Urteil des OLG Karlsruhe vom 07.12.2016

umkehr der beweislast, anhörung, komplikationen, behandlungsfehler

OLG Karlsruhe Urteil vom 7.12.2016, 7 U 66/14
Tenor
1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Landgerichts Heidelberg vom 26.03.2014, Az. 4 O 149/11,
wird zurückgewiesen.
2. Der Kläger hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
3. Das Urteil und das in Ziffer 1 genannte Urteil des Landgerichts Heidelberg sind ohne Sicherheitsleistung
vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des
aufgrund der Urteile vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagten vor der Vollstreckung
Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags leisten.
Gründe
I.
1
Der Kläger nimmt die Beklagten – im Berufungsrechtszug nur noch die Beklagten zu 1 und 2 – nach einer
Prostata-Laserung auf Schmerzensgeld und Schadensersatz in Anspruch.
2
Der 1952 geborene Kläger, ein promovierter Arzt und niedergelassener Allgemeinmediziner, litt an benigner
Prostatahyperplasie. Er befand sich aus diesem Grund bei dem Urologen Dr. M. in M. in Behandlung. Mit E-
Mail vom 16.02.2008 teilte er den Beklagten mit, dass er für den Herbst eine Prostataoperation plane und
bat um Mitteilung der Anmeldemodalitäten. Der Kläger war durch Hinweise in der Fachpresse auf die
urologische Privatpraxis der Beklagten aufmerksam geworden.
3
Am 29.09.2008 begab sich der Kläger in die Behandlung bei den Beklagten. Dort wurde ein
Aufklärungsgespräch geführt, in dessen Rahmen ein Patientenaufklärungsbogen vom Kläger und dem
Beklagten zu 2 unterzeichnet wurde. An diesem Tag wurde ferner ein schriftlicher Behandlungsvertrag über
eine Greenlight-Laser-Behandlung von dem Beklagten zu 1 und dem Kläger unterzeichnet. Inhalt und
Umfang des Aufklärungsgesprächs sind zwischen den Parteien streitig.
4
Die Greenlight-Laser-Behandlung wurde am 30.09.2008 von dem Beklagten zu 1 durchgeführt, wobei der
Beklagte zu 3 als Anästhesist beteiligt war.
5
Postoperativ stellten sich bei dem Beklagten zu einem zwischen den Parteien streitigen Zeitpunkt starke
Schmerzen im Unterleib ein. Am 15.10.2008 begab er sich deshalb in neurologische Behandlung bei Dr. G.,
der eine Irritation des N. genitofem. rechts vermutete (Anlage B 5 = I 221). Am 28. 10.2008 ließ er ein CT
des Beckens vornehmen, das ohne pathologischen Befund blieb (I 213). Am 30.10.2008 ließ er im
Krankenhaus W. eine Leistenhernie rechts operativ versorgen. Am 06.11.2008 begab sich der Kläger zur
Schmerztherapie bei dem Beklagten zu 3. Dort wurde eine Blockade des Nervus ilioinguinalis vorgenommen.
Eine weitere Behandlung bei den Beklagten erfolgte danach nicht mehr.
6
Eine Kernspintomografie der LWS und der ISG-Fugen (Anlage B 6) ergab keine Verschlechterung der
vorbekannten Spondylarthrose. Der Kläger ließ daraufhin in der Universitätsklinik M. am 18.11.2008 eine
Blasenspülung mit Kathetereinlage und eine Zystoskopie durchführen (OP-Bericht II 59). Bei einer
Endoskopie in der Universitätsklinik G. am 26.11.2008 wurden Nekrosen im Bereich des Prostatagewebes
entfernt und ein Spüldauerkatheter angelegt. Am 03.02.2009 ließ der Kläger in der Universitätsklinik G.
wiederum eine diagnostische Urethozystoskopie durchführen. Im Anschluss daran wurde dem Kläger ein
MRT zur Abklärung der knöchernen Strukturen empfohlen, das im März 2009 zur Verdachtsdiagnose einer
Schambeinfraktur rechts mit Symphysensprengung und Ödemen im Frakturbereich geführt hat (vgl.
Arztbrief Prof. R., Anlage B 7). Letztlich wurde in der Deutschen Klinik für Diagnostik eine Symphysitis bzw.
Ostitis pubis diagnostiziert (AH OLG 115 ff, keine Fraktur, 121). Diese Verletzung musste mit einer
Symphysiodese versorgt werden (OP-Bericht vom 26.08.2009, II 61). Bis zum April 2011 musste sich der
Kläger drei Revisionsoperationen unterziehen.
7
Der Kläger behauptet, die Behandlung durch die Beklagten sei fehlerhaft erfolgt. Eine Indikation zur
operativen Therapie habe nicht bestanden. Zuvor erforderliche Befunderhebung sei unterblieben. Eine
Restharnbildung bei einem Wert von weniger als 20 ml habe nicht vorgelegen.
8
Schon am Tag nach der Behandlung sei es zu einer akuten Schmerzsymptomatik beim Kläger in der
Beckenregion mit Ausstrahlung in die rechte Leiste gekommen, deren Ursache unklar gewesen sei. Bei
Durchführung der Laser-Behandlung seien Nachbarstrukturen wie Blase und Prostataloge offensichtlich
verletzt worden. Der von den Beklagten eingesetzte 120 Watt-Laser sei nicht hinreichend erprobt gewesen.
Dadurch sei eine monatelange 2-gradige Inkontinenz beim Kläger aufgetreten. Außerdem sei die
Knochenstruktur der Symphyse bzw. des Schambeins durch die Tiefenwirkung des Lasers verletzt worden.
Daraus resultierten akute, dann persistierende Schmerzen im Becken und der Leiste mit Gehbehinderung.
