Urteil des OLG Koblenz vom 11.01.2011

OLG Koblenz: bedingter vorsatz, wache, uniform, einschüchterung, beobachter, gewalt, bedrohung, organisation, quelle, datum

OLG
Koblenz
11.01.2011
2 Ss 156/10
Das Uniformverbot gilt der Uniform als Symbol organisierter Gewalt. Uniformen und Kleidungsstücke, die
Uniformen substituieren, symbolisieren die quasi-militärische Organisation einer Menge als "instittionelles
Gehäuse" für Gewaltbereitschaft, Bedrohung und Einschüchterung und sind in der Regel geeignet, bei
dem Beobachter suggestiv-militante Effekte in Richtung auf einschüchternde uniforme Militanz
auszulösen. Das gilt insbesondere dann, wenn der Eindruck durch das Hinzutreten weiterer Umstände
verstärkt wird.
Geschäftsnummer:
2 Ss 156/10
3 Ss 156/10 – GenStA Koblenz
2090 Js 57051/08 – 2 Cs – StA Koblenz
In der Strafsache
g e g e n
M. N.,
- Verteidiger: Rechtsanwalt ... -
und einen Anderen
w e g e n Vergehens nach dem Versammlungsgesetz
hier: Revision des Angeklagten N.
hat der 2. Strafsenat des Oberlandesgerichts Koblenz durch den Vorsitzenden Richter am
Oberlandesgericht Völpel, den Richter am Oberlandesgericht Pott und die Richterin am Oberlandesgericht
Speich
am 11. Januar 2011 einstimmig
b e s c h l o s s e n :
Die Revision des Angeklagten N. gegen das Urteil des Amtsgerichts St. Goar vom 4. Mai 2010 wird als
unbegründet verworfen.
Die Kosten der Revision werden dem Angeklagten auferlegt.
G r ü n d e :
Das Amtsgericht St. Goar hat den Angeklagten N. mit Urteil vom 4. Mai 2010 wegen Verstoßes gegen das
Uniformverbot (§§ 3 Abs. 1, 28 VersammlG) zu einer Geldstrafe in Höhe von 40 Tagessätzen zu je 30 €
verurteilt und die bei ihm sichergestellte Jungenschaftsjacke mit HDJ-Abzeichen eingezogen. Die
dagegen gerichtete Revision des Angeklagten war als unbegründet zu verwerfen, da die Nachprüfung
des angefochtenen Urteils aufgrund der Revisionsrechtfertigung und der Gegenerklärung des
Verteidigers vom 31. Dezember 2010 keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben hat (§
349 Abs. 2 und 3 StPO). Die Feststellungen der angefochtenen Entscheidung tragen die Verurteilung
wegen Vergehens nach den §§ 3 Abs. 1, 28 VersammlG.
Der Verteidigung ist zwar im Ansatz zuzugeben, dass das Tragen gleichartiger Kleidungsstücke als
Ausdruck einer gemeinsamen politischen Gesinnung für sich allein genommen dem Verbot aus § 3 Abs. 1
VersammlG noch nicht unterfällt. Eine abstrakte Gefährlichkeit des Tragens gleichartiger Kleidungsstücke
gibt es nicht. Das Uniformverbot gilt vielmehr der Uniform als Symbol organisierter Gewalt. Uniformen und
Kleidungsstücke, die Uniformen substituieren, symbolisieren aber die quasi-militärische Organisation
einer Menge als „institutionelles Gehäuse“ für Gewaltbereitschaft, Bedrohung und Einschüchterung (vgl.
Rühl in NJW 1995, 561) und sind in der Regel geeignet, bei dem Beobachter suggestiv-militante Effekte in
Richtung auf einschüchternde uniforme Militanz auszulösen (vgl. Wache in Erbs/Kohlhaas, Strafrechtliche
Nebengesetze, Versammlungsgesetz, § 3 Rdn 7; KG, Urteil vom 19. März 2001 – 1 Ss 344/00 (105/00) -).
Das gilt um so mehr, wenn der Eindruck durch das Hinzutreten weiterer Umstände verstärkt wird (vgl.
BVerfG in NJW 1982, 1803) wie die vom Amtsgericht festgestellte Durchführung eines Fahnenappells mit
von Trommelschlägen begleitetem Marsch zum Fahnenmast und Hochziehen der Fahne bei
halbkreisförmiger Aufstellung, die Aufstellung von mit Springerstiefeln, schwarzen Hosen und Koppeln
bekleideten, um das Gelände des Turner- und Jugendheims patrouillierenden, dem Schutz vor linken
oder antifaschistischen Gruppen dienenden Wachposten, das Tragen von Abzeichen und das teilweise
als seltsam diszipliniert und appellmäßig empfundene, den Eindruck militärischen Drills erweckende
Gebaren der Gruppe (vgl. BVerfG, a. a. O.). Hingegen sind Umstände, die der Annahme konkreter oder
abstrakter Gefährlichkeit in obigem Sinne entgegenstehen würden (vgl. Wache, a. a. O.), den
Urteilsfeststellungen nicht zu entnehmen.
Dass das Amtsgericht keine ausdrücklichen Feststellungen zur subjektiven Tatseite getroffen hat, wie die
Verteidigung des Weiteren beanstandet, erweist sich nach dem Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe
als unschädlich. Für die Zuwiderhandlung gegen § 3 VersammlG reicht bedingter Vorsatz aus, der in
doppelter Hinsicht gegeben sein muss. So muss der Täter einmal das Bewusstsein haben, dass er eine
Uniform oder gleichartige Kleidungsstücke trägt, die mit denen politisch Gleichgesinnter übereinstimmen,
und zum Anderen durch das Tragen dieser Kleidungsstücke eine gemeinsame politische Gesinnung mit
den Anderen zum Ausdruck bringen wollen (vgl. Wache, a. a. O., § 28 Rdn 5). Hieran kann im Fall des
Angeklagten N. aufgrund des feststellten äußeren Geschehensablaufs indes kein Zweifel bestehen.
Dasselbe gilt im Übrigen für die von dem Auftreten der Gruppe ausgehende mögliche massen-suggestive
Wirkung.
Die Kostenfolge ergibt sich aus § 473 Abs. 1 Satz 1 StPO.