Urteil des OLG Koblenz vom 18.04.2011

OLG Koblenz: genehmigung, ablauf der frist, sparkasse, widersprüchliches verhalten, schlüssiges verhalten, agb, buchhaltung, einziehung, zugang, anfechtung

OLG
Koblenz
18.04.2011
12 U 1195/09
Aktenzeichen:
12 U 1195/09
1 O 396/07 LG Mainz
Verkündet am 18.04.2011
Matysik, Amtsinspektor
als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle
Oberlandesgericht
Koblenz
IM NAMEN DES VOLKES
Urteil
In dem Rechtsstreit
- Beklagte und Berufungsklägerin -
Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte …
gegen
- Kläger und Berufungsbeklagter -
Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte …
hat der 12. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Koblenz durch den Vorsitzenden Richter am
OberlandesgerichtWünsch, den Richter am OberlandesgerichtWiedner und die Richterin am
OberlandesgerichtKagerbauer auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 21.03.2011 für Recht erkannt:
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Einzelrichters der 1. Zivilkammer des Landgerichts
Mainz vom 3.09.2009 wird zurückgewiesen.
Die Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
Der Kläger nimmt als Insolvenzverwalter über das Vermögen der Firma Autohaus …[A] GmbH & Co. KG
die Beklagte auf Rückzahlung von im Weg des Lastschriftverfahrens eingezogenen Beitragszahlungen
zur Unfallversicherung in Höhe von 5.885,00 € nebst Zinsen in Anspruch. Wegen der
Sachverhaltsdarstellung wird auf die tatsächlichen Feststellungen in der angefochtenen Entscheidung
Bezug genommen (§ 540 Abs. 1 ZPO).
Das Landgericht hat die Beklagte nach der Vernehmung des Geschäftsführers der Insolvenzschuldnerin,
…[B], antragsgemäß verurteilt und ausgeführt, der vom Kläger mit Schreiben vom 28.11.2006 erklärte
Widerspruch gegen die Belastungsbuchung vom 17.11.2004 sei rechtzeitig erfolgt. Eine Genehmigung
der Buchung durch den Zeugen ...[B] vor dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens sei nach
dessen Aussage nicht erfolgt. Der Zeuge habe Belege oder Kontoauszüge nicht gekannt, da diese an die
Buchhaltung gegangen seien. Der Zugang des Saldoabschlusses vom 15.12.2004 sei nicht bewiesen.
Eine fingierte Genehmigung durch den Kläger nach Maßgabe der AGB der Sparkasse ...[C] (Fassung
2002) könne wegen des nicht bewiesenen Erhalts des Saldoabschlusses nicht angenommen werden.
Dagegen wendet sich die Beklagte mit der Berufung, mit der sie weiterhin Klageabweisung begehrt (Bl.
273, 433 GA). Sie trägt vor, die Insolvenzschuldnerin habe die werktäglich erhaltenen Kontoauszüge
durch ihre Buchhaltung täglich kontrollieren lassen und nach der
Belastungsbuchung vom 17.11.2004 ihr Geschäftskonto bei der Sparkasse ...[C] widerspruchslos weiter
benutzt. Per Online-Banking habe die Buchhaltung von der Belastungsbuchung zeitnah Kenntnis erlangt
und diese auf Fehlerhaftigkeit überprüft. Das spreche für eine konkludente Genehmigung der Einziehung.
Zudem habe der Kläger das Konto bis zur Schließung am 30.11.2005 weiter genutzt, ohne der Buchung
zu widersprechen. Der Kläger könne die Einziehung auch nicht nach der Insolvenzordnung anfechten, da
sie zum Zeitpunkt der Genehmigung durch den Geschäftsführer der Insolvenzschuldnerin, allenfalls
wenige Tage nach der Belastung, keine Kenntnis von einer drohenden Zahlungsunfähigkeit der
Insolvenzschuldnerin gehabt habe.
Der Kläger beantragt die Zurückweisung der Berufung. Er bestreitet den Zugang von
Tageskontoauszügen bei der Insolvenzschuldnerin und den Zugang der AGB der Sparkasse ...[C]
(Fassung 2002). Es seien keine Kontoauszüge von der Insolvenzschuldnerin oder der Buchhaltung (Firma
...[D]) zeitnah überprüft und Buchungen genehmigt worden.
