Urteil des OLG Karlsruhe vom 11.10.2016

sicherheitsleistung, zwangsvollstreckung, rückzahlung, vollstreckbarkeit

OLG Karlsruhe Entscheidung vom 11.10.2016, 8 U 102/16
Leitsätze
Im Falle der Verurteilung zur Stellung einer Bauhandwerkersicherung bemisst sich die nach § 709 Satz 1 ZPO
zu bestimmende Sicherheit grundsätzlich nach dem Betrag der ausgeurteilten Sicherheit nebst Kostenzuschlag
und möglicher weiterer Vollstreckungsschäden; auf die Wahrscheinlichkeit des Eintritts des Sicherungsfalles
kommt es nicht an (Abweichung von Hanseatisches Oberlandesgericht Hamburg, Teilurteil vom 23.10.2015 - 9
U 91/15 -, juris Rn. 5-9).
Tenor
1. Das Urteil des Landgerichts Mosbach vom 18.05.2016 (1 O 271/15) wird hinsichtlich der
Vollstreckbarkeitsentscheidung in Nr. 3 wie folgt abgeändert:
Das Urteil ist bezüglich der Stellung der Sicherheit gemäß § 648a BGB gegen Sicherheitsleistung in
Höhe von 205.920,69 EUR, im Übrigen (hinsichtlich der Kosten) gegen Sicherheitsleistung in Höhe von
110 % des zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
2. Die Kostenentscheidung bleibt der die Instanz abschließenden Entscheidung vorbehalten.
Gründe
1 - gemäß §§ 540 Abs. 2, 313a Abs. 1 S. 1 ZPO ohne Sachverhaltsdarstellung -
2 Der Antrag der Klägerin vom 25.07.2016, die Vollstreckbarkeitsentscheidung des landgerichtlichen Urteils
dahingehend zu ändern, dass die Vollstreckung bezüglich der Verurteilung zur Stellung der Sicherheit von
einem zu beziffernden Betrag abhängig gemacht wird, ist zulässig und begründet.
I.
3 Der Antrag der Klägerin ist zulässig.
4 Der Antrag nach § 718 Abs. 1 ZPO soll die Korrektur einer vorinstanzlichen fehlerhaften Entscheidung über
die vorläufige Vollstreckbarkeit vor zweitinstanzlicher Sachentscheidung ermöglichen und ist im Rahmen der
durch die Beklagte eingelegten zulässigen Berufung möglich. Er setzt keine eigene Berufung oder
Anschlussberufung der antragsstellenden Partei voraus (vgl. Zöller/Herget, ZPO, 31. Auflage, § 718 Rn. 2
m.w.N.). Ausreichend, aber auch erforderlich ist vielmehr das Vorliegen einer zulässigen Berufung. Das ist
hinsichtlich der Berufung der Beklagten unproblematisch der Fall. Die von der Beklagten aufgeworfenen
Rechtsfragen zur Zulässigkeit der Berufung der Klägerin stellen sich daher nicht. Mit ihrer „Berufung“
verfolgt die Klägerin einzig den Antrag nach § 718 Abs. 1 ZPO innerhalb der zulässigen Berufung der
Beklagten.
5 Der Antrag der Klägerin ist entgegen der Auffassung der Beklagten nicht rechtsmissbräuchlich. Solches folgt
nicht daraus - wie die Beklagte fälschlich meint -, dass die Klägerin die Zwangsvollstreckung gegen die
Beklagte gemäß § 845 ZPO betreibt.
II.
6 Der Antrag ist begründet.
7 1. Das Landgericht hat das Urteil undifferenziert gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils
zu vollstreckenden Betrages für vorläufig vollstreckbar erklärt und damit insgesamt § 709 S. 2 ZPO
angewendet (siehe LGU 5). Das ist in Ansehung der Kostenentscheidung richtig, weil es insoweit um eine
Geldforderung geht. Hingegen findet diese Regelung bei einer Verurteilung zu einer
Bauhandwerkersicherung nach §§ 648a, 232 BGB keine Anwendung. Eine solche Verurteilung führt nämlich
nicht (unmittelbar) zu einer Vollstreckung einer Geldforderung, sondern zu einer Vollstreckung wegen
Nichterfüllung einer vertretbaren Handlung, so dass nach § 887 ZPO vollstreckt werden kann (vgl. etwa
Kniffka/Koeble, Kompendium des Baurechts, 4. Auflage, 10. Teil Rn. 179 m.w.N.). Gemäß § 709 S. 1 ZPO ist
das Urteil insoweit gegen eine der Höhe nach zu bestimmende Sicherheit für vorläufig vollstreckbar zu
erklären.
