Urteil des OLG Köln vom 23.03.1998

OLG Köln (fahrverbot, rechtskraft, stpo, beweisantrag, verwahrung, vorschrift, nachteil, ablehnung, gerät, verletzung)

Oberlandesgericht Köln, Ss 45/98 (B) - 43 B -
Datum:
23.03.1998
Gericht:
Oberlandesgericht Köln
Spruchkörper:
1. Strafsenat
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
Ss 45/98 (B) - 43 B -
Tenor:
I.) Die Rechtsbeschwerde des Betroffenen gegen das Urteil des
Amtsgerichts Köln vom 06.10.1997 wird als unbegründet verworfen.
Jedoch wird gemäß § 25 Abs. 2 a StVG n.F. (vgl. Art. 4 Nr. 1 des
Gesetzes zur Änderung des OWiG und anderer Gesetze vom 26. Januar
1998, BGBl. I S. 156, 340) bestimmt, daß das vom Amtsgericht
verhängte Fahrverbot erst wirksam wird, wenn der Führerschein nach
Rechtskraft der Bußgeldent-scheidung in amtliche Verwahrung gelangt,
spä-testens jedoch mit Ablauf von vier Monaten seit Eintritt der
Rechtskraft. II.) Der Betroffene hat die Kosten des Rechtsmittels zu
tragen.
G r ü n d e :
1
Das Amtsgericht hat den Betroffenen wegen fahrlässiger Überschreitung der zulässigen
Höchstgeschwindigkeit innerorts um vorwerfbare 32 km/h (§§ 3 Abs. 3 Nr. 1, 49 Abs. 1
Nr. 3 StVO i.V.m. § 24 StVG) zu einer Geldbuße von 200,-- DM verurteilt und ihm gemäß
§ 25 StVG für die Dauer von einem Monat verboten, Kraftfahrzeuge aller Art im
Straßenverkehr zu führen.
2
Nach den Feststellungen lenkte der Betroffene am 19.02.1997 gegen 11.18 Uhr einen
PKW in K. über die L. H.straße in Höhe der W.gasse mit einer Geschwindigkeit von 62
km/h (das sind mit der Riegl-"Laserpistole" gemessene 65 km/h abzüglich 3 km/h
Toleranz), obwohl dort durch Zeichen 274.1 die zulässige Höchstgeschwindigkeit auf 30
km/h beschränkt war.
3
Die Einlassung des Betroffenen, er sei nicht so schnell gefahren wie festgestellt,
außerdem sei die Messung unmittelbar hinter dem Verkehrszeichen 274.1, das erst im
Ausgang einer Kurve sichtbar werde, erfolgt, hat das Amtsgericht aufgrund der
Bekundungen von drei Polizeizeugen für widerlegt erachtet, die ausgesagt haben, die
Lasermessung sei ordnungsgemäß durchgeführt worden, als sich der Betroffene bereits
50 Meter hinter dem Verkehrszeichen befunden habe.
4
Dagegen richtet sich die Rechtsbeschwerde des Betroffenen, mit der die Verletzung
formellen und materiellen Rechts gerügt wird.
5
Gemäß § 80 a Abs. 2 Nr. 1 OWiG n.F. ist der Bußgeldsenat in der Besetzung mit einem
6
Richter innerhalb der in jener Vorschrift genannten Wertgrenzen auch dann zur
Entscheidung berufen, wenn gegen die Betroffene ein Fahrverbot als Nebenfolge nicht
vermögensrechtlicher Art verhängt worden ist (vgl. SenE vom 05.03. 1998 -Ss 81/98 B-).
Die Rechtsbeschwerde ist entsprechend dem Antrag der Generalstaatsanwaltschaft
gemäß § 79 Abs. 3 Satz 1 OWiG i.V.m. § 349 Abs. 2 StPO insofern als offensichtlich
unbegründet zu verwerfen, als die Nachprüfung des Schuldspruchs und der im
angefochtenen Urteil festgesetzten Rechtsfolgen -Geldbuße von 200,-- DM und
Fahrverbot von einem Monat- keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Betroffenen
ergeben hat.
7
Die Verfahrensrügen sind unbegründet.
