Urteil des OLG Koblenz vom 14.03.2011

OLG Koblenz: grobe fahrlässigkeit, kollision, widerklage, versicherungsschutz, haftungsbeschränkung, unfall, schmerzensgeld, sorgfalt, verschulden, auflage

OLG
Koblenz
14.03.2011
12 U 1529/09
Aktenzeichen:
12 U 1529/09
5 O 69/09 LG Koblenz
Verkündet am 14.03.2011
Matysik, Amtsinspektor
als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle
Oberlandesgericht
Koblenz
IM NAMEN DES VOLKES
Urteil
In dem Rechtsstreit
1. …
- Kläger, Berufungskläger und Anschlussberufungsbeklagter -
Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte …
2. …
- Drittwiderbeklagte und Anschlussberufungsbeklagte -
Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte …
gegen
1. …
- Beklagte und Berufungsbeklagte -
Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwältin
2. …
- Beklagter, Berufungsbeklagter und Anschlussberufungskläger -
Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwältin
hat der 12. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Koblenz durch den Vorsitzenden Richter am
OberlandesgerichtWünsch, den Richter am LandgerichtSteinhauer und die Richterin am
OberlandesgerichtKagerbauer auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 21.02.2011 für Recht erkannt:
Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Einzelrichters der 5. Zivilkammer des Landgerichts Koblenz
vom 23.11.2009 teilweise abgeändert:
Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an den Kläger 7.161,32 € nebst Zinsen in Höhe von 5
Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 4.070,76 € seit dem 05.09.2008 sowie aus 3.090,56 € seit dem
02.04.2009 zu zahlen.
Außerdem werden die Beklagten als Gesamtschuldner verurteilt, an den Kläger 759,22 € außergerichtliche
Rechtsanwaltskosten nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem
02.04.2009 zu zahlen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die weitergehende Berufung des Klägers wird zurückgewiesen.
Die Zurücknahme der Anschlussberufung (Widerklage) hat den Verlust des Rechtsmittels zur Folge.
Die in erster Instanz angefallenen Kosten tragen der Kläger zu 30% und die Beklagten als Gesamtschuldner
zu 70%.
Von den in zweiter Instanz angefallenen Gerichtskosten trägt der Kläger 20% und der Beklagte zu 2. 80%,
davon 60% gesamtschuldnerisch mit der Beklagten zu 1.
Der Kläger trägt 20% der im Berufungsverfahren angefallenen außergerichtlichen Kosten des Beklagten zu
2. sowie 30% der außergerichtlichen Kosten der Beklagten zu 1.
Der Beklagte zu 2. trägt 80% der außergerichtlichen Kosten der zweiten Instanz des Klägers, davon 80%
gesamtschuldnerisch mit der Beklagten zu 1. Außerdem trägt der Beklagte zu 2. die außergerichtlichen
Kosten der Drittwiderbeklagten/Anschluss-berufungsbeklagten zu 2..
Im Übrigen tragen die Parteien ihre außergerichtlichen Kosten selbst.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
Der Kläger nimmt die Beklagten auf Schadensersatz und Schmerzensgeld aus einem Unfall auf dem ...[A]
am 01.08.2008 in Anspruch. Wegen der Darstellung des Sachverhalts wird auf die tatsächlichen
Feststellungen in der angefochtenen Entscheidung Bezug genommen (§ 540 Abs. 1 S. 1. Nr. 1 ZPO).
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen, weil es von einer sowohl ausdrücklich vereinbarten als auch
stillschweigenden Haftungsbeschränkung auf grobe Fahrlässigkeit und Vorsatz ausgegangen ist. Aus den
Teilnahmebedingungen des Veranstalters, die auf der Rückseite der Anmeldung zum Fahrertraining
abgedruckt waren, entnimmt das Landgericht einen Haftungsverzicht der Teilnehmer untereinander. Zu dem
stillschweigenden Haftungsausschluss führt das Landgericht aus, es habe kein Versicherungsschutz
bestanden, da die Teilnehmer sicherheitsrelevante Teile an ihren Motorrädern abgeklebt hätten und somit
die Betriebserlaubnis erloschen sei. Grobe Fahrlässigkeit auf Seiten des Beklagten zu 2. liege nicht vor.
Dagegen richtet sich die Berufung des Klägers, mit der er seine erstinstanzlichen Anträge weiterverfolgt.
