Urteil des OLG Köln vom 30.05.2005

OLG Köln (zpo, fehlerhafte rechtsmittelbelehrung, ablehnung, freiwillige gerichtsbarkeit, unrichtige rechtsmittelbelehrung, beschwerde, umstände, auflage, rechtsmittelbelehrung, 1995)

Oberlandesgericht Köln, 16 Wx 90/05
Datum:
30.05.2005
Gericht:
Oberlandesgericht Köln
Spruchkörper:
16. Zivilsenat
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
16 Wx 90/05
Vorinstanz:
Landgericht Köln, 29 T 49/05
Tenor:
Die sofortige weitere Beschwerde der Antragstellerin gegen den Be-
schluss der 29. Zivilkammer des Landgerichts Köln vom 04.04.2005 (29
T 49/05) wird als unzulässig verworfen.
Etwaige im Rechtsbeschwerdeverfahren entstandene Gerichtskosten
sind nicht zu erheben.
Gründe:
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1.
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Das Rechtsmittel ist unstatthaft und daher als unzulässig zu verwerfen.
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Seit Inkrafttreten des Zivilprozessreformgesetzes (ZPO-RG) vom 27.07.2001 (BGBl. I,
1887) am 01.01.2002 ist gegen eine Beschwerdeentscheidung des Landgerichts, durch
welche die sofortige Beschwerde gegen den ein Befangenheitsgesuch gegen einen
Richter zurückweisenden Beschluss des Amtsgerichts zurückgewiesen wird, die
sofortige weitere Beschwerde nur dann statthaft, wenn sie durch das Landgericht
zugelassen worden ist. (BayObLGZ 2002, 89 ff.; OLG Karlsruhe ZMR 2002, 778). Nach
ständiger Rechtsprechung und nahezu einhelliger Literaturauffassung finden im
Verfahren der Freiwilligen Gerichtsbarkeit bei der Ablehnung von Richtern wegen
Befangenheit die §§ 42 ff ZPO entsprechende Anwendung. Dies gilt insbesondere auch
für die sich aus den allgemeinen Vorschriften der ZPO ergebenden Einschränkungen
der Statthaftigkeit von Rechtsmitteln im Ablehnungsverfahren, wohingegen sich das zur
Entscheidung über das Rechtsmittel berufene Gericht, die Form und die Frist des
Rechtsmittels sowie die Beschwerdeberechtigung nach den FGG-Vorschriften richten
(OLG Karlsruhe FGPrax 2003, 214; BayOBLGZ 2002, 89). Da die angefochtene
Entscheidung des Landgerichts nach dem 01.01.2002 ergangen ist, sind hier - im
genannten Rahmen - die Vorschriften der ZPO in der Fassung des das
Beschwerdeverfahren grundlegend umgestaltenden ZPO-RG anzuwenden (§ 26 Nr.10
EGZPO). Danach richtet sich die Statthaftigkeit von Rechtsmitteln nach § 574 Abs. 1
ZPO. Gegen die Beschwerdeentscheidung des Landgerichts findet daher nicht - wie das
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nach dem früheren Rechtsmittelsystem der ZPO der Fall gewesen wäre - die
zulassungsfreie sofortige weitere Beschwerde, sondern bei Vorliegen der gesetzlichen
Voraussetzungen die Rechtsbeschwerde statt.
Für die Fälle der Ablehnung eines Sachverständigen gilt nichts anderes. Nach § 15
FGG sind (auch) für die Beweiserhebung durch Sachverständige die Vorschriften der
ZPO entsprechend anwendbar. Die Ablehnung des Sachverständigen ist in § 406 ZPO
näher geregelt. Es besteht kein Grund, diese Fallgestaltung anders zu behandeln als
die der Ablehnung eines Richters. Auch in diesem Verfahren ist also die
Rechtsmittelbeschränkung des § 574 Abs. 1 ZPO zu beachten (ebenso
Keidel/Kuntze/Winkler, Freiwillige Gerichtsbarkeit, 15. Auflage 2003, § 27 Rdn. 5)
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Dass der angegriffene Beschluss eine Rechtsmittelbelehrung enthält, führt nicht zu einer
Zulässigkeit des Rechtsmittels, denn eine fehlerhafte Rechtsmittelbelehrung ersetzt
nicht die notwendige Zulassung. Sie beinhaltet nur eine Auskunft über Erfordernisse
bzw. Möglichkeiten, die kraft Gesetzes gegeben sind, und auf die der Betroffene
ausdrücklich hingewiesen werden soll. Dagegen dient sie nicht der Eröffnung einer
weiteren Instanz und kann für sich genommen über die Ansicht des Gerichts, ein
ansonsten nicht statthaftes Rechtsmittel ausdrücklich zuzulassen, keine Auskunft geben
(vgl. BayObLG NJOZ 2001, 680 = BayObLGZ 2000, 318; OLG Karlsruhe FGPrax 1999,
183; Senat OLGReport Köln 2004, 258 sowie Beschluss vom 20.05.2005 - 16 Wx 81/05
-).
