Urteil des OLG Köln vom 07.12.1994

OLG Köln (wand, geschlossene bauweise, wasser, höhere gewalt, kläger, beseitigung, grundstück, isolierung, zustand, erdreich)

Oberlandesgericht Köln, 27 U 85/94
Datum:
07.12.1994
Gericht:
Oberlandesgericht Köln
Spruchkörper:
27. Zivilsenat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
27 U 85/94
Vorinstanz:
Landgericht Köln, 27 O 134/93
Tenor:
Die Berufung des Beklagten gegen das am 26. April 1994 verkündete
Urteil des Landgerichts Köln - 27 O 134/93 - wird zurückgewiesen. Der
Klarstellung halber wird der Tenor des angefochtenen Urteils neugefaßt
wie folgt: Der Beklagte wird verurteilt, die notwendigen Maßnahmen zu
ergreifen, um zu verhindern, daß von Seiten des Grundstücks E.straße
27 in die Grenzmauer des Hauses E.straße 29 in K. 1 im Bereich des
Kellers des rückwärtigen Anbaues bis etwa Parterrehöhe Wasser
einsickert. Es wird festgestellt, daß der Beklagte verpflichtet ist, die
Schäden zu ersetzen, die durch das Einsickern von Wasser im Bereich
des rückwärtigen Anbaus von Seiten seines Grundstücks in die
Grenzmauer zwischen den Häusern E.straße 29 und E.straße 27
entstanden sind. Der Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits in
beiden Instanzen. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :
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Die zulässige Berufung des Beklagten hat in der Sache keinen Erfolg.
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Soweit das Landgericht den Beklagten verurteilt hat, die notwendigen Maßnahmen zu
ergreifen, die verhindern, daß von Seiten des Grundstücks E.straße 27 in die
Grenzmauer des Hauses E.straße 29 in K. Wasser eindringt, ist bei der Erörterung in der
mündlichen Verhandlung vor dem Senat von den Klägern erklärt worden, daß sich ihr
Begehren nur gegen das Eindringen von Wasser in den Bereich ihres Hauses im Keller
bis Parterrehöhe richtet; hingegen ist nicht die komplette Wand zum Nachbarn hin bis
zur vollen Baukonstruktionshöhe gemeint. Nur in diesem Umfang durfte also eine
Verurteilung des Beklagten erfolgen (§ 308 ZPO). Es wird daher ausdrücklich
klargestellt, daß es in dem vorliegenden Rechtsstreit nur um das Einsickern von
Feuchtigkeit über das Erdreich geht und nicht um das Eindringen von Feuchtigkeit über
die komplette Wand bis zur vollen Baukonstruktionshöhe; in diesem Sinne ist der Tenor
des landgerichtlichen Urteils zu verstehen.
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Der Anspruch auf Beseitigung der Schadensursachen und auf Schadenersatz ist
begründet.
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Nach den überzeugenden Feststellungen des Sachverständigen O. ist für die
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Feuchtigkeitsschäden ursächlich das Wasser, welches vom Grundstück des Beklagten
in das Mauerwerk einsickert und sich kapillar in den Fugen verteilt. Es fehlt eine
senkrechte Abdichtung des Mauerwerkes im gesamten erdberührten Wandbereich. Dies
folgt, wie der Sachverständige dargelegt hat und wie die Lichtbilder zeigen, aus der
Ausbreitung der Feuchtigkeit. Das unstreitige Fehlen horizontaler Abdichtungen
scheidet als Ursache hingegen klar aus, wie das Schadensbild und seine örtliche
Verteilung belegen.
Nach den Feststellungen des Sachverständigen ist das normal über das Erdreich
einsickernde Regenwasser und Bodenfeuchtigkeit Ursache des eingetretenen
Schadens. Als weitere Schadensursachen kommen Mängel der Dachentwässerung der
Garagen in Betracht, nämlich dann, wenn der Einlauf nicht immer freigehalten wird, so
daß das Dachwasser schnell ungehindert in den Einlauf ablaufen kann, sowie eine
etwa defekte Grundleitung der Hofentwässerung. Hingegen ist es nach den
überzeugenden Feststellungen des Sachverständigen, die durch Lichtbilder
anschaulich belegt werden, ausgeschlossen, daß die Wandfeuchtigkeit durch
Baumaßnahmen der Kläger verursacht wird, daß insbesondere an den auf der Wand
liegenden Abwasser- und Wasserinstallationen Wasser austritt. Für sämtliche von dem
Sachverständigen festgestellte und weiter für möglich gehaltene Schadensursachen hat
danach der Beklagte einzustehen. Für eine ordnungsgemäße Entwässerung der
Garagen und den ordnungsgemäßen Zustand der Grundleitungen ist er als Störer über
§ 1004 BGB i.V.m. § 907 BGB sowie den wasserrechtlichen Vorschriften im
Nachbarrecht verantwortlich. Soweit der Schaden auf einer mangelnden Isolierung der
Hauswand gegen einsickerndes Wasser im Bodenbereich beruht, ergibt sich ebenfalls
eine Pflicht des Beklagten zu Beseitigung des Schadens.
