Urteil des OLG Koblenz vom 17.11.2003

OLG Koblenz: krankengeld, schmerzensgeld, grad des verschuldens, arbeitsunfähigkeit, neues vorbringen, sachliche kongruenz, freiwillige versicherung, verdienstausfall, distorsion, haushalt

Verkehrsrecht
Versicherungsrecht
Zivilprozessrecht
OLG
Koblenz
17.11.2003
12 U 1186/02
1. Nach §§ 520 Abs. 2 und 3, 5
Geschäftsnummer:
12 U 1186/02
5 O 194/01
LG Koblenz
Verkündet
am 17. November 2003
M., Amtsinspektor,
als Urkundsbeamter der
Geschäftsstelle
OBERLANDESGERICHT
KOBLENZ
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
in dem Rechtsstreit
B. S.,
Klägerin und Berufungsklägerin,
- Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte
gegen
1. M. F.,
2. H Allgemeine Versicherung AG,
- Prozessbevollmächtigter: Rechtsanwalt
wegen eines Schadensersatzanspruchs aus einem Verkehrsunfall.
Der 12. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Koblenz hat durch den Richter am Oberlandesgericht Dr. Wohlhage, die
Richterin am Oberlandesgericht Frey und den Richter am Oberlandesgericht Dr. Eschelbach
auf die mündliche Verhandlung vom 27. Oktober 2003
für R e c h t erkannt:
Die Berufung der Klägerin gegen das am 22. Juli 2002 verkündete Urteil der Einzelrichterin der 5. Zivilkammer des
Landgerichts Koblenz wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Berufungsverfahrens hat die Klägerin zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar,
Die Revision wird nicht zugelassen.
G r ü n d e :
I.
Die Parteien streiten um den Ersatz der Schäden der Klägerin, die diese bei einem Verkehrsunfall am 3. Oktober 1998
gegen 13.30 Uhr auf der Bundesstraße 256 zwischen O. und R. erlitten hat. Der Erstbeklagte war in einer Kurve ins
Schleudern geraten, auf die Gegenfahrspur gekommen und frontal auf das Fahrzeug der Klägerin geprallt. Die
uneingeschränkte Haftung der Beklagten für die hierdurch entstandenen Schäden ist außer Streit. Die Klägerin erlitt bei
dem Unfall eine Kopfplatzwunde und eine HWS-Distorsion. Sie wurde vom 3. Oktober bis 10. Oktober 1998 stationär im
Krankenhaus behandelt. Bis zum 20. November 1998 war sie nach ärztlicher Einschätzung zu 100 % arbeitsunfähig, vom
21. November bis 1. Dezember 1998 noch zu 50 % und danach bis zum 16. März 1999 zu 20 %. Die Klägerin ist
selbständige Friseurmeisterin und betreibt alleine, seit Anfang 1996 ohne Angestellte, einen Friseursalon in A. Sie nahm
bereits am 3. November 1998, also in der Phase der attestierten vollen Arbeitsunfähigkeit, die Arbeit in ihrem
Friseursalon zumindest stundenweise wieder auf; ab wann sie wieder mit voller Kraft gearbeitet hat, ist offen. Für die Zeit
vom 17. Oktober bis 5. November 1998 erhielt die Klägerin von der Innungskrankenkasse, einer Anstalt des öffentlichen
Rechts, ein Krankengeld von 844,65 Euro; ob zuvor und danach weitere Krankengeldzahlungen erfolgten, ist unklar. Die
Zweitbeklagte zahlte vorprozessual 1.022,58 Euro auf die materiellen Schäden sowie ein Schmerzensgeld von 1.278,23
Euro an die Klägerin. Mit der Klage begehrt sie den Ersatz weiterer Schäden hinsichtlich ihres Verdienstausfalls, ihrer
Beeinträchtigungen in der Haushaltsführung und hinsichtlich des von ihr für angemessen erachteten Schmerzensgeldes.
