Urteil des OLG Köln vom 28.01.2010

OLG Köln (gkg, beschwerde, zpo, eröffnung, antrag, gläubiger, kostenpflicht, ausgleich, abweisung, unterliegen)

Oberlandesgericht Köln, 17 W 343/09
Datum:
28.01.2010
Gericht:
Oberlandesgericht Köln
Spruchkörper:
17. Zivilsenat
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
17 W 343/09
Vorinstanz:
Landgericht Bonn, 6 T 300/09
Schlagworte:
Insolvenzverfahren; Massearmut; Zweitschuldnerhaftung; Gerichtliche
Auslagen
Normen:
GKG § 23 Abs. 1 Satz 2, § 66 Abs.4; Inso §§ 4, 26 Abs. 1
Leitsätze:
Ein antragstellender Gläubiger haftet gemäß § 23 Abs. 1 S. 2 GKG auch
dann als Zweitschuldner für gerichtliche Auslagen
(Sachverständigenkosten), wenn sein Antrag auf Eröffnung des
Insolvenzverfahrens mangels Masse abgewiesen worden ist.
Tenor:
Die weitere Beschwerde der Beteiligten zu 1) gegen den Beschluss des
Amtsgerichts Bonn vom 18.08.2009 - 98 IN 190/08 - wird
zurückgewiesen.
Das Verfahren über die Beschwerde ist gebührenfrei.
Kosten werden nicht erstattet.
G R Ü N D E
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I. Die Beteiligte zu 1) hat als Trägerin der gesetzlichen Krankenversicherung die
Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen einer Beitragsschuldnerin
beantragt. Diesen Antrag hat das Amtsgericht als Insolvenzgericht nach Einholung
eines Sachverständigengutachtens mangels Masse abgewiesen.
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Der Kostenbeamte des Amtsgerichts hat die Beteiligte zu 1) mit Kostenrechnung vom
06.08.2009 zum Ausgleich einer Verfahrensgebühr in Höhe von 150,00 €, der
Sachverständigenentschädigung in Höhe von 770,23 € und einer
Bekanntmachungsgebühr von 1,00 € herangezogen, nachdem die Beitreibung der
bezeichneten Gebühren und Auslagen bei der Schuldnerin wegen deren
Vermögenslosigkeit nicht möglich gewesen war.
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Gegen den Ansatz der gerichtlichen Auslagen hat die Beteiligte zu 1) mit Schreiben vom
11.08.2009 Erinnerung eingelegt. Sie hat geltend gemacht, eine Zweitschuldnerhaftung
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nach § 23 Abs. 1 S. 2 GKG bestehe nicht. Wenn ein Antrag auf Eröffnung des
Insolvenzverfahrens gemäß § 26 Abs. 1 InsO mangels Masse abgewiesen werde, habe
der antragsstellende Gläubiger an sich obsiegt, weil der Durchführung des
Insolvenzverfahrens lediglich das Hindernis der Massearmut entgegen stehe.
Das Amtsgericht hat die Erinnerung mit Beschluss vom 18.08.2009 zurückgewiesen.
Zur Begründung hat es ausgeführt, dass auch die Abweisung eines Eröffnungsantrags
mangels Masse ohne Weiteres dem Regelungsbereich des § 23 Abs. 1 S. 2 GKG
unterfalle. Diese Vorschrift diene dem auch hier einschlägigen staatlichen
Kostendeckungsinteresse.
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Die gegen den Beschluss des Amtsgerichts eingelegte Beschwerde der Beteiligten zu
1) hat das Landgericht mit Beschluss vom 03.11.2009 zurückgewiesen und sich dabei
im Wesentlichen die Erwägungen zu eigen gemacht, die das Landgericht Göttingen (vgl.
ZInsO 2009, 1926) in einem vergleichbaren Fall angestellt hat. Das Landgericht hat die
weitere Beschwerde zum Oberlandesgericht zugelassen.
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Gegen die Entscheidung des Landgerichts wendet sich die weitere Beschwerde der
Beteiligten zu 1), die an ihrer Rechtsauffassung, dass eine zweitschuldnerische
Einstandspflicht ausscheiden müsse, festhält..
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II. Die weitere Beschwerde der Beteiligten zu 1) ist gemäß § 66 Abs. 4 GKG statthaft,
nachdem das Landgericht sie als Beschwerdegericht zugelassen hat. Das auch im
Übrigen keinen Zulässigkeitsbedenken begegnende Rechtsmittel bleibt in der Sache
jedoch ohne Erfolg.
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Der angefochtene Beschluss beruht nicht auf einer Rechtsverletzung im Sinne von § 66
Abs. 4 S. 2 GKG, §§ 546, 547 ZPO. Die Beteiligte zu 1) ist mit Recht als
Zweitschuldnerin zum Ausgleich der insolvenzgerichtlichen Auslagen herangezogen
worden, §§ 1 Abs. 1 Nr. 2, 23 Abs. 1 Satz 2 GKG. Die Zweitschuldnerhaftung der
Beteiligten zu 1) folgt unmittelbar aus § 23 Abs. 1 S. 2 GKG, die nach Wortlaut und Inhalt
eindeutig ist und eine anderweitige Auslegung im Sinne der Beschwerdebegründung
nicht zulässt.
