Urteil des OLG Koblenz vom 07.01.2011

OLG Koblenz: kennzeichnung, sicherheit, medien, gefährdung, besitz, form, dvd, selbstkontrolle, spielfilm, verbrechen

OLG
Koblenz
07.01.2011
2 Ws 531/10 (Vollz)
1. Bei der Einlegung einer Rechtsbeschwerde zur Niederschrift der Geschäftsstelle gemäß § 118 Abs. 2
StVollzG muss der als Urkundsbeamter tätige Rechtspfleger die ihm vorgetragenen Anträge auf Form und
Inhalt prüfen und zulässigen Anträgen einen angemessenen und klaren Ausdruck geben. Er ist weder
Werkzeug des Strafgefangenen noch dessen Briefannahmestelle; eine vorgefertigte schriftliche
Begründung des Strafgefangenen darf er deshalb nur dann zugrunde legen, wenn er deren Form und
Inhalt geprüft ha und hierfür die volle Verantwortung übernimmt.
2. Ein Versagungsgrund für die Überlassung eines Gegenstands an einen Strafgefangenen gemäß § 70
Abs. 2 Nr. 2 StVollzG ist schon dann gegeben, wenn dieser generell-abstrakt geeignet ist, die Sicherheit
und Ordnung der Anstalt oder die Vollzugsziele zu gefährden, und diese Gefährdung nur mit einem der
Anstalt nicht mehr zumutbaren Kontrollaufwand ausgeschlossen werden könnte.
3. § 70 Abs. 2 Nr. 2 StVollzG ist nicht verletzt, wenn die Strafvollzugsanstalt den Bezug und Besitz von
DVDs oder anderen Trägermedien für Spielfilme oder Computerspiele davon abhängig macht, dass diese
durch die Freiwillige Selbstkontrolle der Filmwirtschaft (FSK) gekennzeichnet sind.
4. Es ist sachgerecht und verhältnismäßig, wenn die Strafvollzugsanstalt die Überlassung mit "FSK 18"
bzw. "keine Jugendfreigabe" gekennzeichneter Filme oder sonstiger Medien an Strafgefangene pauschal
versagt, auch wenn darunter im Einzelfall Medien fallen können, die keinen gewaltverherrlichenden oder
anderweit für die Vollzugsziele bedenklichen Inhalt aufweisen.
5. Die Frage, ob Überlassung und Besitz eines Gegenstandes die in § 70 Abs. 2 Nr. 2 StVollzG genannten
Rechtsgüter gefährdet, hängt in erster Linie von den Umständen des Einzelfalles ab und ist deswegen
überwiegend tatsächlicher Natur; einer Divergenzvorlage an den Bundesgerichtshof gemäß § 121 Abs. 2
Nr. 2 GVG bedarf es insoweit nicht.
Geschäftsnummer:
2 Ws 531/10 (Vollz)
7 StVK 252/10 – LG Koblenz (Diez)
In der Strafvollzugssache
des Strafgefangenen K.,
zur Zeit in Strafhaft in der Justizvollzugsanstalt D.,
w e g e n Überlassung einer Spielfilm-DVD mit der Kennzeichnung „FSK 18“
hat der 2. Strafsenat des Oberlandesgerichts Koblenz durch den Vorsitzenden Richter am
Oberlandesgericht Völpel sowie die Richter am Oberlandesgericht Pott und Dr. Leitges
am 7. Januar 2011 beschlossen:
Der Antrag des Strafgefangenen auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe unter Beiordnung von
Rechtsanwalt L. wird zurückgewiesen.
Die Rechtsbeschwerde des Strafgefangenen gegen den Beschluss der auswärtigen
Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Koblenz in Diez vom 1. Oktober 2010 wird auf seine Kosten
als unbegründet verworfen.
Der Geschäftswert für die Rechtsbeschwerde wird auf 500,- Euro festgesetzt.
Gründe:
I.
Der Strafgefangene beantragte am 10. Mai 2010 die Beschaffung und Überlassung einer DVD mit dem
Spielfilm „Shoot´Em Up“. Dieser in einer Fernsehzeitschrift als „Actiongroteske“ bezeichnete Film ist von
der Freiwilligen Selbstkontrolle der Filmwirtschaft (FSK) mit der Kennzeichnung „FSK 18“ versehen; er
wurde am 9. Mai 2010 um 23.00 Uhr im Fernsehen auf dem Sender Pro 7 ausgestrahlt. Die
Justizvollzugsanstalt D. lehnte die Beschaffung und Überlassung einer entsprechenden Film-DVD am 12.
