Urteil des OLG Köln vom 14.01.2002

OLG Köln: allgemeine geschäftsbedingungen, sicherheitsleistung, verfügung, firma, versicherung, erlass, verfahrenskosten, glaubhaftmachung, bankbürgschaft, beweismittel

Datum:
Gericht:
Spruchkörper:
Entscheidungsart:
Tenor:
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Aktenzeichen:
Vorinstanz:
Oberlandesgericht Köln, 11 U 96/01
14.01.2002
Oberlandesgericht Köln
11. Zivilsenat
Beschluss
11 U 96/01
Landgericht Köln, 18 O 13/01
Die Kosten des übereinstimmend für erledigt erklärten Verfahrens hat die
Verfügungsklägerin zu tragen.
Gründe:
Auf die zulässige Berufung ist nur noch über die Verfahrenskosten zu entscheiden,
nachdem die Parteien das Verfahren übereinstimmend für erledigt erklärt haben (§ 91a
Abs. 1 ZPO).
Es entspricht billigem Ermessen, die Verfahrenskosten beider Instanzen der
Verfügungsklägerin aufzuerlegen; die Voraussetzungen für den Erlass einer einstweiligen
Verfügung sind nicht hinreichend glaubhaft gemacht worden. Der Vortrag der
Verfügungsklägerin im Berufungsverfahren und die hier vorgelegten eidesstattlichen
Versicherungen führen zu keiner abweichenden Beurteilung. Die Verfügungsklägerin hat
ihren Verfügungsantrag darauf gestützt, dass die Vereinbarungen über die Stellung einer
Sicherheit in § 11 der Verträge als "Allgemeine Geschäftsbedingungen" unwirksam seien.
Dieser Einwand rechtfertigte den Erlass der erstrebten einstweiligen Verfügung gegen den
Verfügungsbeklagten nicht.
1.
Die Bürgschaft auf erstes Anfordern dient der schnellen Durchsetzung der gesicherten
Ansprüche; deshalb können, sofern die formellen Voraussetzungen für die Zahlungspflicht
des Bürgen vorliegen, der Inanspruchnahme Einwendungen tatsächlicher und/oder
rechtlicher Art auch nur in Ausnahmefällen entgegen gehalten werden; sie sind einem
künftigen Rechtsstreit auf Rückforderung der Bürgenleistung vorbehalten, es sei denn, die
Inanspruchnahme der Bürgschaft stellt sich als eine missbräuchliche und für jedermann
klar erkennbare Ausnutzung einer formalen Rechtsposition dar (Arglisteinwand aus § 242
BGB; vgl. u.a. BGH, NJW 2000, 1563, 1564; 2001, 1857; OLG Düsseldorf, WM 2001, 2294,
2295 f. = BauR 2001, 1940 ff., jeweils mit weiteren Nachweisen). Nichts anderes gilt für den
Einwand, die Vereinbarung über die Sicherheitsleistung (auf erstes Anfordern) sei "von
Anbeginn an" unwirksam; dies kann der Inanspruchnahme nur entgegengehalten werden,
wenn sich dies aus dem unstreitigen Parteivorbringen oder dem Inhalt der
Vertragsurkunden ohne Weiteres entnehmen lässt (BGH, NJW 2000, 1563, 1564; 2001,
1857, 1858).
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Daraus folgt:
Der Hauptschuldner (Verfügungsklägerin) hat zwar die Möglichkeit, sich gegen die
Inanspruchnahme der Bürgschaft auf erstes Anfordern durch den Gläubiger auch im Wege
der einstweiligen Verfügung zur Wehr zu setzen (vgl. etwa OLG Düsseldorf, a.a.O.; OLG
Köln, BauR 1998, 555 ff.); er kann die Inanspruchnahme des Bürgen aber nur dann
erfolgreich abwehren, wenn er mit liquiden Mitteln glaubhaft macht, dass der
Sicherungsgläubiger eine formale Rechtsstellung missbraucht; jede andere Betrachtung
würde die unbedingte Zahlungspflicht des Bürgen durch prozessuale Maßnahmen des
Hauptschuldners unterlaufen (ebenso OLG Köln, a.a.O., S. 558).