Diverse operative Versuche wie eine Leistenbruchoperation und Nervendurchtrennung hätten keine
Besserung erbracht. Es liege eine Osteitis pubis vor, die häufig beim nicht fachgerechten Einsatz eines 120-
W-Greenlightlasers auftrete. Die Endoskopie habe zu einer Laserkoagulation sehr nah im Bereich der
Schließmuskelzone geführt. Die Symphyse des Klägers habe verblockt werden müssen. Das während der
Operation eingesetzte Metall müsse im Körper verbleiben, wodurch lebenslange Einschränkungen der
Lebensqualität zu erwarten seien.
9
Die genannten Beschwerden des Klägers seien auf die fehlerhafte Behandlung bei den Beklagten
zurückzuführen. Eine andere Erklärung für das Auftreten der schweren Schäden beim Kläger sei nicht
vorhanden. Bei der regelgerechten Lasereinwirkung seien solch schwere Schäden nicht zu erwarten.
10 Der Kläger sei durch die Beklagten nicht über alternative Behandlungsmethoden ausreichend aufgeklärt
worden. Insbesondere hätte ihm die transurethrale Resektion der Prostata als Goldstandard erklärt werden
müssen. Zudem hätte der Beklagte zu 1 darauf hinweisen müssen, dass er für den Lasertyp HPS 120 W
zum Zeitpunkt der Operation noch keine Erfahrungen gehabt habe und es sich um ein neuartiges Verfahren
gehandelt habe.
11 Der Kläger hat erstinstanzlich beantragt:
12 1. Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an den Kläger aus der fehlerhaften Behandlung ab
September 2008 ein angemessenes Schmerzensgeld zu zahlen, dessen Höhe in das pflichtgemäße
Ermessen des Gerichts gestellt wird, mindestens jedoch 150.000,00 Euro nebst 5% Zinsen über dem
Basiszinssatz und zwar aus 125.000,00 Euro seit dem 01.06.2009, aus weiteren 25.000,00 Euro seit dem
16.05.2010.
13 2. Die Beklagten werden weiter als Gesamtschuldner verurteilt, an den Kläger weitere 166.704,17 Euro zu
zahlen, nebst 5% Zinsen über dem Basiszinssatz und zwar aus 95.841,91 Euro seit dem 16.05.2010, aus
weiteren 44.640,00 Euro seit dem 16.12.2010 und aus weiteren 26.222,26 Euro seit Rechtshängigkeit.
14 3. Es wird festgestellt, dass die Beklagten als Gesamtschuldner verpflichtet sind, dem Kläger sämtliche
künftigen immateriellen sowie alle weiteren vergangenen und künftigen materiellen Ansprüche, die ihm
infolge der fehlerhaften Behandlung ab September 2008 entstanden sind bzw. noch entstehen werden, zu
ersetzen, soweit diese Ansprüche nicht auf Sozialversicherungsträger oder sonstige Dritte übergegangen
sind bzw. übergehen werden.
15 Das Landgericht, auf dessen Urteil wegen des weiteren Sach- und Streitstands im ersten Rechtszug sowie
der getroffenen Feststellungen Bezug genommen wird, hat die Klage auf der Grundlage eines mündlich
erläuterten Protokoll vom 26.02.2014, I 609 f) Sachverständigengutachtens des Sachverständigen Prof. Bm.
vom 31.01.2013 (I 359) abgewiesen. Es hat weder Behandlungsfehler noch Aufklärungsmängel als erwiesen
angesehen.
16 Dagegen wendet sich der Kläger mit seiner Berufung, mit der er unter Wiederholung und Vertiefung eines
erstinstanzlichen Vorbringens seine erstinstanzlichen Anträge gegen die Beklagten zu 1 und 2 in vollem
Umfang weiter verfolgt. Der Kläger hat im zweiten Rechtszug insbesondere schriftliche Stellungnahmen der
von ihm beauftragten Sachverständigen Prof. S. vom 11.05.2014 (AH OLG 1 ff) und vom 04.01.2016 (II 423
f), Prof. A. vom 23.05.2014 (II 181) sowie Prof. Al. vom 24.06.2014 (AH OLG 75 f) und vom 17.12.2005 (II
415 f) vorgelegt, mit denen diese ihre jeweiligen erstinstanzlichen Gutachten (Prof. S. vom 08.08.2009,
Anlage K 1; ergänzende Stellungnahme vom 15.02.2013, AH I; Prof. A. vom 25.10.2010, Anlage K 2;
ergänzende Stellungnahme vom 27.02.2013, AH I; Prof. Al. vom 21.02.2011, Anlage K 3; ergänzende
Stellungnahme vom 28.02.2013, AH I) ergänzt haben.
17 Wegen des weiteren Sach- und Streitstands im zweiten Rechtszug und der dort gestellten Anträge wird auf
die gewechselten Schriftsätze und die Sitzungsniederschrift vom 02.11.2016 (II 509) verwiesen. Der Senat
hat wegen der von der Berufung gerügten Nähe des erstinstanzlichen Sachverständigen Prof. Dr. Bm. zu
dem Hersteller des Greenlight-Lasers ein weiteres schriftliches fachurologisches Gutachten des
Sachverständigen Prof. Dr. B. eingeholt, das der Sachverständige im Verhandlungstermin vom 02.11.2016
mündlich erläutert hat. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das schriftliche Gutachten
vom 06.11.2015 (Sonderband fachurologisches Gutachten – SB) und die Sitzungsniederschrift vom
02.11.2016 (II 509) Bezug genommen.
II.
18 Der zulässigen Berufung bleibt der Erfolg versagt. Der Kläger hat auch im Berufungsrechtszug den Nachweis
nicht zu führen vermocht, dass die nach der Prostata-Laserung eingetretenen Komplikationen auf eine
fehlerhafte Behandlung durch die Beklagten zurückzuführen sind. Eine defizitäre Aufklärung über die mit
der Behandlung verbundenen Risiken oder über Behandlungsalternativen liegt den Beklagten ebenfalls nicht
zur Last.
