Urteil des OLG Köln vom 13.05.1997

OLG Köln (spedition, culpa in contrahendo, versicherung, zeuge, cmr, frachtführer, eintritt des versicherungsfalles, transport, telefax, firma)

Oberlandesgericht Köln, 9 U 127/95
Datum:
13.05.1997
Gericht:
Oberlandesgericht Köln
Spruchkörper:
9. Zivilsenat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
9 U 127/95
Vorinstanz:
Landgericht Köln, 87 0 78/94
Tenor:
Die Berufung der Klägerin gegen das am 13. Januar 1995 verkündete
Urteil der 7. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Köln - 87 0
78/94 - wird zurückgewiesen. Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt
die Klägerin. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf eine
Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 25.000,00 DM
abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in
gleicher Höhe leistet. Der Klägerin wird gestattet, Sicherheit auch durch
eine selbstschuldnerische Bürgschaft einer deutschen Großbank,
öffentlich-rechtlichen Sparkasse oder Genossenschaftsbank zu
erbringen.
T a t b e s t a n d
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Die Klägerin begehrt von der Beklagten Entschädigung wegen eines Verlustes von
9.000 Paar Schuhen im Werte von 349.150,00 DM auf einem Lkw-Transport von D.
nach Moskau. Sie hatte für die Firma B. Speditions-GmbH in B.S. mit der Besorgung des
Transports beauftragt.
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Am 14. Februar 1994 richtete die Spedition B. per Telefax an eine
Versicherungsmaklerin in H., die Firma G. ##blob##amp; S. GmbH eine
"Prämienanfrage" zwecks Abschlusses einer Transportversicherung für den
Schuhtransport nach Moskau. Daraufhin nahm ein Mitarbeiter der Maklerin, der Zeuge
S., telefonisch Kontakt auf mit der Firma H. L. G. in H., die als Assekuradeurin für die
Beklagte und andere Versicherungsunternehmen Versicherungsabschlüsse tätigt und
hierüber Zertifikate erteilt. Bei diesem Telefongespräch wurde dem Zeugen S. für eine
Transportversicherung ein Prämiensatz von 1,5 % bei einer Selbstbeteiligung von 2 %
mitgeteilt. Streitig zwischen den Parteien ist, ob und in welcher Weise bei dem
Gespräch weitere Einzelheiten über den Träger des zu versichernden Interesses (das
der Klägerin als Verkäuferin der Schuhe oder das der Empfängerfirma in Moskau), die
Nationalität des Frachtführers und die Art seines Lkw`s sowie eine vorhandene CMR-
Versicherung des Frachtführers erörtert wurden. Unstreitig ist, daß der Transport durch
einen slowakischen Unternehmer mit einem Lkw mit Plane durchgeführt wurde, in
dessen CMR-Versicherung unter anderem Diebstähle auf dem Gebiet der ehemaligen
GUS-Staaten ausgeschlossen worden waren. Ob dem Zeugen S. diese Umstände
schon bei einem Telefongespräch mit der B. Spedition mitgeteilt wurden, das er nach
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dem Telefonat mit der Assekuradeurin geführt hat, ist ebenfalls streitig.
Am 21. Februar 1994 übersandte die B. Spedition der Maklerin ein weiteres Telefax, mit
dem sie den Transport nach Moskau "zur Transportversicherung aufgab" und um
vorläufige Deckung ab 17. Februar 1994 bat (vgl. Bl. 41 d. A.). In diesem Telefax waren
die vorgenannten Angaben zum Frachtführer und dessen CMR-Versicherung sowie zur
Bauart des Lkw nicht enthalten. Eine Kopie des Telefaxes wurde am 22. Februar 1994
an die Assekuradeurin weitergeleitet. Am selben Tag übersandte der Zeuge S. an die B.
Spedition die Prämienrechnung und ein Zertifikat, das sowohl von der Assekuradeurin
im Namen der Beklagten und zugleich für alle weiteren beteiligten Versicherer (die
Beklagte ist als führender Versicherer mit 25 % beteiligt) als auch von der Maklerin
unterzeichnet ist.
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In dem Zertifikat heißt es u.a.: "Holder of this Policy - for account of whom it may
concern"; ferner wurde auf die Bestimmungen der ADS-Güterversicherung 1973 -
Ausgabe 1984 - Bezug genommen.
