Urteil des OLG Karlsruhe vom 27.09.2016

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OLG Karlsruhe Urteil vom 27.9.2016, 8 U 93/14
Leitsätze
Zur Abrechnung eines vorzeitig aus wichtigem Grund fristlos gekündigten Leasingvertrages bei Verletzung des
dem Leasingnehmer eingeräumten Drittkäuferbenennungsrechts.
Tenor
I. Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Landgerichts Mannheim vom 16. Mai 2014 - 8 O 204/11 -
im Kostenpunkt aufgehoben und im Übrigen wie folgt geändert:
1. Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 9.614,65 EUR nebst Zinsen p.a. hieraus in Höhe von
fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 25. September 2010 zu zahlen.
2. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
II. Die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen.
III. Von den Kosten des Rechtsstreits in erster Instanz haben die Klägerin 32% und der Beklagte 68% zu tragen.
Von den Kosten des Rechtsstreits in der Berufungsinstanz haben die Klägerin 30% und der Beklagte 70% zu
tragen.
IV. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
V. Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
1 (abgekürzt gemäß § 540 Abs. 2, § 313a Abs. 1 Satz 1 ZPO)
I.
2 Die Berufung des Beklagten ist zulässig und hat in der Sache teilweisen Erfolg.
3 1. Zunächst ist jedoch der Klägerin insoweit zuzustimmen, als sie die Rechtsauffassung vertritt, dass bei
einem Leasingvertrag mit Kilometerabrechnung eine Restwertabrechnung nicht stattfindet (vgl. BGH,
Urteile vom 9. Mai 2001 - VIII ZR 208/00 -, juris, Rn. 23, vom 14. Juli 2004 - VIII ZR 367/03 -, juris, Rn. 19
und vom 14. November 2012 - VIII ZR 22/12 -, juris, Rn. 24), Verwertungsrisiko und Verwertungschance
allein beim Leasinggeber liegen und dieser nicht verpflichtet ist, den Leasingnehmer an einem durch
Veräußerung des Fahrzeugs nach Vertragsablauf erzielten Gewinn zu beteiligen (vgl. BGH, Urteil vom 24.
April 2013 - VIII ZR 265/12 -, juris, Rn. 14).
4 Da diese vertragliche Risikoverteilung auch bei der Berechnung des Schadens beibehalten werden muss, den
der Leasingnehmer nach einer von ihm veranlassten außerordentlichen Kündigung des Leasingvertrages
durch den Leasinggeber diesem zu ersetzen hat, weil nach dem allgemeinen Grundsatz des
Schadensersatzrechts bei einem Schadensersatzanspruch wegen Nichterfüllung eines Vertrages der
Berechtigte so zu stellen ist, wie er bei ordnungsgemäßer Vertragsdurchführung gestanden hätte (vgl. BGH,
Urteil vom 14. Juli 2004, a.a.O., Rn. 21), spricht alles dafür, dass in Allgemeinen Geschäftsbedingungen eines
Leasingvertrages mit Kilometerabrechnung enthaltene, nur bei vorzeitiger - nicht hingegen bei regulärer -
Vertragsbeendigung einen Restwertausgleich vorsehende Klauseln entweder gemäß § 305c Abs. 1 BGB
schon nicht Vertragsbestandteil werden (vgl. BGH, a.a.O., Rn. 4 bis 6 und 18; OLG Oldenburg, Urteil vom 2.
Juni 2003 - 15 U 29/03 -, juris, Rn. 5) oder aber jedenfalls nach § 307 Abs. 1 BGB wegen unangemessener
Benachteiligung des Leasingnehmers unwirksam sind (vgl. BGH, a.a.O., Rn. 4 bis 6 und 17; OLG Oldenburg,
a.a.O.) - und die Klausel „XV. Abrechnung nach Kündigung gemäß Abschnitten XIV oder X Ziffer 6“ der
Allgemeinen Geschäftsbedingungen des hier zu beurteilenden Leasingvertrages [Anlage K 1] dieses Schicksal
teilt.