Mai 2010 unter Hinweis auf ihre Allgemeinverfügung bezüglich des Erwerbs und Besitzes von
Elektrogeräten, Spielen, DVDs und CDs ab; danach sind Medien mit sexistischem oder
gewaltverherrlichendem Inhalt sowie Medien mit der Kennzeichnung „FSK 18“ bzw. „keine
Jugendfreigabe“ nicht zugelassen.
Unter dem 18. Mai 2010 beantragte der Strafgefangene gerichtliche Entscheidung sowie die Bewilligung
von Prozesskostenhilfe. Mit dem angegriffenen Beschluss vom 1. Oktober 2010, dem Strafgefangenen
zugestellt am 8. Oktober 2010, hat die Strafvollstreckungskammer seine Anträge mit der Begründung
abgelehnt, dass die Überlassung von DVDs mit der Kennzeichnung „FSK 18“ die Sicherheit und Ordnung
der Anstalt gefährde. Hinsichtlich der Einzelheiten wird zur Vermeidung von Wiederholungen auf die
Gründe der angefochtenen Entscheidung Bezug genommen.
Hiergegen richtet sich die Rechtsbeschwerde des Strafgefangenen, die er am 3. November 2010 in der
Justizvollzugsanstalt D. zu Protokoll des Rechtspflegers unter Rüge der Verletzung formellen und
materiellen Rechts eingelegt hat. Seiner zu Protokoll gegebenen Erklärung war ein vierseitiger Schriftsatz
beigefügt, der unter dem 8. November 2010 durch weitere fünf Seiten ergänzt wurde.
Das Ministerium der Justiz des Landes Rheinland-Pfalz hat beantragt, die Rechtsbe-schwerde als
unbegründet zurückzuweisen.
II.
1.
Die Voraussetzungen des § 116 Abs. 1 Satz 1 StVollzG sind gegeben, da es geboten ist, die Nachprüfung
der angefochtenen Entscheidung zur Fortbildung des Rechts zu ermöglichen. Der Fall gibt Veranlassung,
Leitsätze für die Auslegung des materiellen Rechts aufzustellen (vgl. Callies/Müller-Dietz, StVollzG, 11.
Aufl. 2008, § 116 Rdnr. 2 StVollzG). Die durch den Sachverhalt aufgeworfene Frage, ob in einer
Justizvollzugsanstalt Medien bzw. Datenträger mit der Kennzeichnung „FSK 18“ an Strafgefangene
überlassen werden dürfen oder ob dies die Sicherheit und Ordnung der Anstalt gefährdet, ist
verallgemeinerungsfähig und vom Senat bislang noch nicht entschieden worden.
Die Rechtsbeschwerde ist jedoch unzulässig, soweit der Antragsteller die Verletzung formellen Rechts
rügt. Denn insoweit sind entgegen § 118 Abs. 2 Satz 2 StVollzG die den Mangel enthaltenen Tatsachen
nicht ordnungsgemäß mitgeteilt worden. Gemäß § 118 Abs. 3 StVollzG kann die Rechtsbeschwerde durch
den Strafgefangenen nur in einer von einem Rechtsanwalt unterzeichneten Schrift oder zur Niederschrift
der Geschäftsstelle erfolgen; eine privatschriftliche Einlegung der Rechtsbeschwerde ist unzulässig
(Callies/Müller-Dietz, aaO, § 118 Rdnr. 7 mwN). Dadurch soll sichergestellt werden, dass das Vorbringen
des Antragstellers in sachlich und rechtlich geordneter Weise in das Verfahren eingeführt wird und die
Gerichte von unsachgemäßen und sinnlosen Anträgen entlastet bleiben (Schuler/Laubenthal, in:
Schwind/Böhm/Jehle/Laubenthal, StVollzG, 5. Aufl. 2009, § 118 Rdnr. 8). Bei der Niederschrift zu Protokoll
muss der Rechtspfleger, der als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle tätig wird, die ihm vorgetragenen
Anträge auf Form und Inhalt prüfen, den Antragsteller belehren, auf Vermeidung offenbar unzulässiger
Anträge hinwirken und zulässigen Anträgen einen angemessenen und klaren Ausdruck geben. Eine
Begründung des Beschwerdeführers darf er nur dann zugrunde legen, wenn er für deren Inhalt und Form
auch die Verantwortung übernehmen kann. Der Rechtspfleger ist dabei kein Werkzeug des
Rechtsmittelführers, insbesondere auch keineBriefannahmestelle (Callies/Müller-Dietz, aaO, § 118 Rdnr.