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Der Beklagte hat in der Verhandlung vor dem Senat ausdrücklich angegeben, daß das
Hinterhaus auf seinem Grundstück nach dem Kriege im Zuge des Wiederaufbaues von
seinen Rechtsvorgängern abgerissen und der Keller verfüllt worden sei. Dabei handelte
es sich zwar nicht um eine sogenannte Anschüttung, weil die Verfüllung nur auf das
natürliche Niveau erfolgte, also keine Anlage im Sinne des § 907 BGB und des
Nachbarrechts darstellt, wohl aber um eine willentliche Gestaltung durch den
Voreigentümer und damit um eine Baumaßnahme, für die der Beklagte als
Rechtsnachfolger einzustehen hat.
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Es bedarf im vorliegenden Fall nicht der Feststellung, ob es sich bei der fraglichen
Wand um eine (halbscheidige) Nachbarwand, eine Grenzwand auf dem Grundstück der
Kläger oder des Beklagten oder um eine von zwei selbständig nebeneinander
errichteten Wänden handelt. Denn in jedem dieser Fälle wären die Rechtsvorgänger
des Beklagten verpflichtet gewesen, die erforderlichen Vorkehrungen zu treffen, um das
Eindringen von Feuchtigkeit über das Erdreich in das Nachbargebäude zu verhindern.
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Stellt die fragliche Wand eine sog. (halbscheidige) Kommunmauer oder Nachbarwand
dar, so ergibt sich der Beseitigungsanspruch aus § 1004 i.V.m. § 922 Satz 3 BGB. Auch
nach der Zerstörung des Hauses auf dem Grundstück des Beklagten während des
Krieges und nach dem endgültigen Abriß des Hauses Ende der 50er Jahre oder später
blieb die Wand Grenzeinrichtung. Damit waren die Eigentümer des Grundstücks, das
dem Beklagten jetzt gehört, aber verpflichtet, die durch Zerstörung und Abriß notwendig
gewordene Außenisolierung vorzunehmen (vgl. BGH NJW 1989, 2541; 1981, 866 =
BGHZ 78, 397 ff.). Das ist unstreitig nicht geschehen, insbesondere stellte die
Anbringung der Spanplatten durch die Rechtsvorgänger des Beklagten keine
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hinreichende Isolierung dar.
Handelt es sich um eine im Alleineigentum des Beklagten stehende Grenzwand, so ist
der Beklagte verpflichtet, Vorkehrungen zum Schutz der freigelegten Wand des
Nachbargebäudes gegen Feuchtigkeitseinwirkungen zu treffen. Zwar hat sich für die
Rechtsvorgänger des Beklagten die Zerstörung des Hauses durch Kriegseinwirkung als
höhere Gewalt dargestellt, für deren Auswirkungen sie zunächst nicht verantwortlich
gemacht werden konnten. Mit dem Beginn des allgemeinen Wiederaufbaus und der
Besserung der wirtschaftlichen Lage konnte der Eigentümer eines
Trümmergrundstückes aber wieder in die Verantwortung für den Zustand des
Grundstücks genommen werden. Dementsprechend haben die Rechtsvorgänger des
Beklagten auch Ende der 50er Jahre oder später mit dem Wiederaufbau des
Vorderhauses und dem Abriß der Reste des Hinterhauses und der Verfüllung des
Kellers begonnen. Der jetzige Zustand des Grundstücks der Beklagten beruht also nicht
auf höherer Gewalt, sondern auf dem Abbruch des restlichen Gebäudes und der
Verfüllung des Kellers durch die Voreigentümer, also auf deren Willen. Bei diesen
Baumaßnahmen haben die Rechtsvorgänger des Beklagten den erforderlichen Schutz
des Mauerwerkes gegen eindringende Feuchtigkeit offenbar unterlassen und dadurch
auch fremdes Eigentum verletzt. Das OLG Frankfurt (OLGZ 82, 353 ff.) hat in einem
solchen Fall einen Beseitigungsanspruch des Nachbarn bejaht. Der BGH hat die
Revision nicht angenommen und in dem Nichtannahmebeschluß ausgeführt, daß die
Kläger in einem solchen Fall einen eigentumsrechtlichen Abwehranspruch aus § 1004
Abs. 1 BGB hätten (s. a.a.O. im Anschluß an Urteil des OLG Frankfurt). Dem schließt
sich der Senat an.