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Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, es sei ein rechtswirksamer
Versicherungsvertrag über eine Transport-versicherung zustande gekommen, so daß
die Beklagte wegen des angeblichen Verlustes der Ware auf dem Transport nach
Moskau eintrittspflichtig sei. Zum Versicherungsfall hat die Klägerin behauptet, der
Fahrer des Lkw sei in Rußland überfallen und entführt und zwei Tage später wieder
freigelassen worden; der Lkw sei leer aufgefunden worden.
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Die Klägerin hat beantragt,
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die Beklagte zu verurteilen, an sie 342.164,00 DM nebst 5 % Zinsen seit dem 9. März
1994 zu zahlen.
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Die Beklagte hat beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Sie hat sich auf eine schon vorprozessual durch die Assekuradeurin mit Schreiben vom
8. März 1994 im Namen aller beteiligten Versicherer erklärte Anfechtung der mit der
Police abgegebenen Deckungszusage berufen, die ihrer Meinung nach gerechtfertigt
ist, weil den Versicherern wesentliche Informationen vorenthalten worden seien, die für
die Risikobeurteilung und den Abschluß des Versicherungsgeschäftes maßgeblich
gewesen seien. So sei nicht mitgeteilt worden, daß letztlich das Risiko des Empfängers
der Ware in Moskau versichert werden sollte, der im Wege der Vorauskasse bereits an
die Klägerin gezahlt gehabt habe; ferner sei nicht mitgeteilt worden, daß es sich um
einen slowakischen Frachtführer gehandelt habe, in dessen CMR-Versicherung die
Deckung für Diebstähle in den GUS-Staaten ausgeschlossen worden sei, und daß es
sich um einen Lkw mit Plane gehandelt habe. Hätte sie, so hat die Beklagte behauptet,
von diesen Umständen Kenntnis gehabt, hätte sie den Transport nicht in Deckung
genommen. Dies sei auch zwischen der Versicherungsmaklerin und der
Assekuradeurin vereinbart gewesen.
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Ferner hat die Beklagte die Auffassung vertreten, die Klägerin sei mangels eines
eigenen versicherbaren Interesses nicht aktivlegitimiert, die Versicherungsforderung
geltend zu machen, auch wenn sie im Besitz der Police sei. Soweit die Klägerin eine
Abtretungserklärung seitens der russischen Importfirma vorgelegt habe, werde
bestritten, daß die Erklärung tatsächlich von der Importfirma unterzeichnet sei; im
übrigen sei diese auch nicht Versicherte gewesen.
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Des weiteren hat sich die Beklagte auf Leistungsfreiheit gemäß § 20 ADS berufen, weil
die Klägerin ihre Anzeigepflichten nach § 19 ADS verletzt habe.
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Schließlich hat die Beklagte den Eintritt des Versicherungsfalles selbst bestritten und
gemeint, sie hafte allenfalls in Höhe ihrer Beteiligung an der Versicherung mit einem
Anteil von 25 %.
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Das Landgericht hat den Zeugen S. und einen der Geschäftsführer der Assekuradeurin,
den Zeugen K., zum Inhalt der vorvertraglichen Verhandlungen und Gespräche
zwischen der Versicherungsmaklerin, der Assekuradeurin und der B. Spedition
vernommen. Es hat sodann die Klage durch das angefochtene Urteil, auf dessen
Einzelheiten in vollem Umfang Bezug genommen wird, abgewiesen und zur
Begründung ausgeführt, es sei mangels zweier sich deckender Willenserklärungen kein
Versicherungsvertrag zustande gekommen; nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme
stehe fest, daß einerseits die Assekuradeurin keinen Transport versichern wollte, der
von einem osteuropäischen Frachtführer ohne ausreichende CMR-Haftung und ohne
Kastenwagen durchgeführt wurde, andererseits die Versicherungsmaklerin, als sie der
Assekuradeurin das zu versichernde Risiko angetragen habe, auf den Einsatz eines
slowakischen Frachtführers und den Haftungsausschluß für Diebstähle in der Slowakei,
Polen und den GUS-Staaten sowie auf die Verwendung eines Lkw mit Plane nicht
hingewiesen habe.