5 2. a) Allerdings hat der Beklagte jedenfalls mit Schriftsatz vom 4. August 2016 deutlich gemacht, dass er
den von der Rechtsvorgängerin der Klägerin vorzeitig aus wichtigem Grund fristlos nach Abschnitt XIV der
Allgemeinen Geschäftsbedingungen gekündigten Leasingvertrag [Anlage K 1] nach der - unwirksamen -
Klausel XV
6
„XV. Abrechnung nach Kündigung gemäß Abschnitten XIV oder X Ziffer 6
7
1. Wurde der Leasingvertrag gemäß Abschnitt XIV gekündigt, so hat der Leasinggeber folgende Rechte
8
- Anspruch auf Herausgabe des Fahrzeuges sofort nach Vertragsende
- Anspruch auf Leasingentgelt bis zur Rückgabe des Fahrzeuges unter Berücksichtigung von Ziffer 5 beim
Service-Leasing
- Anspruch auf den Abrechnungswert
9
Der Abrechnungswert ergibt sich aus der Summe der vom Zeitpunkt der vorzeitigen Vertragsbeendigung bis
zum vereinbarten Vertragsende noch ausstehenden Leasingraten (ohne die auf etwaige
Servicekomponenten entfallenden Ratenanteile) zuzüglich des vertraglich vereinbarten Restwertes.
Ersparte Finanzierungskosten werden hierbei berücksichtigt und kommen dem Leasingnehmer zugute, in
dem die vorgeschriebenen Leasingraten und der Restwert auf den Zeitpunkt der vorzeitigen
Vertragsbeendigung abgezinst werden.
10 Die Abzinsung erfolgt zu dem Zinssatz, der dem Refinanzierungssatz bei Vertragsbeginn entspricht.
Abgezinst werden jeweils nur die Netto-Werte (ohne Umsatzsteuer).
11 2. Der Leasinggeber lässt durch einen öffentlich bestellten und vereidigten Sachverständigen oder ein
unabhängiges Sachverständigenunternehmen den Schätzwert des Fahrzeuges (Händlereinkaufswert)
feststellen. Dieser Schätzwert wird zusammen mit dem Abrechnungswert dem Leasingnehmer schriftlich
mitgeteilt. Gleichzeitig wird dem Leasingnehmer die Möglichkeit eingeräumt, innerhalb von zwei Wochen ab
Zugang der Mitteilung dem Leasinggeber einen Kaufinteressenten zu benennen, der innerhalb einer Woche
ab Benennung das Fahrzeug zu einem über dem Schätzwert zuzüglich Umsatzsteuer liegenden Kaufpreis
abnimmt und bezahlt. Dem Leasinggeber bleibt es unbenommen, das Fahrzeug zu einem höheren als dem
vom Kaufinteressenten gebotenen Kaufpreis anderweitig zu veräußern. Der Kaufpreis (ohne Umsatzsteuer)
wird nach Abzug der Kosten für die Schätzung bis zur Höhe des Abrechnungswertes angerechnet. Eine
Restforderung ist mit Zugang der Abrechnung zur Zahlung fällig.
12 3. Nach Ablauf der Frist gem. Ziffer 2 Abs. 2 wird dem Leasingnehmer, sofern der Leasinggeber das
Fahrzeug nicht unverzüglich verwerten kann, vorab die Differenz zwischen Abrechnungswert und
Schätzwert vorläufig in Rechnung gestellt. Nach Verwertung des Fahrzeuges wird dem Leasingnehmer mit
der endgültigen Abrechnung der Unterschiedsbetrag zwischen dem Abrechnungswert und dem tatsächlich
erzielten Verkaufserlös berechnet bzw. vergütet. Der Leasinggeber hat bei der Verwertung des Fahrzeuges
die verkehrsübliche Sorgfalt zu beachten.
13 4. …
14 5. … .“
15 abgerechnet wissen will, und zutreffend darauf hingewiesen, dass die Rechtsvorgängerin der Klägerin diese
Allgemeine(n) Geschäftsbedingung(en) stellte und sich der Verwender Allgemeiner Geschäftsbedingungen
und sein Rechtsnachfolger nicht auf deren Unwirksamkeit berufen können (vgl. BGH, Urteile vom 4.
Dezember 1997 - VII ZR 187/96-, juris, Rn. 21 und vom 2. April 1998 - IX ZR 79/97 -, juris, Rn. 23; OLG
Düsseldorf, Urteil vom 30. Oktober 2001 - 24 U 44/01 -, juris, Rn. 82 ff.; Grüneberg, in: Palandt, BGB, 75.
Aufl. 2016, § 306 Rn. 5).
16 b) Kommt es somit für die Abrechnung des Leasingvertrages auf diese Klausel an, erlangen der im
Leasingvertrag [Anlage K 1] mit 6.555,00 EUR (23% des Kaufpreises von 28.500,00 EUR) vereinbarte
Restwert und das dem Beklagten als Leasingnehmer eingeräumte Drittkäuferbenennungsrecht Bedeutung.
17 Da die Rechtsvorgängerin der Klägerin gegen die Verpflichtung verstieß, dem Beklagten als Leasingnehmer
die Benennung eines Käufers zu ermöglichen, hat sie - vor dem Hintergrund der Verpflichtung des
Leasinggebers zur bestmöglichen Verwertung der zurückgegebenen Leasingsache (vgl. BGH, Urteil vom 14.
