Urteil des OLG Köln vom 29.01.2010

OLG Köln (ehemann, alkohol, mitarbeiter, sohn, weisung, aufsicht, tabak, eltern, verkauf, verhalten)

Oberlandesgericht Köln, III-1RBs 24/10
Datum:
29.01.2010
Gericht:
Oberlandesgericht Köln
Spruchkörper:
1. Strafsenat
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
III-1RBs 24/10
Vorinstanz:
Amtsgericht Leverkusen, 82 Ss-OWi 124/09
Tenor:
Die Rechtsbeschwerde der Betroffenen gegen das Urteil des
Amtsgerichts Leverkusen vom 24. August 2009 wird als unbegründet
verworfen.
Die Betroffene hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen.
G r ü n d e :
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Das Amtsgericht hat die Betroffene mit Urteil vom 24. August 2009 wegen einer
fahrlässigen Ordnungswidrigkeit gem. § 130 Abs. 1 OWiG i.V.m. §§ 9 Abs. 1, 28 Abs. 1
Nr. 10 JuSchG zu einer Geldbuße von 2.000 € verurteilt.
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Zu den persönlichen Verhältnissen der Betroffenen und zum Schuldspruch hat das
Amtsgericht folgende Feststellungen getroffen:
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"Die zur Tatzeit 44 Jahre alte Betroffene ist verheiratet und hat drei volljährige
Kinder, von denen sich eines noch in der Berufsausbildung befindet. Die
Betroffene ist Inhaberin der Trinkhalle auf der C-Straße in M. und erzielt aus dem
Betrieb der Trinkhalle ein monatliches Nettoeinkommen von bis zu 500 bis 1.000
€ im Monat. Der Ehemann der Betroffenen erzielt aus eigener Tätigkeit ein
monatliches Nettoeinkommen in Höhe von 1.700 €.
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Am 08.03.2008 half der Ehemann der Betroffenen, der D. N., in der Trinkhalle der
Betroffenen auf der C-Straße in M. aus. Hierbei verkaufte der D. N. alkoholische
Getränke an mehrere Jugendliche im Alter von 14 Jahren, unter anderem den G.
K. und den O. P.. Im Einzelnen verkaufte er hierbei mehrere Flaschen des
Biermischgetränks W.+ mit einem Alkoholgehalt von mindestens 4,8 Prozent. Der
D. N. hatte die Jugendlichen vor Verkauf der alkoholischen Getränke nicht zur
Vorlage des Ausweises zwecks Feststellung deren Alters und damit der
Legitimation zum Erwerb der alkoholischen Getränke aufgefordert. Vielmehr hatte
der D. N. erkannt, dass die Käufer noch unter 16 Jahre alt und damit nicht zum
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Kauf von alkoholischen Getränken legitimiert waren und gab ihnen eine Tüte, um
die alkoholischen Getränke zu verbergen, und ermahnte sie, sich nicht erwischen
zu lassen.
Die Jugendlichen begaben sich anschließend zur Geburtstagsfeier des A. T. , der
im Wohnzimmer seines Elternhauses in der I.-Straße X in M. seinen 14.
Geburtstag feierte, und konsumierten den vorher erworbenen Alkohol. Gegen
21.30 Uhr und 22.00 Uhr stellten die Eltern des A. T. fest, dass auf der
Geburtstagsfeier ihres Sohnes Alkohol konsumiert wurde. Sie informierten die
Eltern des G. K., der besonders stark alkoholisiert war und baten diese, ihren
Sohn abzuholen.
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Der Vater des A. T. , der U. V., begab sich am folgenden Tag zur Trinkhalle der
Betroffenen, wo er diese persönlich antraf und über die Vorfälle vom Vortag
informierte. Die Betroffene erwiderte hierauf lediglich, dass am Vortag eine
Aushilfe in der Trinkhalle tätig gewesen sei. Weiter ging sie auf die Vorwürfe des
U. V. nicht ein.
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Die Betroffene hat ihren Ehemann D. N. sowie ihren Sohn E. R., die gelegentlich
in der Trinkhalle der Betroffenen aushelfen, wiederholt angewiesen, sich von
Jugendlichen vor der Veräußerung von Alkoholika oder Tabak Ausweise zeigen
zu lassen. Der Einhaltung der Weisung geht die Betroffenen nicht weiter nach."