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Gegen das ihren Prozeßbevollmächtigten am 23. Januar 1995 zugestellte Urteil hat die
Klägerin am 22. Februar 1995 Berufung eingelegt, die sie nach Verlängerung der
Berufungsbegründungsfrist bis zum 24. April 1995 mit einem an diesem Tage bei
Gericht eingegangenen Schriftsatz begründet hat.
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Die Klägerin wiederholt und vertieft ihr erstinstanzliches Vorbringen und trägt weiter vor:
Entgegen der Auffassung des Landgerichts sei ein Versicherungsvertrag zustande
gekommen. Der Zeuge S. habe bekundet, daß er im Anschluß an das Telefongespräch
mit der Spedition B., bei dem er die Informationen über die Person des Frachtführers,
seine CMR-Versicherung und den Lkw erhalten hatte, erneut mit der Assekuradeurin
telefoniert und diese Informationen an sie weitergeleitet habe. Da er dann von ihr nichts
mehr gehört habe, habe er zu Recht von einem Einverständnis der Assekuradeurin mit
der Indeckungnahme des Transportrisikos trotz der besonderen Risikoumstände
ausgehen dürfen. Im übrigen, so meint die Klägerin, müsse sich die Beklagte über ihre
Assekuradeurin gemäß § 166 Abs. 1 BGB das Wissen der Maklerin um die speziellen
Risikoumstände zurechnen lassen. Es sei der Maklerin überlassen worden, selbständig
die Antragsverhandlungen zu führen und die Antragsaufnahme vollständig
vorzunehmen. Zudem habe die Assekuradeurin es der Maklerin überlassen, die von ihr
gezeichnete Police auszufertigen und an den Versicherungsnehmer weiterzuleiten und
damit die endgültige Deckungszusage zu erteilen.
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Hilfsweise stützt die Klägerin den Klageanspruch auch auf die Gesichtspunkte der
Vertrauenshaftung und der culpa in contrahendo.
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Der Höhe nach beschränkt die Klägerin die Klage nunmehr auf den Beteiligungsanteil
der Beklagten vom 25 % und beantragt,
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das angefochtene Urteil teilweise abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, an sie
85.541,75 DM nebst 5 % Zinsen seit dem 9. März 1994 zu zahlen;
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ferner zu gestatten, Sicherheit auch durch die Bürgschaft einer deutschen Großbank,
öffentlichen Sparkasse oder Genossenschaftsbank zu leisten.
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Die Beklagte beantragt,
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die Berufung zurückzuweisen.
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Sie schließt sich der Auffassung des Landgerichts an, daß mangels zweier
korrespondierender Willenserklärungen das Zustandekommen eines
Versicherungsvertrages nicht festgestellt werden könne und wiederholt und vertieft
gleichfalls ihr erstinstanzliches Vorbringen. Insbesondere bestreitet sie, daß der Zeuge
S. nach dem Telefongespräch mit der B. Spedition nochmals bei der Assekuradeurin
angerufen und die besonderen Risikoumstände des Transports mitgeteilt habe. Sie ist
im übrigen der Ansicht, die Assekuradeurin sei nicht ihre Agentin, so daß § 43 Nr. 1
VVG daher keine Anwendung finde. Auch könne das Schweigen der Assekuradeurin
auf ein angebliches zweites Telefonat des Zeugen S. nicht als Zustimmung verstanden
werden. In keinem Fall aber könne das Wissen der Maklerin um die besonderen
Risikoumstände ihr, der Beklagten, zugerechnet werden; ein Fall, in dem der Makler
ausnahmsweise einmal als Agent des betroffenen Versicherers tätig werde, liege nicht
vor.
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Wegen weiterer Einzelheiten des Vorbringens der Parteien wird auf ihre Schriftsätze
nebst Anlagen Bezug genommen.
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Der Senat hat gemäß den Beweisbeschlüssen vom 19. Dezember 1995 und 9. Juli
1996, auf die ebenfalls Bezug genommen wird, Beweis erhoben. Wegen des
Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Sitzungsprotokoll vom 4. Juni 1996 (Bl.
219 ff. d.A.) und die Vernehmungsprotokolle des Amtsgerichts Hamburg vom 22.
