Urteil des OLG Köln vom 22.11.2002

OLG Köln: farbe, verkehr, kennzeichnungskraft, verwechslungsgefahr, markenschutz, anbieter, dienstleistung, verfügung, bildzeichen, angriff

Oberlandesgericht Köln, 6 U 121/02
Datum:
22.11.2002
Gericht:
Oberlandesgericht Köln
Spruchkörper:
6. Zivilsenat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
6 U 121/02
Vorinstanz:
Landgericht Köln, 84 O 33/02
Tenor:
1.)
Auf die Berufung der Antragstellerin wird das am 8.5.2002 verkündete
Urteil der 4. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Köln - 84 O
33/02 - teilweise abgeändert.
Der Antragsgegnerin wird im Wege der einstweiligen Verfügung unter
Androhung eines vom Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung
festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zur Höhe von 250.000 EUR,
ersatzweise Ordnungshaft oder Ordnungshaft bis zur Dauer von sechs
Monaten untersagt, im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des
Wettbewerbs die Dienstleistungen der "SC" mit der Farbe "m" zu
bewerben und/oder bewerben zu lassen, wenn dies wie in dem
nachfolgend auf den Seiten 3 und 4 dieses Urteils wiedergegebenen
Prospekt geschieht, wobei der in dem Originalprospekt der
Antragsgegnerin verwendete Originalfarbton, wie er aus der Anlage K 6
ersichtlich ist, maßgeblich ist.
2.)
Die Kosten des Verfahrens erster Instanz werden gegeneinander
aufgehoben.
Die Kosten des Berufungsverfahrens haben die Antragstellerin zu 46 %
und die Antragsgegnerin zu 54 % zu tragen.
bis zur Teilrücknahme des Antrags in der Berufungsverhandlung auf
100.000 EUR;
anschließend auf
50.000 EUR.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
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Die Berufung ist zulässig und in dem Umfang, in dem die Antragstellerin weiterhin den
Erlass einer einstweiligen Verfügung begehrt und nicht ihren Antrag zurückgenommen
hat, auch begründet. Der Antragstellerin steht der geltendgemachte
Verfügungsanspruch aus § 14 Abs.2 Ziff.2 MarkenG zu, weil der aus dem vorstehenden
Urteilstenor ersichtliche Prospekt der Antragsgegnerin ihre (Farb-) Marke Nr.
XXXXXXXXX "m" verletzt. Die farbliche Darstellung sowohl der "0" auf dem Titelblatt
des Prospekts, als auch der beiden Dreiecke in dem mehrfach verwendeten
Wort/Bildzeichen "SC" ist mit der Farbmarke der Antragstellerin verwechselbar.
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Mit Blick auf die erfolgte Eintragung der Marke ist der Beurteilung ein für die
Antragstellerin bestehender Markenschutz an der Farbe m für die eingetragenen Waren-
und Dienstleistungen zugrunde zu legen. Die Farbe wird von der Antragsgegnerin an
den erwähnten Stellen in dem Prospekt auch - wie dies für markenrechtliche Ansprüche
aus § 14 Abs.2 Ziff.2 MarkenG erforderlich ist (vgl. z.B. BGH WRP 02, 987,988 f -
"Festspielhaus") - als Marke, also zur Unterscheidung ihrer Dienstleistungen von denen
anderer Unternehmen benutzt.
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Die Beurteilung der Frage, ob die Verwendung der Farbe markenmäßig erfolgt, wirft
dann besondere Schwierigkeiten auf, wenn es sich um eine konturlose Farbe handelt.