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In rechtlicher Hinsicht heißt es im Urteil:
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"Indem der D. N. am Tattag unter anderem an den 14 Jahre alten G. K. und den
ebenso alten O. P. Biermixgetränke sowie das Getränk B. verkauft hat, hat dieser
gegen §§ 28 Abs. 1, 9 Abs. 1 JuSchG verstoßen. Dies fällt der Betroffenen
insoweit zur Last, als dass sie zumindest fahrlässig gegen ihre Aufsichtspflichten
nach § 130 OWiG verstoßen hat. Zu den Aufsichtsmaßnahmen, die objektiv
erforderlich und zumutbar sein müssen, gehört u.a. eine hinreichende
Überwachung der Mitarbeiter sowie die Pflicht zum Einschreiten bei festgestellten
Unregelmäßigkeiten (Göhler, OWiG, 15. Aufl., § 130 Rn. 11 f.). Im Hinblick auf die
Überwachungspflicht wäre es zumindest objektiv erforderlich und der Betroffenen
auch zumutbar gewesen, die von ihr als Aushilfen eingesetzten D. und E. R., auch
wenn es sich um ihren Ehemann und ihren Sohn handelt, gelegentlich bei der
Aushilfstätigkeit im Kontakt zu Kunden zu beobachten sowie regelmäßig nach der
Einhaltung ihrer Weisungen zu befragen. Die Betroffene hat sich hingegen damit
begnügt, lediglich die Weisung zu erteilen, sich vor der Veräußerung von Alkohol
und Tabak an Jugendliche deren Ausweise zeigen zu lassen. Dies ist jedoch
nicht ausreichend und der Aufsichtspflicht nach § 130 OWiG nicht genügend.
Zudem zeigt der Umstand, dass die Betroffene den Vorwürfen des U. V. am
09.03.2008 nicht weiter nachgegangen ist, dass sie ihren Aufsichtspflichten nach
§ 130 Abs. 1 OWiG nicht ernsthaft nachkommt."
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Gegen dieses Urteil hat die Betroffene über ihren Verteidiger Rechtsbeschwerde
eingelegt, mit der die Verletzung materiellen Rechts gerügt wird.
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Die Generalstaatsanwaltschaft hat beantragt, die angefochtene Entscheidung
aufzuheben und die Sache zur erneuten Entscheidung an das Amtsgericht Leverkusen
zurückzuverweisen.
12
II.
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Die gemäß § 79 Abs. 1 Nr. 1 OWiG statthafte Rechtsbeschwerde begegnet auch
hinsichtlich ihrer Zulässigkeitsvoraussetzungen m Übrigen keinen Bedenken.
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In der Sache erweist sie sich indessen als unbegründet, da die Überprüfung des
angefochtenen Urteils aufgrund der Begründung des Rechtsmittels Rechtsfehler zum
Nachteil der Betroffenen nicht aufdeckt.
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1.
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In den Urteilsgründen wird, wie die Generalstaatsanwaltschaft in ihrer Vorlageverfügung
vom 18. Januar 2010 zutreffend ausführt, rechtfehlerfrei festgestellt, dass ein Mitarbeiter
der Betroffenen den Bestimmungen des Jugendschutzgesetzes zuwider Alkohol an
Minderjährige ausgegeben hat. Das Amtsgericht hat dies zutreffend dahingehend
gewertet, dass die Betroffene insoweit gegen ihre Aufsichtspflicht als Betriebsinhaberin
verstoßen hat, als sie die von ihr zur Delegation herangezogenen Mitarbeiter der
Trinkhalle gänzlich unbeaufsichtigt gelassen und deren Tätigkeit gar nicht überwacht
hatte.
