Urteil des OLG Köln vom 22.05.2001

OLG Köln: treu und glauben, widerklage, mietvertrag, abweisung, unternehmen, beendigung, sicherheitsleistung, vollstreckung, zustellung, willenserklärung

Datum:
Gericht:
Spruchkörper:
Entscheidungsart:
Tenor:
1
2
3
4
Aktenzeichen:
Vorinstanz:
Oberlandesgericht Köln, 18 U 23/01
22.05.2001
Oberlandesgericht Köln
18. Zivilsenat
Urteil
18 U 23/01
Landgericht Köln, 21 O 4/99
Die Berufung der Klägerin gegen das am 20.7.2000 verkündete Urteil der
21. Zivilkammer des Landgerichts Köln wird zurückgewiesen. Die Kosten
des Berufungsverfahrens trägt die Klägerin. Das Urteil ist vorläufig
vollstreckbar. Die Klägerin darf die Vollstreckung gegen
Sicherheitsleistung in Höhe von 170.000 DM abwenden, sofern nicht die
Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe erbringt. Die
Sicherheitsleistung kann auch durch die selbstschuldnerische Bürgschaft
eines im Inland als Zoll- und Steuerbürgen zugelassenen Kreditinstituts
erbracht werden.
T a t b e s t a n d
Die Parteien waren Inhaberinnen von zwei unter der Bezeichnung "S" (im Folgenden: "S-
GbR") in H. und E. in der Rechtsform einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts betriebenen
Modeboutiquen. Durch schriftliche Vereinbarung vom 30.3.1996 beschlossen sie die
Auflösung dieser Gesellschaft zum 31.3.1996 sowie die Fortführung als
einzelkaufmännisches Unternehmen durch die Klägerin. Wegen des weiteren Inhalts der
Vereinbarung wird auf die Anlage zur Klagebegründungsschrift vom 22.12.1998 verwiesen.
Die Parteien betrieben darüber hinaus gemeinsam in W. ein weiteres Modegeschäft (R.)
als Gesellschafter der W.& L. GmbH, deren Beendigung sie ebenfalls herbeiführen wollten.
Über das Vermögen der W.& L. GmbH ist zwischenzeitlich das Konkursverfahren eröffnet
worden.
Am 26.11 1996 fand nach Vorbesprechungen bezüglich der Abwicklungsmodalitäten der
Gesellschaften ein weiteres Treffen der Parteien in Anwesenheit ihrer anwaltlichen Berater
statt. Die Verhandlungen wurden hierbei durch handschriftliche Notizen des Anwalts der
Beklagten, Herrn H., festgehalten und später in Reinschrift übertragen. Die Niederschrift,
wegen deren Inhalts auf die Anlage B 6 der Klageerwiderung vom 30.7.1999 Bezug
genommen wird, enthält im wesentlichen die Vereinbarung, dass die Klägerin die
Verbindlichkeiten der "S.-GbR" übernehmen und keine Ansprüche mehr gegen die
Beklagte aus der Auseinandersetzung der GbR haben sollte. Die Beklagte sollte darüber
hinaus von der Klägerin zusätzlich 110.000 DM erhalten im Hinblich darauf, dass die
Beklagte sich verpflichtete, die Verbindlichkeiten aus dem von beiden Parteien persönlich
abgeschlossenen Mietvertrag über das Geschäftslokal der W.& L. GmbH in W. allein zu
übernehmen. Wegen des Inhalts des Mietvertrages wird auf die Anlage 1 der
5
6
7
8
9
10
11
12
13
14
15
16
17
Berufungsbegründung verwiesen.
Nachdem die Parteien Einigkeit über die Abwicklung gefunden hatten, führten sie direkt im
Anschluss eine außerordentliche Gesellschafterversammlung betreffend die W.& L. GmbH
durch, die deren Beendigung zum 31.1.1997 zum Ergebnis hatte.
