn sie bei der Reparatur
gerade dieser Sachen angefallen sind; und nur bei einem Total-schaden, der eine
komplette Wiederbeschaffung oder Wiederherstellung erfordert, sind auch
Mehrkosten infolge solcher behördlicher Auflagen zu ersetzen, die sich auf
unbeschädigte Teile beziehen, da in diesen Fällen auch solche Teile im Rahmen der
Wie-derherstellung oder Wiederbeschaffung der total be-schädigten Sache zu
ersetzen und damit zu entschä-digen sind (so auch Martin, SachversR, 3. Aufl., Q IV
50 ff., der die vorliegende Problematik aller-dings im Rahmen der Begriffe
"Versicherungswert" bzw. "notwendige Reparaturkosten" erörtert und § 15 Nr. 3 VGB
88 insoweit nur als Klarstellung dessen ansieht, was sich aus einer zutreffenden
Interpre-tation dieser Begriffe ohnehin schon ergibt). Da im vorliegenden Fall aber
kein Totalschaden des gesam-ten Gebäudes gegeben war, sondern entweder Total-
schäden an einzelnen Sachen (z.B. einer Tür) oder Reparaturschäden, kann es nur
darum gehen, ob und inwieweit sich die Schadensbeseitigungskosten bei den
zerstörten oder beschädigten Einzelsachen in-folge behördlicher Auflagen erhöht
haben.
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Soweit das Landgericht eine andere Auslegung des § 15 Nr. 3 VGB 88 deshalb für
vertretbar hält, weil die behördlichen Auflagen nur "in mehr oder weniger zufälligem
Zusammenhang mit dem Versicherungsfall nach dessen Eintritt" zu stehen brauchen
(vgl. S. 6 unten, 7 oben des Urteils), wird die Frage, auf welche Sachen sich die
behördlichen Auflagen beziehen müssen - nur auf beschädigte oder auch auf
unbeschädigte Teile der versicherten Sache -, mit der Frage verwechselt, ob die
Auflagen in sachli-chem Zusammhang mit dem Eintritt des Versicherungs-falles, hier
des Brandschadens, stehen müssen oder nur "anläßlich" des Versicherungsfalles zu
ergehen brauchen. Auch wenn letzteres für die Eintritts-pflicht des Versicherers
genügt, besagt das noch nicht, daß auch Mehrkosten infolge behördlicher Auflagen
zu ersetzen sind, die sich auf vom Scha-densereignis nicht betroffene Sachen
beziehen. Eine solche Auslegung der Bestimmung des § 15 Nr. 3 VGB 88 würde
auch zu unhaltbaren Ergebnissen im Einzel-fall führen. So wäre es denkbar, daß in
einem grö-ßeren Gebäudekomplex die infolge behördlicher Auf-lagen
durchzuführenden Baumaßnahmen ein Vielfaches der eigentlichen
Schadensbeseitigungskosten ausma-chen, was von einem Feuerversicherer
schlechter-dings bei der Prämiengestaltung nicht mehr kalku-lierbar ist.
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Bei verständiger Würdigung der Bestimmung erscheint nach alledem nur die hier
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vorgenommene Auslegung vertretbar, so daß eine Unklarheit i.S.v. § 5 AGBG nicht
besteht.
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Die Beklagte hat somit nur solche notwendigen Mehr-kosten infolge behördlicher
Auflagen zu ersetzen, die im Zusammenhang mit der Beseitigung des Brand-
schadens, d.h. im Zuge der Wiederbeschaffung oder Wiederherstellung zerstörter
oder beschädigter Sa-chen angefallen sind. Dazu gehören von den seitens des
Klägers hier geltend gemachten Aufwendungen zum einen die Kosten der
Wohnungseingangstür für die Wohnung im zweiten Obergeschoß, wie oben bereits
ausgeführt, und zum anderen die Position "Feuer-schutzwand im Treppenhaus" in
Höhe von 1.938,60 DM, die jedoch, wie gleichfalls schon erwähnt, nach dem
schlüssigen Vorbringen der Beklagten bereits bezahlt worden ist. Da in erster Linie
die Til-gungsbestimmung des Schuldners maßgebend ist (vgl. § 366 Abs. 1 BGB),
der Kläger aber nicht schlüssig dargelegt hat, daß die Beklagte mit der Zahlung von
2.000,00 DM eine andere Teilschuld hat begleichen wollen - der handschriftliche
Vermerk des Regulie-rungsbeauftragten im Schriftsatz der Bevollmächtig-ten des
Klägers vom 19.05.1992: "./. 2.000,00 für Tür" (Bl. 13 d.A.) reicht nicht aus -, ist
insoweit von dem Vorbringen der Beklagten auszugehen.
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Nach alledem war auf die Berufung der Beklagten hin das Urteil des Landgerichts
abzuändern und die Klage bis auf den Betrag von 567,72 DM nebst Zinsen
abzuweisen.
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Die Entscheidungen über die Kosten und die vor-läufige Vollstreckbarkeit beruhen
auf den §§ 91 Abs. 1, 92 Abs. 2, 708 Nr. 10, 713 ZPO.
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Ein Anlaß, entsprechend der Anregung des Klägers die Revision zuzulassen, besteht
nicht. Allein der Umstand, daß es vorliegend um die Auslegung einer Bestimmung
der Allgemeinen Versicherungsbedingungen geht, verleiht der Sache noch keine
grundsätzliche Bedeutung i.S.v. § 546 Abs. 1 Nr. 1 ZPO (vgl. auch Zöller/Schneider,
ZPO, 18. Aufl., Rdnr. 31 zu § 546).
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Streitwert für das Berufungsverfahren: 28.714,33 DM Wert der Beschwer für den
Kläger: 28.146,61 DM; Wert der Beschwer für die Beklagte: 567,72 DM.
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