8 2. Die Höhe der Sicherheit folgt aus dem Zweck der Sicherheitsleistung. Die nach § 709 S. 1 ZPO zu
bestimmende Sicherheit hat die Aufgabe, den für den Fall der Abänderung des erstinstanzlichen Urteils
gegebenen Schadensersatzanspruch aus § 717 Abs. 2 ZPO abzusichern. Die Sicherheit darf auf keinen Fall
zu niedrig bemessen werden, da ihre Höhe innerhalb der Instanz wegen § 318 ZPO unabänderlich ist (vgl.
Zöller/Herget, ZPO a.a.O., § 709 Rn. 3).
9 Die Verpflichtung des Schuldners, eine Sicherheit nach §§ 648a, 232 ff. BGB zu stellen, kann aus
wirtschaftlich vernünftiger Sicht regelmäßig nur dadurch vollstreckt werden, dass sich der Gläubiger nicht
nur gemäß § 887 Abs. 1 ZPO von dem Vollstreckungsgericht ermächtigen lässt, auf Kosten des Schuldners
die zu stellende Sicherheit durch Hinterlegung von Geld zu leisten, sondern dass er zugleich die Verurteilung
des Schuldners zur Vorauszahlung der hierdurch entstehenden Kosten gemäß § 887 Abs. 2 ZPO erwirkt.
Das bedeutet, dass die Sicherheitsleistung so zu bemessen ist, dass hieraus die Rückzahlung des
beigetriebenen (oder zur Abwendung der Zwangsvollstreckung gezahlten) Betrages an den Schuldner,
zuzüglich eines Schadensbetrages für die aus dem geschöpften Geld entgangenen Nutzungen, gewährleistet
ist.
10 Dem kann nicht entgegengehalten werden, der Schuldner könne zur Abwendung der Zwangsvollstreckung
die Sicherheit gemäß § 648a BGB stellen, was im Falle der Abänderung der erstinstanzlichen Entscheidung
zu einem wesentlich geringeren Schaden führen würde (Kosten eines Verfahrens auf Herausgabe bzw.
Kraftloserklärung der Bürgschaftsurkunde; Avalzinsen). Denn dies liefe auf den vorweggenommenen und
unberechtigten Vorwurf eines Mitverschuldens (§ 254 BGB) hinaus. Die Nichtleistung der vorläufig
vollstreckbaren Handlung durch den Titelschuldner stellt sich nicht als im Rahmen von § 717 Abs. 2 ZPO, §
254 BGB zu berücksichtigendes Mitverschulden dar. Denn der Vollstreckungsgläubiger trägt aufgrund der
Gefährdungs-/Garantiehaftung nach § 717 Abs. 2 ZPO grundsätzlich das volle Schadensrisiko bei einer
Vollstreckung aus einem lediglich vorläufig vollstreckbaren Titel (vgl. OLG Düsseldorf, BauR 2015, 271, juris
Rn. 94).
11 Entgegen der Auffassung der Klägerin rechtfertigt die Tatsache, dass das einmal hinterlegte Geld risikolos
zur Rückzahlung zur Verfügung steht, eine andere Beurteilung nicht. Die Klägerin übersieht, dass die
Verurteilung nach § 887 Abs. 2 ZPO auf Zahlung an den Gläubiger gerichtet ist, dieser also den
entsprechenden Geldbetrag beim Schuldner beitreiben kann. Auf den so erlangten Betrag könnten Gläubiger
des Gläubigers zugreifen. Nach der Konzeption des § 709 ZPO ist die Höhe der zu leistenden Sicherheit
unbeschadet der Wahrscheinlichkeit des Eintritts des Sicherungsfalles zu bestimmen (a.A. Hanseatisches
Oberlandesgericht Hamburg, Teilurteil vom 23.10.2015 - 9 U 91/15 -, juris Rn. 5 - 9).
12 Die Höhe der Sicherheit bemisst sich nach allem nach dem Betrag der ausgeurteilten Sicherheitsleistung
nebst Kostenzuschlag und möglicher weiterer Vollstreckungsschäden, mithin in Höhe von (geschätzten) 110
% des Betrages der ausgeurteilten Sicherheitsleistung (vgl. LG Hagen [Westfalen], Urteil vom 27.07.2010 -
21 O 83/10 -, juris).
13 3. Die Kostenentscheidung ist der die Instanz abschließenden Entscheidung vorzubehalten.
14 Einer Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit bedarf es nicht (vgl. Hanseatisches
Oberlandesgericht, a.a.O., Rn. 11 m.w.N.).