8 mwN; Schuler/Laubenthal, in: Schwind/Böhm/Jehle/Laubenthal, aaO; OLG Koblenz, 2 Ss 118/04 vom
12.05.2004; 1 Ss 393/97 vom 12.01.1998).
Diese Voraussetzungen für eine ordnungsgemäße Protokollierung sind vorliegend nicht erfüllt. Der
Rechtspfleger hat lediglich die Rüge der Verletzung formellen und materiellen Rechts protokolliert und im
übrigen pauschal auf einen beigefügten – zudem unvollständigen und erst durch Nachreichung am 8.
November 2010 vervollständigten – Schriftsatz des Antragstellers vom 3. November 2010 verwiesen, die
er als „Anregung“ an das Beschwerdegericht verstanden wissen wollte. Er hat damit deutlich zum
Ausdruck gebracht, dass er für Vollständigkeit und Inhalt des Schriftsatzes gerade nicht die Verantwortung
übernehmen wollte. Damit dürfen die vom Antragsteller in seinem Schriftsatz zur Ausführung der
Verfahrensrüge gemachten Ausführungen vom Senat nicht berücksichtigt werden. Da sie nicht in
zulässiger Form zum Gegenstand der Rechtsbeschwerdebegründung gemacht worden sind, ist die
Verfahrensrüge wegen Verletzung von § 118 Abs. 2 Satz 2 StVollzG unzulässig erhoben. Hiervon
unberührt bleibt die – ordnungsgemäß protokollierte und erhobene – Sachrüge, die einer weiteren
Begründung nicht bedurfte.
2.
In der Sache erweist sich die Rechtsbeschwerde jedoch als unbegründet. Die angefochtene
Entscheidung zeigt keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Antragstellers auf. Die Versagung der
Überlassung der verfahrensgegenständlichen DVD verstößt weder gegen geltendes Strafvollzugsrecht
noch sind hierdurch Grundrechte des Antragstellers verletzt.
a)
Gemäß § 70 Abs. 1 StVollzG darf ein Strafgefangener in angemessenem Umfang Bücher und andere
Gegenstände zur Fortbildung oder zur Freizeitbeschäftigung besitzen; dies gilt jedoch nicht, wenn der
Besitz, die Überlassung oder die Benutzung des Gegenstands das Ziel des Vollzuges oder die Sicherheit
oder Ordnung der Anstalt gefährden würde (§ 70 Abs. 2 Nr. 2 StVollzG). Ein Versagungsgrund ist danach
schon dann gegeben, wenn der fragliche Gegenstand generell-abstrakt geeignet ist, die Sicherheit und
Ordnung der Anstalt zu gefährden und diese Gefährdung nur mit einem der Anstalt nicht mehr zumutbaren
Kontrollaufwand ausgeschlossen werden könnte (vgl. OLG Koblenz, Beschl. 2 Ws 359/10 v. 15.09.2010;
Beschl. 2 Ws 836/04 v. 14.02.2005; ZfStrVO 1988, 372; OLG Brandenburg NJ 2008, 274, zit. n. juris Rdnr.
9 m.w.N.; Schwind, in: ders./Böhm/Jehle/Laubenthal, StVollzG, 5. Aufl. 2009, § 70 Rdnr. 7). Diese
Auslegung von § 70 Abs. 2 Nr. 2 StVollzG trägt dem in § 81 Abs. 2 StVollzG verankerten
Verhältnismäßigkeitsgrundsatz Rechnung und ist verfassungsrechtlich unbedenklich (vgl. BVerfG StRR
2010, 323; BVerfGE 89, 315 <324>; NStZ-RR 1996, 252 <253>.).
