Urteil des OLG Köln vom 02.06.2010

OLG Köln (vertrag mit schutzwirkung zugunsten dritter, vertrag zugunsten dritter, zpo, kläger, höhe, interessenkonflikt, falle, verurteilung, vorstand, vertrag)

Oberlandesgericht Köln, 17 W 107 + 108/10
Datum:
02.06.2010
Gericht:
Oberlandesgericht Köln
Spruchkörper:
17. Zivilsenat
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
17 W 107 + 108/10
Vorinstanz:
Landgericht Köln, 24 O 514/09
Schlagworte:
Streitgenossen, Separate Anwälte, Interessenkonflikt
Normen:
§ 91 Abs. 1 S. 1 ZPO
Leitsätze:
Vertritt ein Rechtsanwalt in einem Regressprozess die Beklagte zu 1.,
obwohl er selbst als Beklagter zu 2. Prozesspartei ist, dann können die
beiden beklagten Parteien nicht die Kosten für zwei separate
Rechtsanwälte erstattet verlangen, selbst wenn ein Interessenkonflikt
nicht auszuschließen ist.
Tenor:
Auf die sofortigen Beschwerden des Klägers werden die Kostenfestset-
zungsbeschlüsse I und II des Rechtspflegers beim Landgericht Köln vom
25. März 2010 - Az. jeweils: 24 O 514/09 - teilweise abgeändert und wie
folgt neu gefasst:
Kostenfestsetzungsbeschluss I:
Aufgrund des Urteils des Landgerichts Köln vom 11. Februar 2010 sind
vom Kläger an den Beklagten zu 1) 1.274,73 € nebst Zinsen in Höhe von
5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz nach § 247 BGB seit dem 17.
Februar 2010 zu erstatten.
Kostenfestsetzungsbeschluss II:
Aufgrund des Urteils des Landgerichts Köln vom 11. Februar 2010 sind
vom Kläger an den Beklagten zu 2) 1.071,20 € nebst Zinsen in Höhe von
5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz nach § 247 BGB seit dem 19.
März 2010 zu erstatten.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens 17 W 107/10 trägt der Beklagte
zu 1); diejenigen für das Beschwerdeverfahren 17 W 108/10 der
Beklagte zu 2).
Gegenstandswerte für die Beschwerdeverfahren:
- 17 W 107/10 -: 2.278,85 € - 1.274,73 € = 1.004,12 €
- 17 W 108/10 -: 1.915,00 € - 1.071,20 € = 843,80 €.
G r ü n d e
1
I.
2
Der Kläger nahm die beiden Beklagten gesamtschuldnerisch auf Schadenersatz in
Anspruch wegen unrichtiger Rechtsberatung. Der Beklagte zu 2), von Beruf
Rechtsanwalt, ist zugleich Vorstand des Beklagten zu 1). Die Beratung wurde vom
Beklagten zu 2) für die Beklagte zu 1) durchgeführt. In Klageverfahren ließen sich die
beiden Beklagten durch unterschiedliche Anwälte vertreten. Dabei vertrat der Beklagte
zu 2) die Beklagte zu 1). Seinen Anspruch gegen die Beklagte zu 1) leitete der Kläger
aus dem geschlossenen Vertrag ab; denjenigen gegen den Beklagten zu 2) stützte er
auf einen Vertrag zugunsten Dritter bzw. einen Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten
Dritter. Die Klage blieb erfolglos.
3
Der Rechtspfleger hat antragsgemäß die Kosten für zwei Rechtsanwälte festgesetzt.
Hiergegen richtet sich der Kläger mit seinem Rechtsmittel. Er ist der Auffassung, die
beiden Beklagten seien ausnahmsweise gehalten gewesen, sich von einem
gemeinsamen Anwalt vertreten zu lassen. Ihr Vorgehen sei als rechtsmissbräuchlich
einzustufen, da ein vernünftiger Grund für die Vorgehensweise der beiden Beklagten
nicht ersichtlich sei.
4
Der Beklagte zu 1) trägt vor, dass er im Falle einer Verurteilung Regress beim Beklagten
zu 2) genommen hätte. Wegen dieser Möglichkeit habe der Vorstand des Beklagten zu
1) den Beklagten zu 2) aufgefordert, für sich eine unabhängige und eigenständige
Rechtsvertretung zu sorgen.
5
Der Beklagte zu 2) verweist darauf, dass sich die mögliche Haftung des Beklagten zu 1)
aus § 31 BGB ergebe, während sich der Kläger in Bezug auf seine Person auf ganz
andere Anspruchsgrundlagen gestützt habe. Gerade auch weil ihm ein Regress seitens
des Beklagten zu 1) gedroht habe für den Fall der Verurteilung, habe ihm seine
Haftpflichtversicherung Deckungszusage erteilt.
6
Der Rechtspfleger hat dem Rechtsmittel nicht abgeholfen und die Sache dem Senat zur
Entscheidung vorgelegt.
7
II.
8
Die gemäß § 104 Abs. 3 S. 1 ZPO i. V. m. § 11 Abs. 1 RpflG unbedenklich statthaften
und auch ansonsten zulässigen sofortigen Beschwerden haben auch in der Sache
selbst vollen Erfolg.
9
Zu Unrecht hat der Rechtspfleger die Kosten für zwei separate Anwälte als
erstattungsfähig angesehen.
10
1.
11
Grundsätzlich steht es jedem Streitgenossen frei, sich von einem eigenen Rechtsanwalt
vertreten zu lassen mit der Folge, dass im Falle des Obsiegens die doppelten
Anwaltskosten erstattungsfähig sind (BVerfG NJW 1990, 1224; Zöller/Herget, ZPO, 27.
