Urteil des OLG Koblenz vom 28.04.2008

OLG Koblenz: beweiswürdigung, schwager, avb, versicherungsleistung, erfüllung, vertrauenshaftung, berufungsbeklagter, beamtenverhältnis, dienstuntauglichkeit, ausnahme

Versicherungsvertragsrecht
OLG
Koblenz
28.04.2008
10 U 1115/07
Erfüllungshaftung bei Agentenzusicherung vor Versicherungsabschluss; hier: Erklärung, dass BU-Leistungen bereits bei
Feuerwehrdienstuntauglichkeit und nicht erst, wie in den AVB vorgesehen, bei Versetzung in den Ruhestand wegen
allgemeiner Dienstunfähigkeit.
Geschäftsnummer:
10 U 1115/07
16 O 337/06 LG Koblenz
in dem Rechtsstreit
Beklagte und Berufungsklägerin,
- Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte -
g e g e n
Kläger und Berufungsbeklagter,
- Prozessbevollmächtigter:Rechtsanwalt -
Der 10. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Koblenz hat durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Weiss, die
Richterin am Oberlandesgericht Schwager-Wenz und die Richterin am Landgericht Dr. Walper
am 28. April 2008
einstimmig
beschlossen:
Der Senat erwägt, die Berufung gemäß § 522 Abs. 2 Satz 1 ZPO zurückzuweisen. Die Gründe werden nachfolgend
dargestellt. Der Beklagten wird eine Frist zur Stellungnahme gesetzt bis zum
26. Mai 2008
Die Voraussetzungen nach § 522 Abs. 2 Satz 1 ZPO sind nach Auffassung des Senats gegeben. Die Rechtssache hat
keine grundsätzliche Bedeutung. Auch erfordern die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen
Rechtsprechung eine Urteilsentscheidung des Berufungsgerichts nicht.
Die Berufung hat auch keine Aussicht auf Erfolg. Das landgerichtliche Urteil entspricht im Ergebnis der Rechtslage. Das
Landgericht ist davon ausgegangen, dass der Zeuge A. als Agent der Beklagten dem Kläger sowohl auf einer
Informationsveranstaltung Anfang des Jahres 1999 als auch bei Abschluss des Versicherungsvertrages im Februar 1999
zugesagt hat, für den Anspruch auf die Versicherungsleistung sei allein maßgebend, dass die
Feuerwehrdienstuntauglichkeit nach der so genannten G 26-Untersuchung amtsärztlich festgestellt werde, und zwar
unabhängig davon, ob das aktive Beamtenverhältnis bestehen bleibe oder nicht. Weiter hat das Landgericht festgestellt,
dass der Zeuge A. dem Kläger die Versicherungsbedingungen bei Antragsaufnahme nicht überreicht hat. Vielmehr seien
ihm diese erst nachträglich mit dem Versicherungsvertrag übersandt worden.
Diese tatsächlichen Feststellungen des Landgerichts sind für den Senat im Rahmen des § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO bindend.
Das Landgericht hat dieses Ergebnis in nicht zu beanstandender Weise auf die Aussagen der Zeugen gestützt.
Nach neuem Berufungsrecht ist das Berufungsgericht grundsätzlich nicht mehr vollumfänglich zweite Tatsacheninstanz.
Vielmehr ist hinsichtlich der erstinstanzlich, auch aufgrund von Beweiserhebungen, getroffenen Feststellungen die
Überprüfung gemäß § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO grundsätzlich darauf beschränkt, ob konkrete Anhaltspunkte Zweifel an der
Richtigkeit oder Vollständigkeit der entscheidungserheblichen Feststellungen begründen und deshalb eine erneute
Feststellung gebieten. Die Beweiswürdigung des Landgerichts ist nur insoweit überprüfbar, als mit der Berufung
schlüssig konkrete Anhaltspunkte aufgezeigt werden, die Zweifel an der Richtigkeit der erstinstanzlichen Feststellungen
begründen, die also solche Zweifel an den erhobenen Beweisen aufdrängen, dass sich eine erneute Beweisaufnahme
gebietet.
