Urteil des OLG Köln vom 25.06.2002

OLG Köln: sexueller missbrauch, psychotherapeutische behandlung, wiederholungsgefahr, haftbefehl, untersuchungshaft, gespräch, wohnung, sicherheitsleistung, durchsuchung, prostituierte

Oberlandesgericht Köln, - 2 Ws 275/02 -
Datum:
25.06.2002
Gericht:
Oberlandesgericht Köln
Spruchkörper:
2. Strafsenat
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
- 2 Ws 275/02 -
Schlagworte:
Sicherheitsleistung; Verdunkelungsgefahr; Wiederholungsgefahr
Normen:
StPO § 116
Tenor:
Der angefochtene Beschluss wird aufgehoben.
Der Haftbefehl des Landgerichts Köln vom 13. Mai 2002 - 102-49/02 -
wird unter folgenden Auflagen und Weisungen außer Vollzug gesetzt:
1.
Der Angeschuldigte hat sich umzumelden auf die Wohnung In der F. 47,
xxxxx L., dem Gericht jeden Wohnungswechsel anzuzeigen und allen
Ladungen in dieser Sache pünktlich Folge zu leisten.
2.
Der Anschuldigte hat jeden Kontakt zu den gesondert Verfolgten M. T. B.
und B. K. als auch zu den Kindern der Frau K., dem am 25. Oktober
1990 geborenen K. B. und der am 5. November 1992 geborenen N. K.,
zu unterlassen.
3.
Der Angeschuldigte hat sich unverzüglich nach seiner Haftentlassung in
psychotherapeutische Behandlung der Diplom-Psychologin G. K. zu
begeben, bei der zu Beginn in den ersten Monaten zumindest ein
psychotherapeutisches Gespräch pro Woche durchzuführen ist.
4.
Der Angeschuldigte hat eine Sicherheit von 20.000,- EUR (in Worten:
zwanzigtausend Euro) durch Hinterlegung in barem Geld oder durch
selbstschuldnerische Bürgschaft einer deutschen Bank oder Sparkasse
zu leisten, welche verfällt, wenn er schuldhaft gegen die ihm in diesem
Beschluss erteilten Weisungen und Auflagen verstößt.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens und die dem Beschwerdeführer
hierin entstandenen notwendigen Auslagen trägt die Staats
G r ü n d e :
1
Der am 2. März 2002 vorläufig festgenommene Angeschuldigte ist in dieser Sache am 3.
März 2002 aufgrund des Haftbefehls des Amtsgerichts Köln vom selben Tag in
Untersuchungshaft genommen worden. Ihm wird sexueller Missbrauch von Kindern in
einer Vielzahl von Fällen zur Last gelegt, Vergehen und Verbrechen, strafbar gemäß §
176 Abs.1,3 Nr.2, § 25 Abs.2, §§ 52, 53 StGB. Das Amtsgericht hat Verdunkelungs- und
Wiederholungsgefahr angenommen.
2
Die Staatsanwaltschaft hat am 3. Mai 2002 die öffentliche Klage erhoben; die 2. große
Strafkammer des Landgerichts Köln hat den bestehenden Haftbefehl mit Beschluss vom
13. Mai 2002 der Anklage entsprechend neu gefasst, ihn nur noch auf den Haftgrund der
Wiederholungsgefahr (§ 112 a Abs.1 Nr.1 StPO) gestützt und im Haftprüfungstermin
vom 17. Mai 2002 die Haftfortdauer angeordnet.
3
Gegen diesen Beschluss richtet sich die mit Verteidigerschriftsatz vom 29. Mai 2002
eingelegte Beschwerde des Angeschuldigten, der die Außervollzugsetzung des
Haftbefehls beantragt. Die Strafkammer hat der Beschwerde nicht abgeholfen.
4
II.
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Die nach § 304 Abs. 1 StPO statthafte und auch sonst zulässige Beschwerde ist
begründet.
6
Der Haftbefehl der 2. großen Strafkammer des Landgerichts Köln vom 13. Mai 2002 ist
gemäß § 116 Abs.3 StPO außer Vollzug zu setzen.
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Zwar ist der Angeschuldigte der ihm zur Last gelegten Taten nach dem bisherigen
Ermittlungsergebnis auf Grund der in der Anklageschrift näher bezeichneten
Beweismittel über sein Geständnis hinaus dringend verdächtig. Es besteht in Anbe-
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tracht der erheblichen, auch auf schwere Persönlichkeitsmängel hindeutenden
Verfehlungen auch Wiederholungsgefahr. Weder der dringende Tatverdacht noch das
Vorliegen des Haftgrundes der Wiederholungsgefahr wird mit der Beschwerde
angegriffen. Damit kann der Haftbefehl nicht aufgehoben werden.