8
Die Ablehnung von Beweisanträgen kann im Rechtsbeschwerdeverfahren nicht
selbständig, sondern nur mit der Aufklärungsrüge geltend gemacht werden (vgl. Senat
VRS 78, 467). Eine Verletzung der Aufklärungspflicht (§ 77 Abs. 1 OWiG) ist gegeben,
wenn der Tatrichter davon absieht, Beweise zu erheben, deren Benutzung sich nach der
Sachlage aufdrängt oder zumindest naheliegt (vgl. Senat VRS 81, 201; 78, 467). Im
vorliegenden Fall war das Amtsgericht unter diesem Gesichtspunkt indes nicht gehalten,
der Beweisbehauptung des Verteidigers, das Riegl-Lasermeßsystem arbeite generell
unzuverlässig, nachzugehen und dazu einen Sachverständigen zu hören. In der
Rechtsprechung ist nämlich anerkannt, daß die Geschwindigkeitsmessung mittels
Lasermeßverfahrens zu den sog. standardisierten Meßmethoden gehört, die bei
sachgerechter Handhabung grundsätzlich zuverlässige Ergebnisse liefern (vgl. SenE
vom 19.11. 1996 -Ss 343/96 Z-; BayObLGSt. 1996, 134 = NStZ-RR 1997, 93 = NZV
1997, 322 = VM 1997, 28 = ZfS 1997, 115; OLG Oldenburg NZV 1995, 37; 1996, 328;
OLG Saarbrücken VRS 91, 63). Das Riegl-Lasermeßgerät LR 90-235/P ist durch die
Physikalisch-Technische Bundesanstalt (PTB), der nach dem EichG zuständigen
Behörde, einer Bauartprüfung unterzogen und zur Eichung zugelassen worden. Damit
steht die generelle Geeignetheit fest und bedarf nicht in jedem Einzelfall der erneuten
Überprüfung. Einem Beweisantrag, der sich gleichwohl allgemein gegen die
Zuverlässigkeit von Meßgeräten dieser Art wendet, braucht -wie beim Radarverfahren-
wegen Offenkundigkeit des Gegenteils nicht nachgegangen zu werden (vgl.
Mühlhaus/Janiszewski, StVO, 14. Aufl., § 3 Rn. 93 a). Ob etwas anderes gelten muß,
wenn konkrete Anhaltspunkte dafür vorgetragen sind, daß die Beurteilung im
Zulassungsverfahren Fehler aufweist, bedarf keiner abschließenden Entscheidung.
Solche Tatsachen sind dem Beweisantrag nicht zu entnehmen. Der bloße Hinweis auf
angeblich fehlerhafte Mittelwertbildungen und Stufenprofilmessungen reicht dazu nicht
aus, weil die Grundlagen für derartige Bedenken nicht so nachvollziehbar dargetan sind,
daß sich dem Tatgericht Zweifel an der generellen Zuverlässigkeit des von der PTB
geprüften und abgenommenen Meßgeräts hätten aufdrängen und die Einholung eines
Sachverständigengutachtens hätten nahelegen müssen.
9
Das Amtsgericht war gemäß § 77 Abs. 1 OWiG auch nicht verpflichtet, entsprechend
dem gestellten Beweisantrag denkbare Fehlerquellen des zur Tatzeit benutzten
Meßgeräts mit Hilfe eines Sachverständigen zu erforschen. Denn hier deuten weder
konkrete Anhaltspunkte auf eine Fehlmessung hin noch sind reale
Anknüpfungstatsachen dafür vorgetragen worden (vgl. BayObLG a.a.O.).
10
Soweit das Amtsgericht dem Beweisantrag der Verteidigung, durch Sachverständigen
überprüfen zu lassen, daß die Entfernung zwischen dem Standort des Meßpostens und
11
dem Schild "30 km/h" nicht (wie von den Zeugen bekundet) mindestens 138 Meter
betragen habe, sondern allenfalls 100 Meter, nicht nachgegangen ist, greift die
Aufklärungsrüge ebenfalls nicht durch. Zu dieser Beweiserhebung mußte sich der
Tatrichter schon deshalb nicht gedrängt sehen, weil außer den Entfernungsangaben der
Zeugen, die gerade überprüft werden sollten, keine Anknüpfungstatsachen bekannt
waren, die einen Sachverständigen in die Lage versetzt hätten, die Strecke zwischen
Meßstelle und Verkehrsschild zu bestimmen (vgl. Kleinknecht/Meyer-Goßner, StPO, 43.
Aufl., § 244 Rn. 59 a).
Die Rüge, das Amtsgericht habe nach der in der Hauptverhandlung verkündeten
Ablehnung der Beweisanträge mit der sog. Kurzbegründung (§ 77 Abs. 2 Nr. 1, Abs. 3
OWiG) unterlassen, im Rahmen der Beweiswürdigung des Urteils eine ausführliche
Begründung nachzuliefern (vgl. dazu: BayObLGSt. 1994, 1, 2; BayObLG a.a.O.), hat
schließlich ebensowenig Erfolg. Dem Zusammenhang der Urteilsgründe, die im
Bußgeldverfahren keinen hohen Anforderungen unterliegen (vgl. BGHSt. 39, 291 = NJW
1993, 3081), kann mit (noch) hinreichender Deutlichkeit entnommen werden, weshalb
das Amtsgericht in den genannten Fällen eine weitere Aufklärung nicht für erforderlich
hielt.