Juli 2004, a.a.O., Rn. 17 m.w.N.) - den Beklagten im Wege des Schadensersatzes (§ 280 Abs. 1 BGB) so zu
stellen, wie er stünde, wenn das Fahrzeug zum Verkehrswert (Händlerverkaufspreis) veräußert worden
wäre (vgl. OLG Dresden, Urteil vom 11. November 1998 - 8 U 3066/97 -, juris, Rn. 33 ff.; LG Halle, Urteil
vom 20. September 2002 - 1 S 279/01 -, juris, Rn. 10; LG Frankfurt am Main, Urteil vom 5. Juli 2007 - 2-27
O 495/05 -, BeckRS 2007, 11849). Es ist nämlich gemäß § 287 ZPO anzunehmen, dass sich dieser Preis
hätte erzielen lassen, wenn dem Beklagten Gelegenheit zur Drittkäuferbenennung gegeben worden wäre.
Infolgedessen darf bei Zugrundelegung der Klausel XV der Allgemeinen Geschäftsbedingungen des
gekündigten Leasingvertrages [Anlage K 1] nicht so abgerechnet werden, wie es die Klägerin
18 - mit
22.371,96 EUR Konkret berechnetes Erfüllungsinteresse
- 363,51 EUR
Ersparte Verwaltungskosten
- 8.465,00 EUR Fahrzeugwert zum Zeitpunkt der Rückgabe
+ 20,00 EUR
Rückbelastungsspesen
+ 110,00 EUR
Gutachterkosten
+ 901,54 EUR
Rückständige Bruttoleasingraten
_____________
14.574,99 EUR -
19 auf den Seiten 6 und 7 ihres Schriftsatzes vom 6. September 2013 - fiktiv - getan hat. Vielmehr ist,
nachdem der Sachverständige Dipl.-Ing., Dipl.-Wirtsch.-Ing. (FH) K in seinem vom Landgericht beauftragten
Gutachten vom 3. Mai 2012 (Netto-)Händlerverkaufswerte von 13.650,00 EUR (Audatex/Schwacke-System)
und 16.680,67 EUR (DAT-System) ermittelt hat, der Mittelwert dieser Werte 15.165,34 EUR beträgt (zur
Mittelwertbildung vgl. LG Itzehoe, Urteil vom 11. Oktober 2007 - 7 O 54/06 -, juris, Rn. 48) und hiervon
noch ein Instandsetzungsaufwand von 1.740,00 EUR in Abzug zu bringen ist (vgl. Seite 8 des vorgenannten
Sachverständigengutachtens), statt eines Fahrzeugwerts von 8.465,00 EUR ein Betrag von 13.425,34 EUR
(15.165,34 EUR - 1.740,00 EUR) zugunsten des Beklagten in Ansatz (Abzug) zu bringen, so dass die
Klägerin vom Beklagten in der Hauptsache lediglich die Zahlung von
20 22.371,96 EUR
Konkret berechnetes Erfüllungsinteresse
- 363,51 EUR
Ersparte Verwaltungskosten
- 13.425,34 EUR Verkehrswert/Händlerverkaufswert
+ 20,00 EUR
Rückbelastungsspesen
+ 110,00 EUR
Gutachterkosten
+ 901,54 EUR
Rückständige Bruttoleasingraten
_____________
9.614,65 EUR
21 verlangen kann.
22 Der Senat teilt nicht die Rechtsansicht des Prozessbevollmächtigten der Klägerin, dass für die Bemessung
des Verkehrswerts/Händlerverkaufswerts ausschließlich die Berechnung nach dem Audatex/Schwacke-
System maßgeblich sei und deswegen allenfalls ein Händlerverkaufswert von 13.650,00 EUR in Ansatz
gebracht werden könne, und bezieht deswegen - im Wege der Mittelwertbildung - auch die Wertermittlung
des Sachverständigen nach dem DAT-System in die Schadensschätzung nach § 287 ZPO mit ein.
23 § 287 ZPO ist anwendbar, weil es nicht um „Vorteilsausgleich“ geht, sondern um die Feststellung der Höhe
des Schadens, der dem Beklagten durch die Verletzung des Drittkäuferbenennungsrechts durch die
Rechtsvorgängerin der Klägerin entstanden ist.
