Urteil des OLG Koblenz vom 25.03.2011

OLG Koblenz: beweisverfahren, verfügung, beendigung, beweisanordnung, anhörung, verantwortlichkeit, zugang, anfechtung, angemessenheit, streitverkündung

OLG
Koblenz
25.03.2011
6 W 727/10
Aktenzeichen:
6 W 727/10
11 OH 7/09 LG Trier
Oberlandesgericht
Koblenz
Beschluss
In Sachen
1. …
- Antragsgegnerin und Beschwerdeführerin -
Prozessbevollmächtigte:
Rechtsanwälte …
2. …
- Streithelferin zu 1 -
Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte …
3. …
- Streithelferin zu 2 -
Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte …
4. …
- Streithelferin zu 3 -
Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte …
gegen
- Antragsteller und Beschwerdegegner -
Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte …
hat der 6. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Koblenz durch die Richterin am AmtsgerichtLinden als
Einzelrichterin am 25.03.2011 beschlossen:
Die sofortige Beschwerde der Antragsgegnerin gegen die Verfügung des Einzelrichters der 11.
Zivilkammer des Landgerichts Trier vom 11.11.2010, mit dem dieser das selbständige Beweisverfahren für
beendet erklärt hat, wird zurückgewiesen.
Die Gerichtskosten trägt die Antragsgegnerin.
Der Wert des Beschwerdeverfahrens entspricht dem Wert des selbständigen Beweisverfahrens, den das
Landgericht noch abschließend festzusetzen hat.
Gründe:
I.
Auf Antrag des Antragstellers hat das Landgericht Trier im selbständigen Beweisverfahren gemäß
Beschluss vom 24.04.2009 Beweis erhoben durch Einholung eines schriftlichen Gutachtens des
Sachverständigen Dr. ...[A], das durch drei weitere schriftliche Gutachten sowie durch Anhörung des
Sachverständigen ergänzt wurde. Gegenstand der Begutachtung war ein Swimmingpool, den die
Antragsgegnerin im Jahr 2007 im Wellnessbereich des von dem Antragsteller betriebenen Hotels "...[B]" in
...[X] errichtet hatte.
Die Antragsgegnerin hat der ...[C] GmbH, die das Segment - Montagebecken lieferte und montierte und
der ...[D] GmbH & Co. KG, die mit der Lieferung und Montage der technischen Ausrüstung des Pools
beauftragt war, den Streit verkündet. Die ...[C] GmbH hat ihrerseits der ...[E] GmbH & Co. KG (im
Folgenden: ...[E]), die ihr die Materialen für die Oberfläche des Beckens geliefert hatte, den Streit
verkündet. Die Streitverkündeten sind jeweils auf Seiten der Antragsgegnerin dem Verfahren beigetreten.
Die letzte ergänzende Begutachtung erfolgte aufgrund Beschluss vom 12.12.08 (215 GA) am 09.09.10
und verhielt sich zu einem Angebot der Fa. ...[F] GmbH über Mängelbeseitigungsarbeiten (183 GA).
Bereits mit Schreiben vom 12.08.2010 und 23.8.2010 hatte die Streithelferin ...[E] im Hinblick auf das zuvor
eingeholte Ergänzungsgutachten vom 11.07.2010 eine nochmalige mündliche Anhörung des
Sachverständigen Dr. ...[A] sowie eine schriftliche Ergänzung beantragt (210, 221 GA). Der Antragsgegner
hatte demgegenüber erklärt, kein rechtliches Interesse an der Beantwortung der von der ...[E] formulierten
Fragen zu haben. Die für ihn im Verhältnis zu der Antragsgegnerin relevanten Fragen seien geklärt. Der
erstinstanzliche Richter hat den Parteien daraufhin am 26.08.2010 mitgeteilt, dass es dem Antragsteller
möglich sein müsse, das selbständige Beweisverfahren für beendet zu erklären und es bei der
Beweisanordnung zu den von der Antragstellerin zu dem Angebot der Fa. ...[F] GmbH formulierten Fragen
belassen.
Das dazu erstellte Gutachten vom 09.09.2010 ist am 13.09.2010 an die Parteien übersandt worden, ohne
dass eine Frist zur Stellungnahme gesetzt worden wäre. Nachdem bis zum 11.11.2010 keine
Rückäußerungen der Parteien erfolgt waren, hat der erstinstanzliche Richter mit Verfügung von diesem
Tag mitgeteilt, dass das selbstständige Beweisverfahren beendet sei.