Die Klägerin hat vorgetragen,
aus dem Vergleich der Roherträge (Umsatz abzüglich Materialeinkauf) mit dem gleichen Monat des Vorjahres ergebe
sich ihr Verdienstausfall in der Phase der ganz oder teilweise unfallbedingt bestehenden Arbeitsunfähigkeit:
Oktober November Dezember Januar Februar März
1997/986.831,48 DM 5.352,17 DM 11.317,77 DM 6.084,72 DM 5.772,85 DM 6.066,72 DM
1998/99 781,04 DM 3.211,64 DM 5.925,25 DM 3.093,34 DM 4.539,66 DM 5.645,07 DM
Diff.: 6.050,44 DM 2.140,53 DM 5.392,52 DM 2.991,38 DM 1.233,19 DM 421,65 DM
Zusammen ergebe dies einen Verdienstausfallschaden von 8.809,65 Euro. Etwa abzusetzende Betriebskosten ergäben
sich aus den vorgelegten betriebswirtschaftlichen Auswertungen. Sie habe ab dem 5. November 1998 für höchstens vier
Stunden täglich das Geschäft geöffnet. Eine Reihe von Stammkunden sei ihr wegen der zeitweiligen Betriebsschließung
verloren gegangen. Der Umsatzrückgang sei nicht konjunkturbedingt. Die Jahresentwicklung der Roherträge habe sich
wie folgt gestaltet:
1994 1995 1996 1997 1998
108.568,20 DM 93.602,10 DM 80.682,30 DM 74.093 DM 62.472,30 DM
Dabei seien bis Anfang 1996 Angestellte für sie tätig gewesen, die sie zur Gewinnsteigerung entlassen habe. Im Jahre
1994 habe ihr Gewinn nur 27.475,20 DM betragen, während er - bei geringerem Umsatz - nach Entlassung der
Angestellten angestiegen sei, zuletzt im Jahre 1997 auf 42.841,60 DM. Im Jahre 1998 sei der Gewinn hingegen auf
37.972,80 DM abgesunken (Differenz: 4.868,80 DM). Dies sei allein auf den Unfall zurückzuführen. Nach der Entlassung
ihrer Angestellten habe sie nur für stundenweise Vertretungen „geringfügige Personalaufwendungen“ gehabt. Ersparte
Aufwendungen für Wasser, Strom etc. fielen bei dem Ein-Mann-Betrieb nicht ins Gewicht; Mietkosten hätten nicht
eingespart werden können. Zum Verdienstausfall komme ein Haushaltsführungsschaden bezüglich der Versorgung
eines von ihr alleine bewohnten Einfamilienhauses mit 80 qm Wohnfläche und 100 qm Garten hinzu. Sie habe dort auch
zwei Katzen und einen Hund zu versorgen. Für die Haushaltsführung wende sie normalerweise vier Stunden täglich auf.
Nach dem Unfall sei sie von Verwandten und zahlreichen Freunden unterstützt worden. Die Haushaltsführung sei ihr in
der Zeit der vollständigen Arbeitsunfähigkeit unmöglich gewesen, in der Zeit der hälftigen Arbeitsunfähigkeit nur zur
Hälfte. Daraus ergebe sich für vier Stunden täglicher Hausarbeit in einem Zeitraum von 49 Tagen bei 15 DM pro Stunde
und 11 Tagen zu je zwei Stunden Hausarbeitsausfall eine Gesamtsumme von 2.270 DM (1.160,63 Euro). Schließlich sei
ein Schmerzensgeld von 10.000 DM (5.112,92 Euro) angemessen, auf das 2.500 DM (1.278,23 Euro) gezahlt worden
seien, so dass 7.500 DM (3.834,69 Euro) verblieben. Die Folgen des HWS-Distorsionstraumas seien nicht entfallen. Sie
leide immer noch unter gelegentlich auftretenden Kopfschmerzen und Schwindelanfällen. Diese seien ausschließlich auf
den Unfall zurückzuführen. Sie leide auch unter Angstzuständen beim Autofahren. Die Klägerin hat beantragt, die
Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an sie 9.970,28 Euro (8.809,65 Euro Verdienstausfall und 1.160,63 Euro
Haushaltsführungsschaden) zu zahlen, ferner den Beklagten zu 1) zu verurteilen, an sie ein angemessenes weiteres
Schmerzensgeld über den gezahlten Betrag hinaus (nicht unter 3.834,69 Euro) zu zahlen, jeweils nebst nebst 4 %
Zinsen seit Rechtshängigkeit.
Die Beklagten haben beantragt, die Klage abzuweisen. Sie haben vorgetragen, es sei unklar, ob weiteres Krankengeld
gezahlt worden sei; die Klägerin habe ergänzenden Vortrag dazu angekündigt, aber nicht angebracht. Dass die Klägerin
ab dem 5. November 1998 zunächst nur stundenweise gearbeitet habe, sei ebenso unklar wie die Frage; ob und welche
Aushilfen sie beschäftigt habe. Aus der Möglichkeit, Aushilfskräfte einzustellen, ergebe sich jedenfalls, dass eine
Aufrechterhaltung des Geschäftsbetriebes anstelle einer Schließung mit der Folge des Verlusts von Stammkunden
möglich gewesen wäre. Die ersparten Kosten seien nicht dargelegt worden. Es werde bestritten, dass die Reduzierung
des Rohertrages für die Monate Oktober 1998 bis März 1999 unfallbedingt sei; der Umsatz des Salons sei schließlich seit
1994 kontinuierlich zurückgegangen. Zudem sei der Erwerbsschaden nicht anhand des Rohertrages zu berechnen,
sondern anhand des Gewinns vor Steuern. Dieser habe im Jahre 1997 42.841,62 DM, im Jahr 1998 (Unfalljahr)
37,972,77 DM betragen, so dass sich eine Differenz: 4.868,80 DM = 2.489,38 Euro ergebe. Das werde durch die von der
Zweitbeklagten gezahlten Beträge und das Krankengeld kompensiert. Das von der Innungskrankenkasse an die Klägerin
gezahlte Krankengeld und deren Steuerersparnisse seien vom Erwerbsschaden abzusetzen; dazu habe sich die
Klägerin nicht geäußert. Der Verlust von Stammkunden sei nur pauschal behauptet worden. Während des
Krankenhausaufenthalts sei kein Haushaltsführungsschaden angefallen, da die Klägerin im Krankenhaus versorgt
worden sei. Danach sei nicht von einem Verlust von Hausarbeiten zu vier Stunden pro Tag auszugehen. Nach dem
Bericht des Orthopäden G. sei die Klägerin sogar in der Lage gewesen, den Haushalt selbst zu führen. Ein
Haushaltsführungsschaden sei also gar nicht entstanden. Zumindest sei nicht dargetan worden, welche konkreten
Tätigkeiten der Klägerin nicht möglich gewesen seien. Gartenarbeiten seien im Oktober nicht angefallen. Schließlich sei
die weitere Schmerzensgeldforderung überzogen. Nach dem Gutachten des Dr. med. W. sei die HWS-Distorsion der
Klägerin abgeheilt, der Bandscheibenschaden nicht unfallbedingt. Weitere Beschwerden seien nicht auf den Unfall
zurückzuführen. Die Angstsymptomatik werde bestritten.
Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die von den Parteien gewechselten Schriftsätze Bezug
genommen.
Das Landgericht hat, nachdem die Klägerin auf seine Hinweise zu Substantiierungsmängeln keinen Antrag gestellt hat,
am 17. Dezember 2001 ein klageabweisendes Versäumnisurteil erlassen. Dagegen hat sie form- und fristgerecht
Einspruch eingelegt und beantragt, unter Aufhebung des Versäumnisurteils nach den Klageanträgen zu erkennen. Das
Landgericht hat nach erneuten Hinweisen und ergänzenden Ausführungen der Parteien das Versäumnisurteil durch
Urteil vom 22. Juli 2002 aufrechterhalten. Die Klägerin habe zu den (geringen) Kosten und zum Erhalt eines weiteren, auf
den Erwerbsschaden anzurechnenden Krankengeldes – letzteres trotz Ankündigung - nicht vorgetragen. Daher könne
der Umfang des Erwerbsschadens nicht hinreichend sicher bestimmt werden. Hinsichtlich des
Haushaltsführungsschadens verkenne die Klägerin, dass eine Minderung der Erwerbsfähigkeit nicht gleichbedeutend
sei mit einer Beeinträchtigung in der Haushaltsführung. Insoweit hätte es konkreter Darlegung bedurft, welche Tätigkeiten
ihr unmöglich geworden seien. Der Schmerzensgeldanspruch sei durch Zahlung von 2.500 DM ausreichend erfüllt
worden.
Auf das erstinstanzliche Urteil wird im Übrigen gemäß § 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO verwiesen.
Gegen dieses Urteil wendet sich die Klägerin mit der Berufung. Sie macht geltend, das Landgericht habe § 252 BGB
verkannt. Ihr Vorbringen zum Verdienstausfall sei ausreichend gewesen. Dass sie sechs Monate lang beeinträchtigt
gewesen sei, habe das Landgericht bei ihren Ansprüchen auf Schmerzensgeld und Ersatz des
Haushaltsführungsschadens nicht beachtet. Kopfschmerzen, Schwindelanfälle und Angstzustände seien unbeachtet
geblieben. Es sei nach ihrem Vortrag Sache des Landgerichts gewesen, Beweis zu erheben.
Wegen der Einzelheiten des Berufungsvorbringens wird auf die Berufungsbegründungsschrift vom 11. November 2002
Bezug genommen.
Die Klägerin beantragt,
die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an sie 9.970,27 Euro nebst 4 % Zinsen seit Rechtshängigkeit zu
zahlen,
den Beklagten zu 1) zu verurteilen, an sie ein angemessenes Schmerzensgeld nicht unter 3.834,68 Euronebst 4 %
Zinsen seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
Zinsen seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
Die Beklagten beantragen,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie meinen, das Berufungsvorbringen reiche schon nach § 520 Abs. 3 ZPO nicht aus. Auf die Beanstandung des
Landgerichts, dass ein Vortrag zur weiteren Krankengeldzahlung fehle, gehe die Berufungsbegründung nicht ein. Zu den
Betriebskosten sei in erster Instanz nicht nachvollziehbar vorgetragen worden. Die gegenteilige Behauptung in der
Berufungsbegründung gehe fehl. Im Übrigen sei der Umsatz der Klägerin seit 1994 Jahr für Jahr zurückgegangen.
Daraus folge, dass auch der Umsatzrückgang im Jahre 1998 nicht unfallbedingt gewesen sei. Zudem habe die Klägerin
gegen ihre Schadensminderungspflicht verstoßen. Sie hätte Aushilfskräfte einschalten können, um eine Schließung des
Geschäfts in der umsatzstärksten Zeit zu verhindern. Diese Kosten hätten die vorgerichtliche Zahlung von 1.000 DM
zuzüglich des gezahlten Krankengeldes nicht überschritten. Hinsichtlich des Haushaltsführungsschadens reiche es zur
ordnungsgemäßen Berufungsbegründung nicht aus, wenn die Klägerin „ihr persönliches Lebensumfeld einschließlich
der Haustiere“ dargestellt habe. Der sicher falsch bezeichnete Gesamtaufwand von vier Stunden Hausarbeiten der
alleinstehenden Klägerin täglich neben ihrer vollen Berufstätigkeit sei nicht durch Darstellung von Einzeltätigkeiten, die
ihr unfallbedingt unmöglich geworden seien, erläutert worden. Zudem habe der Arztbericht des Orthopäden G. mitgeteilt,
die Klägerin sei in der Haushaltsführung gar nicht eingeschränkt gewesen. Auch bezüglich des
Schmerzensgeldanspruchs sei das Berufungsvorbringen zu ungenau. Nach dem Gutachten von Dr. W. seien
unfallbedingte Traumafolgen nicht objektivierbar. Nach dem Arztbericht des Orthopäden G. seien nach der Zeit, für die
eine Minderung der Erwebsfähigkeit attestiert worden sei, keine meßbaren Folgen mehr festzustellen. Nicht näher
erläuterte Kopfschmerzen, Schwindelanfälle und Angstzustände reichten nicht aus, um einen weiteren
Schmerzensgeldanspruch zu begründen.