19 1. Zurecht hat das Landgericht den durchgeführten Eingriff als (relativ) indiziert angesehen. Insoweit kann
auf die zutreffenden Ausführungen der Vorinstanz Bezug genommen werden (LGU 14 f). Auch der im
Berufungsrechtszug hinzugezogene Sachverständige Prof. B. ist in Übereinstimmung mit Prof. Bm. (I 371; I
635) zu dem Ergebnis gelangt, dass die Indikation zur operativen Therapie fachgerecht gestellt wurde (SB 3
ff). Insbesondere war auch nach seiner Beurteilung in Anbetracht der schon seit längerem persistierenden
und progredienten Beschwerden sowie der erfolglosen medikamentösen Therapieversuche, die teilweise
wegen Unverträglichkeiten abgebrochen werden mussten, eine explizite Symptomquantifizierung nach dem
IPSS-Fragebogen entbehrlich (SB 6).
20 Durch die Privatsachverständigen des Klägers wird dieses Beweisergebnis nicht durchgreifend in Frage
gestellt. Prof. Al. hat sich in seinen verschiedenen Stellungnahmen nicht zur Frage der Operationsindikation
geäußert. Prof. A. lag, anders als den gerichtlich bestellten Sachverständigen, für seine Beurteilung nicht die
gesamte Behandlungsdokumentation von Dr. M., sondern nur dessen Arztbrief vom 04.07.2007 (I 211) vor
(Anlage K 2, S. 3). Im Übrigen hat auch Prof. A. zuletzt ausgeführt, dass es „in der Präferenz des
verantwortlichen Arztes liegt“, ob der IPSS-Fragebogen verwendet wird, oder die Informationen auf andere
Weise eruiert werden (II 193). Dies ist hier aber, wie der Sachverständige Prof. B. anhand der
Behandlungsunterlagen des Urologen Dr. M. nachvollziehen konnte, ausreichend geschehen (SB 4 f).
21 Auf dieser Grundlage ist der Sachverständige Prof. B. auch nachvollziehbar zu der Einschätzung gelangt,
dass eine explizite Symptomquantifizierung nach dem IPSS-Fragebogen vermutlich nicht zu einer Änderung
des Therapieregimes geführt hätte (SB 6). Den Gutachten von Prof. S. (14.02.2013, S. 2) und Prof. A.
(Anlage K 2, S. 2 f; 27.02.2013, S. 1 f; II 181 f) lässt sich trotz kritischerer Beurteilung der Auslassung des
IPSS-Fragebogens insoweit nichts Gegenteiliges entnehmen. Unter diesen Umständen konnte das
Landgericht darauf abstellen, dass der Kläger nach seiner eigenen Darstellung einen erheblichen
Leidensdruck verspürt und die Angelegenheit behoben haben wollte (LGU 14; I 615). Es kann nach allem
nicht angenommen werden, dass eine ergänzende Befunderhebung (Symptomquantifizierung nach dem
IPSS-Fragebogen) mit hinreichender Wahrscheinlichkeit zu einem abweichenden Ergebnis geführt hätte.
22 2. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme kann es nicht als erwiesen angesehen werden, dass die beim
Kläger postoperativ aufgetretene Symphysitis (osteitis pubis) durch einen Behandlungsfehler bei der am
30.09.2008 durchgeführten Laservaporisation der Prostata verursacht wurde. Dies geht zu Lasten des
Klägers.
23 a) In dem hier betroffenen Kernbereich ärztlichen Handelns gestattet allein der ausbleibende Erfolg der
getroffenen Behandlungsmaßnahmen oder ein komplikationsbehafteter Verlauf nicht den Schluss auf eine
fehlerhafte Behandlung. Denn die Vorgänge im lebenden Organismus können auch vom besten Arzt nicht
immer vollständig beherrscht werden; die Gefahren, die aus den Unwägbarkeiten des menschlichen
Organismus und den Besonderheiten des Eingriffs in diesen Organismus erwachsen, sind deshalb der
Patientensphäre zuzurechnen (BGH, Urteil vom 18. Dezember 1990 – VI ZR 169/90, juris Rn. 12; Beschluss
vom 16. August 2016 – VI ZR 634/15, juris Rn. 6).
24 Eine abweichende Beurteilung ergibt sich im Streitfall auch nicht daraus, dass der technische Vorgang der
Laserung als solcher, d.h. insbesondere die Energieapplikation und die Eindringtiefe von Licht und Wärme in
das Gewebe, berechenbar und nach Ansicht des Sachverständigen Prof. B. jedenfalls für einen erfahrenen
Operateur gut beherrschbar ist (vgl. SB 9 f). Dies ändert nichts daran, dass es sich bei der Laservaporisation
um einen Eingriff in den menschlichen Organismus handelt, dessen Ergebnis in gewissem Umfang von den
damit einhergehenden Unwägbarkeiten mitbestimmt wird. So hat der Sachverständige Prof. B. bei seiner
mündlichen Anhörung durch den Senat erläutert, dass mit dem Eingriff zwangsläufig eine gewisse
Wärmeentwicklung unter anderem im Bereich der Symphyse einhergeht, auf die jedoch nur die wenigsten
Patienten mit der Ausbildung einer Symphsysitis reagieren. (II 515) Daraus erklärt sich, dass eine
Symphysitis heute als zwar extrem seltene, aber doch mögliche und dann schicksalhafte Komplikation nach
Laserbehandlung der Prostata angesehen wird, die auch bei sorgfältigem Vorgehen ungeachtet der
Möglichkeit, die Wärmeeinleitung in das Gewebe zuverlässig auf ein für die weit überwiegende Mehrzahl der
Patienten unschädliches Maß zu begrenzen, nicht völlig ausgeschlossen werden kann. (SB 10; II 513 f).