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Auch der Senat folgt nicht der Auffassung, dass vom Grundsatz der
Zweitschuldnerhaftung eines antragstellenden Gläubigers dann eine Ausnahme zu
machen sei, wenn der Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens mangels Masse
abgewiesen worden ist. Der dieser Auffassung zugrunde liegenden Erwägung, dass ein
antragstellender Gläubiger bei Abweisung mangels Masse im Grunde "obsiegt" habe
und dass deshalb allein von der Kostenpflicht des Schuldners auszugehen sei (vgl. die
nicht bestandskräftige Entscheidung des AG Göttingen, ZInsO 2009, 981 = ZIP 2009,
1532, abgeändert durch Beschluss des LG Göttingen, ZinsO 2009, 1926 = NZI 2009,
729), ist nicht beizutreten.
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Bei der Regelung des § 23 Abs. 1 S. 2 GKG handelt es sich um eine zwingende
Vorschrift (so im Ergebnis auch OLG Düsseldorf, Beschl. v. 07.02.2009 – I - 10 W 123/08
– Rpfl. 2009, 344 = JurBüro 2009, 266 = ZIP 2009, 1172; AG Bremen, Beschl. v.
29.10.2009 – 500 IN 17/07 – juris; Hartmann, GKG, 39. Aufl., § 23 Rdnr. 5;
Pluta/Heidrich juris PR-InsR 16/2006 Anm. 5). Sie sieht für den Fall der
Antragsabweisung unmissverständlich und ohne Einschränkung die Auslagenhaftung
des antragstellenden Gläubigers vor. Der Bezirksrevisor hat zutreffend darauf
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hingewiesen, dass der Gesetzgeber die im Jahre 2004 vorgenommene Neugestaltung
des GKG nicht zum Anlass für eine Haftungsbeschränkung im Sinne der
Beschwerdebegründung genommen hat.
Demgegenüber hält es der Senat bereits im Ansatz für verfehlt, die
Zweitschuldnerhaftung eines antragstellenden Gläubigers aus Erwägungen heraus in
Frage zu stellen, die auf das Obsiegen oder Unterliegen im Rahmen der Bescheidung
eines Eröffnungsantrags abstellen (vgl. dazu AG Göttingen, a. a. O.). Auch mit Rücksicht
auf § 4 InsO, wonach die Vorschriften der ZPO für das Insolvenzverfahren entsprechend
anwendbar sind, bestehen durchgreifende Bedenken gegen die Heranziehung der sich
aus § 91 ZPO ergebenden Kostenpflicht einer unterlegenen Partei, um die Reichweite
von § 23 Abs. 1 S. 2 GKG zu bestimmen bzw. zu beschränken. Es liegt vielmehr im
Wesen der Zweitschuldnerhaftung, dass sie zusätzlich und durchaus in Abweichung
von der Erst- bzw. Entscheidungsschuldnerhaftung, die im Rahmen von §§ 91 ff. ZPO
angeordnet wird, eine zusätzliche Kostenschuldnerschaft begründen soll, die sich
gerade nicht am Obsiegen oder Unterliegen ausrichtet. Sie basiert auf einem Antrags-
oder Veranlassungsprinzip (vgl. nur Hartmann, a. a. O., § 22 GKG Rdn. 1; zum
Haftungsverhältnis vgl. auch KG KGR 2005, 27), das unabhängig vom Prozess- oder
Verfahrenserfolg durchgreift. Dies zeigt § 22 Abs. 1 ZPO für den Zivilrechtsstreit, der
eine eigenständige, erfolgsunabhängige Kostenpflicht verfolgt. Demgegenüber
erscheint es auch im Hinblick auf § 23 Abs. 1 S. 2 GKG als systemwidrig, die durch
Zweitschuldnerschaft zusätzlich begründete Kostenhaftung nach Kriterien
einzuschränken oder zu beseitigen, die außerhalb der haftungsrelevanten Umstände
liegen und damit die Intentionen des Gesetzes, den Ausgleich gerichtlicher Gebühren
und Auslagen gerade durch eine Erweiterung des Haftungsrahmens sicher zu stellen,
wieder zu unterlaufen. Wollte man eine Haftungsbeschränkung im Sinne der
Beschwerdebegründung befürworten, müsste konsequenterweise auch die
Gebührenhaftung nach § 23 Abs. 1 S. 1 GKG zur Disposition stehen, was indessen
weder die Beschwerdeführerin noch – soweit ersichtlich – sonst jemand in
Rechtsprechung und Literatur befürwortet.
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Bei der gegebenen Sachlage hält der Senat auch keine nähere Erörterung der Frage für
geboten, ob im Falle einer Erledigung des Insolvenzverfahrens eine Gläubigerhaftung
ausscheidet (vgl. dazu Senat: ZInsO 2006, 46). Die sich aus einer Erledigung
ergebenden Kostenfolgen sind nicht Gegenstand der mit § 23 Abs. 1 S. 2 GKG
getroffenen Regelungen, während der Gesetzeswortlaut die hier zugrunde liegende
Fallgestaltung (Abweisung des Eröffnungsantrags) direkt und ohne Einschränkung
erfasst.
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Eine Kostenentscheidung ist mit Rücksicht auf § 66 Abs. 8 GKG nicht veranlasst.
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