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Auch für den Fall, daß die Wand nicht auf dem Grundstück des Beklagten, sondern dem
der Kläger steht, ergibt sich nichts anderes. Mit dem OLG Frankfurt (aaO) ist davon
auszugehen, daß jeder Eigentümer, der sein in einer geschlossenen Häuserzeile
stehendes Gebäude abbricht, zur Verhinderung und Beseitigung von
Beeinträchtigungen des Nachbargrundstücks gemäß § 1004 BGB verpflichtet ist,
unabhängig von der Art der gemeinsam benutzten Hauswand. Steht die Grenzwand auf
dem Grundstück des Geschädigten, so muß also derjenige, der keine eigene
Grenzwand errichtet hat, bei Abriß seines Gebäudes dafür Sorge tragen, daß die
Grenzwand ausreichend gegen Feuchtigkeit isoliert ist.
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Selbst für den Fall, daß vorliegend zwei Grenzwände getrennt und selbständig
nebeneinander errichtet gewesen sind, erscheint ein abweichendes Ergebnis nicht
gerechtfertigt. Zwar hat der 2. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Köln in einem Urteil
vom 14. Januar 1987 (NJW-RR 1987, 529) die Auffassung vertreten, daß in einem
solchen Fall jeden Grundstückseigentümer selbst die Verantwortung für die Isolierung
treffe, weil keine Verpflichtung des Hauseigentümers bestehe, vom Abriß seines
Hauses abzusehen, nur um das Nachbarhaus keinen Witterungseinflüssen
auszusetzen.
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Nach Auffassung des Senats besteht aber auch in einem solchen Fall ein
eigentumsrechtlicher Abwehranspruch aus § 1004 Abs. 1 BGB. Dadurch, daß die
Rechtsvorgänger des Beklagten in dem hier fraglichen Bereich die Reste des im Krieg
zerstörten Gebäudes abgerissen und den Keller verfüllt haben, ohne die notwendigen
Isolierungsmaßnahmen vorzunehmen, sind die schädlichen Einwirkungen auf das
Mauerwerk des Grundstücks der Kläger ermöglicht worden, so daß diesen ein auf
Beseitigung und Unterlassung der Beeinträchtigung gerichtete Abwehranspruch aus §
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1004 BGB zusteht. Inhalt und Umfang des Anspruchs im einzelnen ergeben sich aus
den gesetzlichen Regeln des Nachbarrechtes, das durch einen Ausgleich der einander
wiederstreitenden Interessen der Nachbarn gekennzeichnet ist und sich nicht nur als
Bundesrecht im bürgerlichen Gesetzbuch selbst findet (§ 906 ff. BGB), sondern auch in
den landesrechtlichen Bestimmungen zum Nachbarrecht enthalten ist. Die jeweilige
Eigentümerstellung wird dabei durch die Zusammenschau aller sie regelnden
gesetzlichen Vorschriften bestimmt, die zugleich ihren Inhalt wie ihre Schranken
ausmachen (BGHZ 114, 183, 186).
Das Nachbarrechtsgesetz Nordrhein-Westfalen sieht in § 22 bei einer Doppelwand
ohne konstruktiven Verbund die Pflicht des Anbauenden vor, den Zwischenraum zu
sichern. Dahinter steht nach Auffassung des Senates der allgemeine Rechtsgedanke,
das Nachbargrundstück vor schädigenden Einflüssen zu schützen, wenn der
anbauende Nachbar mit der Errichtung seines Gebäudes neue Verhältnisse schafft.
