Urteil des OLG Koblenz vom 05.09.2007

OLG Koblenz: anspruch auf rechtliches gehör, wiedereinsetzung in den vorigen stand, recht auf information, neues vorbringen, motiv, reparatur, anhänger, beratung, verfügung, report

Zivilprozessrecht
OLG
Koblenz
05.09.2007
12 U 514/07
Gegen einen Beschluss des Berufungsgerichts, mit dem die Berufung nach § 522 Abs. 2 Satz 1 ZPO zurückgewiesen
wird, ist die Anhörungsrüge gemäß § 321a ZPO in der Fassung des Anhörungsrügengesetzes statthaft.
Prüfungsgegenstand des Sonderrechtsbehelfs ist ausschließlich eine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör
gemäß Art. 103 Abs. 1 GG. Diese verfassungsrechtliche Verbürgung gibt den Prozessparteien ein Recht auf INformation,
Äußerung und Berücksichtigung. Adressat der Verfassungsnorm ist jeder an der Entscheidung mitwirkende Richter. Die
Art und Weise der Beschlussfassung des Berufungsgerichts, die auch im Umlaufverfahren erfolgen kann, entzieht sich
aber wegen des Beratungsgeheimnisses einer unmittelbaren Nachprüfung. Dazu steht im Wesentlichen nur die
Begründung der angegriffenen Entscheidung zur Verfügung. Die Gerichtsentscheidung muss sich jedoch nicht mit jedem
Vorbringen ausdrücklich im Einzelnen auseinandersetzen, sondern nur mit den für die Entscheidung wesentlichen
Aspekten.
Geschäftsnummer:
12 U 514/07
11 O 133/05 LG Trier
in dem Rechtsstreit
L. S.,
Klägerin und Berufungsklägerin,
- Prozessbevollmächtigter: Rechtsanwalt
gegen
1. K. S.,
Beklagte zu 1) und Berufungsbeklagte zu 1),
2. V. Versicherung,
Beklagte zu 2), Berufungsbeklagte zu 2) und Nebenintervenientin für die Beklagte zu 1),
- Prozessbevollmächtigter: Rechtsanwälte
wegen eines Schadensersatzanspruches aus einem Verkehrsunfall;
hier: Entscheidung über die Anhörungsrüge gemäß § 321a ZPO.
Der 12. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Koblenz hat durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Dierkes,
den Richter am Oberlandesgericht Dr. Eschelbach und die Richterin am Oberlandesgericht Kagerbauer
am 5. September 2007
b e s c h l o s s e n :
Die Klägerin wird in die Frist zur Erhebung der Anhörungsrüge wiedereingesetzt.
Ihre Anhörungsrüge vom 14. August 2007 gegen den Senatsbeschluss vom 27. Juli 2007 wird als unbegründet
zurückgewiesen.
Die Klägerin hat die Kosten des Anhörungsrügenverfahrens einschließlich der Wiedereinsetzung zu tragen.
G r ü n d e :
I.
Die Parteien haben über Schadensersatzansprüche der Klägerin gegenüber den Beklagten aus einem Unfall gestritten,
der sich am 3. November 2004 auf dem Kirmesplatz in B. ereignet haben soll. Die Klägerin ist Schaustellerin in einem
Autoscooterbetrieb und unterhält dazu u.a. einen Lkw Mercedes Actros. Dieser Lkw hatte vor der streitgegenständlichen
Beschädigung durch einen Unfall am 15. Oktober 2003 einen Vorschaden erlitten. Der Haftpflichtversicherer hatte dazu
ein Gutachten des Sachverständigen Dipl. Ing. S. eingeholt. Der Haftpflichtversicherer hatte den Vorschaden auf
Gutachtenbasis bezahlt. Der Ehemann der Klägerin hatte in diesem Zusammenhang geäußert, dass es auch „sicherlich
eine neue Tür gäbe“. Der Vorschaden war aber nach den späteren Feststellungen desselben
Schadenssachverständigen nicht repariert worden. Er wurde durch die Reparaturarbeiten nach der
streitgegenständlichen Beschädigung des Fahrzeugs mit beseitigt. Nach dem Vortrag der Klägerin soll bei diesem
neuerlichen Unfall am 3. November 2004 ein Lkw-Anhänger (Packwagen), dessen Halterin die mit der Klägerin
verschwägerte Erstbeklagte und der bei der Zweitbeklagten gegen Haftpflicht versichert war, während des
Abladevorgangs bei 1 % bis 2,5 % Gefälle in der Längs- und Querrichtung seines etwa in einem 90°-Winkel zum Lkw der
Klägerin befindlichen Standortes unbemerkt losgerollt und gegen das Führerhaus des Lkws geprallt sein. Wie das
Losrollen des mit Bremsklötzen gesichert gewesenen Anhängers verursacht worden war, sei unklar geblieben. Die
Erstbeklagte hatte aber gleichwohl „ihr Verschulden an diesem Unfall eingeräumt und den Schaden bei der Beklagten
zu 2) angemeldet“. Die Polizei war nicht hinzugerufen worden; die Endstellung der Fahrzeuge nach der Kollision und das
sonstige Spurenbild wurden auch sonst nicht festgehalten. Die Klägerin beschrieb den Hergang im „Geschädigten-
Fragebogen“ wie folgt: „Unsere Zugmaschine stand auf dem Festplatz in B.. Der Anhänger lief in die Zugmaschine, weil
jemand den Unterlegkeil entwendet hat. Wer das war, ist nicht festzustellen“; später relativierte sie die Vermutung des
Bremsklotzdiebstahls. Als Zeugen benannte die Klägerin ihren Sohn D. W., der aber ‑ ebenso wie der Ehemann der
Klägerin ‑ bei der späteren Zeugenvernehmung angab, das eigentliche Unfallgeschehen nicht gesehen zu haben.
Frühere Fahrzeugschäden wurden im „Geschädigten-Fragebogen“ mittels Durchstreichens des dafür vorgesehenen
Feldes im Fragebogen verneint. Im vorgerichtlich von der Zweitbeklagten eingeholten Schadensgutachten des
Sachverständigen F. wurden Vorschäden festgehalten. Danach beauftragte die Zweitbeklagte den Sachverständigen
Dipl. Ing. S. Dieser stellte einen „massiven“ Altschaden fest, der „nicht repariert“ worden sei.
Die Klägerin hat mit ihrer Klage zuerst einen Sachschaden in Höhe von 5.259,88 Euro, nach teilweiser Klagerücknahme
später nur noch in Höhe von 3.114,79 Euro nebst Verzugszinsen geltend gemacht. Die Zweitbeklagte hat auch in
Nebenintervention für die Erstbeklagte Klageabweisung beantragt und einen gestellten Unfall geltend gemacht. Sie hat
darauf verwiesen, dass - unbestritten - ein ähnlicher Vorgang im Verantwortungsbereich der Erstbeklagten bereits früher
einmal gegenüber einem Versicherer geltend gemacht worden sei. Der ungewöhnliche Ablauf des behaupteten
Geschehens, das sofortige Schuldanerkenntnis der Erstbeklagten, die zweifelhafte Mitteilung der Klägerin über eine
Entwendung der Unterlegkeile am Anhänger, der in der Schadensmeldung noch verneinte Vorschaden am Lkw, das
Fehlen von Zeugen und Unterlassen der Herbeirufung der Polizei, die Geeignetheit der unfallbeteiligten Fahrzeuge für
einen gestellten Unfall und das fehlende Risiko für Personen in den unbemannten Fahrzeugen seien Indizien, die für
eine Manipulation sprechen würden.