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Die Feststellungen des Amtsgerichts werden auch von der Beweiswürdigung getragen,
die - revisionsrechtlich allein bedeutsame – Widersprüche, Lücken oder
Unvollständigkeiten nicht aufweist. Die Begründung der Rechtsbeschwerde deckt
demgegenüber keine Rechtsfehler auf, sondern setzt ihre eigene Beweiswürdigung in
unzulässiger Weise an die Stelle derjenigen des Tatrichters. Dabei werden teilweise
Beweisergebnisse unterstellt, die im angefochtenen Urteil keinen Niederschlag
gefunden haben.
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2.
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Anders als die Generalstaatsanwaltschaft sieht der Senat eine materiell-rechtliche
Unvollständigkeit der angefochtenen Entscheidung nicht darin, dass das Urteil keine
näheren Ausführungen zur Ursächlichkeit der Verletzung der Aufsichtspflicht im Hinblick
auf den vom Ehemann der Betroffenen begangenen Verstoß gegen die Bestimmungen
des Jugendschutzgesetzes enthält.
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§ 130 Abs. 1 OWiG lässt es genügen, dass durch die gehörige Aufsicht die
Zuwiderhandlung wesentlich erschwert worden wäre. Die gegenüber der früheren, bis
zum 31. Oktober 1994 geltenden Gesetzeslage erweiterte Kausalitätsformel beruht auf
dem der Risikoerhöhungslehre entsprechenden Grundgedanken, dass der Täter
verpflichtet ist, die ihm zu Gebote stehenden Möglichkeiten der Risikoverringerung auch
zu nutzen. Er darf daher nichts unversucht lassen, um erkannten oder erkennbaren
Zuwiderhandlungsgefahren entgegenzuwirken. Bleibt er gegenüber derartigen
Gefahren untätig und kommt es demnach zu einer konkreten Zuwiderhandlung, so
erweist sich diese als Realisierung des nicht bekämpften Gefahrkomplexes; sie kann
ihm dann auch zugerechnet werden. Der Eintritt einer Risikominderung bei Anwendung
der gehörigen Aufsicht muss aber feststehen (Rogall in: Karlsruher Kommentar zum
OWiG, 3. Aufl., § 130 Rdnr. 97 ff. m.w.N.).
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Davon ausgehend waren bei der hier vorliegenden Fallgestaltung nähere Darlegungen
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zur Ursächlichkeit der von der Betroffenen versäumten Beaufsichtigung ihrer Mitarbeiter
entbehrlich. Den Urteilsfeststellungen zufolge hat sich ihr Ehemann trotz der ihm
erteilten Anweisungen bewusst über die Jugendschutzbestimmungen hinweggesetzt
("lasst euch nicht erwischen"). Die Bekundung des Zeugen K. , dass er bereits bei einer
Gelegenheit zuvor in der Trinkhalle der Betroffenen "Smirnoff-Ice" erworben habe und
ihm bekannt gewesen sei, dass auch andere Jugendliche dort Alkoholika erstanden
hätten, belegt darüber hinaus, dass Verstöße gegen die Bestimmungen des
Jugendschutzgesetzes in der Trinkhalle der Betroffenen offenbar nicht außergewöhnlich
waren. Es kann dahinstehen, ob gelegentliche, unerwartete Kontrollen nicht schon
ausgereicht hätten, um den Ehemann zu einer Änderung seiner Haltung zu veranlassen
und ihn dazu anzuhalten, sich der Weisung entsprechend beim Verkauf von Alkoholika
verantwortungsvoller zu verhalten. Jedenfalls liegt es nahe, dass bei entsprechender
Überwachung sein rechtswidriges (und weisungswidriges) Verhalten der Betroffenen
zur Kenntnis gelangt wäre; sie hätte damit Gelegenheit und Anlass gehabt, geeignete
Maßnahmen zur Gewährleistung der Einhaltung ihrer Anordnung und gegen weitere
Gesetzesverstöße - bis hin zum Ausschluss des Ehemanns von weiteren
Aushilfstätigkeiten in ihrem Geschäft - zu ergreifen. Es liegt auf der Hand, dass sich in
beiden Fällen die Wahrscheinlichkeit eines gesetzmäßigen Verhaltens im
Familienbetrieb der Betroffenen erheblich erhöht hätte.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 473 Abs. 1 StPO, 46 OWiG.
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