Am 19.12.1996 übersandte Rechtsanwalt H. eine Niederschrift der Vereinbarung zur
Unterzeichnung an den damaligen Rechtsanwalt der Klägerin, Herrn R.. Wegen des Inhalts
des Schreibens wird auf die Anlage B 8 der Klageerwiderung vom 30.7.1999 Bezug
genommen. Rechtsanwalt R. antwortete mit Schreiben vom 21.12.1996. In diesem
Schreiben, wegen dessen weiteren Inhalts auf die Anlage B 9 der Klageerwiderung vom
30.7.1999 verwiesen wird, heißt es u.a.: "Der durch Sie niedergeschriebene Text entspricht
den Vereinbarungen zwischen den Parteien".
Die Niederschrift der "Vereinbarung" wurde von der Beklagten, nicht jedoch von der
Klägerin unterzeichnet. Diese verlangte über ihren Rechtsanwalt Änderungen, welche die
Beklagte ablehnte.
Die Beklagte, die in der Folgezeit in den Mieträumen des W. Geschäftslokals der W.& L.
GmbH ein einzelkaufmännisches Unternehmen betrieb und das Mietverhältnis unter
Zahlung des Mietzinses allein fortsetzte, konnte gegen Ende 1998 gegen Stellung eines
Nachmieters die Aufhebung des Mietvertrages erreichen.
Unter dem 23.1.1997 traf die Klägerin mit der Vermieterin eine Vereinbarung, nach der sie
gegen Zahlung von 86.000 aus dem Mietvertrag entlassen wurde.
Mit der Klage nimmt die Klägerin die Beklagte auf Zahlung von 110.041,80 DM in
Anspruch. Sie hat geltend gemacht, die Beklagte müsse ihr in Höhe von 21.449,29 DM
negativ geführtes Kapitalkonto bei der "S. GbR" ausgleichen, irrtümlich nach ihrem
Ausscheiden aus der "S. GbR" erhaltene 1.000 DM zurückzahlen sowie 87.592,51 DM für
an ein von der Beklagten betriebenes Einzelunternehmen ("M.") gelieferte Waren zahlen.
Die Klägerin hat beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an sie 110.041,80 DM nebst 9,25% Zinsen seit dem
12.11.1997 zu zahlen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen und - widerklagend - die Klägerin zur Zahlung von 110.000 DM
nebst 8% Zinsen seit dem 8.8.1997 zu verurteilen.
Die Klägerin hat die Abweisung der Widerklage beantragt.
Die Beklagte hat sich darauf berufen, die Parteien hätten am 26.11.1996 eine
rechtsverbindliche Vereinbarung getroffen, so dass die Klägerin die Bezahlung des
zugesagten Betrages in Höhe von 110.000 DM schulde.
Demgegenüber hat die Klägerin die Auffassung vertreten, es sei keine verbindliche
Einigung erzielt worden; die Beklagte könne sich ohnehin nicht auf die "Vereinbarung"
berufen, weil sie ihrer Verpflichtung zur Freistellung der Klägerin aus den mietvertraglichen
Verpflichtungen nicht nachgekommen sei im Hinblick darauf, dass sie, die Klägerin, mit der
Vermieterin die Vereinbarung vom 23.1.1997 getroffen habe.
18
19
20
21
22
23
24
25
26
27
28
29
30
31
Das Landgericht hat nach Beweisaufnahme das Zustandekommen einer verbindlichen
Vereinbarung am 26.11.1996 angenommen und mit Urteil vom 20.7.2000 die Klage
abgewiesen sowie der Widerklage stattgegeben.
Mit der form- und fristgerecht eingelegten und begründeten Berufung begehrt die Klägerin
neben der Abweisung der Widerklage die Verurteilung der Beklagten zur Zahlung von
56.297,04 DM sowie zur Freistellung von Forderungen der Warenlieferantin C. GmbH in
Höhe von 54.344,76 DM.
Die Klägerin, die Rechtsanwalt R. sowie ihrem erstinstanzlichen Prozeßbevollmächtigten
den Streit verkündet hat, wiederholt ihren erstinstanzlichen Vortrag, man habe sich am
26.11.1996 nicht rechtsverbindlich geeinigt. Im übrigens sei sie übervorteilt worden und
fechte deshalb ihre Willenserklärung wegen arglistiger Täuschung an. Rechtsanwalt R.
habe seinerzeit nicht berücksichtigt, dass nach dem Mietvertrag über das von der W.& L.