Die Klägerin hat darauf mit Schriftsatz vom 8. Oktober 2003, nach Ablauf der bis zum 11. November 2002 verlängerten
Berufungsbegründungsfrist, im Wesentlichen damit repliziert, das Landgericht habe auf die im Urteil genannten
Substantiierungsmängel der Klage nicht ausreichend hingewiesen. Der diagnostizierte Bandscheibenvorfall sei durch
den Unfall bedingt; das Gutachten Dr. W. sei insoweit unzutreffend. Parästesien seien auf die HWS-Distorsion
zurückzuführen. Schwindelanfälle und Angstzustände stünden im Kontext der posttraumatischen Belastungsstörung
durch den Unfall. Das Landgericht habe nicht ausgeführt, warum das gezahlte Schmerzensgeld von 2.500 DM
ausreichend sei solle. Zum Verdienstausfall habe das Landgericht verkannt, dass die Kausalität der Unfallfolgen für den
Umsatzrückgang nicht im Einzelnen darzulegen sei. Krankengeld müsse sie sich nicht anrechnen lassen, da sie sich
durch freiwillige Zahlungen abgesichert habe. Zum Haushaltsführungsschaden bringt die Klägerin nun nähere
Erläuterungen an; insoweit wird auf die schriftsätzlichen Ausführungen Bezug genommen.
Die Beklagten sind dem neuen Vortrag entgegengetreten.
II.
Die als solche zulässige Berufung hat in der Sache keinen Erfolg.
1. Die Verfahrensbeanstandung der Verletzung der gerichtlichen Hinweispflicht ist unzulässig. Die Berufung ist mit Blick
auf die materiell-rechtlichen Rügen im Übrigen zulässig.
a) Die Rüge der Verletzung von Hinweispflichten durch das Landgericht ist nicht innerhalb der
Berufungsbegründungsfrist gemäß § 520 Abs. 2 ZPO formgerecht im Sinne von § 529 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. § 520 Abs. 3
ZPO n.F. angebracht worden. Nach § 529 Abs. 2 Satz 1 ZPO muss ein Verfahrensfehler schon während der
Begründungsfrist gemäß § 520 Abs. 2 ZPO gerügt werden, wenn er beachtet werden soll (Reichold, in: Thomas/Putzo,
ZPO, 25. Aufl., § 529 Rn. 7; Schellhammer, Zivilprozess, 10. Aufl., Kap. 14 Rn. 1047). Nach Ablauf der Begründungsfrist
ist eine Verfahrensrüge verspätet und unzulässig, wenn sie nicht einen von Amts wegen zu beachtenden
Verfahrensmangel betrifft. § 529 Abs. 2 Satz 1 ZPO verweist zwar nur auf § 520 Abs. 3 ZPO, nicht ausdrücklich auf § 520
Abs. 2 ZPO, der die Begründungsfrist regelt. Aber das ergibt – auch im Abgleich mit § 531 Abs. 2 ZPO - keinen Sinn und
erweist sich als Fassungsungenauigkeit des Zivilprozessreformgesetzes, das eine Straffung und Beschleunigung des
Berufungsverfahrens bezweckt. § 529 Abs. 2 Satz 1 ZPO gilt nur für Verfahrensfehler, die nicht bereits auf eine (im
Übrigen) zulässige Berufung von Amts wegen zu berücksichtigen, sondern nach § 295 Abs. 1 ZPO verzichtbar sind.
Insoweit ist das neue Berufungsrecht revisionsähnlich ausgestaltet. Von Amts wegen zu beachtende Verfahrensmängel
sind demnach ohne form- und fristgebundene Rüge auf eine im Übrigen zulässige Berufung hin zu prüfen, andere
hingegen nur auf Grund einer in der Berufungsbegründungsfrist formgerecht angebrachte Rüge. Die Klägerin hat
erstmals im Schriftsatz vom 8. Oktober 2003 eine Verfahrensbeanstandung erhoben. Das geschah außerhalb der bis
zum 11. November 2002 verlängerten Berufungsbegründungsfrist.
b) Die Berufung ist hinsichtlich der sachlich-rechtlichen Beanstandungen im Sinne von § 520 Abs. 3 ZPO zulässig.