Dagegen hat die Antragsgegnerin sofortige Beschwerde eingelegt und beantragt, die Entscheidung
aufzuheben und dem Verfahren Fortgang zu geben durch ergänzende Beweisanordnung weil das
Gutachten vom 09.09.2010 ergänzungs- und erläuterungsbedürftig sei. Die Streithelferin ...[E] vertritt
ebenfalls die Auffassung, dass das Verfahren nicht beendet sei, insbesondere weil die von ihr mit
Schriftsätzen vom 12.08.2010 und 23.08.2010 aufgeworfenen Fragen offen seien. Zudem erachtet sie die
Einholung eines Obergutachtens als sinnvoll.
Der Antragsteller hat einer weiteren Begutachtung widersprochen, da die Mangelhaftigkeit des
Swimmingpools festgestellt und sachgerechte Feststellungen zu Art und Weise der Mängelbeseitigung
getroffen worden seien. An der Klärung von Detailfragen, die im Hinblick auf einen Regress der
Antragsgegnerin gegen die Streithelfer oder für das Verhältnis der Streithelfer untereinander relevant
seien, habe er kein rechtliches Interesse.
Mit Beschluss vom 10.12.2010 hat das Landgericht Trier der sofortigen Beschwerde vom 23.11.2010 nicht
abgeholfen und zudem förmlich festgestellt, dass das selbständige Beweisverfahren beendet sei. Dem
Antragsteller sei eine weitere Begutachtung nicht zumutbar. Ihm müsse vielmehr das Recht zugestanden
werden, das selbständige Beweisverfahren zu beenden, nachdem er deutlich gemacht habe, dass seinem
Begehren ausreichend Rechnung getragen worden sei.
Die Antragsgegnerin verweist demgegenüber auf die obergerichtliche Rechtsprechung, wonach das
selbständige Beweisverfahren solange fortzusetzen sei, bis die Ergänzungsanträge der
Verfahrensbeteiligten, die in einem engen zeitlichen Zusammenhang mit der Zustellung des Gutachtens
gestellt werden, "abgearbeitet" seien. Ob der Antragsteller das Verfahren als beendet ansehe, sei ohne
Belang.
II.
Die sofortige Beschwerde der Antragsgegnerin ist zulässig; in der Sache hat sie keinen Erfolg.
1.
Die sofortige Beschwerde ist statthaft gemäß § 567 Abs. 1 Nr. 2 ZPO und auch im Übrigen zulässig.
Die Antragsgegnerin wendet sich gegen die Verfügung vom 11.11.2010. Mit der dort getroffenen
Feststellung der Beendigung des selbständigen Beweisverfahrens hat das Landgericht zugleich inzident
die Anträge der Streithelferin ...[E] vom 12.08. und 23.08.2010 auf nochmalige Anhörung des Gutachters
sowie ergänzende schriftliche Begutachtung abgelehnt (so auch OLG Frankfurt NJW-RR 2007,18). Soweit
die sofortige Beschwerde sich dagegen richtet, ist sie gemäß § 562 Abs. 1 Nr. 2 ZPO zulässig. Das
Begehren einer ergänzenden Beweiserhebung ist ein das Verfahren betreffender Antrag, zu dem jede
Partei nach § 411 Abs. 4 ZPO, der gemäß § 492 Abs. 1 ZPO auch im selbständigen Beweisverfahren gilt,
berechtigt ist. § 355 Abs. 2 ZPO steht der Zulässigkeit der Beschwerde nicht entgegen. Diese Vorschrift,
nach der eine Anfechtung des Beschlusses, durch den die eine oder die andere Art der Beweisaufnahme
angeordnet ist, nicht zulässig ist, ist im selbständigen Beweisverfahren nicht anwendbar. § 492 Abs. 1
ZPO nimmt nur auf die für die Aufnahme der einzelnen Beweismittel geltenden Vorschriften Bezug, nicht
auf die allgemeinen Vorschriften über die Anordnung und Durchführung der Beweisaufnahme im
Rechtsstreit. Auch nach ihrem Sinn und Zweck, die Einwendungen gegen Umfang und Ergebnis der
Beweisaufnahme der Anfechtung der abschließenden Entscheidung vorzubehalten und die Verzögerung
durch einen Zwischenstreit zu vermeiden, kann die Vorschrift im selbständigen Beweisverfahren nicht
angewendet werden, weil es eine abschließende Entscheidung nicht gibt (zum Vorstehenden OLG
Stuttgart NJOZ 2002, 1 = Die Justiz 2003, 149).