Aufl., § 91 Rn. 13 "Streitgenossen"). Allerdings vertritt der Senat in ständiger
Rechtsprechung (s. nur Beschluss vom 17. Juni 2008 – 17 W 130/08 -) die Auffassung,
es sei anhand des jeweiligen Einzelfalles zu prüfen, ob eine interessengerechte
Prozessführung auch bei Mandatierung eines gemeinsamen Prozessbevollmächtigten
möglich und zumutbar gewesen wäre. Dies Einschränkung ergibt sich aus dem Gesetz.
Nach § 91 Abs. 1 S. 2 ZPO sind nur diejenigen Kosten zu erstatten, die zur
zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder –verteidigung notwendig waren.
Erforderlich ist deshalb ein besonderer sachlicher Grund für die Einschaltung getrennter
Rechtsanwälte (BGH NJW-RR 2004, 536; MDR 2007, 1160; AGS 2009, 306 = ZfS
2009, 283).
12
Werden etwa zwei Rechtsanwälte als Streitgenossen verklagt, die sich sodann selbst
vertreten oder sich jeweils durch einen dritten Rechtsanwalt vertreten lassen, so liegt in
einem Regressprozess ein sachlicher Grund hierfür jedenfalls dann vor, wenn nur einer
der verklagten Rechtsanwälte das Mandat seinerzeit betreut hat und der andere nach
Beendigung des Mandates aus der gemeinsamen Sozietät ausgeschieden ist (Senat,
Beschluss vom 17. November 2005 – 17 W 224/05 - = OLGR 2006, 132 = MDR 2006,
896).
13
2.
14
Gemessen an diesen Kriterien spricht grundsätzlich etwas dafür, es den beiden
Beklagten zuzubilligen, dass sie sich von unterschiedlichen Anwälten haben vertreten
lassen, ohne kostenerstattungsrechtlich Nachteile hinnehmen zu müssen. Aufgrund der
Unterschiedlichkeit der denkbaren Normen, auf die sich der Kläger zur Begründung
einer Haftung der Beklagten zu 1) bzw. des Beklagten zu 2) hätte stützen können, wäre
bei der Rechtsverteidigung nicht nur sehr unterschiedlich vorzutragen gewesen. Vor
allen Dingen konnte es zu einem Interessenkonflikt kommen, weil die Beratung des
Klägers, auf deren Fehlerhaftigkeit er seine Klage gestützt hat, für den Beklagten zu 1)
allein vom Beklagten zu 2) durchgeführt worden ist, und von daher ersterer im Falle
einer Verurteilung beim Beklagten zu 2) aller Lebenserfahrung nach Regress
genommen hätte. In diesem Zusammenhang hat der Beklagte zu 2) unwidersprochen
vorgetragen, er sei vom Beklagten zu 1) gerade deshalb auffordert worden, sich durch
einen eigenen Anwalt vertreten zu lassen.
15
3.
16
Aufgrund der besonderen Umstände des Einzelfalles ist es den Beklagten allerdings
verwehrt, Kostenerstattung für zwei separate Anwälte zu verlangen. Ihr Vorgehen war zu
einer zweckentsprechenden Rechtsverteidigung nicht notwendig, § 91 Abs. 1 S. 1 ZPO,
und wird deshalb dem auf § 242 basierenden Gebot nicht gerecht, dass jede Partei
gehalten ist, die Kosten ihrer Prozessführung unter Wahrung ihrer berechtigten
prozessualen Belange so niedrig als möglich zu halten (Zöller/Herget, ZPO, 27. Aufl., §
91 Rn. 12 m. w. N.).
17
Sich auf einen denkbaren oder tatsächlich bestehenden Interessenkonflikt zu berufen,
ist ihnen verwehrt. Dies folgt daraus, dass sich einerseits der Beklagte zu 1), dessen
Vorstand Rechtsanwalt Dr. S. ist, von diesem hat im Rechtsstreit vertreten lassen,
obwohl er andererseits selbst als Beklagter zu 2) an diesem unmittelbar beteiligt war.
Wenn aber die Beklagte zu 1) keinen Bedenken hatte, sich von ihrem Mitbeklagten im
Rechtsstreit anwaltlich vertreten zu lassen, den sie im Falle einer Verurteilung in
Anspruch nehmen könnte bzw. würde und auch der Beklagte zu 2) die Beklagte zu 1)
quasi gegen sich selbst als Beklagten zu 2) meinte vertreten zu können, dann kann von
einem an sich bei der vorliegenden Konstellation anzunehmenden Interessenkonflikt
aufgrund der tatsächlichen Handhabung durch die beiden Beklagten unter keinen
Umständen ausgegangen werden mit der kostenerstattungsrechtlichen Folge, dass sie
Erstattung nur in der Höhe verlangen können, die bei Mandatierung eines gemeinsamen
Anwaltes angefallen wäre.
18
4.
19
Die Berechnung der festzusetzende Beträge ergibt sich damit wie folgt:
20
1,3-Verfahrensgebühr 985,40 €
21
0,3-Erhöhung 227,40 €
22
1,2-Terminsgebühr 909,60 €
23
Pauschale 20,00 €
24
2.142,40 €
25
Dieser Betrag ist hälftig auf die beiden Beklagten zu verteilen, also jeweils in Höhe von
1.071,20 €. Da der Beklagte zu 1) im Gegensatz zum Beklagten zu 2) nicht
vorsteuerabzugsberechtigt ist, kann er zusätzlich die gesetzliche Mehrwertsteuer in
Höhe von 203,53 € und damit insgesamt 1.274,73 € erstattet verlangen.
26
5.
27
Die Kostenentscheidung beruht jeweils auf § 91 Abs. 1 ZPO.
28