Dementsprechend sind Fälle von Symphysitis auch nach Elektroresektion mittels TURP beschrieben worden,
die ebenfalls mit einer Wärmeentwicklung einhergeht (SB 10; vgl. auch Al. II 417). Die genauen Ursachen
für die Entstehung einer Symphysitis sind dabei nach den Ausführungen des Sachverständigen in der
mündlichen Verhandlung noch unbekannt, jedoch ist eine Schädigung des Knochens oder der Knochenhaut
durch thermische Belastung infolge der Tiefenwirkung des Lasers wahrscheinlich daran beteiligt (SB 16; II
519; vgl. auch A. II 187).
25 Unter diesen Umständen kann nicht angenommen werden, dass der Gesundheitsschaden in Gestalt der
Symphysitis aus der von der Behandlungsseite voll beherrschbaren Sphäre hervorgegangen ist (vgl. zur
Fallgruppe des voll beherrschbaren Risikos BGH, Beschluss vom 16. August 2016 – VI ZR 634/15, Rn. 6
mwN). Mithin bleibt es bei der Beweislast des Klägers für ein behandlungsfehlerhaftes Vorgehen des
Beklagten, welches nicht durch die eingetretenen Komplikationen indiziert wird.
26 b) Diesen Beweis hat der Kläger nicht zu führen vermocht.
27 aa) Ein Behandlungsfehler lässt sich nach den nachvollziehbaren und überzeugenden Ausführungen des
Sachverständigen Prof. B. nicht aus den dokumentierten Daten zu Laserzeit, OP-Zeit und applizierter
Energiemenge ableiten. Diese sind nach der Beurteilung des Sachverständigen Prof. B. für einen derartigen
Eingriff üblich und plausibel (SB 10; II 511; ebenso A., Anlage K 2, S. 5) und lassen nicht den Schluss auf eine
ineffiziente Energieanwendung zu. Das Verhältnis der Laserzeit zur Gesamtoperationszeit hat der
Sachverständige Prof. B. sogar als sehr gut beurteilt (II 511). Soweit Prof. Al. zu dem Ergebnis gelangt, die
eingestrahlte Energiemenge sei gemessen an der Einsatzzeit und dem Gewebeabtrag weit
überdurchschnittlich hoch gewesen, was für eine ineffiziente Energieanwendung spreche (AH OLG 101 f),
beruht dies auf der Annahme, das Prostatavolumen habe sich bei einem angenommenen präoperativen
Prostatavolumen von 60 ml (so ausdrücklich die Beklagten, II 265) durch die Laserung lediglich um 10 ml
verringert (AH OLG 103). Diese Annahme ist jedoch nicht hinreichend gesichert und kann der Entscheidung
daher nicht zugrunde gelegt werden. Sie beruht auf der Schätzung des postoperativen Prostatavolumens
durch Prof. H.i der späteren Endoskopie. Der Sachverständige Prof. B. hat bei seiner Anhörung vor dem
Senat nachvollziehbar erläutert, dass es bei einer Greenlight-Laser-Behandlung nicht zuverlässig möglich
ist, von dem postoperativen Bild auf die Gewebeabtragung zu schließen, vor allem, wenn man die Prostata
vor der Operation nicht selbst gesehen hat. Dazu passt, dass der behandelnde Urologe Dr. M. das
Prostatavolumen postoperativ auf nur 40 ml geschätzt hat (Arztbericht vom 08.10.2008, I 219). Der
Sachverständige Prof. B. konnte anhand der vorliegenden Behandlungsunterlagen auch unter
Berücksichtigung der von ihm als unzuverlässig eingestuften endoskopischen Schätzung durch Prof. H. keine
belastbare Aussage zum Umfang der Gewebeabtragung treffen. Gegen eine ineffiziente Gewebeabtragung
spricht der postoperativ sehr gute Harnstrahl (vgl. Arztbericht Dr. M. vom 08.10.2008, I 219).
28 bb) Auch die im OP-Bericht dokumentierte „ausgiebige Vaporisation großer Gewebeanteile ventral“ kann
nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme nicht als Verstoß gegen anerkannte Behandlungsstandards und
damit als fehlerhaft eingestuft werden.
29 Der Sachverständige Prof. B. hat das von dem Beklagten mit Schriftsatz vom 29.01.2016 (II 461 f) in diesem
Zusammenhang näher geschilderte intraoperative Vorgehen als mit dem standardgemäßen Vorgehen der
meisten Kliniken übereinstimmend bewertet (II 515). Danach ist die Laserung auch ventraler Anteile
notwendig und üblich, um ein gutes Operationsergebnis (Abtrag zur freien Miktion) zu erhalten (SB 10).
Normalerweise ist zwar im ventralen Bereich am wenigsten an Prostatavolumen vorhanden (II 513). Die
Anatomie der Prostata(vergrößerung) ist jedoch in jedem Einzelfall unterschiedlich (SB 16). Intraoperativ
kann sich ergeben, dass nach der zuerst vorgenommenen Laserung des Mittellappens verstärkte
Gewebebildung im ventralen Teil sichtbar wird, die in den frei gewordenen Raum vordringt (ebenso wohl A.
27.02.2013, S. 3: „Wenn ventral größere Gewebemengen vorliegen, handelt es sich um Vergrößerungen der
beiden Seitenlappen und nicht um ein Wachstum im Bereich der ventralen Kommissur“). Der von Prof. Al.
bemängelte Widerspruch zwischen dem Operationsbericht und dem endoskopischen Vorbefund, in dem keine
auffälligen Gewebeanteile ventral beschrieben werden (Al., 28.02.2013, S. 2; II 417), besteht damit nicht.