Nach Durchführung einer Beweisaufnahme wies der Einzelrichter der 11. Zivilkammer des Landgerichts Trier durch Urteil
vom 9. März 2007 die Klage ab. Er war der Überzeugung, dass das Schadensereignis mit Einverständnis der Klägerin
sowie der Erstbeklagten bewusst herbeigeführt worden sei. Die vernommenen Zeugen hatten nach ihrer Darstellung das
eigentliche Unfallgeschehen nicht gesehen; der gerichtliche Sachverständige P. konnte den von der Klägerin
beschriebenen Geschehensablauf weder bestätigen noch widerlegen, insbesondere weil die Fahrzeugendstellung nicht
dokumentiert worden war. Das Landgericht nahm aufgrund der sonstigen Umstände an, das Vorliegen eines gestellten
Unfalls ergebe aus der Gesamtschau von Indizien. Auffällig sei, dass auf dem Kirmesgelände eine Vielzahl von
Personen beim Aufbau der Fahrgeschäfte anwesend gewesen sei, sich aber kein Augenzeuge des eigentlichen
Unfallgeschehens gefunden habe, obwohl die Klägerin durch ihren Bevollmächtigten in der vorgerichtlichen
Korrespondenz von einer „Vielzahl von Zeugen“ gesprochen habe. Es fehle auch, wie es für gestellte Unfälle typisch sei,
jede Dokumentation der Spurenlage durch eine polizeiliche Unfallaufnahme oder wenigstens durch privat angefertigte
Fotos. Trotz unklarer Ursachenlage habe die Erstbeklagte ihr Verschulden sofort anerkannt; auch das falle auf. Der
Vorschaden an der Tür des Lkws der Klägerin sei dem Sachverständigen F. nicht mitgeteilt worden; das folge eindeutig
aus dem Inhalt seines schriftlichen Gutachtens. Im Geschädigten-Fragebogen seien Vorschäden von der Klägerin
verneint worden. Ihre Erklärung dafür in der mündlichen Verhandlung, der Vorschadensfall sei für sie „erledigt“ gewesen
und daher vergessen worden, sei erkennbar eine Schutzbehauptung. Zur Unfallursache habe die Erstbeklagte
behauptet, der Anhänger sei über die Unterlegkeile hinweggerollt; die Klägerin habe dagegen von einem Entwenden der
Klötze gesprochen. Nachträglich sei beides als Vermutung relativiert worden, was aber aus dem Inhalt der vorherigen
Äußerung nicht zu entnehmen gewesen sei. Die Erstbeklagte habe bei der Anhörung in der mündlichen Verhandlung
ausgeführt, sie habe nach dem Erscheinen am Unfallort nicht auf Unterlegkeile geachtet und könne daher keine
Angaben dazu machen. Gleichwohl habe sie sich vorgerichtlich gegenüber der Zweitbeklagten dazu geäußert, was sie
später wieder als Wahrnehmung von Hörensagen relativiert habe. Schließlich sei auffällig, dass die Erstbeklagte
vorterminlich die Besichtigung ihres Anhängers angeboten habe, der aber zur Zeit der mündlichen Verhandlung schon
nach Russland verkauft gewesen sei, so dass er nun nicht mehr für eine Begutachtung zur Verfügung stehe. Das
Gerichtsgutachten, das keine Dokumentation der genauen Fahrzeugendstellung habe zu Grunde legen können, sei
deshalb zwangsläufig nur auf unvollkommener Befundgrundlage erstellt worden. Wenn Vorschäden durch die Reparatur
des Zweitschadens mit beseitigt worden seien und zugleich der Reparaturkostenaufwand nach dem Schadensgutachten
im vorliegenden Fall unbemerkt durch die Mitbeseitigung der Vorbeschädigung erhöht worden sei, dann werde dadurch
das Argument der Klägerin, sie habe doch ihren Lkw in einer Vertragswerkstatt reparieren lassen und deshalb kein Motiv
für einen gestellten Unfall, entwertet. Zudem sei nicht feststellbar, ob nicht auch Beschädigungen aus einem dritten
Ereignis entstanden gewesen seien.
Gegen dieses Urteil legte die Klägerin Berufung ein, mit der sie die Verurteilung der Beklagten als Gesamtschuldner zur
Zahlung von Schadensersatz weiter verfolgte. Sie trat der Annahme entgegen, bei der Schadensursache habe es sich
um einen gestellten Unfall gehandelt. Dass kein Augenzeuge des eigentlichen Unfallgeschehens in der mündlichen
Verhandlung verfügbar gewesen sei, beruhe auf Zufall. Ihr könne eine Tatherrschaft über eine Unfallmanipulation nicht
nachgewiesen werden; das Urteil beruhe nur auf Vermutungen. Zur Heranziehung der Polizei habe kein Anlass
bestanden, weil die Haftungslage klar erschienen sei. Ihr Ehemann habe den Kraftfahrzeugmeister H. auf den
Vorschaden hingewiesen. Dieser habe erwidert, dass der Altschaden „reparaturmäßig ohne Bedeutung“ sei. Sie, die
Klägerin, habe sich nach Beauftragung eines Sachverständigen mit der Schadensbegutachtung auf eine
ordnungsgemäße Regulierung verlassen. Der Sachverständige F. habe sich zu Vorschäden geäußert, woraus zu
entnehmen sei, dass auch er darauf hingewiesen worden sei. Er habe nur die Hinweise nicht alle richtig aufgenommen.
Wie und warum der Anhänger der Erstbeklagten losgerollt gewesen sei, sei „eine haftungsrechtliche Nebensächlichkeit“.
Wenn seitens der Klägerin, ihres Sohnes und der Erstbeklagten verschiedene Überlegungen zur Unfallursache
angestellt worden seien, so sei auch das ohne Belang; dabei handele es sich um Rekonstruktionsversuche. Der
gerichtliche Sachverständige P. habe „auch ohne den Anhänger“ sein Gutachten erstellen können und sei zu dem
Resultat gelangt, dass die Fahrzeugbewegung entsprechend ihrer Sachdarstellung und das Schadensbild plausibel
seien. Ein erheblicher finanzieller Vorteil sei ihr nicht entstanden; vielmehr habe sie sogar einen Nutzungsausfall zu
befürchten gehabt. Damit fehle ein Motiv für eine Unfallmanipulation.