Der Beklagte zu 2. hat mit Schriftsatz vom 13.01.2011 (Bl. 151 GA) Widerklage gegen den Kläger und die
Drittwiderbeklagte erhoben. In der mündlichen Verhandlung hat er die Widerklage zurückgenommen (Bl.
186 GA).
Wegen der im Berufungsverfahren gestellten Anträge wird auf Bl. 132, 140 und 186 GA Bezug genommen.
Der Senat hat Beweis erhoben durch Vernehmung der Zeugen ...[B], ...[C] und ...[D]. Wegen des Ergebnisses
der Beweisaufnahme wird auf die Sitzungsniederschrift vom 21.02.2011 verwiesen.
Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf die zu den Akten gereichten Schriftsätze und
Unterlagen Bezug genommen.
Die zulässige Berufung hat teilweise Erfolg. Dem Kläger steht ein Anspruch auf Schadensersatz in Höhe von
4.161,32 € nebst Zinsen sowie auf Zahlung eines Schmerzensgeldes in Höhe von 3.000 € nebst Zinsen zu.
Weder greift eine ausdrücklich vereinbarte Haftungsbeschränkung ein, noch sind die Voraussetzungen für
eine stillschweigende Haftungsbeschränkung gegeben.
Die Voraussetzungen für einen stillschweigenden Haftungsausschluss, wie er zum Beispiel bei
Rennveranstaltungen angenommen wird, liegen nicht vor. Bei dem Fahrsicherheitstraining, an dem der
Kläger und der Beklagte zu 2. teilgenommen haben, stand nicht die Erzielung von Höchstgeschwindigkeiten
im Vordergrund, sondern die Verbesserung des Fahrverhaltens. Dies folgt auch aus den
Teilnahmebedingungen (Bl. 43 GA). Daher war der Versicherungsschutz nicht nach §§ 4 Nr. 4, 5 Abs. 1 Nr. 2
KfzPflVV, § 2 b Abs. 3 b AKB ausgeschlossen. Auch das Abkleben von sicherheitsrelevanten Teilen an den
Motorrädern führte nicht zum Erlöschen der Betriebserlaubnis bzw. zu einem Erlöschen des
Versicherungsschutzes wegen Gefahrerhöhung. Hierfür wäre erforderlich, dass die Gefahrerhöhung
während einer längeren Dauer vorliegt (BGH VersR 1966, 559; Theda in VersR 1983, 1097). Die
Abklebungen wurden hier aber nur für die Dauer des Fahrsicherheitstrainings vorgenommen, so dass sie
nicht von längerer Dauer waren. Damit entfiel der Versicherungsschutz nicht. Dies hat zur Folge, dass ein
Haftungsausschluss, der in einem solchen Fall allein dem Versicherer zugute käme, zwischen den
Teilnehmern nicht in Betracht kommt (BGH NJW 2008, 1591 ff.).
Auch eine Haftungsbeschränkung aus den Teilnahmebedingungen des Veranstalters ist nicht anzunehmen.
Aus den Teilnahmebedingungen folgt kein Ausschluss von Ansprüchen der Teilnehmer untereinander. Aus
der darin enthaltenen Beschränkung der Haftung des Teilnehmers für Personen- und Sachschäden Dritter
auf Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit lässt sich ein Verzicht auf Ansprüche gegen Dritte nicht mit
hinreichender Deutlichkeit entnehmen. Vor allem im Hinblick darauf, dass es sich dabei um das Regelwerk
des Veranstalters handelt, das die Beziehung zwischen Veranstalter und Teilnehmer regelt, muss ein
Teilnehmer trotz der Überschrift "Haftungsverzicht" nicht damit rechnen, dass gleichzeitig die Haftung der
Teilnehmer untereinander geregelt werden soll (vgl. OLG Stuttgart NZV 2009, 233 ff.). Damit ist diese
Klausel, die dem Wortlaut nach nur die Eigenhaftung betrifft, wenn sie auf das Verhalten der Teilnehmer
untereinander ausgedehnt wird, überraschend nach § 305 c BGB. Außerdem bestehen Bedenken gegen die
Wirksamkeit eines Haftungsausschlusses für die Gefährdungshaftung nach § 7 StVG in allgemeinen
Geschäftsbedingungen wegen des Widerspruchs zu der im öffentlichen Interesse liegenden gesetzlichen
Risikozurechnung. Da im vorliegenden Fall Versicherungsschutz besteht, kann von einem Verzicht der
Teilnehmer auf diesen Versicherungsschutz durch die Vereinbarung von allgemeinen
Geschäftsbedingungen nicht ausgegangen werden (vgl. OLG Stuttgart aaO; Staudinger/Coester-Waltjen,
BGB, § 309 Nr. 7 Rndr. 39; Münchener Kommentar BGB/Kieninger, 5. Auflage, § 309 Nr. 7 Rdnr. 8).
