Urteil des OLG Köln vom 02.08.1995

OLG Köln (diebstahl, entwendung, zpo, auto, verjährungsfrist, auflage, bild, beweislast, 1995, fahrzeug)

Oberlandesgericht Köln, 11 U 37/95
Datum:
02.08.1995
Gericht:
Oberlandesgericht Köln
Spruchkörper:
11. Zivilsenat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
11 U 37/95
Vorinstanz:
Landgericht Aachen, 8 O 546/94
Schlagworte:
Beweislast Diebstahl gemietet Kfz Auto
Normen:
AKB § 12
Leitsätze:
Grundsätzlich trägt der Mieter eines Fahrzeugs die Beweislast dafür,
daß der gemietete Wagen ohne sein Verschulden nicht zurückgegeben
werden kann. Für den Nachweis der Voraussetzungen des
Versicherungsfalles nach § 12 Abs. 1 Ziff. I b AKB genügt es
regelmäßig, wenn Tatsachen feststehen, aus denen sich das äußere
Bild eines Diebstahls mit hinreichender Sicherheit schließen läßt. Die für
§ 12 Abs. 1 Ziff. I b AKB geltenden Beweisgrundsätze sind wegen der
am Leitbild der Kaskoversicherung orientierten Ausgestaltung des
AutoMietvertrages, insbesondere durch die ausdrücklich in Bezug
genommenen AKB, auf das Haftungsverhältnis zwischen den
Mietvertragsparteien im Hinblick auf den behaupteten Diebstahl zu
übertragen.
Tenor:
Die Berufung des Beklagten gegen das am 26. Januar 1995 verkündete
Urteil des Landgerichts Aachen - 8 O 546/94 - wird zurückgewiesen. Die
Kosten des Berufungsverfahrens trägt der Beklagte. Das Urteil ist
vorläufig vollstreckbar.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e:
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Die zulässige Berufung des Beklagten, die insbesondere form- und fristgemäß eingelegt
und begründet worden ist, hat in der Sache keinen Erfolg.
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Zu Recht hat das Landgericht der Klägerin die eingeklagte, der Höhe nach nicht
bestrittene Schadensersatzforderung gegen den Beklagten zuerkannt. Der Anspruch
ergibt sich aus den §§ 280 Abs. 1, 249 ff. BGB in Verbindung mit dem am 03.08.1990
zwischen den Parteien geschlossenen Auto-Mietvertrag (Bl. 116/117 d.A.), weil der
Beklagte entgegen seiner Verpflichtung aus § 556 Abs. 1 BGB i.V.m. Ziffer II Nr. 7 und
Ziffer IV Abs. 1 des vorgenannten Vertrages das Mietfahrzeug infolge von ihm zu
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vertretenden Unvermögens nicht zurückgegeben hat.
Grundsätzlich trägt der Beklagte als Mieter des Fahrzeugs die Beweislast dafür, daß der
gemietete Wagen ohne sein Verschulden nicht zurückgegeben werden kann, § 282
BGB (vgl. Gottfried Baumgärtel, Handbuch der Beweislast im Privatrecht, 2. Auflage, §
280 Rdnr. 6, § 282 Rdnr. 7). Den Diebstahl des Mietfahrzeugs aber hat der Beklagte
nicht bewiesen. Dazu reicht insbesondere nicht die im Prozeß erklärte Bezugnahme auf
die Akten des strafrechtlichen Ermittlungsverfahrens - 32 Js 579/91 StA Aachen - aus.
Denn aus diesen Akten ergibt sich nur, daß der Staatsanwaltschaft die Beweise für eine
Unterschlagung des Mietwagens durch den Beklagten für eine Anklageerhebung nicht
ausreichten. Daß das Fahrzeug aber tatsächlich beim Beklagten von einem Dritten
gestohlen worden ist, läßt sich diesen Ermittlungsakten indessen gerade nicht
entnehmen. Weiteren Beweis für seine Sachdarstellung von einem Diebstahl des
Mietwagens bietet der Beklagte im vorliegenden Rechtsstreit nicht an.