Die so verstandenen „ventralen“ Gewebemengen müssen ebenfalls entfernt werden, um die freie Miktion zu
ermöglichen (II 513). Dieses operative Vorgehen, welches mit der Schilderung des Beklagten mit Schriftsatz
vom 29.01.2016 (II 461 f) in Einklang steht, hat der Sachverständige Prof. B. bei seiner Anhörung als das in
den meisten Kliniken praktizierte Standardvorgehen bezeichnet (II 515).
30 Damit hat der Sachverständige Prof. B. zugleich überzeugend die Annahme der Sachverständigen Prof. Al.
(AH OLG 83; II 417) und Prof. S. (II 425) entkräftet, die stichwortartige Bezeichnung einer „ausgiebige[n]
Vaporisation großer Gewebeanteile ventral“ im OP-Bericht lasse auf ein fehlerhaftes Vorgehen schließen.
Allein der Umstand, dass ein solches Vorgehen in der Publikation einer internationalen Expertengruppe aus
dem Jahr 2007 betreffend die Technik der Laservaporisation mit dem 80 Watt-Greenlight-Laser nicht explizit
beschrieben wird (Alken, AH OLG 85), gestattet nicht die Schlussfolgerung, dass dieses Vorgehen einem
allgemein anerkannten Standard widerspricht. Der Standard gibt Auskunft darüber, welches Verhalten von
einem gewissenhaften und aufmerksamen Arzt in der konkreten Behandlungssituation aus der
berufsfachlichen Sicht seines Fachbereichs im Zeitpunkt der Behandlung erwartet werden kann. Er
repräsentiert den jeweiligen Stand der naturwissenschaftlichen Erkenntnisse und der ärztlichen Erfahrung,
der zur Erreichung des ärztlichen Behandlungsziels erforderlich ist und sich in der Erprobung bewährt hat
(BGH, Beschluss vom 22. Dezember 2015 – VI ZR 67/15, juris Rn. 8). Nach den überzeugenden
Ausführungen des Sachverständigen Prof. B. lief die Laserung ventraler Anteile nach diesen Maßstäben dem
im maßgeblichen (vgl. BGH, Beschlüsse vom 28. März 2008 – VI ZR 57/07, juris Rn. 5; vom 7. Februar 2011
– VI ZR 269/09, juris Rn. 2; Urteile vom 15. April 2014 – VI ZR 382/12, juris Rn. 17; Beschlüsse vom 22.
Dezember 2015 – VI ZR 67/15, juris Rn. 8; vom 1. März 2016 – VI ZR 49/15, juris Rn. 8)
Behandlungszeitpunkt geltenden Standard gerade nicht zuwider.
31 Mit dieser Beurteilung befindet sich Prof. B. in Übereinstimmung mit dem erstinstanzlichen
Gerichtsgutachter Prof. Bm. Dieser hat weder die dokumentierten Daten zu Laserzeit, OP-Zeit und
applizierter Energiemenge für auffällig erachtet, noch in der Vaporisation ventraler Anteile für sich
genommen einen Behandlungsfehler gesehen (vgl. I 377). Er hat lediglich, ausgehend von der Überlegung,
dass eine „ineffiziente“ Energieapplikation während der Operation zu ausgeprägten koagulativen
Gewebeschädigungen führen kann, hervorgehoben, dass das adenomatöse Gewebe insbesondere in der
ventralen Prostatazirkumferenz schmaler ist und es hier in besonderer Weise der Erfahrung und Expertise
des Operateurs obliegt, inwieweit ausgedehnter oder schonender vaporisiert werden muss (I 377 f). Es
entspricht auch der Beurteilung von Prof. B., dass eine inkorrekte Anwendung der Laserenergie zu
schweren Verletzungen der benachbarten Strukturen führen kann (SB 14). Entgegen Prof. S. (Anlage K 1, S.
7; 14.02.2013, S. 4; AH OLG 2) und Prof. Al. (AH OLG 83 f) kann jedoch aus den dargelegten Gründen nicht
alleine aus dem komplikationsbehafteten Verlauf geschlossen werden, dass der Beklagte zu 1 die Risiken des
120-Watt-Lasers insbesondere bei der Behandlung ventraler Anteile des Prostatagewebes unterschätzt hat
und hierbei fehlerhaft vorgegangen ist (SB 14).
32 Fehlerhaft wäre es nach der Beurteilung des Sachverständigen Prof. B. nur gewesen, wenn der Beklagte die
Laserenergie punktuell appliziert und nicht auf die durch Wärmeleitung verursachte Tiefenwirkung geachtet
hätte (SB 16). Wie der Sachverständige bei seiner Anhörung vor dem Senat näher erläutert hat, muss der
Laser mit einer kontinuierlichen Rotationsbewegung über das Gewebe bewegt werden (ebenso A.
27.02.2013, S. 3). Bei diesem Vorgehen wird jeweils die oberste Schicht kontrolliert verdampft (II 513f).
Dafür, dass der auf derartige Laserbehandlungen spezialisierte Beklagte zu 1 diese Regel missachtet und
punktuell zu viel Energie appliziert hätte, bietet die – nach Inhalt und Umfang ausreichende (Bm. I 643 f) –
OP-Dokumentation keinen Hinweis (SB 16). Für ein solchermaßen fehlerhaftes Vorgehen typische „drilling
holes“ (A., Anlage K 2, S. 4) konnte der Sachverständige Prof. B. nicht feststellen. Die von Prof. A. in
Auswertung der MRT-Bilder beschriebene „unregelmäßig konfigurierte Kavität der Prostatadrüse“ (Anlage K
2, S. 4) lässt sich nach den Ausführungen des Sachverständigen Prof. B. nicht in diesem Sinne deuten, da die
Laserbehandlung häufig zu einer in gewissem Umfang unregelmäßigen Kavität führt und ein vollständig
glatter Gewebeabtrag praktisch nicht möglich ist (II 515).