Vorliegend sind keine Fehler bei der Beweiswürdigung des Landgerichts erkennbar. Die Beweiswürdigung der
Zeugenaussagen ist umfassend, in sich nachvollziehbar und widerspruchsfrei. Die Beklagte erinnert daher erfolglos, das
Landgericht hätte sich von den Angaben des Zeugen A. und nicht von denen der übrigen Zeugen überzeugen lassen
müssen. Dies gilt auch bezüglich der Frage, ob das Gericht sich zu Recht davon überzeugen ließ, dass die
Versicherungsbedingungen dem Kläger erst mit Zusendung des Versicherungsscheins und nicht vorher vorlagen.
Die Berufung der Beklagten hat auch nicht deshalb Erfolg, weil das Landgericht im Rahmen der Prüfung des Anspruchs
des Klägers auf Erfüllung aus dem Grundsatz der Vertrauenshaftung heraus § 278 BGB prüft. Tatsächlich findet diese
Norm ihren Anwendungsbereich in der Prüfung der Schadenersatzpflicht des Versicherers, die zwar neben einer
Erfüllungshaftung bestehen kann (vgl. Kollhosser in Prölls/Martin, VVG, 27. Aufl., Rdnr. 36 zu § 43 VVG), im vorliegenden
Fall aber keine Rolle spielt.
Nach den oben als im Rahmen des § 529 ZPO als nicht mehr überprüfbar zugrunde zu legenden Feststellungen des
Landgerichts ergibt sich nämlich auch zur Überzeugung des Berufungsgerichts ein gewohnheitsrechtlicher Anspruch auf
Erfüllung aus dem Grundsatz der Vertrauenshaftung (vgl. Prölss-Martin, VVG, 27. Aufl., Rn. 29 ff. zu § 43). Nach dem
Ergebnis der Beweisaufnahme ist davon auszugehen, dass der Zeuge A. mündlich falsche Angaben über den Umfang
des Versicherungsschutzes gemacht hat, der Kläger im Vertrauen auf die Richtigkeit dieser mündlichen Falschauskünfte
seinen schriftlichen Versicherungsantrag gestellt hat und der Zeuge A. diesen Antrag entgegen genommen hat, ohne die
Falschauskünfte zu korrigieren und ihn an den Versicherer, also an die Beklagte, weitergeleitet hat, ohne auf seine
eigenen Falschauskünfte hinzuweisen. Die Beklagte hat sodann in Unkenntnis der Falschauskünfte die üblichen
Annahmeerklärungen mit der Versicherungspolice und den AVB dem Kläger ohne Vorbehalte zugeschickt. Dieser hat im
Vertrauen darauf, dass der Versicherungs-umfang den Auskünften des Agenten entspräche, die Annahmeerklärung des
Versicherers entgegen genommen, ohne die AVB im Hinblick darauf im Einzelnen durchzulesen. Ein erhebliches
Eigenverschulden des Klägers liegt nicht vor, da insofern das Landgericht, wiederum im Rahmen des § 529 ZPO
bindend, festgestellt hat, dass ihm zeitgleich mit den falschen mündlichen Auskünften des Zeugen A. die schriftlichen
Vertragsbedingungen nicht vorgelegen haben. Da ihm aufgrund der durch das Landgericht festgestellten Vorgänge ein
Vorwurf eines erheblichen Eigenverschuldens nicht zu machen ist, hat der Kläger einen gewohnheitsrechtlichen
Erfüllungsanspruch in dem vom Landgericht ausgeurteilten Umfang.
Der Senat beabsichtigt, den Streitwert für das Berufungsverfahren auf 76.387,39 € festzusetzen.
