Urteil des OLG Karlsruhe vom 07.12.2016

grundstück, anschlussberufung, eigentum, miteigentümer

OLG Karlsruhe Beschluß vom 7.12.2016, 9 U 135/15
Unterlassungsanspruch des Grundstückseigentümers bei Beeinträchtigungen durch parkende
Fahrzeuge
Leitsätze
1. Wenn parkende Fahrzeuge teilweise über die Grenze eines Parkplatzgrundstücks hinaus geraten, wird das
Eigentum am Nachbargrundstück gestört. Der Nachbar kann Unterlassung verlangen; auf die Frage, ob ihm
konkrete Nachteile bei der Nutzung des eigenen Grundstücks entstehen, kommt es nicht an.
2. Gehen die Störungen von parkenden Fahrzeugen auf einem Hotelparkplatz aus, kann der Nachbar den
Grundstückseigentümer, der den Parkplatz an den Hotelbetreiber vermietet hat, als mittelbaren
Handlungsstörer in Anspruch nehmen.
3. Eine bewegliche Kette an der Grundstücksgrenze ist in der Regel nicht geeignet, zu verhindern, dass
parkende Fahrzeuge die Kette verschieben und ein Stück auf das Nachbargrundstück geraten.
4. Im Einzelfall kann sich aus § 1004 Abs. 1 Satz 2 BGB ein Anspruch auf Durchführung baulicher Maßnahmen
ergeben, wenn nur auf diese Weise zukünftige Beeinträchtigungen des Nachbargrundstücks zuverlässig
verhindert werden können.
Hinweis: Die Berufung der Klägerin wurde mit weiterem Beschluss des Senats vom 07.12.2016
zurückgewiesen.
Tenor
1. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Landgerichts Konstanz vom 27.05.2015 - 4 O 186/13 M - wird
zurückgewiesen.
2. Die Kosten des Berufungsverfahrens werden gegeneinander aufgehoben.
3. Das Urteil des Landgerichts ist für beide Parteien ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.
4. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf
5.000,00 EUR
festgesetzt.
Gründe
1 Die Zurückweisung der Berufung beruht auf § 522 Abs. 2 ZPO. Der Senat ist einstimmig davon überzeugt,
dass die Berufung keine Aussicht auf Erfolg hat. Die in § 522 Abs. 2 Ziff. 2, 3 und 4 ZPO genannten
Gesichtspunkte stehen einer Zurückweisung durch Beschluss nicht entgegen. Zur weiteren Begründung
verweist der Senat auf die den Parteien bekannten Ausführungen im Beschluss vom 05.09.2016. Auf diesen
Beschluss wird auch wegen des Sachverhalts verwiesen (vgl. I der Gründe im Beschluss vom 05.09.2016).
2 Aus der Stellungnahme der Klägerin vom 30.11.2016 ergeben sich gegenüber den Ausführungen im
Beschluss vom 05.09.2016 keine neuen entscheidungserheblichen Gesichtspunkte, die zu einer
abweichenden Beurteilung führen könnten. Ergänzend weist der Senat zu den Ausführungen im Schriftsatz
des Kläger-Vertreters auf Folgendes hin:
3 1. Für den sich aus dem Eigentum ergebenden Anspruch der Beklagten aus § 1004 Abs. 1 S. 2 BGB kommt
es nicht darauf an, ob und inwieweit den Beklagten durch die beanstandeten Eigentumsverletzungen
konkrete Nachteile entstanden sind oder in der Zukunft entstehen können. Die Beklagten können als
Eigentümer (bzw. Miteigentümer) der betreffenden Grundstücke mit ihrem Eigentum nach Belieben
verfahren. Sie können daher auch die Unterlassung solcher Störungen verlangen, die der Klägervertreter als
„formale Grenzverletzung“ bezeichnet.
4 2. Die Beklagten können den Unterlassungsanspruch auch für das Grundstück Flst.-Nr. .../... geltend
machen.
5 a) Es reicht für den Anspruch aus, dass die Beklagten Miteigentümer des fraglichen Grundstücks sind.