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Die Schadensersatzpflicht des Beklagten entfällt nicht in Hinblick darauf, daß das
Mietfahrzeug entsprechend Ziffer I Nr. 2 des Auto-Mietvertrages vom 03.08.1990 von der
Klägerin "gemäß den jeweils geltenden Allgemeinen Bedingungen für die
Kraftfahrtversicherung (AKB)" u.a. über die Teilkaskoversicherung gegen Verlust durch
Entwendung versichert worden war und gemäß Ziffer IV desselben Vertrages folgende
Haftungsfreistellung galt:
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"Wird das Fahrzeug durch Brand, Explosion, Entwendung oder Wild beschädigt,
beschränkt sich die Haftung des Mieters hinsichtlich des Fahrzeugs auf den
Selbstbehalt der Teilkaskoversicherung im Rahmen der AKB, sofern er die
Beschädigung nicht aus grobem Verschulden herbeigeführt oder gegen die
Anzeigepflicht ... verstoßen hat."
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Diese Vertragsregelung schafft für die Mietvertragsparteien untereinander die gleiche
materielle Rechtslage, wie sie bei Abschluß einer Teilkaskoversicherung zur
Abdeckung des Diebstahlsrisikos nach den Allgemeinen Bedingungen für die
Kraftfahrtversicherung (AKB) für den eigenen Wagen bestehen würde. Damit entspricht
sie den Anforderungen, die der Bundesgerichtshof für die Ausgestaltung von
Haftungsfreistellungsvereinbarungen in Fahrzeug- mietverträgen aufgestellt hat (vgl.
BGHZ 70, 304 ff.; BGH VersR 1976, 61 f., jeweils m.w.N.).
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Nach § 12 Abs. 1 Ziffer I b) AKB haftet der Versicherer bei Verlust durch Entwendung,
insbesondere Diebstahl des versicherten Fahrzeugs. Von einem Diebstahl des dem
Beklagten überlassenen Mietwagens der Klägerin kann indessen hier nicht
ausgegangen werden.
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Für den Nachweis des Vorliegens der Voraussetzungen eines solchen
Versicherungsfalls sind grundsätzlich keine strengen Anforderungen zu stellen. Es
genügt regelmäßig, wenn Tatsachen feststehen, aus denen sich das äußere Bild eines
Diebstahls mit hinreichender Deutlichkeit erschließen läßt. Wird das äußere Bild
bewiesen, muß der Versicherer seinerseits Tatsachen beweisen, aus denen die
erhebliche Wahrscheinlichkeit der Vortäuschung einer Entwendung folgt, ohne daß
diese Vortäuschung voll bewiesen werden braucht (vgl. zu diesen Beweisgrundsätzen
Prölss/Martin, VVG, 25. Auflage, § 12 AKB Anm. 3 b; Martin, Sachversicherungsrecht,
Teil D XVI Rdnr. 11, jeweils m.w.N.).
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Die zu § 61 VVG entwickelten Beweisregeln finden hier keine Anwendung. Denn es
steht nicht zur Diskussion, ob der Versicherungsnehmer den Versicherungsfall
vorsätzlich oder grob fahrlässig herbeigeführt hat, sondern ob der in § 12 Abs. 1 I b)
geregelte Versicherungsfall der Entwendung vorliegt. Die im Schriftsatz des Beklagten
vom 25.07.1995 zitierte Entscheidung des Bundesgerichtshofs in BGHZ 65, 119 f.
erfordert keine andere Handhabung. Im Unterschied zu dem vorliegenden Fall ging es
in dem vom Bundesgerichtshof entschiedenen Rechtsstreit nicht um eine eventuelle
Entwendung/Diebstahl des Mietfahrzeugs, sondern um Schäden des Mietfahrzeugs
durch einen erlittenen Verkehrsunfall.
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Die für § 12 Abs. 1 Ziffer I b) geltenden Beweisgrundsätze sind wegen der am Leitbild
der Kaskoversicherung orientierten Ausgestaltung des Auto-Mietvertrages,
insbesondere der ausdrücklich in Bezug genommenen AKB , auf das
Haftungsverhältnis zwischen den Mietvertragsparteien in Hinblick auf den
beklagtenseits behaupteten Diebstahl zu übertragen.