Weiss Schwager-Wenz Dr. Walper
Geschäftsnummer:
10 U 1115/07
16 O 337/06 LG Koblenz
in dem Rechtsstreit
Beklagte und Berufungsklägerin,
- Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte -
g e g e n
Kläger und Berufungsbeklagter,
- Prozessbevollmächtigter:Rechtsanwalt -
Der 10. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Koblenz hat durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Weiss, die
Richterin am Oberlandesgericht Schwager-Wenz und die Richterin am Oberlandesgericht Zeitler-Hetger
am 3. Juli 2008
einstimmig
beschlossen:
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Einzelrichters der 16. Zivilkammer des Landgerichts Koblenz vom 18.
Juli 2007 wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Berufungsverfahrens hat die Beklagte zu tragen.
G R Ü N D E.
Der Senat hat mit Hinweisbeschluss gemäß § 522 Abs. 2 Satz 2 ZPO vom 28. April 2008 darauf hingewiesen, dass die
Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung habe, auch die Fortbildung des Rechts eine Entscheidung des
Berufungsgerichts nicht erfordere und die Berufung auch keine Aussicht auf Erfolg habe.
Die Beklagte hat Einwendungen gegen die Zurückweisung der Berufung erhoben. Sie macht geltend, sie könne die
Auffassung des Senats, dass keine Fehler der Beweiswürdigung des Landgerichts erkennbar seien, nicht teilen. Mit
Ausnahme der Aussage des Zeugen A. könnten die Aussagen der übrigen vom Kläger benannten Zeugen mit der
Aussage des Zeugen B. in Einklang gebracht werden, wonach eine Entlassung aus dem Beamtenverhältnis für die
Versicherungsleistung erforderlich sei. Insbesondere der Zeuge C. habe dies bestätigt. Dessen Aussage stehe im
Widerspruch zu den Angaben des Klägers und der Aussage des Zeugen A.. Weiterhin sei in dem Hinweisbeschluss des
Senats nicht auf das Eigenverschulden des Klägers eingegangen worden. Hier sei nicht berücksichtigt worden, dass bei
der Informationsveranstaltung 1999 die Versicherungsbedingungen vorgelegen hätten und sämtlichen Beteiligten
ausgehändigt worden seien.
Der Senat sieht keine Veranlassung zu einer abweichenden Beurteilung. Er hält an seinem Hinweis fest und nimmt auf
ihn auch zur Begründung seiner abschließenden Entscheidung Bezug (§ 522 Abs. 2 Satz 3 ZPO). Die durch das
Landgericht vorgenommene Beweiswürdigung ist weiterhin nicht zu beanstanden.
Soweit die Beklagte die Aussagen der Zeugen abweichend von der vom Landgericht vorgenommenen Würdigung
verstanden haben will, setzt sie lediglich ihre eigene Beweiswürdigung an die Stelle der Beweiswürdigung des
Landgerichts. Eine Fehlerhaftigkeit der vom Landgericht vorgenommenen Würdigung wird hierdurch nicht begründet.
Entgegen der Auffassung der Beklagten steht die Aussage des Zeugen C. nicht im Widerspruch zu den Angaben des
Klägers und des Zeugen A.. In ihrer Gesamtheit genommen (und nicht nur einige isolierte Sätze) ergibt auch diese
Aussage eindeutig und klar, dass nach der Darstellung des Zeugen B. bei dem Informationsgespräch die
Versicherungsleistung seitens der Beklagten schon dann gezahlt werden sollte, wenn der Versicherte
feuerwehrdienstuntauglich würde und nicht erst dann, wenn er wegen allgemeiner Dienstuntauglichkeit in den
Ruhestand versetzt würde. Von einem Eigenverschulden kann – wie bereits im Hinweisbeschluss ausgeführt – nicht
ausgegangen werden, da insoweit das Landgericht für den Senat bindend festgestellt hat, dass dem Kläger zeitgleich mit
den falschen Auskünften des Zeugen B. die schriftlichen Vertragsbedingungen nicht vorgelegen haben.
Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 97 ZPO.
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 76.387,39 € festgesetzt.
Weiss Schwager-Wenz Zeitler-Hetger