Der Senat hat zunächst mit Verfügung vom 16.11.2010 einen Hinweis nach § 522 Abs. 2 ZPO erteilt und
ausgeführt, dass der Kläger die Belastungsbuchung vom 17.11.2004 jedenfalls nach
§ 130 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 InsO habe anfechten können. Auf die Verfügung Bl. 352 ff. GA wird Bezug
genommen. In ihrer Stellungnahme auf den Hinweis hat die Beklagte auf die Entscheidungen des BGH
vom 20.07.2010 (Az. XI ZR 236/07 und IX ZR 37/09) hingewiesen und sich darauf berufen, dass eine
konkludente Genehmigung der Lastschrift vom 17.11.2004 in Betracht komme, da die
Insolvenzschuldnerin seit Erteilung der Einzugsermächtigung im September 2002 den von der Beklagten
seitdem vorgenommenen Abbuchungen nicht widersprochen habe. Auf die Verfügung des Senats vom
3.02.2011 hat die Beklagte die im Lastschriftverfahren vom Konto der Insolvenzschuldnerin eingezogenen
Beiträge im Einzelnen dargelegt (Schriftsatz vom 21.02.2011, Bl. 384 ff. GA). Der Kläger hat daraufhin
eingewandt, dass es sich dabei um Beiträge von unterschiedlichster Höhe handele, die in
unregelmäßigen Abständen vorgenommen worden seien. Von einer konkludenten Genehmigung könne
daher nicht ausgegangen werden.
Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf die zu den Akten gereichten Schriftsätze und
Unterlagen Bezug genommen.
Die zulässige Berufung hat keinen Erfolg. Es kann offen bleiben, ob der Insolvenzschuldnerin der
Saldoabschluss vom 15.12.2004 und die geänderten AGB der Sparkasse ...[C] (Fassung 2002)
zugegangen sind. Bei fehlendem Zugang besteht der vom Landgericht angenommene
Bereicherungsanspruch aus abgetretenem Recht der Sparkasse ...[C]. Bei Annahme des Zugangs steht
dem Kläger ein Anspruch auf Rückzahlung der eingezogenen Beiträge zu, weil er die nach Ablauf der 6-
Wochen-Frist fingierte stillschweigende Genehmigung der Belastungsbuchung wirksam gemäß § 130
Abs. 1 S. 1 Nr. 2 InsO angefochten hat.
Ein Bereicherungsanspruch aus abgetretenem Recht bzw. eine Anfechtung nach § 130 Abs. 1 S. 1 Nr. 2
InsO käme dann nicht in Betracht, wenn von einer stillschweigenden Genehmigung der Buchung durch
die Insolvenzschuldnerin zeitnah nach dem Erhalt der Tageskontoauszüge auszugehen wäre. Bei einer
Kenntnisnahme etwa 2 bis 3 Tage nach der Buchung wäre von einer stillschweigenden Genehmigung
noch vor Stellung des Insolvenzantrages am 29.12.2004 auszugehen. Zu diesem Zeitpunkt wusste die
Beklagte unstreitig nicht, dass die Insolvenzschuldner zahlungsunfähig war oder Zahlungsunfähigkeit
drohte. Der BGH nimmt unter engen Voraussetzungen an, dass eine Einziehungsermächtigungslastschrift
im unternehmerischen Geschäftsverkehr auch vor Erhalt des Saldoabschlusses durch schlüssiges
Verhalten als genehmigt angesehen werden kann. Das setzt voraus, dass der Schuldner regelmäßig
wiederkehrenden Lastschriftbuchungen des Gläubigers von etwa gleicher Höhe bislang nicht
widersprochen hat. Dann kann die kontoführende Bank davon ausgehen, dass auch die neuerliche
Belastungsbuchung Bestand haben soll, wenn nicht zeitnah ein Widerspruch erfolgt (vgl. BGH NJW 2010,
3510 ff.; WM 2010, 2307 ff.; NJW 2011, 994 ff.).
Diese Voraussetzungen liegen hier nicht vor. Die Beklagte hat ausweislich ihres Vorbringens im
Schriftsatz vom 21.02.2011 seit der Erteilung der Einzugsermächtigung folgende Abbuchungen vom
Konto der Insolvenzschuldnerin vorgenommen:
Zum 15.11.2002 10.884,00 €, zum 11.02.2003 15.767,00 €, zum 16.06.2003 123,32 €, zum 14.11.2003
10.530,00 €, zum 16.02.2004 5.972,00 €, zum 13.05.2004 112,15 €, zum 11.06.2004 1.337,00 € und zum
10.11.2004 die streitgegenständliche Buchung in Höhe von 5.885,00 €. Die daraus ersichtliche
unterschiedliche Höhe der Einzüge begründet die Beklagte mit der Anrechnung von Guthaben und
Vorschüssen. Die Insolvenzschuldnerin habe aufgrund ihr zuvor zugegangener Bescheide die
eingezogenen Beiträge nachvollziehen können. Aus den mitgeteilten Daten ergibt sich keine zeitliche
Regelmäßigkeit. Teilweise liegt nur ein Monat zwischen den Buchungen, teilweise sind es drei, vier oder
fünf Monate. Auch die Höhe der eingezogenen Beträge variiert stark; so wurden Beträge zwischen 112,15
€ und 15.767,00 € abgebucht. Von regelmäßigen, in etwa gleich hohen Einziehungen kann daher nicht
die Rede sein. Dass sich die unterschiedliche Höhe durch Verrechnungen ergab, ist unerheblich. Da die
Genehmigung der Belastungsbuchung gegenüber der Schuldnerbank erfolgen muss, kommt es darauf
an, ob diese im Verhalten des Bankkunden eine konkludente Genehmigung sehen konnte. Die Sparkasse
...[C] konnte hier, da es sich nicht um regelmäßige und in etwa gleich hohe Belastungsbuchungen
handelte, nicht davon ausgehen, dass die Insolvenzschuldnerin die Buchung vom 17.11.2004
stillschweigend genehmigt hat, weil sie ihr nicht zeitnah widersprochen hat und auch die früheren
Buchungen unbeanstandet ließ. Dass die Insolvenzschuldnerin die abgebuchten Beiträge aufgrund der
Bescheide der Beklagten nachvollziehen konnte, ist ohne Belang, da es allein auf die Sicht der
Schuldnerbank ankommt, die die Bescheide der Beklagten aber nicht kannte. Für die Sparkasse fehlte es
daher an den vom BGH formulierten Umständen, aus denen im Einzelfall auf eine konkludente
Genehmigung der Lastschrift schon vor Erhalt des
Saldoabschlusses geschlossen werden kann.