Die Beklagten haften dem Kläger daher auf Ersatz seines Schadens und auf Schmerzensgeld gemäß §§ 7,
17, 11 StVG, 115 VVG. Nach der Vernehmung der Zeugen ...[B], ...[C] und ...[D] steht zur Überzeugung des
Senats fest, dass der Kläger vor der Kollision mit dem Beklagten zu 2. im Bereich der langgezogenen
Linkskurve rechts am Straßenrand gefahren ist und den Beklagten zu 2. überholt hat. Hinter ihm befand sich
direkt der Zeuge ...[B], der in seiner Vernehmung das Unfallgeschehen anschaulich und nachvollziehbar
schilderte. Der Beklagte zu 2. fuhr weiter links, etwa in der Mitte der Straße. Im Bereich der Linkskurve (vgl.
Skizze Bl. 41 GA) geriet der Beklagte zu 2. nach rechts in Richtung des Klägers und fuhr mit seinem
Motorrad gegen das Hinterrad des Motorrades des Klägers, der zu diesem Zeitpunkt bereits vor dem
Beklagten zu 2. fuhr. Der Zeuge ...[B] hat das Fahrverhalten des Beklagten zu 2., der nicht die Kurve nahm,
sondern geradeaus weiterfuhr, damit erklärt, dass dieser wohl zu schnell gefahren sei und sich deshalb das
Motorrad nicht in die Kurve gelegt, sondern aufgerichtet habe.
Der Beklagte zu 2. hat in seiner Anhörung eingeräumt, dass sich die Kollision, so wie der Kläger und die
Zeugen angegeben haben, am rechten Straßenrand und nicht, wie von ihm in seiner Skizze Bl. 41 GA
eingezeichnet, links ereignet hat. Dann kann aber schon das Vorbringen in der Klageerwiderung, der Kläger
habe von rechts außen zurück nach links eingelenkt, um auf die Ideallinie zu kommen und dabei sei es zur
Kollision gekommen, nicht zutreffen. In diesem Fall hätte sich die Kollision nicht -wie mittlerweile unstreitig
ist- am rechten Straßenrand ereignet, sondern, wie vom Beklagten zu 2. in seiner Skizze eingezeichnet, am
linken Straßenrand. Der Senat hat keine Zweifel daran, dass die Angaben der Zeugen, insbesondere des
Zeugen ...[B], zutreffend sind. Der Beklagte zu 2. hingegen hat sein Vorbringen korrigieren müssen und
eingeräumt, dass die Kollision am rechten Straßenrand stattfand, wie es die Zeugen übereinstimmend
ausgesagt haben.
Durch die Einholung eines Sachverständigengutachtens kann der Unfallverlauf nicht weiter aufgeklärt
werden, da es an den erforderlichen Anknüpfungstatsachen fehlt. Außer den Beschädigungen an den
beiden Motorrädern gibt es keine weiteren verwertbaren Spuren.
beiden Motorrädern gibt es keine weiteren verwertbaren Spuren.
Der Beklagte zu 2. hat den Unfall verschuldet. Er hat seine Fahrweise nicht an die örtlichen Gegebenheiten
und wahrscheinlich auch nicht an seine fahrerischen Fähigkeiten angepasst. Auch wenn die
Straßenverkehrsordnung nicht gilt, da der ...[A] nicht für den öffentlichen Verkehr eröffnet ist, sind die
Verkehrsteilnehmer hier einander zur verkehrsüblichen Sorgfalt verpflichtet, wie dies in § 1 StVO
niedergelegt ist (vgl. Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, 41. Aufl., § 1 StVO Rdnr. 16). Dagegen
hat der Beklagte zu 2. verstoßen, als er in die Fahrlinie des Klägers hineingefahren ist.