24 Der Prozessbevollmächtigte der Klägerin hat in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat zutreffend
darauf hingewiesen, dass - entsprechend den Ausführungen des Sachverständigen auf Seite 8 des
vorbezeichneten Gutachtens vom 3. Mai 2012 - vom jeweiligen Netto-Fahrzeugwert ein Betrag von
1.740,00 EUR wegen vorhandener Fahrzeugschäden abgezogen werden muss. Normale Gebrauchsspuren
haben hingegen schon im Rahmen der Mittelwertbildung Berücksichtigung gefunden, weil anzunehmen ist,
dass der gebildete Mittelwert den Verkehrswert am ehesten treffen wird (vgl. Gutachten vom 3. Mai 2012,
Seite 8).
25 Lediglich 90% des Verkehrswerts/Händlerverkaufswerts zugunsten des Beklagten in Abzug zu bringen (vgl.
OLG Düsseldorf, Urteile vom 30. März 2004 - I-24 U 193/03, 24 U 193/03 -, juris, Rn. 26 und vom 7. Juni
2005 - I-24 U 235/04, 24 U 235/04 -, juris, Rn. 13; LG Itzehoe, a.a.O., Rn. 47), kommt nicht in Betracht,
weil nach Abschnitt XV Nr. 2 Satz 5 der „Kaufpreis“ (ohne Umsatzsteuer) nach Abzug der Kosten für die
Schätzung anzurechnen ist, der „Kaufpreis“ (ohne Umsatzsteuer) bei verständiger Auslegung der Klausel
nach dem Verständnis eines durchschnittlichen Vertragspartners der Rechtsvorgängerin der Klägerin im
Schadensfall infolge der Verletzung des Drittkäuferbenennungsrechts durch den (Netto-
)Händlerverkaufswert zu ersetzen ist und die Schätzkosten - mit 110,00 EUR („Gutachterkosten“) - in der
Rechnung bereits gesondert Berücksichtigung gefunden haben.
26 3. Entgegen der Ansicht des Beklagten kann ein höherer Verkehrswert (Händlerverkaufswert) als
vorstehend unter 2 b angenommen, nicht berücksichtigt werden, in Sonderheit nicht mit dem Argument,
dass dem Beklagten, wäre von der Rechtsvorgängerin der Klägerin nicht gegen das
Drittkäuferbenennungsrecht verstoßen worden, mehr Zeit geblieben wäre, noch Schäden am Fahrzeug zu
beseitigen und dadurch den Verkehrswert (Händlerverkaufswert) zu erhöhen. Denn mit der fristlosen
Kündigung erlosch das Besitzrecht des Beklagten (Leasingnehmer) am Fahrzeug (vgl. Reinking/Eggert, Der
Autokauf, 12. Aufl. 2014, Rn. L 773). Das Fahrzeug war sofort an die Rechtsvorgängerin der Klägerin
herauszugeben (Abschnitt XV Nr. 1 erster Spiegelstrich der dem Leasingvertrag zugrunde liegenden
Allgemeinen Geschäftsbedingungen). Der Beklagte hatte kein Recht, es von der Rechtsvorgängerin der
Klägerin - vorübergehend, zur Durchführung von Reparaturen - nochmals zurückzubekommen.
27 Außerdem hat die verletzte Vertragsbestimmung (Abschnitt XV Nr. 2 Satz 3 der Allgemeinen
Geschäftsbedingungen - Drittkäuferbenennungsrecht) nicht den Zweck, dem Leasingnehmer
Fahrzeugreparaturen zu ermöglichen. Dass der Beklagte solche nicht mehr durchführen konnte, liegt folglich
außerhalb des Schutzzwecks der Vertragsbestimmung (vgl. Oetker, in: MünchKomm-BGB, 7. Aufl. 2016, §
249 Rn. 120 bis 123), weswegen die Klägerin auch aus diesem Grund insoweit nicht schadensersatzpflichtig
ist.
28 Im Übrigen hatte die Rechtsvorgängerin der Klägerin dem Beklagten im Kündigungsschreiben vom 15. Juli
2010 [Anlage K 6] für die Rückgabe des Fahrzeugs sieben Tage Zeit gegeben. Während dieser Zeit hätte der
Beklagte das Fahrzeug in Ordnung bringen (lassen), zumindest jedoch entsprechende Reparaturaufträge
erteilen können. Diese - ihm überobligatorisch gebotene - Gelegenheit ließ er jedoch ungenutzt.
II.
29 Der Zinsanspruch ergibt sich aus Verzug (§ 280 Abs. 2, § 286 Abs. 1 Satz 1, § 288 Abs. 1). Die
Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 1 Satz 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige
Vollstreckbarkeit folgt aus § 708 Nr. 10, §§ 711, 713 ZPO. Gründe für die Zulassung der Revision nach § 543
Abs. 2 Satz 1 ZPO bestehen nicht.