Urteil des OLG Köln vom 26.11.2002

OLG Köln: zustellung, klagerücknahme, auflage, ermessen, rechtshängigkeit, anteil, unverzüglich, kontaktaufnahme, wahrscheinlichkeit, unterhalt

Oberlandesgericht Köln, 14 UF 193/02
Datum:
26.11.2002
Gericht:
Oberlandesgericht Köln
Spruchkörper:
14. Zivilsenat
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
14 UF 193/02
Vorinstanz:
Amtsgericht Bergisch Gladbach, 29 F 87/02
Tenor:
Die sofortige Beschwerde des Klägers gegen den Kostenbeschluss des
Amtsgerichts - Familiengericht - Bergisch Gladbach vom 12.09.2002 (29
F 87/02) wird auf seine Kosten zurückgewiesen.
G r ü n d e:
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Der Kläger wendet sich mit der sofortigen Beschwerde gegen die Kostenentscheidung
des Amtsgerichts, nach der die Kosten des Verfahrens gem. § 269 Abs. 3 S. 3 ZPO
gegeneinander aufgehoben worden sind - dies nach Rücknahme einer vom Kläger
eingereichten, den Beklagten aber nicht zugestellten Vollstreckungsgegenklage. Der
Kläger ist der Auffassung, billigem Ermessen hätte unter Berücksichtigung des
bisherigen Sach- und Streitstandes entsprochen, die Kosten dem Beklagten allein
aufzuerlegen; denn der Klage hätte im vollem Umfang stattgegeben werden müssen,
wenn nicht zunächst über den Prozesskostenhilfeantrag des Klägers entschieden
worden wäre.
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Prozesskostenhilfe war dem Kläger verweigert worden, weil die Klage im Zeitpunkt der
Entscheidungsreife keine Aussicht auf Erfolg mehr bot, nachdem die Beklagten im PKH-
Verfahren erklärt hatten, dass es sich bei dem überhöhten Betrag im Pfändungs- und
Überweisungsbeschluss, der Gegenstand der Vollstreckungsgegenklage war, um einen
Schreibfehler handele und dass insoweit keine Vollstreckung beabsichtigt sei; diese
werde nur in Höhe des unstreitigen Rückstandes erfolgen.
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Bezüglich der vom Amtsgericht nach § 269 Abs. 3 S. 3 ZPO getroffenen
Kostenentscheidung sind die Beklagten der Auffassung, dass mangels Zustellung der
Klage eine Kostenentscheidung nach dieser Bestimmung gar nicht hätte ergehen
dürfen. Im übrigen halten sie die Entscheidung des Amtsgerichts für zutreffend.
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Das Rechtsmittel des Klägers ist gemäß § 269 Abs. 5 ZPO zulässig, aber in der Sache
nicht begründet.
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Was die Zulässigkeit einer Kostenentscheidung im vorliegenden Verfahren gemäß §
269 Abs. 3 S. 3 ZPO anbelangt, so teilt der Senat die Auffassung des Amtsgerichts,
dass der neue Gesetzeswortlaut dieser Vorschrift auch die Klagerücknahme vor
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Rechtshängigkeit, also vor Zustellung der Klage, zulässt. Zwar trifft es zu, dass vor
Klagezustellung noch kein sogenanntes Prozessrechtsverhältnis entstanden ist, was
nach allgemeiner Meinung grundsätzlich Voraussetzung für eine Klagerücknahme ist
und Voraussetzung für eine Kostenentscheidung nach § 269 Abs. 3 ZPO a. F. war. Eine
vorherige "Rücknahme" ist grundsätzlich nur als Verzicht auf Zustellung und
Terminsbestimmung zu deuten. Die Neuregelung in § 269 Abs. 3 S. 3 ZPO ist indessen
als Sondertatbestand zu werten, der sich über die dogmatischen Anforderungen an eine
Klagerücknahme hinwegsetzt und die Zustellung entbehrlich macht (so ausdrücklich
Münchener Kommentar - Lüke, ZPO, 2. Auflage, § 269 Rz. 3; Musielak-Foerste, ZPO, 3.
Auflage, § 269 Rz. 6 und 13; ebenso wohl auch Elzer, NJW 2002, 2006: "privilegierte
Klagerücknahme" sowie Hartmann, NJW 2001, 2584 und Gehrlein, Zivilprozessrecht
nach der ZPO - Reform 2002, S. 113 Rz. 18; a. A. Zöller-Greger, ZPO, 23. Auflage, §
269 Rz. 8 a).
Für ein Verständnis der Neuregelung des § 269 Abs. 3 S. 3 ZPO in dem Sinn, dass es
nicht erst der Zustellung der Klage bedarf, um zu einer Kostenentscheidung zu kommen,
wenn der Anlass der Klage vor Zustellung weggefallen ist, spricht, dass damit neue
Verfahren vermieden werden, in denen bisher bei Klagerücknahme vor
Rechtshängigkeit Kostenerstattungsansprüche geltend gemacht werden mussten. Auch
wird dem Gericht wie dem Gegner eine unnötige Befassung mit der Sache erspart, wenn
auf die Zustellung verzichtet wird. Darüber hinaus geriete das Abwarten der Zustellung
als Voraussetzung für eine wirksame Klagerücknahme in Konflikt mit der in Abs. 3 S. 3
ausdrücklich aufgestellten Forderung, dass die Rücknahme unverzüglich zu erfolgen
hat, nachdem der Anlass zur Klageeinreichung weggefallen ist.
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Sind die prozessualen Voraussetzungen von § 269 Abs. 3 S. 3 ZPO n. F. damit mit dem
Amtsgericht als erfüllt anzusehen, so folgt der Senat dem Amtsgericht auch darin, dass
die Kosten unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstandes nach
billigem Ermessen gegeneinander aufzuheben sind. Auf die Begründung in dem
angefochtenen Beschluss wird Bezug genommen. Wie sich aus dem Ablauf im
vorliegenden Verfahren gezeigt hat, wäre bei einer telefonischen Kontaktaufnahme des
Klägers mit der Beklagtenseite vor Einreichung der Klage das vorliegende Verfahren mit
hoher Wahrscheinlichkeit vermieden worden. Denn es handelte sich bei dem
überhöhten Betrag im Pfändungs- und Überweisungsbeschluss ganz offensichtlich um
ein Versehen, wie die Beklagten in ihrer ersten Stellungnahme vom 13.03.2002 im
PKH-Verfahren auch sofort eingeräumt haben. Die Beklagten haben sich danach auch
nicht - wie der Kläger meint - höherer Forderungen berühmt, als ihnen aus dem
Vergleichstitel zustanden (Rückstand bis Februar 2002 und inzwischen fällig
gewordener Unterhalt für März 2002). Es bleibt damit bei der Wertung des Amtsgerichts,
dass bei der zu treffenden Billigkeitsentscheidung auf beiden Seiten ein Anteil zu
berücksichtigen ist, der zu einem überflüssigen Rechtsstreit geführt hat: Das Versehen
auf Beklagtenseite, wodurch ein weit überhöhter Pfändungs- und
Überweisungsbeschluss beantragt worden ist, und die fehlende Vorabklärung auf
Klägerseite, ob es sich insoweit nicht um ein Versehen handelt.
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Die Kostenentscheidung im vorliegenden Verfahren beruht auf § 97 ZPO.
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Wert des Beschwerdegegenstandes: 244,24 EUR
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