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Jedoch bedarf es seines Vollzuges nicht, da weniger einschneidende Maßnahmen im
Sinne des § 116 Abs.3 StPO die Erwartung hinreichend begründen, dass der
Angeschuldigte bestimmte Weisungen befolgen und dass dadurch der Zweck der
Untersuchungshaft erreicht werden kann:
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Nach dem jetzigern Stand der Ermittlungen hatte der Angeschuldigte sich zwar früher
schon über Prostituierte Fotos von Kindern verschafft (teilweise "klassische
Familienfotos", teilweise auch bereits "bestellte" Bilder eines Jungen mit Strumpfhose),
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ohne jedoch mit diesen Kindern in persönlichen, sexuellen Kontakt zu treten. Dies ist
erstmals auf die an die gesondert verfolgte Prostituierte B. gerichtete Aufforderung hin
geschehen, zu seiner sexuellen Stimulierung Kontakt zu Kindern herzustellen, in deren
Gegenwart der Geschlechtsverkehr sodann durchgeführt werden sollte. Der
Angeschuldigte hat damit allerdings selbst die Initiative dazu ergriffen, Kinder in seine
sexuellen Handlungen persönlich ein zu beziehen. Es gibt jedoch keinen Hinweis
darauf, dass er selbst auf fremde Kinder zugegangen ist, um sie für sexuelle
Handlungen zu gewinnen, oder dass er das Vertrauen von Kindern für sexuelle
Handlungen ausgenutzt hätte. Er lebt in einem familiären Verbund, zu dem auch die
fünf, sechzehn und siebzehn Jahre alten Kinder seiner Geschwister gehören, ohne dass
eine sexuelle Annäherung an diese Kinder bekannt geworden wäre.
Damit erscheint der Beschuldigte nicht als unkontrollierter und damit unberechenbarer
"Triebtäter", wohl aber als gespaltene Persönlichkeit, die einerseits in einer beruflich
herausgehobenen Stellung ein bürgerliches Leben führt, andererseits sexuelle
Phantasien unter strafbarer Einbeziehung von Kindern im Vertrauen auf die Anonymität
seiner Handlungen ausgelebt hat. Dabei ist der Angeschuldigte sich der Verwerflichkeit
seiner Handlungen durchaus bewusst . Er empfindet darüber Scham und will sich seiner
Verantwortlichkeit nicht entziehen. So hat er, als ihm fernmündlich von der
Durchsuchung seiner Wohnung berichtet wurde, darum gebeten, seine
Familienangehörigen über den Grund der Durchsuchung nicht zu informieren, zugleich
aber einen Hinweis auf einen Koffer mit "für die Polizei interessantem Material"
gegeben, wieder verbunden mit der Bitte, den Inhalt dieses Koffers nicht seinen
Angehörigen zu zeigen. Die ihm vorgeworfenen Taten hat er weitgehend eingestanden .
Sein im Haftprüfungstermin übergebener Brief spricht dafür, dass er sich mit den
Ursachen seines devianten Verhaltens auseinandersetzen will.
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Der Senat kommt unter Würdigung aller Umstände zu dem Schluss, dass der
Angeschuldigte, mag sein Sexualverhalten auch therapeutischer Behandlung bedürfen,
die zum Schutz von Kindern bestehenden Grenzen sexuell hinnehmbaren Verhaltens
kennt und sich jedenfalls jetzt, nach Aufdeckung der Taten, unter dem Eindruck der Haft,
in Erwartung der Hauptverhandlung und unter der ihm aufgegebenen therapeutischen
Begleitung in Verbindung mit dem drohenden Verlust einer erheblichen
Sicherheitsleistung so weit unter Kontrolle hat, dass er der Versuchung einer sexuellen
Stimulation durch den Missbrauch von Kindern nicht erliegen wird. Der Senat hat sich
von der Therapeutin bestätigen lassen, dass die Therapie unmittelbar im Anschluss an
die Entlassung des Angeschuldigten aus der Untersuchungshaft beginnen und
mindestens im Anfangsstadium einmal wöchentlich ein psychotherapeutisches
Gespräch durchgeführt werden wird.
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Mit der von der Verteidigung vorgeschlagenen Weisung, sich von den kindlichen
Zeugen dieses Verfahrens fernzuhalten, soll einer insoweit denkbaren Versuch des
Angeschuldigten entgegengewirkt werden. Im übrigen kann aus den oben genannten
Gründen von entsprechenden Weisungen abgesehen werden.
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III.
15
Die Kostenentscheidung beruht auf § 473 Abs.3 StPO. Das Rechtsmittel war von
vornherein auf das Ziel der Haftverschonung gerichtet und hatte in diesem Umfang
Erfolg.
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