Gemäß § 1011 BGB kommt es auf eine Zustimmung oder Mitwirkung der anderen Miteigentümer bei der
Geltendmachung des Anspruchs nicht an.
6 b) Es kommt nicht darauf an, ob in der Vergangenheit Eigentumsstörungen nur auf dem Grundstück Flst.-Nr.
.../... stattgefunden haben, oder auch auf dem Grundstück Flst.-Nr. .../... . Wie der Senat bereits im Beschluss
vom 05.09.2016 (II 4. b) ausgeführt hat, ergibt sich auch aufgrund der örtlichen Situation aus einer Störung
des Eigentums für das Grundstück Flst.-Nr. .../... die Gefahr einer gleichartigen Störung für das benachbarte
Grundstück Flst.-Nr. .../..., was den Anspruch auch für dieses Grundstück legitimiert.
7 3. Entgegen der Auffassung der Klägerin ist die Gefahr, dass Fahrzeuge vom klägerischen Grundstück
teilweise auf die benachbarten Grundstücke der Beklagten geraten, durch das Anbringen einer Kette nicht
beseitigt. Der Senat nimmt Bezug auf die Ausführungen im Beschluss vom 05.09.2016 (II 4. c, d und e).
8 a) Es kommt aus den im Beschluss vom 05.09.2016 angegebenen Gründen nicht darauf an, ob sich für die
Zeit nach dem Anbringen der Kette noch weitere Eigentumsstörungen nachweisen lassen. Es reicht aus,
dass die Kette - aus den vom Senat im früheren Beschluss angegebenen Gründen - nicht geeignet ist,
zukünftige Störungen zuverlässig zu beseitigen. Dies wird vom Kläger-Vertreter im Schriftsatz vom
30.11.2016 indirekt eingeräumt, wenn ein „psychologischer Effekt“ der Kette hervorgehoben wird.
9 b) Es mag sein, dass man hinsichtlich der Wirkung der Kette zu einer abweichenden Einschätzung gelangen
könnte, wenn nachgewiesen wäre, dass über einen Zeitraum von vier Jahren nach dem Anbringen der Kette
es in keinem einzigen Fall zu einer Grenzverletzung durch ein auf dem klägerischen Grundstück abgestelltes
Fahrzeug gekommen wäre. Dies ist jedoch streitig. Eine sichere Feststellung ist nicht möglich. Daher bleibt
es aus den im Beschluss vom 05.09.2016 angeführten Gründen bei der Einschätzung des Senats, dass die
Kette kein geeignetes Mittel ist, um Eigentumsstörungen zu verhindern.
10 4. Mit der Zurückweisung der Berufung verliert die Anschlussberufung ihre Wirkung (§ 524 Abs. 4 ZPO).
Eine Entscheidung des Senats über die mit der Anschlussberufung geltend gemachten Anträge kommt daher
nicht mehr in Betracht.
11 5. Die Kostenentscheidung im Berufungsverfahren beruht auf § 92 Abs. 1 ZPO. Die durch die
Anschlussberufung verursachten Kosten fallen den Beklagten zur Last (vgl. die Entscheidung des Senats
vom 11.05.2007 - 9 U 240/06 -, zitiert nach Juris; Zöller/Heßler, Zivilprozessordnung, 31. Aufl. 2016, § 524
ZPO Rdnr. 44).
12 6. Das Urteil des Landgerichts ist gem. § 708 Ziff. 10 Satz 2 ZPO ohne Sicherheitsleistung vorläufig
vollstreckbar.
13 7. Die Festsetzung des Streitwerts für das Berufungsverfahren beruht auf § 3 ZPO. Der Senat setzt den
Wert sowohl für die Berufung als auch für die Anschlussberufung auf jeweils 2.500,00 EUR an. Für den Wert
der Berufung ist das Interesse der Klägerin an der Abänderung der erstinstanzlichen Entscheidung
maßgeblich. Dieses ist nach Auffassung des Senats höher anzusetzen als das - für die erstinstanzliche
Streitwertfestsetzung maßgebliche - Interesse der Beklagten, welches sie mit ihrem Widerklageantrag
verfolgt haben.