33 Die von Prof. A. (Anlage K 2, S. 4; 27.02.2013, S. 3) geforderte radiologische Zusatzbegutachtung ist nicht
geboten, weil nach der Beurteilung des Sachverständigen Prof. B. „drilling holes“ in einem MRT nicht zur
Darstellung kommen. Eine weitergehende Beurteilung des operativen Vorgehens wäre dadurch nicht
möglich (II 515). Auch Prof. A.n erwartet von einer radiologischen Zusatzbegutachtung im Übrigen lediglich
den Nachweis einer intraoperativ verursachten thermischen Schädigung der symphysären
Knochenstrukturen (Anlage K 2, S. 4; 27.02.2013, S. 3). Es wurde aber bereits dargelegt, dass der Nachweis
einer thermischen Schädigung der Symphyse nicht mit dem Nachweis eines Behandlungsfehlers
gleichzusetzen ist. Vielmehr ist auch bei kontrolliertem schichtweisem Gewebeabtrag mit einer generellen
Erwärmung umliegender Strukturen zu rechnen, die in sehr seltenen Fällen zu einer schicksalhaften
Symphysitis führen kann (II 515).
34 cc) Rückschlüsse auf einen Behandlungsfehler gestattet auch nicht der von Prof. H. bei der Zystoskopie vom
18.11.2008 erhobene Befund einer Unterfahrung des Blasenbodens mit Nekrosen im Bereich der
Prostataloge und des Blasenbodens. Die diesbezüglichen landgerichtlichen Feststellungen (LGU 15 f) greift
die Berufung nicht an. Im Übrigen sind auch nach den überzeugenden Ausführungen des Sachverständigen
Prof. B. die Nekrosezone am Blasenboden und die weiter beschriebene Laserung bis unmittelbar an den
Schließmuskel logische Folgen der hier erforderlichen Laserung eines ausgeprägten Mittellappens. Ein
Behandlungsfehler liegt darin nicht, auch wenn dies zu den postoperativen Symptomen Hämaturie und
zeitweise Inkontinenz geführt hat (SB 15; II 517; ebenso Bm. I 381; I 645). Insbesondere lässt die
weitreichende Vaporisation am Blasenboden und in unmittelbarer Nähe des Sphinkters unter diesen
Umständen nicht den Schluss darauf zu, dass der Beklagte zu 1 die Eindringtiefe des Lasers unterschätzt
und auch in ventraler Richtung zu sorglos vorgegangen ist.
35 Allerdings „sollte“ eine Unterfahrung des Blasenbodens bei einer derartigen Laser-Operation auch nach der
Beurteilung des Sachverständigen Prof. B.h nicht vorkommen (II 517; kritisch zum Operationsergebnis unter
diesem Gesichtspunkt auch Al., 28.02.2013, S. 3). Jedoch lässt sich nach den Ausführungen des
Sachverständigen Prof. B. nicht sicher feststellen, ob dieses Ergebnis auf die eigentliche Laserung, oder die
zum Ende des Eingriffs erforderliche Katheteranlage zurückzuführen ist, wobei zumindest letzterenfalls von
einer schicksalhaften Komplikation auszugehen ist (II 517; SB 15). Zusammenfassend konnte der
Sachverständige Prof. B. dem Zystoskopie-Bericht von Prof. H. keinen Beweis für einen Fehler beim Lasern
entnehmen (II 517). Im Übrigen steht die Unterfahrung des Blasenbodens in keinem Zusammenhang mit der
weiteren Folge der Symphysitis, da der Blasenboden der Teil der Prostata ist, der anatomisch am weitesten
entfernt von der Symphyse liegt (SB 15; Bm., I 647). Eine Perforation der Prostatakapsel ist jedenfalls im
Symphysenbereich nach den Ausführungen des Sachverständigen Prof. B. nicht festgestellt worden (II 513).
Auch Prof. Al. geht nur von einer Kapselperforation im Bereich des Blasenbodens aus (Anlage K 3, S. 2;
28.02.2013, S. 3).
36 dd) Es kann dahinstehen, ob der Kläger, wie er behauptet, schon am ersten postoperativen Tag gegenüber
den Beklagten zu 1 und 2 Schmerzen eines Ausmaßes geschildert hat, die eine weitere Überwachung oder
die Einweisung in eine urologische Klinik zur weiteren diagnostischen Abklärung geboten hätten (Bach, SB
11; Ackermann, Anlage K 2 S. 5). Denn es erscheint nahezu ausgeschlossen, dass dadurch die beginnende
Symphysitis früher diagnostiziert und der weitere Verlauf positiv beeinflusst worden wäre. Die sonst durch
die Laserung etwa verursachten Schäden, wie sie im Zystoskopiebericht vom 18.11.2008 beschrieben sind,
waren ohnehin nicht mehr zu verhindern. Selbst wenn man zugunsten des Klägers von einem groben
Behandlungs- oder Befunderhebungsfehler der Beklagten zu 1 und 2 in der unmittelbaren postoperativen
Phase ausgeht (vgl. B., SB 15, 19; II 523; vgl. auch A. K 2 Seite 5 und 27.02.2013, AH I, S. 4), kommt es
nicht zu einer Umkehr der Beweislast. Denn unter den Umständen des Streitfalls ist, wie der
Sachverständige Prof. B. bei seiner Anhörung vor dem Senat überzeugend ausgeführt hat (II 523), jeglicher
haftungsbegründende Ursachenzusammenhang mit der Ausbildung und dem Fortschreiten der Symphysitis
äußerst unwahrscheinlich (vgl. BGH, Urteil vom 19. Juni 2012 – VI ZR 77/11, juris Rn. 6).