November 1996 (Bl. 261 d.A.) und des Amtsgerichts Elmshorn vom 31. Januar 1997 (Bl.
270 d.A.) verwiesen.
31
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
32
Die in formeller Hinsicht bedenkenfreie Berufung hat in der Sache keinen Erfolg.
33
Das Landgericht hat im Ergebnis zu Recht die Klage abgewiesen. Auch der Senat
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gelangt nunmehr aufgrund des Ergebnisses der Beweiserhebungen und der Vorlage
weiterer Schriftstücke im Zusammenhang mit den Vertragsverhandlungen zu der
Auffassung, daß es zwischen der Beklagten und der Spedition B. als
Versicherungsnehmerin nicht zu einem wirksamen Abschluß eines
Transportversicherungsvertrages gekommen ist. Hierzu bedarf es zweier
übereinstimmender Willenserklärungen der Vertragspartner und einer Einigung
jedenfalls über die vertragswesentlichen Punkte. Gemäß § 155 BGB, der grundsätzlich
auch auf Versicherungsverträge Anwendung findet, gilt für den Fall, daß sich die
Parteien bei einem Vertrage, den sie als geschlossen ansehen, über einen Punkt, über
den eine Vereinbarung getroffen werden sollte, in Wirklichkeit nicht geeinigt haben, das
Vereinbarte nur, sofern anzunehmen ist, daß der Vertrag auch ohne eine Bestimmung
über diesen Punkt geschlossen sein würde. Vorliegend steht nach dem Ergebnis der
Beweisaufnahme fest, daß ohne eine Einigung darüber, welcher Nationalität der
Frachtführer war, inwieweit er über eine CMR-Haftpflichtversicherung verfügte und mit
welcher Art von Lkw der Transport erfolgen würde, ein Versicherungsvertrag seitens der
Beklagten und der übrigen beteiligten Versicherer, in deren Namen die Firma H. L. G.
GmbH als Assekuradeurin handelte, nicht geschlossen werden sollte. Ferner ist
erwiesen, daß eine Einigung über diese Punkte nicht zustande gekommen ist.
Aufgrund der Aussagen des Zeugen K. beim Landgericht und vor dem Senat, die durch
die handschriftlichen Vermerke des Zeugen S. auf dem Telefax der B. Spedition vom 14.
Februar 1994 (Bl. 182 d. A.) und durch die Aussage des Zeugen S. vor dem Senat
bestätigt werden, steht zur Überzeugung des Senats fest, daß bei dem ersten
Telefongespräch zwischen dem Zeugen S. und dem Zeugen K. ausdrücklich seitens
des Zeugen K. darauf hingewiesen wurde, daß bei Transporten nach Rußland das
Transportrisiko nur dann in Deckung genommen wird, wenn der Transport durch einen
deutschen Frachtführer mit umfassender CMR-Versicherung und einem Lkw mit
geschlossenem Kastenaufbau durchgeführt wird. Dem entsprechen auch die
handschriftlichen Vermerke auf dem ersten Telefax der Spedition B. vom 14. Februar
1994 (Bl. 182 d. A.), bei denen es sich um die Handschrift des Zeugen S. handelt, wie
dieser vor dem Senat bestätigt hat. Danach war ursprünglich vermerkt: "dt.
Frachtführer/CMR-Deckung/Koffer-Lkw", was dann dahin geändert wurde, daß der
Zusatz "dt." beim Frachtführer gestrichen und der Zusatz "Tsch." hinzugefügt, der
Vermerk "Koffer-Lkw" eingeklammert und statt dessen "Plane" geschrieben und
schließlich zusätzlich vermerkt wurden: "Diebstahl/Tch., Polen, GUS ausgeschl.". Diese
Änderungen beruhten auf entsprechenden Angaben der B. Spedition, die dem Zeugen
S. telefonisch mitgeteilt hatte, daß es sich um einen slowakischen Frachtführer handele,
in dessen CMR-Versicherung Diebstähle in der Slowakei, in Polen und den GUS-
Staaten ausgeschlossen sei und dessen Lkw nur über eine Plane verfüge.