Unter dem 7. Juli 2007 wurde die Klägerin gemäß § 522 Abs. 2 Satz 2 ZPO darauf hingewiesen, dass eine
Zurückweisung der Berufung durch Senatsbeschluss in Betracht komme, weil die Berufung keine Aussicht auf Erfolg
habe. Die Einwände der Berufung gegen die Beweiswürdigung des Landgerichts erschöpften sich darin, die Indizien
jeweils als unverfänglich darzustellen und ihre eigene Beweiswürdigung an die Stelle derjenigen des Landgerichts zu
setzen. Damit könne das Rechtsmittel nicht durchdringen. Entscheidend sei die Gesamtschau der Umstände, die vor
allem mit Blick auf den Ablauf des behaupteten Unfallgeschehens ein derart deutliches Bild eines gestellten Unfalls
ergäbe, dass gemäß § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO durchgreifende Zweifel an den Feststellungen des angefochtenen Urteils
nicht zu erheben seien.
Die Zweitbeklagte beantragte, die Berufung zurückzuweisen. Sie hob hervor, dass eine Häufung von Umständen, die für
einen gestellten Unfall sprechen, nach der Rechtsprechung als Indizienbeweis ausreichend sei und eine sichere
richterliche Überzeugung von einer Manipulation tragen könne. Entscheidend sei nicht, ob sich das eine oder andere
Einzelindiz entkräften lassen könne, sondern ob die verbleibenden Indizien eine ausreichende Urteilsgrundlage
begründen könnten. Das sei vom Landgericht fehlerfrei angenommen worden. Die Klägerin versuche Einzelindizien zu
verharmlosen, was aber keinen Erfolg haben könne. Die gerichtlichen Hinweise stünden im Einklang mit ihrem
Vorbringen.
Die Klägerin nahm mit Schriftsatz vom 26. Juli 2007 zu den gerichtlichen Hinweisen Stellung. Bei der Gesamtschau seien
wichtige Tatsachen übersehen worden, die gegen einen gestellten Unfall sprechen würden. Dazu zähle vor allem das
Fehlen eines plausiblen Motivs, da sie, die Klägerin, ihren Schaden nicht auf Gutachtenbasis abgerechnet und einfach
die Versicherungsleistungen kassiert habe, ohne das beschädigte Fahrzeug in einer Werkstatt reparieren zu lassen.
Tatsächlich sei die Reparatur der Zugmaschine in einer Vertragswerkstatt erfolgt. Ein Betriebsunterbrechungsschaden
wegen der Reparatur hätte zu einem Nachteil geführt. Schon durch das Fehlen eines plausiblen Motivs für einen
gestellten Unfall werde die Indizienkette aus den äußeren Umständen des Geschehens entwertet. Der Vorschaden am
Fahrzeug sei im Schadensgutachten genannt und nicht verheimlicht worden. Dabei habe es sich zudem im Vergleich mit
dem Fahrzeugwert um eine Bagatelle gehandelt. Der Reparaturkostenaufwand dafür habe sich nur auf 1.095,50 Euro
(netto) belaufen. Zudem sei der Vorschaden von ihrem Ehemann bei der Reparatur dem Werkstattmeister benannt
worden. Ihre verwandtschaftliche Beziehung mit der Erstbeklagten, die Tatsache der Wirkungslosigkeit der Bremsklötze
am Packwagen und deren Darstellung bei der Schadensmeldung, die Eindeutigkeit der Verantwortlichkeit im Fall eines
nicht gestellten Unfalls als Grund für das sofortige Anerkennen der Haftpflicht durch die Erstbeklagte seien als Indizien
ohne besondere Aussagekraft. Auch mit Blick auf die Gefahr eines möglichen Personenschadens beim Wegrollen eines
ungesicherten Anhängers liege die Annahme eines gestellten Unfalls fern. Dieser wäre nur unter Einschaltung weiterer
Personen möglich gewesen, für die aber ein konkreter Hinweis fehle.
Nachdem die Sache vorberaten worden war, fasste der Senat im Anschluss an den Eingang des Schriftsatzes der
Klägerin vom 26. Juli 2007 den angegriffenen Beschluss über die Zurückweisung der Berufung nach § 522 Abs. 2 Satz 1
ZPO, welcher der Klägerin am 31. Juli 2007 zugestellt wurde. Darin nahm der Senat auf die vorherigen Hinweise Bezug
und ergänzte diese um Bemerkungen zur Stellungnahme der Klägerin. Er wies darauf hin, dass insbesondere der als
unbeabsichtigter Vorgang völlig unwahrscheinliche Ablauf des Geschehens beim angeblich unbemerkten Wegrollen des
zuvor mit Bremsklötzen gesicherten Packwagens während des Entladevorgangs und beim Auftreffen auf die
Zugmaschine nach einer Kurvenfahrt gerade an einer Stelle des Lkws, an der bei diesem ein Vorschaden vorhanden
gewesen war, auf einen gestellten Unfall hinweise. Auf die Formulierung der „Entwendung“ der Unterlegkeile als
Ursachenbeschreibung in der Schadensmeldung der Klägerin komme es nicht entscheidend an. Jedoch bilde diese
schwer nachvollziehbare Angabe der Klägerin ein ergänzendes Indiz für einen gestellten Unfall. Dass ein Bremsklotz
„weggesprungen“ sein könne, wie es die Klägerin später vermutet habe, mache den Vorgang auch nicht besser
erklärlich, zumal die Sicherung des Packwagens mit zwei Bremsklötzen im Raum gestanden habe. Die beteiligten
Fahrzeuge seien für einen gestellten Unfall geeignet gewesen. Die persönlichen Beziehungen zwischen der Klägerin
und der Erstbeklagten hätten eine dahin gehende Abrede erleichtern können. Alle diese Umstände seien Indizien für
einen gestellten Unfall; auf die Frage der generellen Glaubwürdigkeit der Klägerin komme es demgegenüber nicht
entscheidend an. Dass die Kosten auch für die Reparatur des Vorschadens anfangs in die Schadensersatzforderung der
Klägerin gegenüber der Zweitbeklagten einbezogen gewesen seien und der Vorschaden im Geschädigten-Fragebogen
verschwiegen worden sei, unterstreiche die Annahme eines gestellten Unfalls. Neues Vorbringen der Klägerin in der
Berufungsinstanz dazu, dass ihr Ehemann dem Werkstattleiter des Reparaturbetriebes den Vorschaden mitgeteilt habe,
sei nach § 531 Abs. 2 ZPO nicht zuzulassen. Entgegen der Stellungnahme der Klägerin könne nach allem nicht davon
ausgegangen werden, dass ein Motiv für einen gestellten Unfall gefehlt habe. Mit Blick auf die Bankfinanzierung der
beschädigten Zugmaschine komme der von der Klägerin erwähnten Differenz zwischen dem Wert der Zugmaschine und
dem Kostenaufwand für die Reparatur des Vorschadens nicht die Bedeutung zu, dass von einer Bagatelle gesprochen
werden könne. Die Herbeiführung der sach- und fachgerechten Reparatur auch des Unfallschadens aus dem früheren
Unfall unter Inanspruchnahme von Versicherungsleistungen der Zweitbeklagten könne durchaus ein Motiv für einen
gestellten Unfall gebildet haben. Dass dieses Vorhaben im Ergebnis misslungen sei, spreche nicht entscheidend gegen
eine darauf bezogene anfängliche Absicht. Da der Schaden zu Beginn eines Kirmesaufbaus aufgetreten gewesen sei,
habe ein Betriebsunterbrechungsausfall durch sofortige Reparatur der Zugmaschine während der Dauer des
Kirmesbetriebes in B. ausgeschlossen oder zumindest gering gehalten werden können. Auch dass dem
Schadensgutachter das Vorhandensein eines Vorschadens bei der Begutachtung aufgefallen sei, spreche nicht gegen
den vorherigen Versuch der Herbeiführung einer ungerechtfertigten Bereicherung an Versicherungsleistungen mit der
Schadensmeldung an den Versicherer unter Verneinung eines Vorschadens. Im Fall eines gestellten Unfalls unter
Wegnahme der Bremsklötze am Anhänger hätte ferner das Risiko eines Personenschadens durch die Tatbeteiligten
gering gehalten werden können.