GmbH betriebene W. Ladenlokal das Mietverhältnis auf die W.& L. GmbH hätte übertragen
werden können. Hätten sie und Rechtsanwalt R. das gewusst, wäre es nicht dazu
gekommen, auf Forderungen zu verzichten und sich zusätzlich zu einer Ausgleichszahlung
zu verpflichten. Da die Parteien von einem falschen Sachverhalt ausgegangen seien,
komme der Vereinbarung gemäß § 779 BGB ohnehin keine Wirkung zu. Auch sei die
Geschäftsgrundlage für die Vereinbarung entfallen.
Die Klägerin beantragt,
unter Abänderung des angefochtenen Urteils
1. die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin DM 56.297,04 DM nebst 9,25% Zinsen seit
Zustellung des Mahnbescheids zu zahlen,
2. die Klägerin von Forderungen der Firma C. GmbH, in Höhe von DM 54.344,76 freizustellen;
3. die Widerklage abzuweisen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Wegen des weiteren Vortrags der Parteien wird auf die im Berufungsverfahren
gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
Die Berufung ist zulässig, aber unbegründet.
Das Landgericht hat zu Recht die Klage abgewiesen und der Widerklage stattgegeben.
Der Senat folgt der Beweiswürdigung des Landgerichts und teilt dessen Auffassung, dass
es am 26.11.1996 zwischen den Parteien zu einer verbindlichen Vereinbarung gekommen
ist, die von Beklagtenseite lediglich schriftlich - und zutreffend, wie der damalige Vertreter
der Klägerin, Rechtsanwalt R., bestätigt hat - festgehalten wurde. Um Wiederholungen zu
vermeiden, wird zur Begründung auf die zutreffenden und nicht ergänzungsbedürftigen
Ausführungen des landgerichtlichen Urteils Bezug genommen.
Die Vereinbarung war formfrei. Eine gesetzliche oder vertragliche Notwendigkeit zur
Einhaltung der Schriftform bestand nicht. Es ging um eine gesellschaftsrechtliche
32
33
34
35
Auseinandersetzungsvereinbarung hinsichtlich der "S. GbR" sowie der W.& L. GmbH, die
sich zugleich als Vergleich darstellte und welche die zuvor getroffenen Vereinbarungen
hinsichtlich der "S. GbR" abänderte. Es ist auch nicht ersichtlich, dass die Parteien
stillschweigend die Schriftform als Wirksamkeitsvoraussetzung ihrer Vereinbarung
vereinbart haben.
Die Vereinbarung ist nicht gemäß § 779 BGB unwirksam. Der Auffassung der Klägerin, die
Parteien seien von dem falschen Sachverhalt ausgegangen, dass die in § 17 des
Mietvertrages vorgesehene Übertragungsmöglichkeit nicht bestanden habe, kann nicht
gefolgt werden. Zum einen behauptet die Klägerin in anderem Zusammenhang, die
Beklagtenseite habe sie arglistig getäuscht. Dieser Vortrag beinhaltet, dass die
Beklagtenseite im Bewußtsein der Übertragungsmöglichkeit gehandelt hat. Zum anderen
war gerade die Frage, ob und wie man mit der Vermieterin ins Reine kam, Gegenstand der
Unsicherheit und Ungewissheit der Parteien sowie Gegenstand der Streitbeilegung und
damit gerade nicht der als feststehend zugrunde gelegte Sachverhalt (vgl. Palandt/Sprau,
BGB, 60.Aufl., § 779 Rdn 15). Zum dritten trifft aber bereits die Grundannahme der Klägerin
nicht zu, dass es ohne weiteres möglich gewesen wäre, das Mietverhältnis auf die GmbH
zu übertragen. Die Parteien hätten den Übergang des Mietvertrages nach Eintragung der
GmbH zwar unter den in § 17 des Mietvertrags aufgeführten Konditionen durchsetzen
können, nicht aber, nachdem es erhebliche Mietzinsrückstäne gegeben hatte und die
GmbH kurz vor der Liquidation stand. Darauf musste sich die Vermieterin
selbstverständlich nicht einlassen.