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In diesen Punkten ist es dann nicht zu einer Einigung zwischen den Vertragspartnern
gekommen. Vielmehr liegt ein versteckter Einigungsmangel im Sinne von § 155 BGB
vor. Dies ist der Fall, wenn der Inhalt der abgegebenen Erklärungen, die gemäß §§ 133,
157 BGB auf ihre objektive Erklärungsbedeutung hin auszulegen sind, nicht
übereinstimmen (Palandt-Heinrichs, BGB, 55. Aufl., Rdn. 2 zu § 155). Das ist hier
gegeben.
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Nach den Bekundungen der Zeugen K. und S. sind die vorvertraglichen Verhandlungen
wie folgt abgelaufen: Am 14. Februar 1994 beauftragt die Spedition B. die Maklerin G.
##blob##amp; S. GmbH wegen einer Transportversicherung für den Transport von
Schuhen von D. nach Moskau mit einer "Prämienanfrage". Daraufhin telefoniert der
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Zeuge S. mit dem Zeugen K. von der Assekuradeurin H. L. G. GmbH und bittet um ein
Angebot über eine entsprechende Transportversicherung. Der Zeuge K. "offerierte" ihm
daraufhin eine Versicherung bei einem Prämiensatz von 1,5 % und einer
Selbstbeteiligung von 2 % unter den Voraussetzungen, daß es sich um einen deutschen
Frachtführer handelt mit einer umfassenden CMR-Versicherung und einem Lkw mit
Kastenaufbau. Bei dieser "Offerte" handelte es sich demnach um den ersten
Vertragsantrag im Sinne von § 145 BGB gegenüber der Spedition B. als
Versicherungsnehmerin. Zugegangen war das Angebot der Spedition B. dabei bereits
mit der Bekanntgabe gegenüber dem Zeugen S., der für die von der Spedition
beauftragte Versicherungsmaklerin handelte und somit das Angebot des Zeugen K.
letztlich als Vertreter der Spedition B. entgegennahm. Dies hat zur Folge, daß das
Wissen des Zeugen S. um die vom Zeugen K. geäußerten Voraussetzungen für einen
Versicherungsabschluß hinsichtlich des Frachtführers, seiner CMR-Versicherung und
hinsichtlich des Lkw der Spedition B. gemäß § 166 Abs. 1 BGB zuzurechnen war (vgl.
zur Stellung des Versicherungsmaklers auch Prölss/Martin, VVG, 25. Aufl., Anhang zu
§§ 43 bis 48, Anm. 1, Seite 343 unten). Das Angebot der Assekuradeurin war
hinsichtlich des objektiven Erklärungsinhalts gemäß §§ 133, 157 BGB, was den
maßgeblichen "Empfängerhorizont" angeht (vgl. dazu Palandt-Heinrichs, a.a.0., Rdn. 9
zu § 133), so auszulegen, daß der Abschluß eines Versicherungsvertrages für einen
solchen Transport angetragen wurde, bei dem die genannten Voraussetzungen erfüllt
waren.
Dieses Angebot ist von seiten der Spedition B. aber unstreitig weder unmittelbar noch
über den Zeugen S. unverändert angenommen worden, da die genannten
Voraussetzungen nicht gegeben waren, was auch der Zeuge S. spätestens bei dem
Telefongespräch mit der Spedition B., das er im Anschluß an das Telefonat mit dem
Zeugen K. führte, erfahren hat. Nach den Bekundungen des Zeugen S. will er allerdings
die abweichenden Angaben zum Frachtführer und dessen CMR-Versicherung in bezug
auf den Ausschluß von Diebstählen in den erwähnten osteuropäischen Ländern und zur
Art des Lkw telefonisch der Assekuradeurin übermittelt haben. Dies wäre dann eine
Annahme unter Änderungen gewesen, die nach § 150 Abs. 2 BGB als Ablehnung
verbunden mit einem neuen Antrag gegolten hätte. Dieser neue Antrag wäre dann
möglicherweise durch Ausstellung des von der Assekuradeurin der Maklerin
überlassenen blanko unterzeichneten Zertifikates angenommen worden, wobei die
Maklerin bei der Ausfertigung des Zertifikates ausnahmsweise als Vertreterin kraft
Anscheinsvollmacht der Assekuradeurin tätig geworden wäre.