37 In Anbetracht des Umstands, dass im Behandlungszeitpunkt noch kein einziger Fall einer Symphysitis nach
Greenlight-Laserbehandlung beschrieben war, lag es äußerst fern, die diagnostische Abklärung an diesem
Punkt zu beginnen. Zudem ist es äußerst unwahrscheinlich, dass die am ersten postoperativen Tag
geschilderten Schmerzen auf eine (beginnende) Symphysitis zurückzuführen waren. Diese Erkrankung
entwickelt sich nach dem hier vermuteten ossären Hitzeschaden über einen gewissen Zeitraum, bis sie
infolge einer Erweichung des Knorpelanteils symptomatisch wird und sich insbesondere in einer
Gangstörung äußert (II 521). Von einer längerfristigen Entwicklung gehen im Streitfall auch Prof. Al. und
Prof. A. aus, die annehmen, dass eine tiefe Koagulation nicht sofort erhebliche Schmerzen oder Blutungen
hervorrufen muss (Al., AH II 87), sondern dass ein thermischer Schaden in Gestalt einer kaum merklichen
Schädigung der Knochenhaut erst sekundär den Gewebeuntergang nach sich gezogen hat (A. II 187; II 195).
Dazu passt auch die Annahme einer „Durchwanderungssymphysitis“ durch den Operateur Prof. P.
(Stellungnahme vom 29.06.2011, S. 4 = II 449 f). Aus der Übersicht über die bisher beschriebenen Fälle von
Symphysitis nach Prostatabehandlung bei Prof. Al. (II 417) geht zudem hervor, dass die – nicht näher
spezifizierten – „Beschwerden“ in der großen Mehrzahl der Fälle erst nach mindestens einer Woche, häufig
aber erst nach drei und mehr Wochen eingesetzt haben.
38 Unter diesen Umständen war bei den vom Kläger nach seiner Darstellung am ersten postoperativen Tag
geschilderten erheblichen Schmerzen und Blutungen eine bildgebende Darstellung der Symphyse mangels
konkreten Verdachts weder geboten, noch ist mit hinreichender Wahrscheinlichkeit anzunehmen, dass sie
einen reaktionspflichtigen Befund ergeben hätte. Eine Gangstörung, die allenfalls den frühzeitigen Verdacht
auf eine Verletzung der Symphyse hätte lenken können (B., II 521), lag zu diesem Zeitpunkt auch nach der
Darstellung des Klägers noch nicht vor. Das beschriebene „Klackern“ bot keinen Anlass, an eine Symphysitis
zu denken (B. II 525; Bm. I 647). Vielmehr wäre es bei dem beschriebenen Beschwerdebild ausreichend
gewesen, den Patienten entweder stationär zu überwachen, bis eine Besserung der Beschwerden
aufgetreten wäre, oder zumindest für eine ambulante Versorgung bei adäquater Schmerzmedikation und
sichergestellter Weiterbehandlung bei einem niedergelassenen Arzt Sorge zu tragen (B., II 519 f).
39 Ob die Beklagten diesen Anforderungen angesichts der Unterbringung des Klägers in einem Hotelzimmer in
jeder Hinsicht gerecht geworden sind, bedarf hier keiner Entscheidung. Allerdings haben sie ausweislich des
Behandlungsberichts vom 30.09.2008 „Antibiotika und Antiphlogistika nach Therapieplan“ verordnet, wobei
auch der Kläger bei seiner Anhörung durch den Senat die Annahme geäußert hat, Schmerzmittel verordnet
erhalten zu haben (II 523).
40 Jedenfalls ist eine etwa hinter dem Standard zurückgebliebene Versorgung des Klägers in der ersten
postoperativen Phase aller Wahrscheinlichkeit nach nicht für den weiteren Verlauf der Symphysitis
ursächlich geworden. Vielmehr hätte man beim Beschwerdebild der ersten Tage zunächst von
Wundschmerzen ausgehen dürfen und den Patienten am zweiten oder dritten postoperativen Tag bei
wahrscheinlicher Besserung der Beschwerden unter Ruhe und adäquater Schmerzmedikation in die
häusliche Weiterbehandlung entlassen dürfen. Es ist aus den dargelegten Gründen äußerst
unwahrscheinlich, dass sich in diesem kurzen Zeitraum eine Gangstörung oder sonst eine Symptomatik
gezeigt hätte, die Anlass zum Verdacht einer Symphysitis und zu entsprechender Diagnostik hätte geben
müssen (B., II 523).
41 Dass die unterbliebene frühzeitige Diagnose der Symphysitis nicht dem Verantwortungsbereich der
Beklagten zugerechnet werden kann, bestätigt auch der weitere Verlauf. Der Kläger hat etwa eine Woche
nach der Operation seinen behandelnden Urologen in M. aufgesucht und danach zeitnah eine ganze Reihe
diagnostischer und therapeutischer Maßnahmen eingeleitet hat, um der Ursache seiner Beschwerden auf die
Spur zu kommen. Es erscheint nachvollziehbar, dass der erste Verdacht einer Verschlechterung der
vorbekannten Leistenhernien oder des vorbekannten Bandscheibenschadens oder einer Nervenschädigung
galt und nicht der – auch nach den Ausführungen der Sachverständigen ja äußerst seltenen – Komplikation
der Symphysitis. Bei seiner Zystoskopie am 18.11.2008 hat Prof. H. Wundverhältnisse im Bereich der Blase
vorgefunden, die seiner Ansicht nach die chronischen Schmerzen und die Schmerzzunahme beim Stehen
erklären und empfohlen, die Wundheilung abzuwarten (II 59). Auch Prof. R. (Göttingen) hatte lange nicht
den Verdacht in Richtung einer Schambeinverletzung und zeigte sich von dem Ergebnis erstaunt (Arztbrief
vom 19.03.2009, Anlage B 7). Insgesamt hat es trotz Behandlung in zwei Universitätskliniken fast ein
halbes Jahr gedauert, bis die Diagnose der Symphysitis gestellt wurde. Dass die Diagnostik relevant
beschleunigt worden wäre, wenn die Beklagten den Kläger am ersten postoperativen Tag in eine urologische
Klinik eingewiesen oder selbst stationär beobachtet hätten, kann bei dieser Krankengeschichte nur als
äußerst unwahrscheinlich angesehen werden.
