Urteil des OLG Köln vom 09.10.1992

OLG Köln (klausel, allgemeine geschäftsbedingungen, geschäftsführung ohne auftrag, abweisung der klage, wasser, stillegung, kläger, auslegung, abmahnung, agb)

Oberlandesgericht Köln, 6 U 91/92
Datum:
09.10.1992
Gericht:
Oberlandesgericht Köln
Spruchkörper:
6. Zivilsenat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
6 U 91/92
Normen:
TRANSPARENZ;
Leitsätze:
1. Die Klausel "Bei vorübergehender Stillegung des Baues sind die
allgemeinen Stillegungsmaßnahmen des BGB maßgebend" in den
Ausschreibungsbedingungen für Bauleistungen ist mit § 9 AGBG wegen
Verstoßes gegen das für Allgemeine Geschäftsbedingungen geltende
Gebot der Bestimmtheit und Klarheit (Transparenz) nicht zu vereinbaren.
2. Nicht zu beanstanden ist hingegen die Klausel "Das Wasser- und
Lichtgeld wird von der Schlußrechnung in Abzug gebracht, auch wenn
das Material bauseitig zur Verfügung gestellt wird." Sie besagt
unmißverständlich, daß Kosten in Form von Wasser- und Lichtgeld im
Zusammenhang mit den Arbeiten des Auftragnehmers in jedem Falle
von diesem zu tragen sind. Soweit die Klausel bei kundenfeindlicher
Auslegung die Annahme zuläßt, auch Anschlußkosten seien -anteilig-
vom Auftragnehmer zu tragen, ist eine solche Regelung nicht
unangemessen.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
1
Die Berufung des Klägers ist zulässig. In der Sache hat sie teilweise Erfolg. Dem Kläger
war die Verwendung der beanstandeten Klausel Nr. 4 der Ausschreibungsbedingungen
zu untersagen, während Nr. 12 Satz 4 der Ausschreibungsbedingungen keine
Veranlassung gab, ein Unterlassungsgebot auszusprechen. Der weiter geltend
gemachte Anspruch auf Erstattung von Abmahnkosten ist nicht gerechtfertigt.
2
Daß es sich bei den beanstandeten Klauseln der Ausschreibungsbedingungen um
allgemeine Geschäftsbedingungen im Sinne des § 1 Abs. 1 AGBG handelt, hat das
Landgericht zutreffend ausgeführt. Insoweit wird auf die Entscheidungsgründe des
angefochtenen Urteils verwiesen.
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Die Klausel Nr. 4 war wegen Verstoßes gegen § 9 AGBG zu untersagen. Nach dieser
Klausel sind bei vorübergehender Stillegung des Baues "die allgemeinen
Stillegungsmaßnahmen des BGB maßgebend".
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Die beanstandete Klausel unterliegt der Inhaltskontrolle nach dem AGB-Gesetz. Die
Vorschrift des § 8 AGBG, nach der die §§ 9 - 11 AGBG nur für Bestimmungen in
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allgemeinen Geschäftsbedingungen gelten, durch die von Rechtsvorschriften
abweichende oder diese ergänzende Regelungen vereinbart werden, steht dem nicht
entgegen. Danach sind sogenannte deklaratorische Klauseln der Inhaltskontrolle nicht
unterworfen (vgl. Ulmer/Brandner/Hensen, 6. Aufl., Rdnr. 23 zu § 8 AGBG;
Wolf/Horn/Lindacher, 2. Aufl., Rdnr. 19 zu § 8 AGBG; Soergel/Stein, 12. Aufl., Rdnr. 15
zu § 8 AGBG). Um eine "deklaratorische Klausel" handelt es sich dann, wenn lediglich
der Inhalt der einschlägigen gesetzlichen Regelung wiedergegeben wird und dieser
ohne die AGB gelten würde. Ein solcher Fall liegt hier nicht vor. Es ist nicht der Inhalt
einer einschlägigen gesetzlichen Regelung wiedergegeben, vielmehr wird auf "die
allgemeinen Stillegungsmaßnahmen des BGB" verwiesen. Irgendwelche
"Maßnahmen", die bei der Stillegung eines Baues getroffen werden könnten, sind
jedoch im BGB nicht ausdrücklich normiert.
Die beanstandete Bestimmung ist mit § 9 AGBG wegen eines Verstoßes gegen das für
allgemeine Geschäftsbedingungen geltende Gebot der Bestimmtheit und Klarheit
(Transparenz) nicht zu vereinbaren. Das Gebot der Bestimmtheit verlangt eine so
präzise Beschreibung der tatbestandlichen Voraussetzungen und der Rechtsfolgen
einer Regelung, daß für den AGB-Verwender keine ungerechtfertigten
Beurteilungsspielräume entstehen. Das Transparenzgebot ergänzt das
Bestimmtheitsgebot dahingehend, daß die tatbestandlichen Voraussetzungen und die
Rechtsfolgen von allgemeinen Geschäftsbedingungen für den anderen Vertragsteil aus
der Sicht eines durchschnittlichen Betrachters nachprüfbar sein müssen und nicht
irreführen dürfen (vgl. Wolf/Horn/Lindacher a. a. O. Rdnr. 143 zu § 9 AGBG m. w. N.).