Mit Schriftsatz vom 14. August 2007, der den Eingangsstempel des Oberlandesgerichts vom 15. August 2007 trägt, hat
die Klägerin gegen den Senatsbeschluss die Anhörungsrüge gemäß § 321a ZPO erhoben. Sie trägt vor, es sei kaum
vorstellbar, dass ihre Stellungnahme, welche unter Ausnutzung der Frist am 26. Juli 2007 in den Nachtbriefkasten des
Gerichts eingereicht worden sei, bereits am 27. Juli 2007 unter lückenloser Berücksichtigung ihres Vorbringens beraten
worden sei. Von Interesse sei es für sie zu wissen, ob auch der weitere beisitzende Richter die Akten gelesen habe und
eigenverantwortlich tätig geworden sei; dazu sollten sich die Senatsmitglieder dienstlich erklären. Das Beschlussdatum
sei aber bereits ein Hinweis darauf, dass der Beschlussfassung keine ausreichende Beratung zugrunde gelegen habe.
Ferner rügt die Klägerin, dass sich der Senat nicht mit sämtlichen Erwägungen ihrer Stellungnahme auseinandergesetzt
habe. Andererseits weise der Beschluss Überlegungen hinsichtlich des Tatmotivs der Klägerin auf, die für sie
überraschend seien. Schließlich sei, so trägt die Klägerin mit Hinweis auf den Beschluss des Bundesgerichtshofs vom
28. März 2007 – IV ZR 74/04 (VersR 2007, 967) vor, dem angegriffenen Beschluss nicht zu entnehmen, dass sich das
Berufungsgericht der Fragwürdigkeit des Indizienbeweises hinreichend bewusst gewesen sei.
Zur Frage der fristgerechten Erhebung der Anhörungsrüge ergänzt die Klägerin unter dem 20. August 2007, dass sie den
die Rüge enthaltenden Schriftsatz am 14. August 2007 durch eine Botin auf die Wachtmeisterei des Oberlandesgerichts
überbracht und nicht etwa in den Nachtbriefkasten eingelegt habe. Der zu den Akten gelangte Schriftsatz trage daher
einen falschen Datumsstempel vom 15. August 2007. Vorsorglich beantragt die Klägerin unter Vorlage von Mitteln zur
Glaubhaftmachung die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand.
Die Zweitbeklagte hält die Anhörungsrüge für unstatthaft. Sie meint, § 321a ZPO sei nach seiner systematischen Stellung
nur auf Verfahren vor den Landgerichten anwendbar. Im Übrigen verneint sie eine Verletzung des Anspruchs der
Klägerin auf rechtliches Gehör.
II.
Die Anhörungsrüge ist zulässig.
1. Der Rechtsbehelf ist gemäß § 321a ZPO statthaft. Die Norm gilt zumindest in ihrer Fassung aufgrund des
Anhörungsrügengesetzes nicht nur im Verfahren vor den Landgerichten. Das vom Plenum des
Bundesverfassungsgerichts (BVerfGE 107, 395 ff.) geforderte Anhörungsrügengesetz vom 9. Dezember 2004, mit dem
auch § 321a ZPO neu gefasst wurde, ist am 1. Januar 2005 in Kraft getreten (
BGBl. 2004 I S. 3220
; dazu BT-Drucks.
15/3706; 15/3966; 15/4061; BR-Drucks. 663/04; 848/04). Danach ist in allen Prozessordnungen gegen die mit
Rechtsmitteln nicht mehr anfechtbaren Entscheidungen ein Sonderrechtsbehelf zur fachgerichtlichen Selbstkorrektur von
entscheidungserheblichen Verletzungen des Anspruchs auf Gehör vor Gericht eingeführt worden; denn es verstößt nach
der neuen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts gegen das Rechtsstaatsprinzip in Verbindung mit Art. 103
Abs. 1 GG, wenn eine Verfahrensordnung keine fachgerichtliche Abhilfemöglichkeit für den Fall vorsieht, dass ein Gericht
in entscheidungserheblicher Weise den Anspruch auf rechtliches Gehör verletzt (BVerfGE 107, 395, 401 ff.). Daher muss
in jeder Instanz eine Rechtsschutzmöglichkeit gegen Verletzungen des Anspruchs auf Gehör vor Gericht bestehen. Bei
Anfechtungsmöglichkeiten mit ordentlichen Rechtsmitteln ist eine Verletzung von Art. 103 Abs. 1 GG im Rahmen der
zulässigen Rechtsmittel zu berücksichtigen. Wo dagegen eine gerichtliche Entscheidung nicht mehr anfechtbar ist, erfüllt
die Anhörungsrüge an den iudex a quo die vom Bundesverfassungsgericht aufgrund des Justizgewährungsanspruchs
geforderte Rechtsschutzfunktion zur Durchsetzung des Anspruchs der Verfahrensbeteiligten auf rechtliches Gehör bei
den Fachgerichten. § 321a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO in seiner Fassung des Anhörungsrügengesetzes entspricht dieser
verfassungsrechtlichen Vorgabe. Diese Norm ist daher jedenfalls jetzt auch auf unanfechtbare Beschlüsse der
Berufungsgerichte nach § 522 Abs. 2 Satz 1 ZPO anwendbar (vgl. BT-Drucks. 15/3706 S. 15; BR-Drucks. 663/04 S. 36;
BVerfG NJW 2005, 3059 f.; OLG Koblenz VersR 2006, 135 f.), mag das auch in der bis zum 1. Januar 2005 geltenden
Fassung des Gesetzes umstritten gewesen sein (ablehnend OLG Celle OLG-Report Celle 2003, 316; OLG Rostock NJW
2003, 2105; OLG Oldenburg OLG-Report Oldenburg 2002, 302; für eine entsprechende Anwendung der Norm in
damaliger Fassung OLG Celle OLG-Report Celle 2003, 71; 2003, 258; OLG Frankfurt NJW 2004, 165 ff.; KG KG-Report
Berlin 2004, 336 f.; 2004, 555).
