Urteil des OLG Köln vom 30.06.2000

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Oberlandesgericht Köln, 19 U 203/99
Datum:
30.06.2000
Gericht:
Oberlandesgericht Köln
Spruchkörper:
19. Zivilsenat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
19 U 203/99
Vorinstanz:
Landgericht Köln, 20 O 579/97
Tenor:
Auf die Berufung der Beklagten wird das am 28. Oktober 1999
verkündete Urteil der 20. Zivilkammer des Landgerichts Köln - 20 O
579/97 - teilwei-se abgeändert und insgesamt wie folgt neu gefasst: Die
Klage wird abgewiesen. Auf die Widerklage wird der Kläger verurteilt, an
die Beklagte 11.709,48 DM nebst 7 % Zinsen seit dem 3. September
1997 zu zahlen. Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger. Das Urteil
ist vorläufig vollstreckbar.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :
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Die zulässige Berufung der Beklagten hat auch in der Sache Erfolg.
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Der Beklagten steht ein Anspruch auf Rückzahlung der Versicherungsleistung aus §
812 I 1 1.Altern. BGB zu. Zwar muss der auf Rückzahlung der Versicherungsleistung
klagende Versicherer den Vollbeweis führen, dass der Versicherungsfall nicht
eingetreten war (BGH VersR 1993, 1007; OLG Düsseldorf VersR 2000 (12), 484). Den
Nachweis, dass es sich um einen "gestellten" Unfall gehandelt hat, hat die Beklagte
aber vorliegend erbracht. Dabei ist es ausreichend, wenn auf Grund von Indizien zur
Überzeugung des Gerichts ein Hergang feststeht, der nur auf eine vorsätzliche
Schädigung hindeutet (OLG Köln OLGR 2000 (9), 164, 166 aaO m.w.N.).
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Dem äusseren Ablauf nach handelt es sich um einen gestellten Unfall nach dem
sogenannten "Berliner Modell". Darunter wird die vorsätzliche Beschädigung eines
abgestellten Fahrzeuges durch einen entwendeten Pkw - meist einen älteren Opel oder
VW - verstanden, der an Ort und Stelle zurückgelassen wird, um dessen
Haftpflichtversicherer auf Gutachtenbasis auf Schadensersatz in Anspruch zu nehmen
(vgl. OLG Köln OLGR 2000 (9), 164, 165, 166 m.w.N.). Mit diesen typischen äußeren
Umständen allein mag allerdings ein Indizienbeweis für einen gestellten Unfall noch
nicht geführt werden können. Hier kommt aber eine Fülle weiterer Faktoren hinzu, so
dass eine Gesamtschau nach der Überzeugung des Senats nur den Schluss zulässt,
dass der Unfall "gestellt" war:
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Der gestohlene Golf war nicht nur 16 Jahre alt, sondern bereits kurz zuvor gestohlen und
ebenfalls gegen ein geparktes Auto gefahren worden. Der Schaden an der
Lenkradverkleidung und am Lenkradschloss war zum Zeitpunkt des hier behaupteten
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Unfallgeschehens noch nicht behoben. Ausserdem hatte das Fahrzeug einen
Motorschaden; das Fahrzeug machte nach den Angaben seiner Halterin einen
"tierischen Krach, es spritzte Wasser und Öl heraus". Auch der damalige Frontschaden
war offensichtlich nicht behoben worden: Der Sachverständige D. hat hierzu nämlich
ausgeführt, das Deformationsbild des Golf sei möglicherweise gar nicht dem
Schadensereignis zuzuordnen, sondern beruhe auf dem früheren Auffahrunfall vom
März 1997. Es handelte sich danach insgesamt um ein Fahrzeug, dessen Sicherungen
nicht nur leicht zu überwinden waren, sondern dessen Entwendung eigentlich nur für
einen gestellten Unfall Sinn macht. Es ist demgegenüber völlig unwahrscheinlich, dass
ein Dieb ein solches, erkennbar defektes und wertloses Auto mit einem offensichtlichen
Motorschaden entwendet, um es weiterzuveräußern oder für eigene Zwecke zu nutzen
und sich dabei dem Risiko der Strafverfolgung auszusetzen.
Aus dem Fahrverhalten ergeben sich weitere Anhaltspunkte für einen gestellten Unfall.
Unachtsamkeit oder eine alkoholbedingte Fehlleistung des Fahrers liegen hier als
Unfallursache fern. Der Zusammenstoß ereignete sich 40 m hinter der Kreuzung L./H..