Die Klägerin vermag ihre Willenserklärungen bei der Vereinbarung vom 26.1.1996 nicht
erfolgreich anzufechten. Es ist schon zweifelhaft, ob die Klägerin einer Fehlvorstellung
unterlegen ist. Sie muss sich entgegen halten lassen, dass sie selber den sie persönlich
verpflichtenden Mietvertrag mit unterzeichnet hat und es sich bei der Klausel des § 17 um
eine wesentliche, zugunsten der Parteien in den Vertrag aufgenommene Regelung
handelt, die ihr schwerlich entgangen sein kann. Dies kann jedoch dahinstehen, weil
jedenfalls auf Beklagtenseite kein arglistiges Verhalten feststellbar ist. Dass Rechtsanwalt
H. auf Seiten der Beklagten kein arglistiges Verhalten vorgeworfen werden kann, folgt
bereits aus den vorstehenden Ausführungen, wonach die Regelung in § 17 des
Mietvertrages nicht durchsetzbar war. Daraus ergibt sich zugleich das Fehlen eines im
Rahmen der Haftung aus c.i.c. relevanten Aufklärungsverschuldens.
Auch aus dem Gesichtspunkt der Geschäftsgrundlage kommt keine andere rechtliche
Bewertung des Geschehens in Betracht. Dass die Klägerin trotz der Vereinbarung, die sie
nach einem bestimmten Modus von Mietverbindlichkeiten frei stellte, der Vermieterin im
Januar 1997 86.000 DM bezahlte, um aus dem Vertrag entlassen zu werden, ist ihr eigener,
durch das Verhalten der Beklagten, die sich zur Freistellung der Klägerin zum 31.12.1997
verpflichtet hatte, nicht veranlasster Entschluss, dessen Folgen sie allein zu tragen hat.
Wenn sie selber, statt sich an die Vereinbarung mit der Beklagten zu halten, eigenmächtig
die Grundlage der Vereinbarung beseitigt, kann sie sich für ihre Auffassung nicht auf Treu
und Glauben berufen, die Grundlage der Lehre über den Wegfall der Geschäftsgrundlage
sind.
Es lässt sich auch nicht feststellen, dass die Klägerin mit ihrer Zahlung eine gegenüber der
Vermieterin bestehende Schuld der Beklagten beglichen hätte. Die Beklagte hatte die in
der Vereinbarung vom 26.11.1996 näher ausgestaltete Verpflichtung übernommen, dafür
zu sorgen, dass sie allein den Mietervertrag fortführen konnte. Dies ist geschehen. Sie hat
bis Ende 1998 das Mietverhältnis fortgesetzt und danach durch Stellung eines Nachmieters
36
37
38
die Aufhebung des Mietvertrages erreicht. Dass ihr dies nur gelungen wäre bei
entsprechender Zahlung an die Vermieterin, kann nicht unterstellt werden, zumal nicht
ersichtlich ist, dass in der von der Klägerin an die Vermieterin gezahlten Abstandssumme
rückständige Mieten enthalten waren. Der schriftlichen Vereinbarung vom 23.1.1997
zwischen ihr und der Vermieterin ist vielmehr das Gegenteil zu entnehmen, weil sich die
Klägerin danach zusätzlich auch zur Zahlung bestehender Mietschulden verpflichtete.
Ist somit von einer am 26.11.1996 wirksam getroffenen Vereinbarung auszugehen, kann
die Klägerin keine der mit der Klage geltend gemachten Forderungen beanspruchen, weil
sie auf jede von ihnen verzichtet hat. Zugleich hat sie den mit der Widerklage verfolgten
Betrag entsprechend ihrer übernommenen Verpflichtung zu zahlen, der sich aus den
obigen Gründen auch nicht um den Betrag von 86.000 DM vermindert.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs.1 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige
Vollstreckbarkeit auf §§ 708 Nr.10, 711 ZPO.
Streitwert des Berufungsverfahrens und Beschwer für die Klägerin: 220.641,80 DM