2. Die zweiwöchige Frist für die Anhörungsrüge gemäß § 321a Abs. 2 Satz 1 ZPO, die ab der Kenntnis von der
Verletzung des rechtlichen Gehörs beginnt(Rensen MDR 2007, 695 ff.), ist zwar versäumt. Jedoch ist der Klägerin
insoweit Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren.
a) Der Senat geht von einer Fristversäumung aus; denn dem Vortrag des Prozessbevollmächtigten der Klägerin nebst
der eidesstattlichen Versicherung seiner Kanzleiangestellten, dass der Schriftsatz mit der Anhörungsrüge am 14. August
2007 in der Zeit zwischen 17.00 und 17.15 Uhr bei der Wachtmeisterei des Oberlandesgerichts abgegeben worden sei,
stehen die im Freibeweisverfahren eingeholten Äußerungen des zuständigen Justizwachtmeisters gegenüber. Danach
war am 14. August 2007 die Pforte ‑ wie in Fällen ohne andauernden Verhandlungsbetrieb im Gerichtsgebäude üblich ‑
nach 16.00 Uhr geschlossen, wohingegen sie am 15. August 2007 wegen einer dann noch andauernden mündlichen
Verhandlung geöffnet war und dann ein Schriftstück zur fraglichen Uhrzeit entgegengenommen, geöffnet und
abgestempelt wurde. Der Schriftsatz der Klägerin, der die Anhörungsrüge enthält, trägt auch den Eingangsstempel vom
15. August 2007. Der Senat hat keinen Anlass, an der Richtigkeit der Erklärung des Justizwachtmeisters zu zweifeln oder
anzunehmen, dass trotz Abgabe des Schriftsatzes am 14. August 2007 versehentlich der Eingangsstempel vordatiert
oder erst am Tag danach aufgebracht worden sei. Der Senat nimmt insoweit eine Datumsverwechslung der
Kanzleiangestellten an.
b) Auf den vorsorglich von der Klägerin eingereichten Antrag ist ihr aber Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu
gewähren, weil der Prozessbevollmächtigte dargelegt und glaubhaft gemacht hat, dass er einen ordnungsgemäß
organisierten und überwachten Kanzleibetrieb unterhalte und er selbst rechtzeitig die notwendigen Maßnahmen ergriffen
habe. Auf die Notfrist nach § 321a Abs. 2 Satz 1 ZPO ist § 233 ZPO anwendbar (Musielak, ZPO, 5. Aufl., § 321a Rn. 9a).
III.
Die Anhörungsrüge gemäß § 321a Abs. 1 Satz 1 ZPO ist unbegründet. Nur der verfassungsrechtliche Anspruch der
Klägerin auf rechtliches Gehör gemäß Art. 103 Abs. 1 GG liefert hierfür den Prüfungsmaßstab (vgl. Sangmeister NJW
2007, 2363, 2366). Auf eine Verletzung anderer Grundrechte oder grundrechtsgleicher Rechte ist der
Sonderrechtsbehelf nach seinem Wortlaut (ebenso für die Parallelnorm des § 356a StPO BVerfG Beschl. vom 5. Juli
2006 – 2 BvR 1362/06) und nach dem Normzweck der Eröffnung einer Durchsetzungsgarantie nur für das „prozessuale
Urrecht“ (vgl. BVerfGE 55, 1, 6; 70, 180, 188; 107, 395, 408) wegen dessen besonderer Bedeutung für die
Justizgewährung nicht bezogen. Auch enthält die Regelung des § 321a ZPO keine Garantie für die sachliche Richtigkeit
der Gerichtsentscheidung. Eine volle inhaltliche Nachprüfung der angegriffenen Entscheidung ist demnach aufgrund der
Anhörungsrüge weder geboten noch erlaubt, weil eine Durchbrechung der Rechtskraft der angegriffenen Entscheidung
aus Gründen der Rechtssicherheit und Rechtsmittelklarheit (BVerfGE 107, 395, 416; 108, 341, 349) nur in den vom
Gesetz gezogenen Grenzen in Betracht zu ziehen ist. Der Senat hat aber auch den Anspruch der Klägerin auf rechtliches
Gehör in seinem Beschluss vom 27. Juli 2007 nicht, erst recht nicht in einer entscheidungserheblichen Weise, verletzt.
1. § 321a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 ZPO knüpft an eine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör durch das
letztinstanzliche Gericht an. Damit wird auf Art. 103 Abs. 1 GG als Prüfungsgegenstand des Sonderrechtsbehelfs
verwiesen. Nach dieser Verfassungsbestimmung hat jedermann vor Gericht Anspruch auf rechtliches Gehör. Was
darunter im Einzelnen zu verstehen ist, erläutert das Grundgesetz nicht. Jedoch sind in der Rechtsprechung des
Bundesverfassungsgerichts zahlreiche Aspekte geklärt (vgl. schon BVerfGE 9, 1, 2), wenngleich der Plenarbeschluss des
Bundesverfassungsgerichts und das Anhörungsrügengesetz – von Aspekten des Anhörungsrügenverfahrens abgesehen
- mehr Fragen aufwerfen als sie beantworten, insbesondere zur Abgrenzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör von
anderen Prozessgrundrechten und zu Inhalt und Umfang der Begründungspflicht für gerichtliche Entscheidungen als Teil
der Gehörsgewährung. Anerkannt ist aber jedenfalls, dass die Verbürgung des rechtlichen Gehörs im Kern den
Prozessparteien ein Recht auf Information, Äußerung und Berücksichtigung sichert mit der Folge, dass sie ihr Verhalten
im Prozess selbstbestimmt und situationsspezifisch gestalten können (vgl. BVerfGE 107, 395, 409).
Die Parteien eines gerichtlichen Verfahrens dürfen danach insbesondere weder vom Ergehen der Entscheidung an sich
noch von deren tatsächlichem oder rechtlichem Inhalt überrascht werden. Einer gerichtlichen Entscheidung dürfen - auch
beim Freibeweis in einem Beschlussverfahren - nur solche Tatsachen und Beweisergebnisse zu Grunde gelegt werden,
zu denen sich die Parteien äußern konnten (vgl. BVerfGE 6, 12, 14; 7, 275, 278; 9, 303, 304 f.; 13, 132, 145; 16, 283, 285;
17, 194, 196; 18, 147, 150; 18, 399, 404; 20, 281, 282; 24, 56, 61; 25, 40, 43; 26, 37, 40; 28, 378, 384; 29, 345, 347; 55,
95, 98; 57, 250, 274; 63, 45, 59; 67, 96, 99). Ihre bloße Information über Tatsachen und rechtliche Aspekte vor der
Gerichtsentscheidung genügt aber für sich genommen noch nicht zur Gewährleistung des rechtlichen Gehörs. Es muss
vielmehr für die Verfahrensbeteiligten auch eine konkrete Möglichkeit der Äußerung zum Sachverhalt bestehen (vgl.