Der Berufungsführer ist gehalten, die Beurteilung des Streitfalls durch den Erstrichter zu überprüfen und mit seiner
Berufungsbegründung darauf hinzuweisen, in welchen Punkten und mit welchen Gründen das angefochtene Urteil für
unrichtig gehalten wird. Gericht und Prozessgegner sollen dadurch alsbald genau erfahren, wie der Berufungsführer den
Streitfall beurteilt wissen will, damit die Überprüfung seiner Angriffe rasch und erschöpfend vorbereitet werden kann. Die
Berufungsbegründung muss deshalb erkennen lassen, in welchen Punkten tatsächlicher oder rechtlicher Art sowie aus
welchen Gründen der Berufungskläger das angefochtene Urteil für unrichtig hält (OLG Celle VersR 2003, 922 f.). Bei
einem Angriff auf erstinstanzliche Rechtsausführungen reicht es deshalb nicht aus, die Auffassung des Erstrichters als
falsch zu rügen. Ebenso wenig genügt die bloße Angabe von Richtlinien, nach denen die Überprüfung des Urteils
erfolgen soll. Hinsichtlich tatsächlicher Feststellungen ist auszuführen, warum die Tatsachengrundlage des Urteils
rechtsfehlerhaft festgestellt wurde oder weshalb andere Tatsachen zugrunde zu legen sind. Eine Berufung ist nach einer
in der obergerichtlichen Rechtsprechung vertretenen Ansicht schließlich dann unzulässig, wenn sich die
Berufungsbegründung mit dem die angefochtene Entscheidung tragenden Argument nicht auseinandersetzt (OLG
Saarbrücken OLGR Saarbrücken 2003, 308 f.). Deshalb könnte die Berufungsbegründung der Klägerin, die sich nicht mit
den tragenden Gründen der landgerichtlichen Entscheidung befasst, bereits unzulässig sein, während das nach der
Berufungsbegründungsfrist nachgeschobene Vorbringen an § 531 ZPO scheitert. Nach der Begründung des
Zivilprozessreformgesetzes sollen jedoch die Anforderungen an den Inhalt der Rüge falscher Rechtsanwendung
gegenüber dem früheren Recht eher gesenkt werden (BT-Drucks. 14/4722 S. 95; BGH NJW 2003, 2531, 2532). Gemäß §
520 Abs. 3 Nr. 2 ZPO hat die Berufungsbegründung die Bezeichnung der Umstände zu enthalten, aus denen sich nach
Ansicht des Rechtsmittelführers die Rechtsverletzung und deren Erheblichkeit für die angefochtene Entscheidung ergibt.
Besondere formale Anforderungen werden nicht gestellt; für die Zulässigkeit der Berufung ist insbesondere ohne
Bedeutung, ob die Ausführungen in sich schlüssig oder rechtlich haltbar sind (BGH MDR 2003, 1130 f.; NJW 2003, 2532,
2533). Deshalb kommt es hier nicht darauf an, dass die Klägerin in der Begründung ihrer Berufung zunächst an den
tragenden Gründen der angefochtenen Entscheidung vorbei argumentiert hat, jedoch andere Gründe hervorhebt, die das
erstinstanzliche Gericht übergangen habe. Ob das trägt, ist eine Frage der Begründetheit, nicht der Zulässigkeit der
Berufung.
2. Die Berufung ist unbegründet.
a) Neues Vorbringen im letzten Schriftsatz der Klägerin im Schriftsatz vom 8. Oktober 2003 ist nicht zuzulassen. Nach
mehrfachen Hinweisen in erster Instanz, nach der Flucht der Klägerin in die Säumnis und nach der nicht ausgenutzten
Möglichkeit der Einbringung des Vortrags mit der Berufungsbegründung liegt insoweit eine Nachlässigkeit vor, die dazu
führt, dass § 531 Abs. 2 Nr. 3 ZPO nicht eingreift. Die Klägerin hat auch nicht erläutert, warum sie daran gehindert
gewesen sei, diesen Vortrag früher anzubringen.
b) Das Vorbringen in der Berufungsbegründung zeigt keinen Fehler des erstinstanzlichen Urteils im Sinne von § 529
ZPO auf, auf dem die angegriffene Entscheidung beruhen könnte. Die Annahme des Landgerichts, die Klage sei
unsubstantiiert, ist nicht zu beanstanden.
aa) Beim Verdienstausfallsschaden wurden die vom Ausfall abzuziehenden ersparten Steuern und Kosten sowie der
erlangten Krankengeldzahlungen von der Klägerin nicht substantiiert dargelegt.
Das gilt namentlich für das Krankengeld, welches zugleich Bedeutung als Kompensation für den Verdienstausfall und für
den Haushaltsführungsschaden hat. Krankengeld hat Lohnersatzfunktion (BGH NJW 1984, 1811) und soll den
Erwerbsausfall ausgleichen, den der Versicherte durch die unfallbedingte Arbeitsunfähigkeit erlitten hat. Dabei kommt es
aber nicht wesentlich darauf an, ob das Krankengeld in einem konkreten Berechnungsverhältnis zu einem bestimmten
Verdienstausfall steht oder nur eine abstrakte Lohnersatzfunktion in dem Sinn hat, dass es in gleicher Weise der
Deckung des allgemeinen Lebensunterhalts dient (BGH
VersR 1977, 768
, 770). Ob sich die Sozialleistung konkret oder
abstrakt bemisst, ist für den sozialversicherungsrechtlichen Forderungsübergang ohne Bedeutung (BGH
VersR 1976,
756
, 757;
1981, 477
). Der Sozialversicherungsträger muss die Deckung eines konkreten Schadenspostens durch seine
Leistung nicht nachweisen (BGH NJW 1976, 2349). Entscheidend ist, dass das Krankengeld dem Ausgleich des
Erwerbsschadens dient. Ebenso wie im Fall der Verletztenrente ist auch das Krankengeld nicht nur als Ausgleich für eine
außerhäusliche Berufstätigkeit anzusehen. Es dient vielmehr dem gesamten Ausgleich der unfallbedingten Behinderung,
die Arbeitskraft als Erwerbsquelle nutzen zu können. Damit ist auch der Bereich einer eingeschränkten Haushaltsführung
für die Familie abgedeckt.