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Der Senat hält indes aufgrund der Vernehmung der Zeugen K., G., Hamester, Schulz,
Pietsch und Boge die Behauptung der Klägerin und die entsprechende Aussage des
Zeugen S. für widerlegt, daß dieser ein zweites Mal bei der Assekuradeurin angerufen
hat und die betreffenden Angaben zum Frachtführer, dessen CMR-Versicherung und
den Lkw durchgegeben hat. Alle vernommenen Geschäftsführer und Mitarbeiter der
Assekuradeurin haben ein derartiges Telefongespräch glaubhaft und überzeugend in
Abrede gestellt. Der gegenteiligen Bekundung des Zeugen S. kann demgegenüber kein
Glauben geschenkt werden. Zum einen erscheint es wenig lebensnah, daß der Zeuge
S., der häufig mit der Firma G. in geschäftlichem Kontakt gestanden hat und von daher
die Mitarbeiter der Firma kennen mußte, nicht sagen konnte, mit wem er seinerzeit das
Gespräch geführt hat; er wußte nicht einmal, ob es sich um einen männlichen oder
weiblichen Mitarbeiter handelte. Zum anderen hat der Zeuge S. eingeräumt, daß er
schon öfter Rußland-Transporte versichert habe, was ein schwieriges Geschäft sei, da
viel auf diesen Transporten passiere; er wußte auch, daß Rußland-Transporte von den
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Versicherern nicht gerne angenommen werden und ihm war gemäß seiner
Stellungnahme vom 14. März 1994 (vgl. Anlage zum Sitzungsprotokoll des Landgerichts
vom 20. Dezember 1994, Bl. 98 d. A.) "vollkommen klar", daß eine CMR-Deckung und
ein deutscher Frachtführer die Voraussetzung für die Versicherung waren. Es ist
deshalb schlechterdings nicht nachvollziehbar, daß der Zeuge S. sich in einer so
schwierigen Angelegenheit, bei der die Voraussetzungen für eine Versicherung gerade
nicht vorlagen, ein Telefongespräch mit irgendeinem ihm unbekannten Mitarbeiter bei
der Firma G. darüber geführt haben will und dann, als er nichts weiter gehört hat, ohne
Bedenken und ohne nochmalige Nachfrage bei dem Zeugen K. oder einem anderen
kompetenten Mitarbeiter der Assekuradeurin das Zertifikat ausgestellt und an die B.
Spedition übersandt hat. Diese vom Zeugen S. bekundete Verhaltensweise liegt nach
Auffassung des Senats derart außerhalb der Wahrscheinlichkeit, daß der Aussage des
Zeugen nicht geglaubt werden kann und seine Darstellung insbesondere auch nicht die
gegenteiligen Bekundungen der Geschäftsführer und Mitarbeiter der Firma G. zu
erschüttern vermag.
Nach alledem kann ein zweites Telefongespräch zwischen dem Zeugen S. und der
Assekuradeurin und damit ein Gegenangebot der Spedition B., vertreten durch den
Zeugen S., im Sinne des § 150 Abs. 2 BGB, das gegebenenfalls durch Ausfertigung des
Zertifikates angenommen worden sein könnte, nicht festgestellt werden.
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Eine Einigung über die besonderen Risikoumstände im Bereich des
Transportunternehmers ist schließlich auch dann nicht zustande gekommen, wenn man
auf das zweite Telefax der Spedition B. vom 21. Februar 1994 abstellt. Nach Aussage
des Zeugen K. hatte dieses Telefax keine Bedeutung mehr für den Vertragsabschluß.
Maßgeblich hierfür war vielmehr die Ausstellung des Zertifikats und die Erteilung einer
Prämienrechnung. Dies wird mittelbar auch durch das vom Zeugen S. geschilderte
Verfahren bestätigt, wonach er unabhängig von dem Telefax der Spedition B. vom 21.
Februar 1994 allein aufgrund seines - angeblichen - zweiten Telefongesprächs und der
dann ausgebliebenen Reaktion der Assekuradeurin auf eine Zustimmung zum
Vertragsschluß vertraut und das Zertifikat ausgestellt hat. Demgemäß kommt dem
zweiten Telefax der Spedition B. vom 21. Februar 1994, das der Zeuge S. auch erst am
22. Februar 1994, also an dem Tag, an dem er bereits das Zertifikat ausstellte, der
Assekuradeurin zugeleitet hat, lediglich deklaratorische Bedeutung zu.