Dieser Rechtsgedanke gilt auch nach Abriß oder Abbruch des eigenen Gebäudes, weil
dadurch ebenfalls andere als die ursprünglichen Verhältnisse hergestellt werden. Es
beherrscht nur derjenige, der den vorhandenen Zustand ändert oder bearbeitet, faktisch
das Geschehen hinreichend, um die nötigen Maßnahmen zum Schutz des Nachbarn
vorzunehmen. Letzterer hingegen wäre garnicht genügend in Planung und Organisation
des Baugeschehens eingebunden, um die Notwendigkeiten erkennen und verwirklichen
zu können. Diese Interessenlage rechtfertigt es, den Gedanken des § 22 NachbarG NW
als allgemeinen Grundsatz des Nachbarverhältnisses zu begreifen und ihn daher auch
der Entscheidung des vorliegenden Falles zu Grunde zu legen, obwohl zur Zeit des
Kellerabrisses das Nachbargesetz NW noch nicht galt und es hier um nachträgliche
Maßnahmen, nicht den erstmaligen Anbau geht. Auch hier muß der
Grundstückseigentümer also dafür Sorge tragen, daß durch die Veränderung mögliche
Beeinträchtigungen für den Grundstücksnachbarn vermieden werden. Er kann eben
nicht nach Belieben mit seinem Eigentum verfahren, sondern ist auch aus dem
Gedanken des nachbarrechtlichen Gemeinschaftsverhältnisses - verpflichtet, die
Interessenlage des Nachbarn zu berücksichtigen und die Verantwortung für eine sich
durch die Veränderung auftuende Gefahrenquelle zu übernehmen. Damit ergibt sich im
konkreten Fall nicht zugleich eine Verpflichtung zum Verputz der gesamten nunmehr
freistehenden Giebelwand, weil dieser Zustand nicht auf der willentlichen Veränderung
durch die Rechtsvorgänger des Beklagten, sondern im Bereich der oberen Stockwerke
auf Kriegseinwirkungen beruhte. Für den hier entscheidenden Bereich, nämlich das
Einsickern von Niederschlagswasser durch das Erdreich in das Mauerwerk der Kläger
hat hingegen der Beklagte einzustehen. Der Senat folgt damit der Wertung des OLG
Frankfurt (OLGZ 82, 353, 355 f.), wonach die Verpflichtung, die erforderlichen
Vorkehrungen gegen das Eindringen von Feuchtigkeit zu treffen, jedem
Grundstückseigentümer obliegt, der sein in einer geschlossenen Häuserzeile gelegenes
Gebäude abbricht und damit die geschlossene Bauweise unterbricht.
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Für die Beseitigung der Störung durch Isolierung der Wand gegen das Einsickern von
Wasser ist der Beklagte als Zustandsstörer verantwortlich (vgl. BGH NJW 1989, 2541;
1981, 866).
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Der Beseitigungsanspruch ist auch nicht verjährt; der Anspruch verjährt in 30 Jahren seit
seiner Entstehung. Geht es um die Fortdauer schädigender Einwirkungen ein und
derselben Handlung und ihre Beseitigung, so beginnt die Verjährung mit der Vornahme
der Handlung, geht es um die Wiederholung gleichartiger Rechtsverletzungen, so
entsteht der Anspruch gegen den jeweiligen Störer mit jeder Rechtsverletzung neu
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(BGH NJW 1990, 2555, 2556). Hier ist zwar auch die Störung bereits mit der Entfernung
des Anbaus und der Verfüllung des Kellers ohne die notwendige Isolierung angelegt,
die Störung selbst entsteht aber durch das Auftreten von Feuchtigkeit jeweils neu. Eine
Verjährung des Anspruchs kommt danach nicht in Betracht.
Der Anspruch, die Schadensersatzverpflichtung des Beklagten festzustellen, ist aus §§
823 Abs. 1, Abs. 2 i.V.m. § 1004 BGB begründet. Der Beklagte haftet danach für die
über die Beseitigungskosten hinausgehenden Schäden, soweit ihn ein Verschulden
trifft. Dies ist für die Zeit ab der Kenntnis von der Feuchtigkeit und damit für die hieraus
entstandenen Schäden insgesamt anzunehmen, weil der Beklagte seither untätig bleibt.
Für die Zeit nach Inverzugsetzung durch die Kläger haftet er darüber hinaus aus § 286
BGB. Die Tatsache, daß die streitigen Schäden aus neuer Zeit sind, sieht der Senat
durch das vom Sachverständigen umschriebene Schadensbild und die von Klägerseite
versuchten Abwehrmaßnahmen als klar festgestellt an.
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Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 708 Nr. 10, 711,
713 ZPO.
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Streitwert für das Berufungsverfahren und Wert der Beschwer des Beklagten: bis zu
20.000,00 DM.
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