Die Unfallörtlichkeit war durch eine etwa 10 m von der späteren Anstoßstelle befindliche
Straßenlaterne beleuchtet. Aus der polizeilichen Unfallskizze, insbesondere der
rechtsseitig auf dem Gehweg gezeichneten Blockierspur hat der Sachverständige D.
überzeugend gefolgert, dass der Golffahrer mit an Sicherheit grenzender
Wahrscheinlichkeit durch vorheriges Befahren des Gehwegbereichs mit den rechten
Rädern die Heckpartie des Klägerfahrzeugs "quasi bzw. praktisch bewußt angesteuert"
haben muss.
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Dass sich der Unfall zur Nachtzeit ereignet hat, ist ebenfalls ein für einen gestellten
Unfall typischer Umstand.
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Schließlich liegen auch erhebliche Vorschäden am Klägerfahrzeug vor, die ein Motiv für
die Verabredung eines Unfalls bilden. Dabei kommt hinzu, dass der Kläger diese
Vorschäden, die im Heckbereich durch die neuen Schäden teilweise überlagert worden
sind, weder dem "Sachverständigen" S. offenbart noch gegenüber der Beklagten
angegeben hat, sondern nach wie vor behauptet, sämtliche Vorschäden aus dem
Verkehrsunfall des Vorbesitzers seien sach- und fachgerecht repariert worden, so dass
alle Schäden aus dem hier interessierenden Geschehen stammten. Der
Sachverständige D. hat demgegenüber im einzelnen aufgezeigt, dass die erheblichen
Schäden des Fahrzeuges nach dem Totalschaden zum großen Teil unrepariert
geblieben sind, so vor allem die Schäden am Dach und im rechten Heckbereich. Dabei
hat er die Lichtbilder nach dem damaligen Totalschaden mit den von S. sowie der
Polizei erstellten Fotos verglichen und völlig eindeutig nachgewiesen, dass es sich
nach Lage und Formgebung um identische Schäden gehandelt hat. Insbesondere nach
dem Vergleich der Lichtbilder ergeben sich für den Senat keine Zweifel an der
Richtigkeit der Feststellungen des Sachverständigen. Danach ist eindeutig, dass der
weit überwiegende Teil der Schäden, die aus dem angeblichen Unfallgeschehen
geltend gemacht werden, bereits aus dem früheren Unfallereignis stammte.
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Demgegenüber kann sich der Beklagte nicht mit Erfolg auf die TÜV-Bescheinigung vom
25. Februar 1997 berufen. Auch nach dem von ihm in Auftrag gegebenen Gutachten S.
war die Betriebs- und Verkehrssicherheit des Fahrzeugs nicht beeinträchtigt. Aus der
Bescheinigung des TÜV kann also nicht geschlossen werden, dass dieser die zum Teil
für die technische Sicherheit ohnehin nicht relevanten Vorschäden im Einzelnen
überprüft und vermerkt hat. Aus dem Fehlen von Beanstandungen kann jedenfalls nicht
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gefolgert werden, die Schäden seien bei der TÜV-Untersuchung nicht vorhanden
gewesen. Im übrigen erscheinen dem Senat die Feststellungen des Sachverständigen
D. so eindeutig, dass keine ernsthaften Zweifel daran bestehen, dass ein Großteil der
Vorschäden unrepariert geblieben ist. Hierfür spricht, worauf das Landgericht zu Recht
hingewiesen hat, auch der vom Kläger gezahlte Kaufpreis.
Schließlich muss sich der Kläger entgegenhalten lassen, dass er das Unfallfahrzeug
kurz nach dem Unfall und der Besichtigung durch den beauftragten Gutachter S. am
4.Juni 1997 weiterveräussert hat, ohne der Beklagten die Gelegenheit zu geben, das
Fahrzeug ihrerseits zu untersuchen. Diesem Umstand mag für sich keine
ausschlaggebende Bedeutung zukommen. Im Zusammenhang mit den sonstigen
Tatsachen rundet er aber den Eindruck ab, dass hier ein fingierter Verkehrsunfall zur
Schadensregulierung gelangen sollte.
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Damit bestehen aus der Sicht des Senats keine vernünftigen Zweifel daran, dass der
beklagten Versicherung ein gestellter Unfall mit dem Versuch vorgespiegelt worden ist,
auch die erheblichen Vorschäden des Fahrzeugs in die Schadensregulierung mit
einzubeziehen. Die gegen den Kläger sprechenden Indizien sind von solchem Gewicht,
dass der der Beklagten obliegende Beweis als geführt angesehen werden muss.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO.
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Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 711, 713
ZPO.
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Streitwert für das Berufungsverfahren: 11.709,48 DM.
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