Den Kläger trifft hingegen kein Verschulden. Er durfte rechts überholen; das ist nach der Aussage des
Zeugen ...[B] üblich. Auch wenn der Kläger den Unfall bei größtmöglicher Sorgfalt hätte vermeiden können,
es sich demnach nicht um unabwendbares Ereignis handelte, so tritt die Betriebsgefahr seines Motorrades
zurück, da der Beklagte zu 2. mit seinem Fahrverhalten die ganz überwiegende Ursache für die Kollision
gesetzt hat und ihn ein Verschulden trifft. Der geltend gemachte materielle Schaden ist der Höhe nach
unstreitig, so dass der Klage in Höhe von 4.161,32 € stattzugeben war.
Der Senat sieht ein Schmerzensgeld von 3.000 € als angemessen an. Der Kläger hat bei dem Unfall
unstreitig eine Scaphoidfraktur rechts, einen Bruch der 10. Rippe und eine Hüftgelenksprellung erlitten. Die
Mittelhandfraktur wurde operativ mittels einer Schraubenosteosynthese versorgt und für 6 Wochen mit einem
Gipsverband ruhig gestellt. Der Kläger war während dieser Zeit arbeitsunfähig erkrankt und musste sich
anschließend wegen einer Einschränkung der Handbeweglichkeit in physiotherapeutische Behandlung
begeben (Attest des ...[E]-Krankenhau-ses ...[X] vom 25.08.2008; Attest der …[F]klinik ...[Y] vom 06.10.2008
sowie Attest von Dr. med. ...[G] vom 09.10.2008). Die Heilung verlief komplikationslos. Bei ähnlich
gelagerten Verletzungen und Heilungsverläufen haben Gerichte Beträge in einer Größenordnung von 2.500
bis 3.000 € zugesprochen, wobei teilweise Dauerfolgen verblieben sind, aber neben der Mittelhandfraktur
keine weiteren Verletzungen vorlagen (vgl. Hacks/Ring/Böhm, Schmerzensgeld Beträge 2010, 28. Auflage,
Nrn. 634; 711; 770; 775; 827). Der Senat hält im Hinblick auf die neben dem Mittelhandbruch noch erlittene
Fraktur der 10. Rippe einen Betrag von 3.000 € für erforderlich, aber auch ausreichend. Der Kläger hat nicht
vorgetragen, dass er aufgrund der Unfallverletzungen noch eingeschränkt wäre, so dass von Spätfolgen
nicht auszugehen ist.
Der Kläger hat seinen materiellen Schaden in Höhe von 4.070,76 € bei der Beklagten zu 1. mit Schreiben
vom 21.08.2008 und der Fristsetzung zum 04.09.2008 geltend gemacht. Insoweit ergibt sich sein
Zinsanspruch aus §§ 288 Abs. 1, 286 Abs. 1 BGB. Im Übrigen ist die Forderung erst mit Rechtshängigkeit
der Klage zu verzinsen (§§ 286 Abs. 1 S. 2, 291 BGB).
Außerdem steht dem Kläger ein Anspruch auf Ersatz der vorgerichtlich angefallenen Rechtsanwaltskosten
aus einem Streitwert in Höhe von 7.161,32 € in Höhe von 759,22 € zu. Die Beklagten haben keine
Einwendungen dagegen erhoben, dass der Kläger den 1,5 fachen Satz in Ansatz bringt.
Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 92 Abs. 1, 100 Abs. 4 ZPO. Dabei war zu berücksichtigen, dass durch
die Erhebung der Widerklage (Anschlussberufung) die Parteien mit unterschiedlichen Streitwerten am
Berufungsverfahren beteiligt sind. Die Rücknahme der Anschlussberufung/Widerklage im Termin hat nicht
zu einer Verringerung der Gerichtskosten geführt, da nicht das gesamte Verfahren erledigt wurde (vgl. OLG
München NJW-RR 2005, 1016).
Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO.
Gründe, die Revision zuzulassen, liegen nicht vor.
Der Streitwert des Berufungsverfahrens beträgt 15.278,32 € (Berufung: 10.161,32 €;
Widerklage/Anschlussberufung: 5.117 €).
Wünsch
Steinhauer
Kagerbauer
Vorsitzender Richter
am Oberlandesgericht
Richter
am Landgericht
Richterin
am Oberlandesgericht
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