Der Gesichtspunkt, dass das Krankengeld durch eigene Beitragsleistungen "erkauft" worden ist, hat entgegen der Ansicht
der Klägerin kein entscheidendes Gewicht. Dieser Umstand liegt auch im Fall der Erwerbsunfähigkeitsrente vor, die an
die erbrachten Pflichtbeiträge anknüpft. Dementsprechend bejaht die Rechtsprechung auch bei freiwilliger
Weiterversicherung die sachliche Kongruenz von Krankengeldzahlungen mit einem Erwerbsschaden (BGH
VersR 1967,
1068
;
1976, 756
;
1985, 356
; OLG Hamm RuS 2001, 506 f.). Voraussetzung für den Übergang eines
Schadensersatzanspruchs nach § 116 Abs. 1 SGB X ist, dass ein öffentlichrechtlicher Versicherungsträger auf Grund des
Schadensereignisses Sozialleistungen zu erbringen hat (Hanseatisches OLG Hamburg Schaden-Praxis 1998, 315). Dies
ist hier der Fall. Die Innungskrankenkasse, die an die Klägerin gezahlt hat, ist eine Körperschaft des öffentlichen Rechts.
Unter den Sozialleistungen im Sinne von § 116 Abs. 1 SGB X sind alsdann sämtliche Leistungen des
öffentlichrechtlichen Versorgungsträgers zu verstehen, unabhängig davon, ob es sich bei dem Versicherungsverhältnis
um eine Pflichtversicherung oder um eine freiwillige Versicherung handelt. Dies ergibt sich aus dem Gesetz, welches
zwischen freiwilliger und zwangsweise bestehender Versicherung nicht unterscheidet. Wie der Bundesgerichtshof
bereits zum früheren § 1542 RVO ausgeführt hat, beruht die unterschiedliche Behandlung im Vergleich zu Ansprüchen
aus der Privatversicherung auf den strukturellen Unterschieden in der sozialen Aufgabenstellung und Trägerschaft
beider Versicherungssysteme (vgl. BGH VersR 1976, 757; 19
77, 768
;
1983, 686
). Die Überleitungsnorm des § 116 SGB
X soll verhindern, dass entweder dem Haftpflichtigen die Last des von ihm zu verantwortenden Schadens dadurch
abgenommen wird, dass die Versicherungsleistung im Wege der Vorteilsausgleichung auf den von ihm verursachten
Schaden angerechnet wird, oder dass der Geschädigte doppelten Ersatz des ihm entstandenen Schadens erhält
(Wussow, Unfallhaftpflichtrecht, 14. Aufl., Rn. 2417).
Demnach fehlt mit dem von der Klägerin schon in erster Instanz angekündigten, danach aber im gesamten weiteren
Verfahren ausgebliebenen Tatsachenvortrag zum Krankengeld ein relevanter Punkt zur Schadensbemessung. Dies fällt
auch deshalb ins Gewicht, weil die Klägerin bereits vor Ende der ärztlich attestierten vollen Arbeitsunfähigkeit die Arbeit
wieder aufgenommen hatte. Der nach dem Klägervortrag zu verzeichnende Gewinnausfall im Jahre 1998 gegenüber
dem Vorjahr beläuft sich auf 4.868,80 DM = 2.489,38 Euro. Daran gemessen kann, auch wenn im Jahre 1999 weitere
Gewinnrückgänge zu verzeichnen sind, ein Krankengeld in möglicherweise vierstelliger Höhe, das zu den von der
Zweitbeklagten gezahlten Beträgen hinzukommt, ein erheblicher Faktor der Kompensation der materiellen Schäden sein.
Dieser kann bei einer Schadensschätzung oder einer Schadensfeststellung durch einen Sachverständigen nicht außer
Betracht bleiben, ohne dem Gesamtergebnis die Grundlage zu entziehen. Selbst eine ausreichende Grundlage für eine
gerichtliche Schätzung des Mindestschadens liegt demnach nicht vor. Lücken im Vortrag eines Geschädigten zum
Schadensumfang kann und muss der Tatrichter zwar durch Schätzung des Schadens, notfalls auch nur eine
Mindestschadens, ausfüllen, dies aber nur, wenn es nicht bereits an einer ausreichenden Befundgrundlage fehlt und
eine Schätzung deshalb in der Luft hängen muss (vgl. BGHZ 142, 259, 269; 133, 155, 159 f.; BGH Urt. vom
23. September 2003 - VI ZR 395/02). So ist es aber hier, weil die Klägerin zu dem mit Lohnersatzfunktion ausgestatteten
Krankengeld nicht vorgetragen, den Vortrag der Beklagten zu einer Krankengeldzahlung in einem begrenzten Zeitraum
hingenommen und sich zu Krankengeldzahlungen in den übrigen Zeiträumen in tatsächlicher Hinsicht nicht geäußert
hat. Ihre erstmals in der Berufungsinstanz geäußerte Annahme, auf das Krankengeld komme es rechtlich nicht an, geht
fehl; das wurde oben bereits ausgeführt.