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Ein wirksamer Versicherungsvertrag, aus dem die Klageforderung hergeleitet werden
könnte, ist nach alledem nicht zustande gekommen.
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Der Klägerin stehen auch keine Schadensersatzansprüche nach den Grundsätzen der
gewohnheitsrechtlichen Vertrauenshaftung des Versicherers für seine Agenten oder
wegen eines schuldhaften Verhaltens des Zeugen S. unter dem Gesichtspunkt der
culpa in contrahendo zu (vgl. dazu allgemein Prölss/Martin, VVG, 25. Aufl., Anm. 7 A.
und B. zu § 43).
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Die Tatsache, daß der Zeuge S. die Assekuradeurin nicht von den besonderen
Risikoumständen auf Seiten des von der Spedition B. beauftragten Frachtführers
informiert hat, stellt eine Pflichtverletzung im Rahmen des Auftragsverhältnisses
zwischen der B. Spedition und der Versicherungsmaklerin dar, die der Assekuradeurin
und der Beklagten nicht über § 278 BGB im Wege der Haftung für Erfüllungsgehilfen
zugerechnet werden kann. Nach den Umständen des vorliegenden Falles ist davon
auszugehen, daß der Auftrag der B. Spedition an die Versicherungsmaklerin nicht nur
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auf den Nachweis eines zum Vertragsschluß bereiten Versicherers gerichtet war,
sondern zugleich die Pflicht der Maklerin begründete, den Vertragsabschluß auch
tatsächlich herbeizuführen. Dafür spricht die Tatsache, daß die B. Spedition zu keinem
Zeitpunkt nach entsprechender Unterrichtung seitens der Maklerin selbst mit der
Assekuradeurin in Kontakt getreten ist, vielmehr ausschließlich der Zeuge S. die
Vertragsangelegenheit bis hin zur Übersendung des Zertifikates und der
Prämienrechnung besorgt hat. Aufgrund der der Maklerin somit obliegenden
"Abschlußpflicht" (vgl. dazu auch Bruck/Möller, VVG, 8. Aufl., Bd. I, vor §§ 43-48 Anm.
40 und 55) war diese auch gehalten, alle für einen Vertragsschluß wesentlichen
Umstände des zu versichernden Transports dem Versicherer bzw. hier der
Assekuradeurin mitzuteilen. Diese Pflicht hat der Zeuge S., wie oben ausgeführt,
erwiesenermaßen verletzt, was sich jedoch die B. Spedition zurechnen lassen muß,
nicht aber die Beklagte über ihre Assekuradeurin.
Eine Haftung der Beklagten ist schließlich auch nicht deshalb gegeben, weil der Zeuge
S. das von der Assekuradeurin blanko unterzeichnete Zertifikat über eine
Transportversicherung ausgestellt hat, obwohl er wußte, daß die ihm vom Zeugen K.
genannten Voraussetzungen für eine solche Versicherung auf Frachtführerseite nicht
gegeben waren. Zwar muß derjenige, der eine blanko unterzeichnete Urkunde freiwillig
aus der Hand gibt, den abredewidrig ausgefüllten Inhalt der Urkunde gegenüber einem
gutgläubigen Dritten als seine Willenserklärung gegen sich gelten lassen (vgl.
Palandt/Heinrichs, a.a.O., Rdnr. 8 zu § 173); vorliegend kann die Spedition B., der das
Zertifikat vom Zeugen S. übersandt wurde, aber nicht als gutgläubig behandelt werden,
da die Kenntnis des Zeuen S. von den fehlenden Voraussetzungen für einen
Vertragsschluß der Spedition B., wie oben ausgeführt, zuzurechnen ist.
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Die Berufung war nach alledem mit der Kostenfolge aus § 97 Abs. 1 ZPO
zurückzuweisen.
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Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf den §§ 708 Nr. 10,
711 ZPO.
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Streitwert für das Berufungsverfahren und Wert der Beschwer für die Klägerin: 85.541,75
DM.
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