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Selbst wenn hier vom äußeren Bild eines Diebstahls ausgegangen wird, ergeben die
sonstigen Umstände jedoch, daß die Vortäuschung einer Entwendung durch den
Beklagten erheblich wahrscheinlich ist. Die Klägerin hat in dem gegen den
Kaskoversicherer geführten Deckungsprozeß - 15 O 332/93 LG Münster = 20 U 263/93
OLG Hamm - dem Beklagten durch die am 30.10.1993 erfolgte Zustellung des
Schriftsatzes vom 12.10.1993 (Bl. 76 f., 81 der Beiakten) gemäß den §§ 72, 73 ZPO
wirksam den Streit verkündet. Aufgrund der dadurch herbeigeführten
Interventionswirkung gemäß den §§ 74, 68 ZPO, die sich auf die tragenden
Feststellungen, also die hinreichenden und notwendigen Bedingungen der
Erstentscheidung erstreckt (vgl. Zöller-Vollkommer, ZPO, 19. Auflage, § 68 Rdnr. 9; OLG
Köln NJW-RR 1992, 119/120), steht mit Bindungswirkung gegen den Beklagten aus
dem Urteil des Oberlandesgerichts Hamm vom 27.05.1994 - 20 U 363/93 - für den
vorliegenden Prozeß fest, daß an dem Fahrzeugschlüssel, den der Beklagte seinerzeit
benutzt hatte, frische Kopierspuren vorhanden waren und dieser Schlüssel nach dem
Kopiervorgang nicht mehr benutzt worden ist. Der Bindungswirkung unterliegt ferner,
daß es in demselben Urteil als bewiesen angesehen worden ist, daß der von dem
Beklagten zurückgegebene Originalschlüssel - der Schlüssel mit der Nummer des
Kennzeichens - von einem Mitarbeiter der Klägerin in Empfang genommen wurde und
dieser Schlüssel der kopierte ist. Diese tatsächlichen Feststellungen sind tragende,
denn sie haben das Oberlandesgericht Hamm nach den Entscheidungsgründen in dem
besagten Urteil gerade dazu bewogen, die Klage der Klägerin gegen den
Kaskoversicherer abzuweisen, weil eine Vortäuschung des Diebstahls "erheblich
wahrscheinlich ist".
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Der Beklagte, der dem Deckungsprozeß seinerzeit trotz der Streitverkündung nicht
beigetreten war, muß diese , die Entscheidung des Oberlandesgerichts Hamm vom
27.05.1994 tragenden Feststellungen im vorliegenden Rechtsstreit gemäß den §§ 74,
68 ZPO gegen sich gelten lassen. Sein Bestreiten dieser Umstände im vorliegenden
Rechtsstreit nebst der dazu angebotenen Beweise muß außer Betracht bleiben, weil er
diese Verteidigung bereits im Deckungsprozeß, wäre er diesem damals beigetreten,
hätte vorbringen können (vgl. dazu Zöller-Vollkommer, a.a.O. § 74 Rdnr. 7).
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Die erstinstanzlich vom Beklagten erhobene Einrede der Verjährung greift nicht durch.
Im Auto-Mietvertrag vom 03.08.1990 findet sich unter dortiger Ziffer V lediglich eine
Bestimmung über den Beginn der Verjährungsfrist, nicht aber eine Regelung über die
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Dauer der Verjährungsfrist. Daher gelten die gesetzlichen Verjährungsregelungen. Die
kurze Verjährungsfrist des § 558 BGB findet keine Anwendung, denn die Mietsache ist
gerade nicht zurückgegeben worden.
Maßgebend ist für den Schadensersatzanspruch aus § 280 BGB die Verjährungsfrist für
den entsprechenden Erfüllungsanspruch, also für die Rückgabe der Mietsache nach §
556 Abs. 1 BGB, der nach § 195 erst nach dreißig Jahren verjährt (vgl. Palandt-Putzo,
BGB, 54. Auflage, § 558 Rdnr. 10; Palandt-Heinrichs, a.a.O., § 280 Rdnr. 5, § 195 Rdnr.
5, 8, jeweils m.w.N.).
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Der zuerkannte Zinsanspruch, den der Beklagte auch in der Berufungsinstanz weder
zum Grund noch zur Höhe in Abrede gestellt hat, ist aus den §§ 290, 286 Abs. 1, 284
Abs. 1 BGB begründet.
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Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf den §§ 97 Abs. 1, 708 Nr. 11, 713
ZPO.
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Dem Antrag des Beklagten im Schriftsatz vom 25.07.1995, die Revision gegen das
vorliegende Urteil zuzulassen, ist nicht zu folgen. Die Voraussetzungen des § 546 Abs.
1 ZPO sind nicht erfüllt. Es handelt sich vorliegend nämlich um eine
Einzelfallentscheidung unter Berücksichtigung der höchstrichterlichen Rechtsprechung.
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Streitwert des Berufungsverfahrens
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und Beschwer des Beklagten: 23.267,54 DM.
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