Da im Übrigen auch konstante Umsatzrückgänge seit 1994 zu verzeichnen sind, die auch nicht durchweg mit den Quoten
der ärztlich attestierten Minderung der Arbeitsfähigkeit korrespondieren, und die Klägerin die Verhinderung der
zeitweiligen Schließung ihres Salons durch Inanspruchnahme von Aushilfskräften nicht dargelegt hat, fehlen im
Klägervortrag weitere wichtige Anknüpfungstatsachen für die Bewertung der Unfallfolgen als – mögliche ‑ Ursache für
den weiteren Umsatzrückgang. Diese Tatsachen wären einem Sachverständigen zur Verfügung zu stellen oder einer
Schätzung zu Grunde zu legen gewesen; fehlen sie, so ist dies neben dem fehlenden Vortrag zu Krankengeldzahlungen
ein weiterer Substantiierungsmangel der Klage. Der Verlust von „zahlreichen Stammkunden“, die auch im
Beweisangebot der Klägerin nur mit N.N. bezeichnet wurden, reicht ebenfalls nicht aus, um die Kausalität der
Unfallfolgen für den Umsatzrückgang sowie dessen Umfang annähernd zuverlässig zu erfassen und einer
Beweiserhebung mit Hilfe eines Sachverständigen oder einer gerichtlichen Schätzung des Mindestschadens zu Grunde
zu legen.
bb) Für den Haushaltsführungsschaden fehlt, von der Problematik des Krankengeldes abgesehen, die Mitteilung der
Beeinträchtigung der Klägerin in bestimmten Haushaltsbereichen. Dass die Zeugin B. und „zahlreiche Verwandte und
Freunde“ geholfen hätten, wird behauptet, aber nicht konkretisiert. Ein ausreichendes Beweisangebot fehlt durchgängig,
da die Zeugin B. zwar oft erwähnt, aber nie mit ladungsfähiger Anschrift bezeichnet wurde. Die anderen Freunde und
Verwandten, die Hilfsdienste im Haushalt der Klägerin vorgenommen haben sollen, wurden nur allgemein erwähnt, aber
nicht identifiziert. Was diese Personen anstelle der Klägerin in deren Haushalt getan haben, bleibt im Vorbringen der
Klägerin offen. Ein diesbezüglicher Vortrag wäre aber erforderlich gewesen, nachdem auch der Arztbericht des
Orthopäden G. mitgeteilt hat, die Klägerin habe den Haushalt selbst führen können. Bei dieser Sachlage kann auch nicht
auf die ärztliche Annahme einer bestimmten Quote der Minderung der Erwerbsfähigkeit zurückgegriffen werden. Diese
besagt bei allem nicht genug, um das Vorliegen eines Haushaltsführungsschadens und den Grad der
haushaltsspezifischen Beeinträchtigung der Klägerin in einem Umfang, der über den Wert der gezahlten 1.000 DM
hinausgeht, nachvollziehbar zu machen oder eine ausreichende Schätzgrundlage zu bieten. Auch für ein
Sachverständigengutachten würden damit notwendige Befundtatsachen fehlen.
cc) Bei der Bemessung des Schmerzensgeldes sind in erster Linie Höhe und Grad der erlittenen Beeinträchtigungen
bzw. Verletzungen, also Größe, Heftigkeit und Dauer der Schmerzen, daneben aber auch das Maß des Verschuldens
und weitere Umstände zu berücksichtigen.
Der Schmerzensgeldanspruch hat anders als gewöhnliche Schadensersatzansprüche nicht nur eine Ausgleichs-,
sondern auch eine Genugtuungsfunktion. Wie der Große Senat für Zivilsachen des Bundesgerichtshofs
rechtsgrundsätzlich ausgeführt hat, wohnt dem Schmerzensgeld zwar kein unmittelbarer Strafcharakter mehr inne, doch
schwingt in ihm der Ausgleichscharakter der Buße und der Genugtuung mit (
BGHZ 18, 149
). Auch wenn die
Ausgleichsfunktion des Schmerzensgeldes gerade bei Verkehrsunfällen in der Regel im Vordergrund steht, kann die
Genugtuungsfunktion jedenfalls dann nicht außer Betracht bleiben, wenn der Unfall durch grob fahrlässiges Verhalten
herbeigeführt worden ist. Ein im besonderen Maß die verkehrsübliche Sorgfalt verletzendes Verhalten des Schädigers
rückt das Geschehen für den Geschädigten aus dem Bereich des allgemeinen Lebensrisikos heraus, weshalb es
erforderlich wird, in solchen Fällen die Genugtuungsfunktion bei der Bemessung des Schmerzensgeldes mit zu
berücksichtigen (OLG Köln VerkMitt 2000, 70). Auch nach diesem Maßstab ist das bereits gezahlte Schmerzensgeld
ausreichend. Einzelheiten zum Grund und damit zum Grad des Verschuldens des Erstbeklagten, der – aus hier nicht
bekannten Gründen - ins Schleudern geraten war, sind nicht mitgeteilt worden. Daran kann also außer dem
Ausgangspunkt, dass der Erstbeklagte die alleinige Schadensersatzhaftung dem Grunde nach trägt, keine weitere
Überlegung angeknüpft werden.