Auch ein Verstoß gegen die Verpflichtung des AGB-Verwenders, die Rechte und
Pflichten eines Vertragspartners in allgemeinen Geschäftsbedingungen klar und
durchschaubar darzustellen, verletzt nämlich § 9 Abs. 1 AGBG (siehe zuletzt BGH NJW
1990, 2383 m. w. N.; vgl. auch BGHZ 106, 42, 46, 49).
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Die in Rede stehenden allgemeinen Geschäftsbedingungen verweisen für die gesamte
Ausführung der Arbeiten auf die Vorschriften der Verdingungsordnung für
Bauleistungen, in deren Teil B § 6 sich detaillierte Regelungen für den Fall der
Behinderung und Unterbrechung der Leistungsausführung finden. Gerade diese
Regelungen werden durch die beanstandete Klausel jedoch ausgenommen. Statt
dessen wird auf angebliche "allgemeine Stillegungsmaßnahmen" des BGB verwiesen.
Dies ist irreführend, weil das BGB keine "allgemeinen Stillegungsmaßnahmen" für Fälle
der hier in Betracht kommenden Art vorsieht. Zudem wird gegen das Transparenzgebot
verstoßen, weil der Tatbestand - "vorübergehende Stillegung" - nicht genau
beschrieben ist. So ist offen, durch wen und aus welchem Grunde stillgelegt worden
sein muß. Gänzlich unklar ist auch die Rechtsfolge, wenn dort lediglich von
"allgemeinen Stillegungsmaßnahmen" die Rede ist. Bei einer derartigen Regelung
besteht die Gefahr, daß sich der Verwender der allgemeinen Geschäftsbedingungen
Beurteilungsspielräume verschafft, die einem Bestimmungsrecht gleichkommen können:
Er stellt fest, daß eine "vorübergehende Stillegung" vorliege, und bestimmt sodann die
sich hieraus ergebende Rechtsfolge. Dies ist mit § 9 AGBG nicht zu vereinbaren, denn
die Interessen des anderen Vertragsteils sind nur dann ausreichend geschützt, wenn
dieser die ihn treffenden Pflichten, Lasten und Obliegenheiten sowie die ihm
zustehenden Rechte bei laienhafter Bewertung erkennen und überblicken kann (vgl.
Wolf/Horn/Lindacher a. a. O.).
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Die Veröffentlichungsbefugnis folgt insoweit aus § 18 AGBG.
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Die weitergehende Berufung ist hingegen unbegründet. Die Klausel Nr. 12 Satz 4
verstößt nicht gegen § 9 AGBG. Die Bestimmung, nach der das Wasserund Lichtgeld
zum Ortstarif von der Schlußrechnung in Abzug gebracht wird, auch wenn das Material
bauseitig zur Verfügung gestellt wird, sagt, wie bereits das Landgericht zutreffend
ausgeführt hat, nur, daß die Kosten, die in Form von Wasserund Lichtgeld im
Zusammenhang mit den Arbeiten des Auftragnehmers entstehen, in jedem Falle von
diesem zu tragen sind. Dies ist wider unklar oder unbestimmt noch ist sonst ein Grund
ersichtlich, der die Regelung unangemessen erscheinen lassen könnte.
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Soweit die Klägerin geltend macht, die Klausel lasse bei kundenfeindlichster Auslegung
die Annahme zu, auch die Anschlußkosten seien - anteilig - vom Auftragnehmer zu
tragen, trifft dies zu. Auch dies erscheint indes nicht unangemessen. Zu Recht weist der
Beklagte in diesem Zusammenhang darauf hin, daß es Aufgabe des Auftragnehmers ist,
die Voraussetzungen dafür zu schaffen, daß er sein Gewerk ausführen und vollenden
kann. Wenn ihm der Auftraggeber dies teilweise abnimmt, indem er für die notwendigen
Anschlüsse und Versorgungsleitungen Sorge trägt, ist es nicht unangemessen, die
Kosten hierfür anteilig auf den Auftragnehmer überzuleiten. Einer exakten Bezifferung
dieses Anteils oder einer bruchteilmäßigen Angabe derartiger - vergleichsweise
geringfügiger - Nebenkostenanteile bedarf es hingegen nicht.
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Der Kläger vertritt weiter die Auffassung, die Klausel könne auch so ausgelegt werden,
daß ein Abzug von Wasser- und Lichtgeld von der Schlußrechnung des Auftragnehmers
selbst dann vorgenommen werden könne, wenn Wasser und Licht vom Auftragnehmer
selbst zur Verfügung gestellt würden. Dem kann nicht beigetreten werden. Inhalt im Sinn
der Klausel lassen eine derartige Auslegung nicht zu.