Die Verfügungsklägerin hat hier vorgetragen, die vertraglichen Regelungen über die
Sicherheitsleistungen seien als Allgemeine Geschäftsbedingungen unwirksam, wofür auch
ein Anscheinsbeweis streite (in diesem Sinne OLG Düsseldorf, WM 2001, 2294, 2297 =
BauR 2001, 1940, 1943 f.; dazu Kemper, IBR 2001, 616). Ob dies zutreffend ist, kann hier
jedoch dahin stehen; denn nach dem in beiden Instanzen bis zur Erledigung vorgetragenen
Sachverhalt und den vorgelegten Urkunden kann von einem rechtsmissbräuchlichen
Vorgehen des Verfügungsbeklagten nicht gesprochen werden.
a) Soweit sich nämlich die Verfügungsklägerin gegen die Inanspruchnahme des Bürgen
aus der Vertragserfüllungsbürgschaft mit dem Hinweis wendet, es lägen hier insoweit
unwirksame Allgemeine Geschäftsbedingungen vor, bestehen hiergegen rechtliche
Bedenken: Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist die in Allgemeinen
Geschäftsbedingungen eines Bauvertrages enthaltene Verpflichtung, bei
Vertragsunterschrift eine Vertragserfüllungsbürgschaft auszuhändigen, unabhängig von der
näheren Ausgestaltung der Rückgabe dieser Bürgschaft jedenfalls mit § 9 Abs. 1 AGBG
vereinbar (BGH, BauR 2000, 1498, 1500 = NJW-RR 2000, 1331 ff. = NZBau 2000, 424 ff.);
hieran anschließend wird die Auffassung vertreten, dass auch eine unter Kaufleuten im
Baugewerbe vereinbarte Vertragserfüllungsbürgschaft auf erstes Anfordern dem Maßstab
des § 9 AGBG stand hält (OLG Jena, BauR 2001, 654, 655; OLG München, BauR 2001,
1618, 1620 = ZfIR 2001, 465, 467 mit Anmerkung von Vogel, S. 469 ff.; dazu ablehnend:
Siegburg, EWiR § 17 VOB/B 2/01, 785; Schmitz, IBR 2001, 420; a.A. auch OLG Dresden,
BauR 2001, 1447, 1449 f.).
Dem gegenüber können, wie die Verfügungsklägerin zutreffend darlegt,
Gewährleistungsbürgschaften, wenn sie in Allgemeinen Geschäftsbedingungen enthalten
sind, unwirksam sein (vgl. BGHZ 136, 27, 32 f. = NJW 1997, 2598, 2599; BGH, NJW 2000,
1863, 1864 = BauR 2000, 1052, 1053; OLG Hamburg, BauR 2000, 445, 446; OLG
München, BauR 1995, 859, 860; siehe aber: OLG München, BauR 2001, 1618, 1620 ff.;
OLG Hamburg, BauR 1997, 668 ff.). Indes muss hier darauf im Einzelnen nicht
eingegangen werden, weil weder auf der Hand liegt noch kraft Anscheins glaubhaft
gemacht ist, dass die Inanspruchnahme der Bürgschaften hier auf "Allgemeinen
Geschäftsbedingungen" beruht:
b) Zweifelhaft ist bereits, ob es sich bei den Vertragsklauseln, die die Stellung der
Sicherheit betreffen, um Allgemeine Geschäftsbedingungen handelt, die der
Verfügungsbeklagte "gestellt" hat (§ 1 Abs. 1 Satz 1 AGBG). Die Vertragstexte selbst sind
nämlich keine "vorgedruckten" Formulare, sondern jeweils auf dem Computer der von dem
Verfügungsbeklagten beauftragten Firma PB H. GmbH aus Textbausteinen
zusammengesetzt worden. Nach § 1 Abs. 1 Satz 2 AGBG ist es zwar gleichgültig, ob die
Vertragsbestimmungen einen äußerlich gesonderten Bestandteil des Vertrags bilden oder
in die Vertragsurkunde selbst aufgenommen werden, auch welchen Umfang sie haben, in
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welcher Schriftart sie verfasst sind und welche Form der Vertrag hat.
Nach dem Inhalt der vorgelegten eidesstattlichen Versicherungen (Bl. 34 ff. AH),
insbesondere der des Geschäftsführers der Firma PB H. GmbH, Herrn W. (Bl. 37 AH), liegt
es auch nahe anzusetzen, dass die Vereinbarungen in § 11 der Verträge letztlich von
Seiten des Verfügungsbeklagten gestellt worden sind. In seiner eigenen eidesstattlichen
Versicherung vom 05.04.2001 führt der Verfügungsbeklagte aber dem gegenüber aus, die
Klägerin habe nach der damaligen Mitteilung der Firma PB H. GmbH eine
Sicherheitsleistung durch Bankbürgschaft vorgeschlagen, was sodann in den Auftrag
eingeflossen sei (Bl. 52 d.A.).