Damit kommt - das streitige Vorbringen der Beklagten unterstellt, die Insolvenzschuldnerin habe den
Kontoabschluss vom 15.12.2004 erhalten und die AGB (Fassung 2002) seien mit der Sparkasse ...[C]
vereinbart worden - nur eine nach Ablauf der in § 7 Ziff. 4 S. 2 der AGB bestimmten sechswöchigen Frist
fingierte Genehmigung durch den Kläger in Betracht. Die Genehmigung der Belastungsbuchung wäre
dann mit Ablauf der Frist Ende Januar 2005 erfolgt; zu diesem Zeitpunkt war der Kläger zum sogenannten
"starken" vorläufigen Insolvenzverwalter ernannt worden und die Beklagte kannte den Antrag der
Insolvenzschuldnerin auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens. Die nach der Insolvenzordnung anfechtbare
Rechtshandlung lag in der Genehmigung der Belastungsbuchung, da erst dann die Einziehung wirksam
und die Forderung der Beklagten befriedigt wurde. Nach ganz überwiegender Meinung sind Handlungen
des vorläufigen Insolvenzverwalters, dem ein allgemeines Verfügungsverbot nach § 21 Abs. 2 Nr. 2, 22
Abs. 1 InsO beigegeben ist, insoweit der Anfechtung entzogen, als die anzufechtende Rechtshandlung
Masseverbindlichkeiten i. S. des § 55 Abs. 2 InsO begründet. Derartige Handlungen des vorläufigen
Verwalters sind wie diejenigen des endgültigen Verwalters der Masse zuzurechnen (vgl. Münchener
Kommentar/Kirchhoff, InsO, 2. Aufl., § 129 Rn. 44; OLG Dresden OLGR 2005, 264 ff.). Dies gilt nicht für die
Befriedigung solcher Forderungen, die bereits vor der Anordnung des allgemeinen Verfügungsverbots
durch den Schuldner als einfache Insolvenzforderungen begründet worden sind, wie die hier
eingezogenen Beiträge zur Unfallversicherung. Damit hat der Kläger mit der Genehmigung der
Einziehung eine einfache Insolvenzforderung befriedigt und kann dies nach § 130 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 InsO
anfechten.
Die Anfechtung der fingierten Genehmigung stellt kein widersprüchliches Verhalten des
Insolvenzverwalters dar, da der vorläufige Insolvenzverwalter anders als der endgültig bestellte oftmals
unter Zeitdruck und noch vor Kenntnis aller Unterlagen Entscheidungen treffen muss. Der
Insolvenzverwalter ist daher berechtigt, die Erfüllung oder Besicherung bloßer Insolvenzforderungen aus
der künftigen Insolvenzmasse anzufechten (OLG Hamm ZIP 2010, 996 ff.; OLG Dresden a. a. O.).
Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 97 Abs. 1, 708 Nr. 10, 713 ZPO.
Gründe, die Revision zuzulassen, liegen nicht vor. Der Senat legt seiner Entscheidung die
höchstrichterliche Rechtsprechung zugrunde. Ob die Voraussetzungen für die Annahme einer konkludent
erklärten Genehmigung im Einzelfall vorliegen, ist keine Rechtsfrage, sondern im Einzelfall vom Tatrichter
festzustellen.
Der Streitwert des Berufungsverfahrens beträgt 5.885,00 €.
Wünsch
Wiedner
Kagerbauer
Vorsitzender Richter
am Oberlandesgericht
Richter
am Oberlandesgericht
Richterin
am Oberlandesgericht
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