2.
Die sofortige Beschwerde ist nicht begründet. Das Landgericht hat in der angegriffenen Verfügung die
Beendigung des selbständigen Beweisverfahrens zu Recht festgestellt.
Eine förmliche Beendigung des selbständigen Beweisverfahrens ist im Gesetz nicht vorgesehen. Ein
anderer Abschluss als die Sicherung eines bestimmten Beweises findet nicht statt (BGH NJW 2011, 594).
Ein selbständiges Beweisverfahren ist beendet, wenn die Beweissicherung sachlich erledigt ist. Erfolgt die
Beweiserhebung durch ein schriftliches Sachverständigengutachten, ist das selbständige
Beweisverfahren mit dessen Übersendung an die Parteien beendet, wenn weder das Gericht nach § 411
Abs. 4 Satz 2 ZPO eine Frist zur Stellungnahme gesetzt hat noch die Parteien innerhalb eines
angemessenen Zeitraums Einwendungen dagegen oder das Gutachten betreffende Anträge oder
Ergänzungsfragen mitteilen. Ob die Beendigung des Verfahrens durch derartige Schritte
hinausgeschoben worden ist, lässt sich naturgemäß erst bei rückschauender Betrachtung beurteilen (st.
Rspr. siehe BGH aaO mwN).
Nach diesen Grundsätzen war das selbständige Beweisverfahren mit Zugang der Verfügung vom
11.11.2010 bei den Parteien sachlich beendet, weil weder im Hinblick auf die Anträge der Streithelferin
...[E] vom 12.08. und 23.08.2010, noch mit Rücksicht auf die in der sofortigen Beschwerde vom 23.11.2010
gestellten Ergänzungsanträge der Antragsgegnerin eine weitergehende Beweisanordnung geboten war.
Den Anträgen der Streithelferin ...[E] fehlt der unmittelbare sachliche Zusammenhang zum Beweisthema
(dazu a)); die Anträge der Antragsgegnerin erfolgten nicht innerhalb einer angemessenen Frist (dazu b)).
a)
Mit ihren Anträgen in den vorgenannten Schriftsätzen begehrt die Streithelferin ...[E] eine ergänzende
Beweiserhebung im Hinblick auf die Feststellungen des Sachverständigen im Gutachten vom 11.07.2010.
Nachdem dem Gutachten unter anderem ein 30 Seiten umfassender Untersuchungsbericht der ...[G]
beigefügt war, der einer intensiven und zeitaufwändigen Prüfung bedurfte, ist die innerhalb von ca. 5
Wochen nach Übersendung des Gutachtens eingereichte Stellungnahme rechtzeitig.
Auch an der grundsätzlichen Beteiligung der Streithelferin am selbständigen Beweisverfahren sowie
deren Berechtigung, Beweisanträge zu stellen, bestehen keine durchgreifenden Zweifel. Nach der
Rechtsprechung (BGHZ 134, 190) ist die Streitverkündung im selbständigen Beweisverfahren zulässig.
Dementsprechend kann die Streithelferin gem. §§ 67, 74 ZPO die Rechte einer Nebenintervenientin
wahrnehmen, also Angriffs- und Verteidigungsmittel geltend machen und Prozesshandlungen
vornehmen, soweit sie sich nicht mit der Hauptpartei in Widerspruch setzt.
Zudem ist der Antragsgegner im selbständigen Beweisverfahren berechtigt, Gegenanträge zu stellen.