Die bloße Verwendung einer konturlosen Farbe - wie sie durch die angeführte Marke zu
Gunsten der Antragstellerin geschützt ist - hat zunächst keine kennzeichnende, also
herkunftshinweisende Funktion. Denn der Verkehr wird im Regelfall nicht annehmen,
dass eine Farbe als solche, also unabhängig von der Art ihrer Verwendung, von Hause
aus die Funktion haben könnte, auf den Anbieter der Dienstleistung hinzuweisen. Der
Verkehr sieht vielmehr die Farbpalette als grundsätzlich für jedermann frei benutzbar an
und misst daher der Verwendung einer Farbe andere, etwa rein dekorative oder - etwa
bei plakativer Benutzung - werbliche Funktionen bei. Darin unterscheidet sich die
Verwendung einer Farbe strukturell etwa von einer der Verwendung eines Wort- oder
Wort/ Bildzeichens, das von Hause aus Kennzeichnungskraft aufweist. Eine
abweichende Bewertung kann angebracht sein, wenn eine - konturlose - Farbe so
durchgehend in einer Werbebroschüre verwendet ist, dass sie ersichtlich als
Identitätskennzeichen des Unternehmens dienen soll; diese Voraussetzung ist im
Streitfall freilich nicht gegeben. Anders kann sich die Situation allerdings auch dann
darstellen, wenn die Farbe von dem in Anspruch Genommenen bereits intensiv benutzt
worden ist und aus diesem Grunde der Verkehr in der bloßen Verwendung der Farbe
einen Hinweis auf den Verwender sieht. So wird der Verkehr etwa die Verwendung der
Farbe m durch die Antragstellerin wegen deren jahrelanger intensiver und plakativer
Benutzung in den von ihr angebotenen Dienstleistungsbereichen nicht als bloß
werbliche Aufmachung oder gar nur dekorative Ausschmückung, sondern als Hinweis
auf die Antragstellerin ansehen. Indes kann der Markenschutz nicht erst in den Fällen
seine Wirkung entfalten, in denen der Verletzer selbst die geschützte Farbe schon so
intensiv genutzt hat, dass der Verkehr seinerseits die Farbe als solche ihm zuordnet.
Vielmehr muss der bestehende Markenschutz dem Berechtigten gerade auch
gewährleisten, dass er bereits die Entstehung einer solchen Vorstellung im Verkehr
durch Geltendmachung seiner Rechte verhindern kann. Dies gebietet die Einbeziehung
der dem Verkehr bekannten Marken Dritter bereits bei der Beurteilung der Frage, ob der
Verletzer die Farbe markenmäßig benutzt. Das ist im übrigen auch deswegen
sachgerecht, weil sich die Frage, ob eine verwendete Farbe (auch) die Funktion hat, auf
den Anbieter hinzuweisen,
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dann anders stellt, wenn sie für die betreffende Ware oder Dienstleistung nicht nur von
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dem Verletzer, sondern in nicht unerheblichem Umfang, und zwar mit kennzeichnender
Wirkung, auch von einem anderen Anbieter auf dem Markt benutzt wird. Denn der
Verkehr ist dann daran gewöhnt, dass die einzelne Farbe ausnahmsweise auch auf den
Verwender hinweist, und wird ihr diese Funktion zumindest potenziell auch für die
angegriffene Verwendung durch den Verletzer beimessen. So wird gerade der schon
erwähnte Umstand, dass der Verkehr die Farbe m in dem verfahrensgegenständlichen
Dienstleistungsbereich der Antragstellerin zuordnet, ihn zu der Annahme veranlassen
können, die Farbe sei auch in dem Prospekt der Antragsgegnerin als Herkunftshinweis
und damit markenmäßig verwendet worden.
Ausgehend hiervon liegt eine markenmäßige Benutzung der Farbe zunächst bei deren
Verwendung in dem Wort/Bildzeichen "SC" durch die beiden mfarbenen Dreiecke vor.