In der obergerichtlichen Rechtsprechung ist anerkannt, dass es keinen Verstoß gegen § 70 Abs. 2 Nr. 2
StVollzG darstellt, wenn eine Vollzugsanstalt der höchsten Sicherheitsstufe den Bezug und Besitz von
DVDs davon abhängig macht, dass diese durch die Freiwillige Selbstkontrolle der Filmwirtschaft (FSK)
gekennzeichnet sind (vgl. OLG Koblenz, Beschl. 2 Ws 359/10 v. 15.09.2010; OLG Hamburg, OLGSt
StVollzG § 116 Nr. 4; OLG Frankfurt, NStZ 2009, 220 f.). Auf diese Weise wird zuverlässig sichergestellt,
dass DVDs mit einem den Vollzugszielen entgegenwirkenden und die Sicherheit und Ordnung
gefährdenden Inhalt nicht in die Hände von Strafgefangenen gelangen. Die Vollzugsanstalt selbst kann
eine eigenständige, umfassende inhaltliche Kontrolle aller an Strafgefangene übergebenen oder
versendeten DVDs mit ihren Ressourcen nicht gewährleisten. Deshalb ist es sachgerecht und
verhältnismäßig, wenn sie bezüglich des Inhaltes eines Films auf eine entsprechende Kennzeichnung
durch die FSK verweist. Die FSK nimmt von einer Kennzeichnung gemäß § 14 Abs. 3 Satz 1 JuSchG
nämlich solche Filme aus, die einen der in § 15 Abs. 2 Nr. 1 bis 5 JuSchG bezeichneten Inhalt haben (u.a.
einen der in §§ 86, 130, 130a, 131, 184, 184a oder 184b StGB bezeichneten strafbaren Inhalt haben, den
Krieg verherrlichen, Menschen, die sterben oder schweren körperlichen oder seelischen Leiden
ausgesetzt sind oder waren, in einer die Menschenwürde verletzenden Weise darstellen und ein
tatsächliches Geschehen wiedergeben, ohne dass ein überwiegendes berechtigtes Interesse gerade an
dieser Form der Berichterstattung vorliegt sowie Kinder oder Jugendliche in unnatürlicher,
geschlechtsbetonter Körperhaltung darstellen) oder in die Indizierungsliste nach § 18 JuSchG
aufgenommen sind, weil sie unsittlich, verrohend wirkend bzw. zu Gewalttätigkeit, Verbrechen oder
Rassenhass anreizend sind. Auch wenn sich in den für die Kennzeichnung von Filmen maßgeblichen
Vorschriften des JuSchG, namentlich in § 15 Abs. 2 Nr. 5 JuSchG, Ausschlussgründe finden, die speziell
auf die Verhinderung der Störung der Entwicklung von Kindern und Jugendlichen abzielen und damit
eine Beeinträchtigung der Sicherheit und Ordnung in einer Strafanstalt für Erwachsene nicht ohne
weiteres nahelegen, ist dies im Interesse einer effektiven Kontrolle hinzunehmen (vgl. OLG Hamburg
OLGSt StVollzG § 116 Nr. 4, zit. n. juris Rdnr. 20).
b)
Die Frage, ob in einer Justizvollzugsanstalt die Überlassung von Medien mit der Kennzeichnung „FSK 18“
(seit dem 1. April 2003: „keine Jugendfreigabe“) im Hinblick auf eine generell-abstrakte Gefährdung der
Sicherheit und Ordnung der Anstalt gemäß § 70 Abs. 2 Nr. 2 StVollzG versagt werden darf, wird in der
obergerichtlichen Rechtsprechung unterschiedlich beantwortet.
Für die Justizvollzugsanstalt Fuhlsbüttel hat das Hanseatische Oberlandesgericht Hamburg entschieden,
dass die Kennzeichnung von Medien mit „FSK 18“ oder „keine Jugendfreigabe“ kein taugliches Kriterium
für die Abwehr von Gefahren für die Anstaltssicherheit darstelle. Gegen eine Gefährdung der Sicherheit
und Ordnung der Anstalt durch solche Filme spreche, dass die FSK überhaupt eine Kennzeichnung
vergeben und damit geprüft habe, dass die Ausschlussgründe der §§ 15 Abs. 2 und 18 JuSchG nicht
vorliegen, der Inhalt des Mediums also nicht Strafvorschriften verletze, den Krieg verherrliche, verrohend
wirke oder zu Gewalttätigkeit, Verbrechen oder Rassenhass anreize. Die Kennzeichnung „FSK 18“ sei
insoweit ein Qualitätsmerkmal und kein Kriterium zur Beurteilung der Gefährlichkeit des Besitzes eines
solchen Mediums in einer Strafanstalt für Erwachsene, denn die verschiedenen Kennzeichnungsstufen
folgten Prüfungskriterien im Hinblick auf die unterschiedlichen Entwicklungsstufen von Kindern oder
Jugendlichen (OLG Hamburg StVollzG § 116 Nr. 4; vgl. auch OLG Frankfurt NStZ 2009, 220 f.; Beschl. 3
Ws 44/07 v. 15.03.2007 -, juris; NStZ-RR 2005, 191).