Dieses Recht ist jedoch dahingehend eingeschränkt, dass die Anträge in unmittelbarem Zusammenhang
mit den von dem Antragsteller zur Entscheidung gestellten Anträgen stehen (Zöller, ZPO, 28. Aufl. 2010, §
485 Rn. 3 mwN).
Aus dem Vorgesagten ergibt sich zum einen, dass der Streithelfer nur solche Ergänzungsanträge stellen
darf, die das Verfahren „seiner“ Partei unterstützen. Zum anderen ist danach eine Erweiterung von
Beweisfragen durch Gegenanträge eines Streithelfers nur unter der Einschränkung des engen sachlichen
Zusammenhangs mit dem Beweisthema zulässig, das im Verhältnis zum Streitverkünder und dessen
Antragsgegner geklärt werden soll. Will der Streithelfer das selbständige Beweisverfahren um
Beweisfragen erweitern, die nur sein Verhältnis zum Streitverkünder - oder zu einem weiteren Streithelfer -
betreffen, jedoch für das Verhältnis zwischen Antragsteller und Antragsgegner ohne Bedeutung sind, fehlt
es an diesem engen zeitlichen und sachlichen Zusammenhang (OLG Düsseldorf, BauR 2004, 1657; OLG
Karlruhe MDR 2008, 1354, OLG Hamm NJW 2009, 1009). Das Verfahren der Beweissicherung dient nicht
zuletzt dem Zweck, in den Fällen, in denen der Streit der Beteiligten im Wesentlichen von der Klärung
tatsächlicher Fragen abhängt, durch umfassende Beantwortung dieser Fragen mit geeigneten
Beweismitteln den Beteiligten eine zügige Beilegung des Streits ohne Durchführung eines streitigen
Verfahrens zu ermöglichen. Dieses Ziel wird verfehlt, wenn das Verfahren mit Gegenanträgen befrachtet
wird, die für das Verhältnis des Antragstellers zu dem Antragsgegner ohne Belang sind und nur dazu
dienen, die Verantwortlichkeit des Antragsgegners zu einem Dritten abzuklären, der in keiner
unmittelbaren Beziehung zu dem Antragsteller steht. Dies gilt auch dann, wenn die Beantwortung der
Gegenanträge auf den bisherigen Feststellungen des bereits beauftragten Sachverständigen aufbaut.
Gegenanträge, die über das den Grund des selbstständigen Beweisverfahrens bildende Rechtsverhältnis
der Parteien hinausgehen, sind daher nicht zuzulassen. Der Antragsteller gibt durch seine Fragestellung
den Rahmen der Beweiserhebung vor. Dieses Recht darf ihm nicht durch Gegenanträge aus der Hand
genommen werden mit der Folge, dass die ursprüngliche Zielrichtung des Beweisverfahrens in den
Hintergrund tritt, und die Beweisaufnahme von dem Antragsteller und den von diesem in das Verfahren
einbezogenen Dritten bestimmt wird (zum Vorstehenden: OLG Hamm aaO).
Das aber wäre hier der Fall. Die von der Streithelferin ...[E] aufgeworfenen Fragen gehen zwar nicht über
die dem ursprünglichen Gutachtenauftrag zugrunde liegende Frage, welche Ursache die Ablagerungen
und Verfärbungen auf dem Oberflächenbelag des Swimmingpools haben (Frage 6), hinaus. Nachdem
aber aus Sicht des Antragstellers nicht nur die Mangelhaftigkeit des Pools, sondern auch die
Verantwortlichkeit der Antragsgegenerin feststeht, sind die weiteren von der Streithelferin begehrten
Feststellungen für das Verhältnis zwischen dem Antragsteller und der Antragsgegnerin und den daraus
resultierenden Gewährleistungsansprüchen nicht relevant.
Im Gegensatz zu der Entscheidung des OLG Düsseldorf (aaO) ist hier - wie auch im Fall des OLG
Karlsruhe (aaO) - zudem ausgeschlossen, dass die Beantwortung der Fragen der Streithelferin die darauf
zielen, die Mangelfreiheit ihrer Leistung auf Antragsgegnerseite festzustellen, Auswirkungen auf das
Verhältnis der Hauptparteien hat. In dem vom OLG Düsseldorf (aaO) entschiedenen Sachverhalt war die
Planung, Statik etc. nicht vom Vertrag zwischen den Hauptparteien umfasst, so dass die Fragen der
dortigen Streithelferin der Antragsgegnerin zur Ursache der Mängel auch das Verhältnis der
Hauptparteien, nämlich die eventuell fehlende Verantwortung der Antragsgegnerin für Planungs- oder
Statikfehler betrafen. Das ist bei den hier zugrunde liegenden Vertragsverhältnissen ausgeschlossen. Die
Streithelferin ...[E] ist Zulieferin der Streithelferin ...[C] GmbH, welche wiederum Lieferantin der
Antragsgegnerin war. Letztere war einzige Vertragspartnerin des Antragsstellers, so dass es im Verhältnis
der Hauptparteien unerheblich ist, ob die Mängel auf der Leistung der Antragsgegnerin selbst beruhen
oder in den Verantwortungsbereich von deren Zulieferern fallen. Denn soweit die behaupteten Mängel
sich bestätigen, haftet die Antragsgegnerin dem Antragsteller davon unabhängig.