Denn der Verkehr sieht das Gesamtzeichen - schon wegen des phantasievollen
Wortbestandteiles, aber auch im Hinblick auf die ausdrückliche Angabe des (r), mit der
das Zeichen versehen ist - als Marke der Antragsgegnerin an und wird daher auch die
verwendeten Farben als zumindest mit-kennzeichnend auffassen. Darüber hinaus
erfolgt auch die farbliche Gestaltung der "O" auf der Titelseite des gefalteten Prospektes
markenmäßig. Denn durch die herausgestellte "0" in dem Einleitungssatz "Mit ‚0' geht's
los ..." spielt die Antragsgegnerin - für den durchschnittlich aufmerksamen Interessenten
erkennbar - auf das Wählen einer mit einer Null beginnenden Rufnummer und damit ihre
Dienstleistung der Vermittlung von Telefongesprächen an, die über das Ortsnetz
hinausgehen. Der Verkehr wird daher auch den plakativen Einsatz gerade der Farbe m
im Hinblick auf die allgemein bekannte Verwendung dieser Farbe durch die
Antragstellerin als herkunftshinweisend ansehen. Das dürfte demgegenüber nicht auch
für die Verwendung der Farben auf den beiden Innenseiten gelten, durch die die
Antragsgegnerin die Aussage "SPECIAL-TARIF 2002 Türkei 24 Cent" bzw. den
Hinweis "Türkei" in dem Prospekt hervorhebt, weil es sich dabei um rein beschreibende
Angaben aus ihrem Angebot handelt. Die Frage kann indes dahinstehen, weil sich der
Angriff der Antragstellerin gegen den Prospekt als Ganzen richtet und aus den
dargelegten Gründen die Verwendung der Farbe m jedenfalls an den übrigen Stellen
markenmäßig erfolgt.
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Es besteht auch Verwechslungsgefahr. Ob die Gefahr von Verwechslungen begründet
ist, ist unter Berücksichtigung der Nähe der in Betracht zu ziehenden Dienstleistungen,
für welche die zu vergleichenden Zeichen geschützt oder verwendet sind, sowie der
Kennzeichnungskraft der Marke, aus der vorgegangen wird, und nach der Ähnlichkeit
der zu beurteilenden Zeichen zu entscheiden, wobei die genannten, die
Verwechslungsgefahr bestimmenden Faktoren in einer Wechselbeziehung dergestalt
miteinander stehen, dass der Ähnlichkeitsgrad umso geringer sein kann, je größer die
Kennzeichnungskraft und/oder die Nähe der Dienstleistungen ist, während umgekehrt
ein höherer Ähnlichkeitsgrad erforderlich ist, wenn die Kennzeichnungskraft der Marke
nur schwach und/oder der Abstand der Dienstleistungen größer ist (vgl. BGH GRUR
2000, 875/876 -"Davidoff"-; WRP 1998, 755/757 -"nitrangin"-; EuGH GRUR 1998, 387 -
"Springende Raubkatze"-). Ausgehend hiervon ist die Verwechslungsgefahr zu
bejahen. Die sich gegenüberstehenden Dienstleistungen sind identisch und die
verwendete der zu Gunsten der Antragstellerin geschützten Farbe so ähnlich, dass sie
zumindest dem Verkehr, der nicht beide Farbtöne nebeneinander vor sich hat, sogar als
mit dieser identisch vorkommen wird. Damit wäre eine Verwechslungsgefahr im
Rechtssinne sogar schon dann zu bejahen, wenn die Farbmarke der Antragstellerin von
nur geringer Kennzeichnungskraft wäre. Erst Recht ist eine solche angesichts des
Umstands anzunehmen, dass die Marke der Antragstellerin wegen der
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gerichtsbekannten jahrelangen intensiven Benutzung noch gesteigert ist.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 91 Abs.1, 269 Abs.3 ZPO.
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Das Urteil ist gemäß § 542 Abs.2 ZPO mit seiner Verkündung rechtskräftig.
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Der Gegenstandswert für das Berufungsverfahren wird endgültig wie folgt festgesetzt:
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Mangels anderer Anhaltspunkte schätzt der Senat das gem. § 12 Abs.1 GKG i.V.m. § 3
ZPO für die Wertfestsetzung maßgebliche Interesse der Antragstellerin an beiden
ursprünglichen Antragsteilen gleich hoch ein.
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