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Durch die angegriffene Bestimmung soll erkennbar eine Regelung für die in Form der
Wasser- und Lichtgeld entstehenden Kosten dahingehend getroffen werden, daß diese
in jedem Fall vom Auftragnehmer zu tragen sind, unabhängig davon, ob er das für die
Ausführung seines Gewerkes erforderliche Material selbst zur Verfügung stellt oder ob
dies "bauseitig" geschieht. Daß Wasser- und Lichtgeld auch dann von der
Schlußrechnung des Auftragnehmers abgezogen werden können, wenn dieser selbst
für die erforderlichen Anschlüsse und Leitungen gesorgt und seinerseits mit den
zuständigen Versorgungsunternehmen abgerechnet hat, ergibt sich aus Nr. 12 Satz 4
der Ausschreibungsbedingungen hingegen nicht. Eine solche Auslegung liefe dem
oben beschriebenen Sinn der betroffenen Regelung zuwider. Zwar ist im abstrakten
Kontrollverfahren bei der Beurteilung allgemeiner Geschäftsbedingungen grundsätzlich
die "kundenfeindlichste" Bedeutung einer Klausel zugrundezulegen (vgl.
Ulmer/Brandner/Hensen, a. a. O., Rdnr. 6 zu § 5, Rdnr. 31 zu § 9 AGBG m. w. N.). Dies
darf jedoch nicht dazu führen, daß bei der Überprüfung einer Klausel von
Ausnahmefällen ausgegangen wird, von denen angenommen werden kann, daß der
Klauselverwender an sie nicht gedacht hat und auch der Kunde auf sie die Klausel nicht
beziehen wird. Ebenso wie im Rahmen der Unklarheitenregelung des § 5 AGBG
Zweifel an einer interessengerechten und nach der Formulierung der Klausel
naheliegenden Auslegung nicht schon deshalb bestehen, weil auch eine andere - aber
fernliegende und nicht interessengerechte - Auslegungsmöglichkeit theoretisch denkbar
ist, können auch im Unterlassungsverfahren Auslegungsmöglichkeiten, die durch den
Wortlaut der Klausel zwar nicht ausgeschlossen, gleichwohl aber nicht ernsthaft in
Erwägung zu ziehen sind, vernachlässigt werden (vgl. BGH NJW 1985, 320, 321 m. w.
N.). Eine solche nicht ernsthaft in Erwägung zu ziehende Auslegungsmöglichkeit ist die
vom Kläger in dem hier in Rede stehenden Zusammenhang angesprochene. Einem
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Auftragnehmer, der alle mit der Wasser- und Stromversorgung verbundenen Kosten
bereits selbst getragen hat, den entsprechenden Betrag auch noch von seiner
Werklohnforderung in Abzug zu bringen, ist von Interesse des Auftraggebers in keinem
Fall geboten und erscheint aus der Sicht beider Vertragsparteien gänzlich unsinnig.
Der geltend gemachte Anspruch auf Erstattung von Abmahnkosten ist nicht substantiiert
dargetan. Nach der Rechtsprechung des Senats kann zwar ein Anspruch auf Erstattung
der Kosten einer berechtigten Abmahnung gegen den Verwender bzw. Empfehler von
allgemeinen Geschäftsbedingungen nach den Grundsätzen der Geschäftsführung ohne
Auftrag gerechtfertigt sein (vgl. Senat in 6 U 190/91 m. w. N.), weil der Verwarner mit der
Abmahnung auch im Interesse der Verwarnten handelt, indem er ihm Gelegenheit zu
einer gegenüber einem Prozeß weniger kostenaufwendigen Abgabe einer
Unterlassungsverpflichtungserklärung bietet. Der Ersatzanspruch umfaßt aber nur die
erforderlichen Aufwendungen einer Abmahnung bis zur sachlich gebotenen Höhe. Die
Ausführungen des Klägers rechtfertigen nicht die Zuerkennung des geforderten
pauschalen Erstattungsbetrages. Die Verpflichtung zur Zahlung einer Pauschale an
einen Verband kann vielmehr nur dann anerkannt werden, wenn dieser seine
Kostensituation überprüfbar vorträgt und erforderlichenfalls belegt. Hierzu muß er den
abmahnbezogenen Einsatz von Aufwendungen für einen längeren Zeitraum aus seinen
Gesamtaufwendungen - etwa auf der Grundlage einer Gewinn- und Verlustrechnung -
herausrechnen und hieraus den auf eine einzelne Abmahnung entfallenden Anteil
ermitteln (zur Berechnungsweise vgl. z. B. Kammergericht, WRP 1986, 384 ff. m. w. N.).
Nur aufgrund einer derartigen detaillierten Berechnung ließe sich die Zuerkennung
eines pauschalen Aufwendungsersatzanspruchs rechtfertigen. Eine solche Berechnung
hat der Kläger eben nicht vorgelegt.
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Die Kostenentscheidung ergeht nach § 92 Abs. 1 ZPO.
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Die übrigen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 708 Nr. 10, 713, 546 Abs. 2 ZPO.
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Der Schriftsatz des Klägers vom 7. Oktober 1992 hat vorgelegen.
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