Nach anderer Auffassung wohnt Medien mit „FSK 18“-Freigabe – unabhängig davon, ob die
Klassifizierung aufgrund pornografischer, gewaltverherrlichender oder sonst fragwürdiger Inhalte erfolgt -
typischerweise ein hohes Gefährdungspotential für die Sicherheit und Vollzugsziele im Sinne des § 70
Abs. 2 Nr. 2 StVollzG inne. Diese werden nach den Prüfungskriterien der FSK deshalb von einer
anderweitigen Freigabe ausgenommen, weil durch ihre Betrachtung die Nerven überreizt bzw.
übermäßige Belastungen hervorgerufen werden können, die Phantasie über Gebühr erregt, die
charakterliche, sittliche oder geistige Erziehung gehemmt, gestört oder geschädigt werden kann oder weil
sie zu falschen und abträglichen Lebenserwartungen führen können. Dass derartige Medien innerhalb
einer Anstalt mit einem signifikanten Anteil wegen Gewalt- oder Sexualdelikten verurteilter Gefangener die
Vollzugsziele und die Sicherheit der Anstalt abstrakt generell gefährdeten, liege auf der Hand (OLG Celle
NdsRPfl 2007, 18 ff.; OLG Schleswig SchlHA 2008, 322).
c)
Der Senat schließt sich in Beantwortung der hier entscheidungserheblichen Tatfrage der zuletzt
dargestellten Auffassung an. Auch er sieht in der Überlassung von Spielfilmen mit der Kennzeichnung
„FSK 18“ oder „keine Jugendfreigabe“ eine generell-abstrakte Gefahr für die Ziele des Strafvollzugs und
die Sicherheit und Ordnung in der Anstalt im Sinne von § 70 Abs. 1 Nr. 2 StVollzG als gegeben an.
Im Strafvollzug soll der Gefangene fähig werden, künftig in sozialer Verantwortung ein Leben ohne
Straftaten zu führen; der Vollzug der Freiheitsstrafe dient dabei aber auch dem Schutz der Allgemeinheit
vor weiteren Straftaten (§ 2 StVollzG). Die Strafvollstreckungskammer weist zutreffend darauf hin, dass
Filme mit der Klassifizierung „FSK 18“ oder „keine Jugendfreigabe“ durchaus sozialschädliche
Botschaften enthalten können, da sie nicht selten Gewalt verherrlichen, einem partnerschaftlichen
Rollenverständnis der Geschlechter entgegenstehen, einzelne gesellschaftliche Gruppen diskriminieren
oder Sexualität auf ein reines Instrumentarium der Triebbefriedigung reduzieren. Nach den
Prüfungskriterien der FSK werden diese Filme deshalb gerade nicht für die Gruppe der 16- bis 18-jährigen
freigegeben; auch die Wertorientierung in Bereichen wie Drogenkonsum, politischer Radikalismus oder
Ausländerfeindlichkeit wird bis zur Freigabe von Filmen ab 16 Jahren mit besonderer Sensibilität geprüft.
Insoweit kann nicht hingenommen werden, dass Strafgefangene ohne nähere inhaltliche Kontrolle mit
Inhalten in Berührung kommen, die wegen eines möglichen gewaltverherrlichenden, aggressiven oder
anderweitig sozialschäd-lichen Inhalts zu einer Abstumpfung und Enthemmung des Betrachters führen
können. Eine Gefährdung der Vollzugsziele liegt zum Beispiel auf der Hand, wenn ein Sexualstraftäter
Filme mit pornographischem Inhalt besitzen und ansehen möchte (vgl. OLG Brandenburg NJ 2008, 274;
Schwind, aaO, Rdnr. 11). Insoweit ist an – auch erwachsene - Strafgefangene im Hinblick auf die Ziele des
Strafvollzugs ein deutlich strengerer Maßstab anzulegen als an den Rest der Bevölkerung.