BVerfGE 7, 53, 57; 22, 267, 273; 31, 297, 301; 36, 92, 97; 54, 117, 123; 57, 250, 274; 59, 330,333; 60, 1, 5; 60, 96, 99; 61,
119, 122; 62, 320, 322; 63, 45, 59, 64, 135, 143; 66, 260, 263; 67, 39, 41; 67, 154, 155; 69, 145, 148; 70, 93, 100). Art. 103
Abs. 1 GG will nämlich verhindern, dass das Gericht ihm bekannte, einem Verfahrensbeteiligten aber verschlossene
Sachverhaltezu dessen Nachteil verwertet. Der tatsachenbezogenen Äußerung wird außerdem auch die Möglichkeit der
Beteiligten zu einer Äußerung zur Rechtslage gleichgestellt (vgl. BVerfGE 60, 175,210; 64, 135, 143, 83, 24, 25; 86,
133,144; 98, 218,263). Gemäß Art. 103 Abs. 1 GG sind die Gerichte ferner gehalten, die Ausführungen der
Prozessbeteiligten nicht nur zu ermöglichen, sondern sie auch zur Kenntnis zu nehmen und bei der Entscheidung in
Erwägung zu ziehen (vgl. BVerfGE 11, 218, 220; 14, 320, 323; 18, 380, 383; 21, 46, 48; 21, 102, 103 f.; 22, 267, 273; 27,
248, 251; 47, 182, 187; 49, 212, 215; 50, 32, 35; 53, 219, 222; 54, 43, 45; 54, 86, 91; 54, 117, 123; 58, 353, 356; 60, 1, 5;
60, 96, 99; 60, 247, 249; 60, 250, 252; 61, 119, 122; 62, 347, 352; 63, 80, 85; 63, 177, 179 f.; 64, 135, 144; 65, 293, 295;
65, 305, 307; 66, 260, 263; 67, 39, 41; 69, 141, 143; 69, 145, 148; 69, 233, 246; 70, 93, 100; 83, 24, 35; 96, 205, 216; 105,
279, 311). Denn nur im Zusammenspiel von Äußern und Gehörtwerden kann sich die zentrale prozessuale Befugnis, die
Art. 103 Abs. 1 GG gewährleistet, verwirklichen. Das schließt die Pflicht der Gerichte ein, Sachvortrag oder
Beweisanträge, die sie für erheblich halten, nicht zu übergehen. Allerdings gewährt Art. 103 Abs. 1 GG keinen Schutz der
Verfahrensbeteiligten dagegen, dass ihr Vorbringen aus Gründen des formellen oder materiellen Rechts, also vor allem
aufgrund von Präklusionstatbeständen oder der Annahme materiell-rechtlicher Unerheblichkeit, ganz oder teilweise
unberücksichtigt bleibt (vgl. BVerfGE 21, 191, 194; 30, 173, 187, 36, 92, 97; 50, 32, 35; 60, 1, 5; 60, 96, 100; 70, 93, 100).
Im Regelfall reicht auch eine globale Bezugnahme einer Prozesspartei im zivilprozessualen Berufungsverfahren auf das
Vorbringen in erster Instanz unter dem Gesichtspunkt des Art. 103 Abs. 1 GG nicht aus, um das Berufungsgericht dazu zu
verpflichten, die gesamten erstinstanzlichen Ausführungen des Berufungsklägers nochmals auf ihre Relevanz für das
Berufungsverfahren zu überprüfen (vgl. BVerfGE 36, 92, 99; 46, 315, 319; 70, 288, 295). Das gilt auch und erst recht nach
der Umgestaltung des Berufungsrechts durch die Zivilprozessreform des Jahres 2002. Der Anspruch auf rechtliches
Gehör begründet auch sonst generell kein Recht auf eine bestimmte Verfahrensweise, insbesondere die Durchführung
einer mündlichen Verhandlung (vgl. BVerfGE 5, 9, 11; 6, 19, 20; 15, 249, 256; 15, 303, 307; 36, 85, 87; 89, 381, 391).
Adressat des Anspruchs auf rechtliches Gehör ist das Gericht. Damit wird der zuständige Spruchkörper, bei
Kollegialgerichten aber auch jeder einzelne Richter, der zur Mitwirkung an der Entscheidung berufen ist, in die Pflicht zur
Gewährung des rechtlichen Gehörs an die Prozessparteien einbezogen. Der Anspruch auf rechtliches Gehör bedeutet
also, dass das entscheidende Gericht durch alle mit dem Verfahren befassten Richter die Ausführungen der
Prozessbeteiligten zur Kenntnis nehmen und in Erwägung ziehen muss (vgl. BVerfGE 11, 218, 220; 46, 315, 319). Wie
das zu geschehen hat, wird indes weder von der Prozessordnung noch vom Gerichtsverfassungsgesetz vorgeschrieben
(vgl. BVerfG NJW 1987, 2219, 2220). Es ergibt sich auch nicht unmittelbar aus Art. 103 Abs. 1 GG. Die richterliche
Wahrnehmung des Parteivorbringens kann deshalb schriftlich oder mündlich, unmittelbar aus dem Vortrag der
Prozesspartei oder durch den Aktenvortrag oder ein schriftliches Votum eines anderen Richters erfolgen. Von
Verfassungs wegen sind diese Möglichkeiten gleichwertig. Herkömmlich gilt bei Kollegialgerichten das Vier-Augen-
Prinzip, wonach der Vorsitzende des Spruchkörpers und der Berichterstatter sich den Prozessstoff durch Aktenlektüre
erschließen und weiteren Richtern der wesentliche Inhalt entweder durch mündlichen Aktenvortrag oder durch ein
schriftliches Votum vermittelt wird, wobei auch den weiteren Richtern die Aktenlektüre offensteht, wenn und soweit sie
dies für erforderlich halten. Dass stets alle Richter selbst die Akten lesen, ist jedoch entgegen der Ansicht der Klägerin
von Rechts wegen nicht erforderlich (vgl. BVerfG NJW 1987, 2219, 2220). Auch eine mündliche Beratung ist nicht
zwingend vorgeschrieben. Unter dem Blickwinkel der Gewährung rechtlichen Gehörs zulässig ist deshalb auch ein
gerichtlicher Beschluss, der im Umlaufverfahren erlassen wird (vgl. BVerwG NJW 1992, 257; BGH Urt. vom 11. Mai 1988
– 3 StR 566/87). Selbst die von § 522 Abs. 2 Satz 1 ZPO geforderte Einstimmigkeit der Entscheidung über die
Zurückweisung der Berufung durch Beschluss setzt nicht die gleichzeitige Stimmabgabe im Rahmen einer mündlichen
Beratung des Spruchkörpers voraus, so dass auch im Verfahren über die Zurückweisung der Berufung durch Beschluss
ein Umlaufverfahren durchaus zulässig ist. Wie die Beschlussfassung im Einzelfall erfolgt, entzieht sich einer
Rekonstruktion durch externe Betrachter oder eine Rechtskontrollinstanz. Die an der Entscheidung beteiligten Richter
haben „über den Hergang bei der Beratung und Abstimmung“ zu schweigen (§ 43 DRiG). Daher sind dienstliche
Äußerungen über die Art und Weise der Beschlussfassung des Senats, wie sie von der Klägerin gefordert werden, nicht
zulässig. Auch aus dem Akteninhalt ergibt sich der Hergang der Beschlussfassung nicht. Zur Überprüfung der
Gewährung rechtlichen Gehörs steht deshalb nur die Begründung der Entscheidung des Gerichts zur Verfügung. Aus
dem Anspruch der Prozessparteien auf rechtliches Gehör folgt vor diesem Hintergrund zumindest mittelbar eine
prinzipielle Verpflichtung des Gerichts zur Begründung seiner Entscheidung (vgl. Eschelbach GA 2003, 228, 238; Nolte,
in: von Mangoldt/Klein/Starck, GG Art. 103 I Rn. 58; Schmidt-Aßmann, in: Maunz/Dürig, GG Art. 103 I Rn. 99; Schulze-
Fielitz, in: Dreier, GG Art. 103 I Rn. 74; Voßen, Die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zur
Rechtsweggarantie des Art. 19 Abs. 4 GG, den Verfahrensgarantien nach Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG, Art. 103 Abs. 1 GG
und zum Prozessrecht der Fachgerichte, 2002, S. 448). Das erfordert indes nicht eine lückenlose Darstellung der
Begründung hinsichtlich aller nur denkbaren Aspekte, sondern nur bezüglich der Überlegungen des Gerichts zu den aus
seiner Sicht wesentlichen der Rechtsverfolgung und Rechtsverteidigung dienenden Tatsachenbehauptungen und
Erwägungen der Parteien (vgl. BVerfGE 47, 182, 189; 54, 43, 46; Voßen a.a.O. S. 449). Im Übrigen kann als Ersatz für
eine im Einzelnen ausformulierte Begründung ganz oder teilweise auf andere Stellen in den Akten, insbesondere frühere
Entscheidungen oder Hinweise (vgl. § 522 Abs. 2 Satz 3 ZPO) Bezug genommen werden.