Dieser Sachvortrag ist durch die vorgelegten Urkunden nicht entkräftet worden; die
eidesstattlichen Versicherungen des Zeugen W. sind als Mittel der Glaubhaftmachung
keine "liquiden" Beweismittel (vgl. § 294 ZPO); an sie lässt sich erst recht kein
"Anscheinsbeweis" anknüpfen.
c) Grundlegende Bedenken bestehen auch, ob die Vertragsbedingungen für eine Vielzahl
von Verträgen vorformuliert wurden, wofür an sich schon die beabsichtigte dreimalige
Verwendung ausreicht (BGH, WM 2001, 2352 ff. mit weiteren Nachweisen). Der
Verfügungsbeklagte hat die Vertragsklauseln über die Stellung einer Sicherheit indes
lediglich bei den beiden hier in Frage stehenden Bauprojekten verwendet. Nach der
eidesstattlichen Versicherung des Herrn W. vom 06.07.2001 wurden die Textbausteine des
§ 11 (der Verträge) zwar auch in "anderen" Verträgen verwendet. Ob damit aber eine von
einem Dritten für eine Vielzahl von Verträgen vorgefertigte Vertragsgestaltung vorliegt, die
für die Anwendung des AGB-Gesetzes ausreicht (vgl. BGH, NJW 1991, 843; Ulmer in:
Ulmer/Brandner/Hensen, AGBG, 9. Aufl., § 1 Rn. 24 mit weiteren Nachweisen), oder es
sich um eine Gestaltung handelt, bei der lediglich eine Individualvereinbarung (unter
Benutzung üblicher Muster) getroffen wurde (vgl. BGH, NJW 1991, 843), ist nicht
hinreichend deutlich geworden oder glaubhaft gemacht.
Zwar mögen hier die für den Zeitpunkt des Vertragsabschlusses vorgetragenen und durch
eidesstattliche Versicherungen untermauerten Umstände es nahe legen anzunehmen,
dass die Sicherheitsleistung (§ 11 der Verträge) gerade nicht "ausgehandelt" wurde, weil
auf Seiten des Verfügungsbeklagten insoweit keine Verhandlungsbereitschaft bestand (vgl.
hierzu die eidesstattlichen Versicherungen des Geschäftsführers der Firma PB H. GmbH,
W., Bl. 37 AH und Bl. 109 d.A.). Das hat auch das Landgericht zutreffend gesehen. Nach
den Ausführungen des Verfügungsbeklagten in der eidesstattlichen Versicherung vom
05.04.2001 haben die Parteien lediglich in einigen anderen Punkten Verhandlungen
geführt haben. Die Frage, ob allgemeine Geschäftsbedingungen vorliegen oder nicht,
entscheidet sich aber nicht (nur) nach dem gesamten Vertragsinhalt; vielmehr können auch
einzelne Klauseln (in im Übrigen individuell ausgestalteten Verträgen) Allgemeine
Geschäftsbedingungen sein (BGHZ 75, 15, 20; BGH, NJW 1997, 135; 1998, 2600 f.).
Für ein "Aushandeln" kann es aber schon ausreichen, dass - wie der Verfügungsbeklagte
eidesstattlich versichert hat - die Vereinbarung über die Sicherheitsleistung (auf Bitten der
Verfügungsklägerin) nachträglich geändert wurde. Änderungen, die auf nachträglichen
Verhandlungen der Parteien beruhen und dem Vertragspartner eine hinreichende
Gestaltungsfreiheit belassen, bedeuten ein nachträgliches "Aushandeln" und machen das
Vereinbarte damit zu einer Individualvereinbarung (vgl. dazu Kötz in: MünchKomm zum
BGB, 3. Aufl., § 1 AGBG, Rn. 22; Basedow in: MünchKomm zum BGB, 4. Aufl., § 1 AGBG,
Rn. 40; Ulmer in: Ulmer/ Brandner/ Hensen, a.a.O., § 1 Rn. 46, 57).
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Es mag sein, dass es nicht schon ausreicht, wenn der Verfügungsbeklagte lediglich
hinsichtlich der Höhe der Bürgschaftsbeträge, nicht aber hinsichtlich der grundsätzlichen
Verpflichtung zur Stellung einer Sicherheit auf erstes Anfordern verhandlungsbereit war
(vgl. auch BGH, NJW 1991, 1678, 1679); indes sind hier insoweit weder in der einen noch
in der anderen Hinsicht ausreichende Anhaltspunkte vorhanden.
2.
Im Endergebnis waren somit die Kosten des Verfahrens auf Erlass der einstweiligen
Verfügung für beide Instanzen der Verfügungsklägerin aufzuerlegen.
Der Streitwert für das Berufungsverfahren
und
angefochtenen Entscheidung gemäß § 25 Abs. 2 Satz 2 GKG - der Streitwert für das
erstinstanzliche Verfahren werden auf 42.802,06 DM festgesetzt (das ist die Hälfte des
Hauptsachewertes von 85.604,12 DM, worauf der Wert des Verfahrens wegen dessen
vorläufigen Charakters festzusetzen ist, § 3 ZPO).