Die Anstalt wäre jedoch mit ihren sachlichen und personellen Ressourcen überfordert, müsste sie für
jeden Strafgefangenen und im Hinblick auf dessen zu verbüßende Taten im Einzelfall entscheiden, ob ein
Medium für einen Strafgefangenen geeignet ist oder nicht (vgl. OLG Koblenz, Beschl. 2 Ws 836/04 vom
14.02.2005 – für Computer- bzw. Telespiele). Darüber hinaus kann auch in einer Anstalt mit hohem
Sicherheitsgrad wie der vorliegenden nicht ausgeschlossen werden, dass für einen Strafgefangenen
unbedenkliche Medien an andere Strafgefangene weitergegeben werden, für die das betreffende Medium
ungeeignet ist. Deshalb ist es sachgerecht und verhältnismäßig, dass sich die Anstalt eines bereits
bestehenden Prüfungskriteriums wie der Kennzeichnung „FSK 18“ bzw. „keine Jugendfreigabe“ bedient,
um eine Gefährdung der Rechtsgüter des § 70 Abs. 2 Nr. 2 StVollzG auszuschließen, auch wenn darunter
im Einzelfall Filme oder andere Medien fallen können, die keinen gewaltverherrlichenden oder anderweit
für die Vollzugsziele bedenklichen Inhalt aufweisen. Eine solche Beschränkung seiner allgemeinen
Handlungsfreiheit aus Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG hat der Strafgefangenen im Hinblick auf das
hohe Schutzinteresse der Allgemeinheit und die nur begrenzten Prüfungsressourcen des Strafvollzugs
hinzunehmen.
Dem steht nicht entgegen, dass der hier streitgegenständliche Film im Fernsehen ausgestrahlt wurde und
somit für alle Strafgefangenen der Justizvollzugsanstalt D. ohne Beschränkung einsehbar war. Es ist mit
den Mitteln der Anstalt schlechterdings nicht leistbar, das frei empfangbare Fernsehprogramm laufend auf
eine potentielle Gefährdung der Vollzugsziele oder der Sicherheit und Ordnung in der Anstalt zu
überprüfen. Um dem auch nur im Ansatz gerecht zu werden, müsste letztlich der Empfang des
Fernsehprogramms – jedenfalls ab einer bestimmten Uhrzeit – generell untersagt werden, was aber die
Rechte der Strafgefangenen, insbesondere deren Grundrecht aus Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG, mehr tangieren
würde als die vorliegend praktizierte Regelung des Bezuges von Medien nur bis zur Kennzeichnungstufe
„FSK 16“.
3.
Trotz der abweichenden Meinungen der Oberlandesgerichte Hamburg und Frankfurt bedarf es einer
Vorlage an den Bundesgerichtshof gemäß § 121 Abs. 2 Nr. 2 GVG nicht, da es sich bei der zu klärenden
Frage nicht um eine Rechtsfrage, sondern um eine Tatfrage handelt. Eine solche ist der Klärung im
Vorlegungsverfahren nicht zugänglich (vgl. Meyer-Goßner, StPO, 53. Aufl. 2010, § 121 GVG Rdnr. 10;
BGH NStZ 1995, 409 <410>). Die Frage, ob der Besitz eines Gegenstand die Vollzugsziele oder die
Sicherheit und Ordnung der Anstalt im Sinne von § 70 Abs. 2 Nr. 2 StVollzG gefährdet, hängt weitgehend
von den Umständen des Einzelfalles ab, nämlich von der Art des Gegenstandes, von den Verhältnissen in
der konkreten Justizvollzugsanstalt und der Person des Strafgefangenen, der den Antrag auf Besitz des
Gegenstandes gestellt hat, und ist deswegen überwiegend tatsächlicher Natur (vgl. BGH NStZ 2000, 222;
BGHSt 22, 341 <342 f.>).
4.
Da aus den genannten Gründen die beabsichtigte Rechtsverfolgung des Antragstellern keine Aussicht auf
Erfolg verspricht, war der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe und Beiordnung eines
Rechtsanwalts gemäß §§ 120 Abs. 2 StVollzG, 114 Satz 1 ZPO zurückzuweisen.
III.
Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 121 Abs. 4 StVollzG, 473 Abs. 1 Satz 1 StPO. Die Festsetzung des
Geschäftswertes für die Rechtsbeschwerde beruht auf §§ 1 Abs. 1, Satz 1 Nr. 8, 60, 52 Abs. 1 und 2 GKG.