2. Nach diesem Maßstab ist die Anhörungsrüge der Klägerin unbegründet.
a) Der Vortrag der Klägerin in ihrem Schriftsatz vom 26. Juli 2007 ist von allen am Beschluss beteiligten Richtern zur
Kenntnis genommen und erwogen worden. Der angegriffene Senatsbeschluss hat sich ausdrücklich mit den
Bemerkungen der Klägerin in diesem Schriftsatz auseinander gesetzt. An dieser Entscheidung mitsamt ihrer Begründung
haben die Senatsmitglieder ausweislich ihrer Unterschrift mitgewirkt. Insoweit ist es ausgeschlossen, dass ein
Senatsmitglied das in den Beschlussgründen auch in seinen wesentlichen Aspekten aufgegriffene Vorbringen der
Klägerin im genannten Schriftsatz nicht zur Kenntnis genommen und erwogen habe. Sinn und Tätigkeit eines mit
mehreren Richtern besetzten Spruchkörpers ist es entgegen der Vorstellung der Klägerin nicht, dass alle Mitglieder die
gesamten Akten oder einzelne Schriftsätze vollständig lesen; er liegt vielmehr vornehmlich darin, alle bedeutsamen
Fragen im Spruchkörper zu erörtern (vgl. BVerfG NJW 1987, 2219, 2220); das ist hier geschehen.
Auch auf die Behauptung, der Senat oder seine Mitglieder hätten in der ihm zur Verfügung stehenden Zeit die Sache
Auch auf die Behauptung, der Senat oder seine Mitglieder hätten in der ihm zur Verfügung stehenden Zeit die Sache
nicht ausreichend prüfen und beraten können, kann die Anhörungsrüge nicht mit Erfolg gestützt werden. Weder durch
Gesetz noch durch allgemeine Rechtsgrundsätze ist es dem Richter vorgeschrieben, wie und wie lange er zu beraten
hat. Ein Verstoß gegen Art. 103 Abs. 1 GG kann deshalb auch nicht erfolgreich damit dargetan werden, das Gericht habe
für Prüfungs- und Beratungszwecke nur zu kurze Zeit zur Verfügung gehabt. Das gilt namentlich dann, wenn – wie hier –
die Sache vor der abschließenden Entscheidung vorberaten worden war, sie den Senatsmitgliedern daher hinsichtlich
des Sach- und Streitstandes in den beiden Instanzen prinzipiell bekannt war und „nur“ das Vorbringen in der
abschließenden Stellungnahme der Klägerin auf die Hinweise zur Möglichkeit der Annahme fehlender Erfolgsaussichten
der Berufung im Rahmen einer Nachprüfung in das bisherige Bild einzubeziehen war. Auch die Verständigung der
Gerichtsmitglieder ist an keine Form gebunden (vgl. für die Urteilsberatung RGSt 42, 85, 86; BGHSt 37, 141, 143).
Danach ist die Gestaltung der Beratung allein dem Gericht überlassen. Das gilt auch mit Blick auf moderne Techniken
der Bürokommunikation, die zum Beispiel dazu führen können, dass Entscheidungsentwürfe auf elektronischem Wege
einem anderen Richter ohne Zeitverzug zur vorbreitenden Lektüre und redaktionellen Bearbeitung an einem anderen Ort
übermittelt werden. Schließlich fehlt jedes messbare Verhältnis zwischen der Sache und einer etwa gebotenen
Beratungsdauer. Einen solchen Maßstab ergeben auch nicht die schriftlichen Gründe der Entscheidung oder ihr Umfang.
Rechtlich hindert vor allem das Beratungsgeheimnis (§§ 43, 45 Abs. 1 Satz 2 DRiG) den Zugang anderer Personen als
der an der Entscheidung beteiligten Richter zum Inhalt der Beratung. Damit ist es im Ergebnis ausgeschlossen, mit der
Anhörungsrüge einen Maßstab an die Dauer der Beratung anzulegen und auf dieser Grundlage Beratungsdefizite unter
dem Blickwinkel des Anspruchs auf Gehör vor Gericht festzustellen. Nur bei völligem Fehlen einer Verständigung unter
den beteiligten Richtern vor der Entscheidung könnte von einer Nichtanhörung der Parteien gesprochen werden (vgl.
RGSt 42, 85, 87); ein solcher Fall liegt hier indes erkennbar nicht vor.
b) Von einer Überraschungsentscheidung kann ebenfalls keine Rede sein. Alle Tatsachen und Beweisergebnisse, die
der Senat seiner Gesamtschau bei der Kontrolle der entsprechenden landgerichtlichen Indizienbewertung zu Grunde
gelegt hat, entstammen dem Prozessstoff, der sich aus den Akten ergibt. Der Senat hat sich bei seiner
Prognoseentscheidung über die Erfolgsaussichten der Berufung im Sinne von § 522 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 ZPO auf
erstinstanzlich unbestrittene Tatsachen einerseits und andererseits auf aktenkundige Äußerungen von Beweispersonen,
die in erster Instanz angehört oder vernommen worden waren, gestützt. Damit scheidet das Vorliegen eines Falles der
Verletzung von Art. 103 Abs. 1 GG aus, in dem Tatsachen oder Beweisergebnisse zum Nachteil einer Partei verwertet
wurden, zu denen sich diese nicht vor der Entscheidung hatte äußern können.