Die abgeheilte HWS-Distorsion und die Platzwunde rechtfertigen zwar, auch mit Blick auf das alleinige Verschulden des
Erstbeklagten, ein Schmerzensgeld, das aber bei dem verifizierbaren Befund in Höhe der gezahlten 2.500 DM
ausreichend erfüllt ist. Dieser Betrag liegt im Rahmen des Üblichen. Eine HWS-Distorsion, die zu einer Arbeitsunfähigkeit
von sieben Wochen führt, rechtfertigt etwa ein Schmerzensgeld von 2.000 DM (OLG Bamberg NZV 2001, 470). Hier sind
weitere ‑ abklingende ‑ Folgen zu berücksichtigen, so dass die gezahlten 2.500 DM angemessen, aber ausreichend
erscheinen.
Höhere Beträge sind nur bei schwereren Folgen angemessen, im Einzelfall etwa 8.000 DM Schmerzensgeld für eine
HWS-Distorsion mit mehrjährigem Heilungs-Prozess bei grobfahrlässigem Verhalten des Unfallverursachers (OLG
Nürnberg DAR 2001, 366 f.). Leidet eine 43jährige Unfallgeschädigte nach einem Unfall mit Prellungen und Zerrung der
Halswirbelsäule an einer psychogenen Armlähmung mit chronischem Schmerzsyndrom, aufgrund derer sie endgültig
nicht mehr in der Lage ist, ihren Beruf auszuüben, und deretwegen sie sich einer langwierigen psychotherapeutischen
Behandlung (Mindestdauer ein bis zwei Jahre) unterziehen muss, so ist ein Schmerzensgeld in Höhe von 15.000 DM
angemessen (OLG Hamm RuS 2002, 458, 459 f.). So liegt der vorliegende Fall aber nicht, weil die Berufungsunfähigkeit
der Klägerin zeitlich begrenzt war. Hat ein Geschädigter bei einem Glatteisunfall eine Stauchung der Halswirbelsäule
sowie eine Steißbein- und Beckenprellung mit Hämatombildung erlitten, lagen spätestens 3 Monate nach dem Unfall
keine Anhaltspunkte für fortbestehende Beschwerden vor, leidet der Geschädigte aber an auf eine Fehlverarbeitung
zurückzuführenden Beschwerden in Form einer somatoformen Schmerzstörung mit reaktiv depressiven Symptomen, die
zu einer dauerhaften Arbeitsunfähigkeit zu 100% führt, so ist über ein vorprozessual geleistetes Schmerzensgeld von
7.500 DM hinaus im Einzelfall ein weiteres Schmerzensgeld in Höhe von 20.000 DM angemessen (OLG Hamm NZV
2002, 37). Vergleichbar schwere Folgen sind im vorliegenden Fall indes wiederum nicht substantiiert dargelegt worden:
Die Angststörung der Klägerin hindert sie nicht an der weiteren Berufsausübung. Die Angstzustände, die das Autofahren
beeinträchtigen, sind auch nicht näher umschrieben worden.
Das Vorbringen, auch der Bandscheibenvorfall sei unfallbedingt, geht fehl. In dem erstinstanzlich von der Klägerin
vorgelegten Gutachten Dr. W. das von ihr selbst erstmals mit der Replik im Berufungsrechtszug angegriffen wurde, was
nicht nach § 531 Abs. 2 ZPO zugelassen werden kann, ist festgestellt worden, dass weitere Beschwerden nicht auf den
Unfall zurückzuführen seien. Danach fehlt es an einer ausreichenden Substantiierung des Vorbringens weiterer
immaterieller Schäden. Der Angriff auf das Gutachten des Dr. W. geht im Übrigen auch deshalb fehl, weil im
Befundbericht von Prof. Dr. R. dieselbe V o r e r k r a n k u n g festgehalten ist.
Die Klägerin hat schließlich geltend gemacht, Kopfschmerzen und Schwindelanfälle seien „gelegentlich“ aufgetreten.
Nähere Ausführungen dazu, mit welcher Dauer, in welcher Frequenz und mit welchen Folgen für ihre Handlungsfähigkeit
dies geschehen war, fehlen. Dies ist ein Substantiierungsmangel der Klagebegründung zur Geltendmachung eines
weiteren Schmerzensgeldes über den gezahlten Betrag hinaus.
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 91, 97 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf §§ 708
Nr. 10, 713 ZPO.
IV.
Ein Grund für die Zulassung der Revision gemäß § 543 Abs. 2 ZPO liegt nicht vor.
V.
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf insgesamt 13.805,85 Euro festgesetzt. Für das Verfahren über die
Klage gegen den Erstbeklagten entsprechen Streitwert und Beschwer der Klägerin dieser Summe; bezüglich der Klage
gegen die Zweitbeklagte belaufen sich Streitwert und Beschwer der Klägerin auf 9.970,28 Euro.
Dr. Wohlhage Frey Dr. Eschelbach