12
Die Sachrüge deckt keine Rechtsfehler zum Nachteil des Betroffenen auf. Der Tatrichter
hat seine Überzeugung, das hier verwendete Meßgerät sei gemäß der
Gebrauchsanweisung und den Einsatzvorgaben ordnungsgemäß bedient worden, auf
der Basis der Zeugenaussagen der beteiligten Polizeibeamten rechtsfehlerfrei
begründet.
13
War auch die Rechtsbeschwerde im Hinblick auf den Schuldspruch und die vom
Amtsgericht verhängten Sanktionen hiernach unbegründet, so hatte der Senat doch
gemäß § 25 Abs. 2 a StVG n.F. ergänzend die Bestimmung zu treffen, daß das
Fahrverbot erst wirksam wird, wenn der Führerschein nach Rechtskraft der
Bußgeldentscheidung in amtliche Verwahrung gelangt, spätestens jedoch mit Ablauf
von vier Monaten seit Eintritt der Rechtskraft.
14
Diese Vorschrift findet gemäß § 4 Abs. 3 OWiG Anwendung, auch wenn sie erst nach
dem Erlaß des angefochtenen Urteils in Kraft getreten ist, denn sie enthält gegenüber
dem früheren Rechtszustand, wonach das Fahrverbot zwingend mit Rechtskraft der
Entscheidung wirksam wurde, durch die dem Betroffenen nunmehr eingeräumte
Dispositionsmöglichkeit innerhalb einer Zeitspanne von vier Monaten eine gegenüber §
25 StVG a.F. mildere Regelung. Das Rechtsbeschwerdegericht hat diese
Gesetzesänderung daher gemäß § 79 Abs. 3 Satz 1 OWiG i.V.m. § 354 a StPO bei
seiner Entscheidung zu berücksichtigen.
15
Zwar obliegt die Entscheidung, ob die in § 25 Abs. 2 a StVG n.F. vorgesehene
Bestimmung getroffen werden darf, grundsätzlich allein dem Tatrichter, weil nur er
prüfen kann, ob weder in den zwei Jahren vor der Tat noch in der Zeit bis zu seiner
Bußgeldentscheidung ein Fahrverbot gegen den Betroffenen verhängt worden ist, was
Voraussetzung für die Anwendung jener Vorschrift ist. Ergibt sich jedoch aus den
Feststellungen des Amtsgerichts, daß keine Hindernisse für die Anwendung des § 25
Abs. 2 a StVG n.F. vorliegen, ist es dem Senat gemäß § 79 Abs. 6 OWiG nicht verwehrt,
in der Sache zu entscheiden und den Rechtsfolgenausspruch um diese Bestimmung zu
ergänzen. Denn deren Ausspruch steht, sofern die Voraussetzungen erfüllt sind, nicht im
Ermessen des Gerichts, sondern ist zwingend vorgeschrieben. Erwähnt die
16
tatrichterliche Entscheidung kein früheres Fahrverbot, so ist in der Regel davon
auszugehen, daß ein im Rahmen des § 25 Abs. 2 a StVG n.F. beachtlicher
Hinderungsgrund für die Bestimmung nicht vorgelegen hat In solchen Fällen darf der
Senat, wie hier geschehen, die Bestimmung nachträglich aussprechen. Rechtskraft im
Sinne von § 25 Abs. 2 a StVG n.F. gilt gemäß § 34 a StPO i.V.m. § 46 Abs. 1 OWiG mit
Ablauf des Tages der Beschlußfassung des Senats als eingetreten. Die
Dispositionsbefugnis des Betroffenen endet danach spätestens mit Ablauf des 23. Juli
1998. Ist sein Führerschein nicht vorher in amtliche Verwahrung gelangt, wird das
Fahrverbot folglich ab dem 24. Juli 1998 wirksam.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 46 Abs. 1 OWiG i.V.m. § 473 StPO. Die Ergänzung
des Rechtsfolgenausspruchs um die nunmehr in § 25 Abs. 2 a StVG n.F. vorgesehene
"Bestimmung" gibt keinen Anlaß, Kosten und Auslagen teilweise der Staatskasse
aufzuerlegen. Es erscheint nicht unbillig, den Betroffenen mit den gesamten
Rechtsmittelkosten zu belasten, weil nach Sachlage davon auszugehen ist, daß er
Rechtsbeschwerde auch eingelegt hätte, wenn die Bestimmung bereits in erster Instanz
ausgesprochen worden wäre.
17