Der Senat hat mit seinen Hinweisen auf die - unstreitige - Bankfinanzierung des Lkws der Klägerin nur auf deren
Einwand gegen die Annahme der fehlerfreien Feststellung eines gestellten Unfalls erwidert, aus dem Wert des
Fahrzeugs im Vergleich mit dem gutachterlich bestimmten Kostenaufwand für die Beseitigung des Vorschadens ergebe
sich, dass der Vorschaden eine Bagatelle gewesen sei, die kein relevantes Motiv für eine spätere Unfallmanipulation
ergebe. Auch dabei wurden nicht Tatsachen oder Beweisergebnisse verwertet, die der Klägerin unbekannt waren. Die
Bankfinanzierung war vielmehr ebenso wie der im Schadensgutachten angenommene Reparaturkostenaufwand und die
Frage, ob sich daraus ein Motiv der Klägerin für eine Unfallmanipulation ergeben könne, bereits Gegenstand des
erstinstanzlichen Parteivorbringens und der landgerichtlichen Entscheidung gewesen; insoweit hat sich am Sach- und
Streitstand in zweiter Instanz nichts geändert. Die Motivfrage stand zudem aus der Sicht des Senats nicht im Vordergrund
der Indizien für einen gestellten Unfall; dieser wurde auch schon vom Landgericht zuvörderst aus den Eigentümlichkeiten
des äußeren Ablaufs gefolgert, ein wirtschaftliches Motiv bejaht und nur dessen Unerheblichkeit mit Blick auf relativ
geringen Umfang der erstrebten Versicherungsleistungen dementiert. Die Überlegung des Senats im angegriffenen
Beschluss beschränkt sich hiernach auf die im Kern auch schon vom Landgericht befürwortete Annahme, ein
vergleichsweise geringer Vorteil der Klägerin aus einem gestellten Unfall bei der Mitbeseitigung des Vorschadens führe
nicht etwa zum Wegfall eines jeden Motivs. Im Übrigen geht die Beanstandung dieses Punktes durch die Klägerin in der
Berufungsinstanz auch im Rahmen ihrer Anhörungsrügenbegründung fehl. Zwar war der Schaden aus dem angeblichen
Unfallereignis vom 3. November 2004 in einer Vertragswerkstatt repariert und deren Rechnung bezahlt worden, nicht
aber ebenso der Vorschaden, der vom Versicherer nach dem früheren Unfall auf Gutachtenbasis reguliert, aber erst bei
der Beseitigung des Folgeschadens zusammen mit diesem entfernt wurde. Schließlich wird das Motiv des Handelns nicht
durch die später festgestellten Werte von Schaden und Versicherungsleistung bestimmt, sondern durch die vorherigen
subjektiven Einschätzungen der Handelnden.
c) Soweit die Klägerin weiter rügt, dass sich der angegriffene Beschluss nicht mit sämtlichen Erwägungen ihrer
Stellungnahme vom 26. Juli 2007 auseinandersetzt, so vermag auch dies eine Verletzung des Anspruches der Klägerin
auf rechtliches Gehör nicht zu begründen. Grundsätzlich ist davon auszugehen, dass das Gericht das von ihm
entgegengenommene Vorbringen einer Prozesspartei auch insgesamt zur Kenntnis genommen und in Erwägung
gezogen hat. Es ist nach Art. 103 Abs. 1 GG nicht dazu verpflichtet, sich mit jedem Vorbringen ausdrücklich zu befassen
(vgl. BVerfGE 5, 22, 24; 22, 267,274; 25, 137,140; 27, 248, 252; 28, 378, 384; 40, 101,104 f.; 42, 364368; 47, 182, 187;
54, 86, 92; 65, 293, 295; 86, 133, 146; 96, 205, 216 f.). Auch Bezugnahmen auf erstinstanzliches Vorbringen geboten
nicht eine erneute lückenlose Erörterung aller Aspekte.
d) Schließlich vermag die Behauptung der Klägerin, der Senat habe einem tatsächlichen Umstand nicht die richtige
Bedeutung für weitere tatsächliche oder rechtliche Folgerungen beigemessen (vgl. BVerfGE 27, 248, 251; 28, 378, 384)
oder das Gericht habe es versäumt, ergänzenden Beweis zu erheben, einen Verstoß gegen Art. 103 Abs. 1 GG nicht zu
begründen (vgl. BVerfGE 11, 343,349; 18, 85,92; 22, 267,273; 25,137,140; 27, 248, 251).
Die zum Nachteil der Klägerin ergangenen Entscheidungen beruhen entgegen ihrer Annahme nicht allein auf
Vermutungen, sondern auf Indiztatsachen und daraus gezogenen Schlussfolgerungen. Der Unterschied von tragfähig
fundierter Überzeugung und Vermutung liegt in der Tatsachenbasis, die bei einer bloßen Vermutung ganz fehlen würde,
im vorliegenden Fall aber in Form einer Reihe von Indiztatsachen aus dem unstreitigen oder bewiesenen Sachverhalt
vorhanden ist.
Ein dem von der Klägerin angeführten Beschluss des Bundesgerichtshofes vom 28. März 2007 – IV ZR 74/04 (VersR
2007, 967) vergleichbarer Fall liegt hier nicht vor. Dort wurde eine Beweisantizipation im Urteilsverfahren als Verstoß
gegen Art. 103 Abs. 1 GG angesehen. Die angegriffene Entscheidung zu den Erfolgsaussichten der Berufung im Sinne
von § 522 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 ZPO ist hingegen als Prognoseentscheidung (vgl. Musielak/Ball, ZPO § 522 Rn. 21; Zuck
NJW 2006, 3521, 3522) nach Aktenlage ergangen. Dass hierdurch bestimmte Beweisantritte zu
entscheidungserheblichen Punkten zu Unrecht übergangen wurden, hat die Klägerin auch nicht näher dargetan. Ihr
neues Vorbringen in zweiter Instanz wurde vom Senat überdies nach § 531 Abs: 2 ZPO als nicht zulässig angesehen;
darin liegt eine nach Art. 103 Abs. 1 GG zulässige Beschränkung des Anspruchs auf Gehör vor Gericht aus prozessualen
Gründen. Darauf geht die Begründung der Anhörungsrüge im Übrigen nicht ein.
e) Die abschließende Rüge, der Senat sei sich der Bedeutung und Fragwürdigkeit des Indizienbeweises nicht
hinreichend bewusst gewesen, trägt nicht. Im gesamten Rechtsstreit war den beteiligten Richtern und den Parteien stets
klar, dass die Frage des Vorliegens einer Unfallmanipulation nur anhand von Indizien zu klären ist.
IV.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 97 Abs. 1, 238 Abs. 4 ZPO.
Dierkes Dr. Eschelbach Kagerbauer