Als weiterer Gesichtspunkt kommt hinzu, dass der Antragsteller der von der Streithelferin ...[E] beantragten
ergänzenden Beweisannahme vehement widersprochen hat und ihm durch die Zulassung dieser
Gegenanträge, die vorrangig dazu dienen, eine mögliche Verantwortlichkeit der Streithelferin abzuklären,
das Recht, den Rahmen der Beweiserhebung zu bestimmen, aus der Hand genommen würde.
Durch diese Sichtweise wird die Streithelferin auch nicht unrechtmäßig in ihren Rechten beschränkt. Denn
unabhängig davon, dass die Streitverkündung zur Folge hat, dass sie sich das Ergebnis der
Beweisaufnahme gemäß § 68 ZPO in einem nachfolgenden Prozess entgegenhalten lassen muss (BGH
BauR 2004, 1657), verbleibt ihr die Möglichkeit, ein „eigenes“ Beweissicherungsverfahren einzuleiten. Da
die Streitverkündete aufgrund ihres Beitrittes auf Seiten der Antragsgegnerin ohnehin nur Anträge stellen
darf, die deren Standpunkt unterstützen (§ 74 ZPO), kann sie gegen die Antragsgegnerin selbst dann,
wenn noch keine konkreten Rückgriffsansprüche angedroht sind, ein neues selbständiges
Beweisverfahren anstrengen (OLG Stuttgart BauR 2000, 923).
b)
Auch die in der sofortigen Beschwerde vom 23.11.2010 gestellten Anträge der Antragsgegnerin auf
Gutachtenergänzung machen keine weitere Beweisanordnung erforderlich, weil diese nicht in
angemessener Frist nach Übersendung des Gutachtens vom 09.09.2010 eingegangen sind.
Welche Frist für eine Stellungnahme angemessen ist, hängt von den Umständen des Beweisverfahrens
ab, insbesondere von dem Umfang und dem Schwierigkeitsgrad des schriftlichen Gutachtens und davon,
ob die betroffene Partei sachverständige Hilfe in Anspruch nehmen muss (BGH NJW 2011, 594 mwN).
Welcher Zeitraum als angemessen anzusehen ist, kann nicht schematisch festgelegt werden, sondern
richtet sich nach den schutzwürdigen Interessen der Parteien und den verfahrensrechtlichen
Erfordernissen, wobei eine entscheidende Rolle spielt, ob es sich um ein schriftliches Gutachten handelt,
das nach Umfang, Gehalt und Schwierigkeitsgrad einer sorgfältigen und damit zeitaufwändigen Prüfung
bedarf und ob die betroffene Partei dazu noch sachverständige Hilfe in Anspruch nehmen muss (OLG
Celle, MDR 2001, 108 mwN). Meist genügen einige Wochen; drei Monate sind in der Regel bei einem
selbstständigen Beweisverfahren zu lang. Mit Ablauf dieser Zeitspanne oder einer gesetzten Frist endet
ein selbstständiges Beweisverfahren (Zimmermann in Münchener Kommentar, 3. Aufl. 2008, § 411 Rn 16
mwN).