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Ob etwas anderes dann gilt, wenn besondere Umstände vorliegen, die aus einer
Rechtsmittelbelehrung ausnahmsweise auf einen Zulassungswillen des erkennenden
Gerichts schließen lassen (vgl. BayObLG a. a. O.), bedarf keiner Entscheidung; denn
derartige Umstände sind nicht erkennbar. Die Rechtsmittelbelehrung befindet sich erst
hinter der Unterschrift der Richter. Hingewiesen wurde auch nur auf die allgemeinen
Vorschriften über die Zulässigkeit der sofortigen weiteren Beschwerde und zwar
diejenigen nach § 45 Abs. 1 WEG i.V.m. §§ 27, 29 FGG, nicht aber auf diejenigen der
Rechtsbeschwerde nach § 574 ZPO. Dass die Sache nach Meinung des Landgerichts
etwa grundsätzliche Bedeutung im Sinne des § 574 Abs. 2, 3 ZPO haben könnte, ist
nach der einzelfallbezogenen Begründung des Landgerichts eine ohnehin ersichtlich
fern liegende Annahme.
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2.
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Im Übrigen hat das Landgericht hat die Beschwerde der Antragstellerin, mit der sie sich
gegen die Zurückweisung ihres gegen den Sachverständigen Küffner gerichteten
Befangenheitsgesuches wendet, aber auch im Ergebnis zu Recht zurückgewiesen. Der
an das Amtsgericht gerichtete Befangenheitsantrag war nämlich wegen Verfristung
unzulässig.
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Nach der in § 406 Abs. 2 Satz 2 ZPO getroffenen Regelung ist die Ablehnung eines
bereits ernannten Sachverständigen nur zulässig, wenn das entsprechende Gesuch
unverzüglich nach Erlangung der Kenntnis des Ablehnungsgrundes gestellt wird (vgl.
OLG Köln OLGR 2001, 261 f; OLG Celle NJW-RR 1995, 128; OLG Frankfurt am Main
OLGR 1995, 139 f; BayObLG MDR 1995, 412 f; OLG Koblenz NJW-RR 1999, 72 f;
Zöller, Kommentar zur Zivilprozessordnung, 25. Auflage 2005, § 406 Rdn. 11;
Werner/Pastor, Der Bauprozess, 11. Auflage 2005, Rdn. 2650). Der im Sinne dieser
Regelung an die Definition des Begriffes der "Unverzüglichkeit" anzulegende Maßstab
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lässt sich dabei zum einen der Bestimmung des § 121 Abs. 1 BGB entnehmen; die
Ablehnung ist danach "ohne schuldhaftes Zögern" anzubringen. Zum anderen ist dabei
dem Sinn und Zweck der Befristung des Ablehnungsrechts Rechnung zu tragen, welche
die betroffene Partei davon abhalten soll, Ablehnungsgründe aus prozesstaktischen
Gründen zurückzuhalten. Ablehnungsgründe sollen vielmehr unabhängig von der
Prozesslage und dem Erfolg anderer Anträge nach einer den Umständen des Einzelfalls
angepassten angemessenen Prüfungs- und Überlegungszeit geltend gemacht werden,
um die Frage, ob ein die Ablehnung rechtfertigender Grund gegen den
Sachverständigen vorliegt, einer raschen und endgültigen Bereinigung zuzuführen.
Das Ablehnungsgesuch der Antragstellerin ist nicht innerhalb einer nach diesen
Maßstäben als "unverzüglich" einzuordnenden Frist angebracht worden:
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Die für ihr Ablehnungsgesuch maßgeblichen Umstände waren der Antragstellerin seit
dem Ortstermin vom 1.6.2004, an dem sie durch einen Bevollmächtigten vertreten war
bzw. seit dem Erhalt des am 6.10.2004 (GA 127 R) an sie übersandten Gutachtens,
spätestens jedoch seit dem 17.12.2004, dem Datum des Schriftsatzes (GA 130 f), mit
dem die Antragstellerin bereits alle mit ihrem späteren Ablehnungsgesuch
vorgebrachten Umstände mitgeteilt hatte, bekannt. Der Ablehnungsantrag selbst ist
jedoch erst mit Schriftsatz vom 1.2.2005 (GA 163 f) und damit nicht mehr innerhalb einer
noch als angemesen zu bezeichnenden weiteren Überlegungsfrist gestellt worden. Es
kommt hinzu, dass die Antragstellerin im Termin vom 21.12.2004 (GA 155) und damit in
Kenntnis aller für ihr Ablehnungsgesuch maßgebenden Umstände zur Sache verhandelt
hat. Auch das schließt eine spätere Ablehnung des Sachverständigen wegen Besorgnis
der Befangeneit aus (OLG Düsseldorf MDR 1994, 620; Werner/Pastor, Der Bauprozess,
11. Auflage 2005, Rdn. 2650).
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Auch ansonsten enthält der angegriffene Beschluss des Landgerichts keine
Rechtsfehler zum Nachteil der Antragstellerin. Die Erwägungen des Amts- und des
Landgerichts - auf die verwiesen werden kann - tragen auch die Zurückweisung des
Ablehnungsgesuchs nach Maßgabe des § 406 ZPO, weil in dem Verhalten des
Sachverständigen ein Ablehnungsgrund nicht liegt.
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3.
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Gerichtskosten für das Rechtsbeschwerdeverfahren sind gemäss § 16 KostO nicht zu
erheben, da das Rechtsmittel durch die unrichtige Rechtsmittelbelehrung veranlasst
worden ist (BayObLG WuM 1995, 20; Hartmann, Kostengesetze, 34. Auflage, § 16
KostO Rdn. 32).
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Beschwerdewert: 3.000 EUR.
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