Das Gutachten vom 09.09.2010 ging am 14.09.2010 bei der Antragsgegnerin ein, so dass bis zum
Eingang der sofortigen Beschwerde am 23.11.2010 zehn Wochen vergangen waren. Der Umfang der
sachverständigen Feststellungen im Gutachten vom 10.10.2010 beträgt knapp zwei Seiten. Die beiden
Fragen, ob der Inhalt des Angebots der Fa. ...[F] GmbH vom 12.10.2009 eine zur Sanierung des
Schwimmbades taugliche und sachgerechte Ausführung der Mängelbeseitigung vorsieht und ob die in
Ansatz gebrachten Kosten angemessen und notwendig sind, werden in leicht verständlicher Weise
beantwortet. In Anbetracht dessen hatte die Antragsgegnerin bis zur Verfügung vom 11.11.2010
ausreichend Zeit sich mit dem Ergänzungsgutachten inhaltlich zu befassen und die aus ihrer Sicht jetzt
klärungsbedürftigen, ebenfalls nicht als schwierig einzustufenden, Fragen herauszuarbeiten. Hinzu
kommt, dass die Antragsgegnerin selbst sachkundig ist und ihr das Angebot der Fa. ...[F] GmbH bereits mit
dem Schriftsatz des Antragstellers vom 03.03.2010 am 04.03.2010 übersandt worden war. Berücksichtigt
man zudem, dass auch bei wesentlich komplexeren Gutachten Stellungnahmefristen von vier Wochen
üblich sind, ist die Stellungnahme am 23.11.2010 nicht mehr innerhalb angemessener Frist erfolgt.
Eine andere Bewertung ist auch nicht im Hinblick auf die von der Antragsgegnerin herangezogenen
Entscheidungen des OLG Celle (MDR 2001, 108); OLG Düsseldorf (MDR 2004, 1200) und des BGH (IBR
2009, 363) geboten.
In der Entscheidung des OLG Celle war die Antragstellung noch vor Ablauf von drei Monaten als
angemessen angesehen worden für einen Fall, in dem der Sachverständige ein umfangreiches Gutachten
von 31 Seiten mit zahlreichen Anlagen, zu denen auch ein umfangreicher Prüfungsbericht der
Materialprüfungsanstalt für das Bauwesen …[Y] gehörte, erstellt hatte. In dem der Entscheidung des OLG
Düsseldorf zugrundeliegenden Fall wurde zwar eine Stellungnahme nach fast 4 Monaten noch als
angemessen angesehen, jedoch betreffend ein Ergänzungsgutachten, das 15 Fragen beantwortete,
wobei diese Fragen sich auf ein erstes Ergänzungsgutachten bezogen, das einen Umfang von 24 Seiten
hatte und das wiederum Bezug nahm auf ein über 300 Seiten umfassendes Hauptgutachten, so dass die
Prüfung zumindest außergewöhnlich zeitintensiv war. Die zitierte BGH - Entscheidung schließlich musste
sich mit der Frage der Angemessenheit nicht auseinandersetzen, nachdem dort die bloße Ankündigung
von Anträgen ohnehin nicht als ausreichend erachtet worden war zur Verhinderung einer Beendigung des
selbstständigen Beweisverfahrens.
Schließlich lässt sich die Verneinung der Angemessenheit im vorliegenden Verfahren zwanglos in
Übereinstimmung bringen mit der neueren Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, der in der bereits
genannten Entscheidung vom 28.10.2010 (NJW 2011, 594) folgende Feststellungen trifft:
„Das Gutachten des Sachverständigen T. nahm zu den einfach gelagerten Beweisfragen auf lediglich
sechs Seiten in leicht verständlicher Weise Stellung. Der Beklagte ist selbst sachkundig. Das Gutachten
wurde seinem Prozessbevollmächtigten bereits am 7. April 2005 zugestellt. Er hatte ausreichend Zeit, sich
mit dem Gutachten inhaltlich zu befassen und ihm als klärungsbedürftig erscheinende Fragen
herauszuarbeiten. Unter diesen Umständen erscheint der Zeitraum von sechs Wochen vom Zugang der
Verfügung vom 20. Juli 2005 bis zum Eingang des Antrags auf Anhörung des Sachverständigen nicht
mehr als angemessen.“
Schließlich kann dahinstehen, ob der Gutachter die Fragen zur Mängelbeseitigung im Gutachten vom
09.09.2010 umfassend und ergiebig beantwortet hat. Nach der geschilderten formalen Betrachtungsweise
ist dies - abgesehen von dem nicht gegebenen Fall, dass das Gutachten schon auf den ersten Blick völlig
ungeeignet ist -, unbeachtlich. Eine Beweiswürdigung findet im selbständigen Beweisverfahren nicht statt.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO. Eine Entscheidung über die außergerichtlichen
Kosten ist im selbständigen Beweisverfahren nicht veranlasst.
Linden
Richterin am Amtsgericht
.