42 3. Der Eingriff war auch von einer Einwilligung des hinreichend informierten Klägers gedeckt. Das
Landgericht hat zutreffend angenommen, dass der Kläger über die Risiken des Eingriffs, insbesondere das
Risiko einer Harn-Inkontinenz, sowie über die Behandlungsalternative TUR-P aufgeklärt war (LGU 23 ff).
Der Erörterung bedürfen insoweit nur die von der Berufung vorgetragenen Angriffe, das Risiko einer
Symphyseverletzung sei explizit aufklärungspflichtig gewesen; jedenfalls aber habe über die Verwendung
des 120-Watt-Lasers im Vergleich zum älteren 80-Watt-Laser unter dem Gesichtspunkt der
„Neulandmethode“ aufgeklärt werden müssen.
43 a) Das Risiko einer Symphysitis war nicht aufklärungspflichtig.
44 Die Aufklärungspflicht erstreckt sich nur auf im Behandlungszeitpunkt bekannte Risiken. Über unbekannte
Risiken muss nicht aufgeklärt werden (BGH, Urteil vom 19. Oktober 2010 – VI ZR 241/09, juris Rn. 8). Denn
bei standardgemäßer Behandlung sind allgemeine Überlegungen dazu, dass der Eintritt bislang unbekannter
Komplikationen in der Medizin nie ganz auszuschließen ist, für die Entscheidungsfindung des Patienten nicht
von Bedeutung (BGH, Urteil vom 13. Juni 2006 – VI ZR 323/04, Rn. 14). Eine Aufklärungspflicht besteht nur
dann, wenn ernsthafte Stimmen in der medizinischen Wissenschaft auf bestimmte mit einer Behandlung
verbundene Gefahren hinweisen, die nicht lediglich als unbeachtliche Außenseitermeinungen abgetan
werden können, sondern als gewichtige Warnungen angesehen werden müssen (BGH, Urteil vom 13. Juni
2006 – VI ZR 323/04, juris Rn. 16).
45 Nach diesen Maßstäben bestand eine Aufklärungspflicht über das Risiko einer Symphysitis nicht. Der
Sachverständige Prof. B. hat diese Beurteilung bei seiner Anhörung vor dem Senat überzeugend damit
begründet, dass im Zeitpunkt der Behandlung in der Fachliteratur noch kein einiger Fall von Symphysitis
nach Greenlight-Laserbehandlung beschrieben war (II 523). Der erste Fallbericht von Kaplon wurde erst im
Dezember 2008 und damit nach dem Behandlungszeitraum veröffentlicht (Alken, II 417; II 421; ebenso S.
Anlage K 1 Seite 7). Die von Prof. Al. für eine erste Warnung vor Vaporisation im ventralen Bereich zitierte
Veröffentlichung von Muir et al. aus 2008 nimmt demgegenüber lediglich die Gefahr von Schäden am
Schließmuskel in den Blick (AH OLG 85; II 417, 421). Die Gefahr einer Symphysitis hat, wie der
Sachverständige Prof. B. im Senatstermin bestätigt hat (II 523), zu diesem Zeitpunkt in der Diskussion keine
Rolle gespielt.
46 Noch allgemeiner fällt die Warnung in der von Prof. S. angeführten Publikation von Alexis aus dem Jahr 2006
aus (Anlage K 1, S. 5; AH OLG 3). Dass danach „die ungenügende Berücksichtigung spezieller Risiken dieses
Geräts zu schweren Verletzungen von Nachbarstrukturen führen kann“ (Anlage K 1, S. 5/6) bzw. das
System „schnell einen chirurgischen Defekt erzeugen und Strukturen perforieren [kann], die früher schwer
zu vaporisieren waren“, belegt nicht, dass das Risiko einer Symphysitis ins Bewusstsein der Fachkreise
gerückt war, zumal die betreffenden Ausführungen offenbar eher das Ziel haben, vor einer sorglosen und
damit letztlich fehlerhaften Anwendung der neuen Gerätegeneration zu warnen, als vor schicksalhaften
Komplikationen. Erst Recht gilt dies für die von Prof. A. ergänzend zitierte Internet-Fundstelle aus dem Jahr
2007 (Anlage K 2, S. 4), wonach „bei nicht akkurater Anwendung“ des Lasers schwere Komplikationen wie
Blasenperforation oder Schädigung der Harnleitermündung drohen. Auch B., Ch. und M. warnen nur
allgemein davor, die Eindringtiefe des Geräts zu unterschätzen (II 415).
47 Danach muss angenommen werden, dass das Risiko einer Symphyseverletzung im Behandlungszeitpunkt
unbekannt war oder doch zumindest so extrem fernliegend und untypisch für die Greenlight-Laserung
erschien, dass es für die selbstbestimmte Entscheidung des Patienten ohne Bedeutung, mithin nicht
aufklärungspflichtig war (vgl. BGH, Urteil vom 12. März 1991 – VI ZR 232/90, juris Rn. 16; OLG Karlsruhe,
Urteil vom 9. April 2014 – 7 U 124/12, juris Rn. 9).
48 b) Eine weitergehende Aufklärungspflicht ergibt sich auch nicht unter dem rechtlichen Gesichtspunkt der
Neulandmethode.
49 Nach höchstrichterlicher Rechtsprechung ist der Patient bei Anwendung relativ neuer, noch nicht allseits
anerkannter Standardmethoden mit noch nicht abschließend geklärten Risiken über diesen Umstand
aufzuklären und darauf hinzuweisen, dass unbekannte Risiken derzeit nicht auszuschließen sind (BGH,
Urteile vom 13. Juni 2006 – VI ZR 323/04, juris Rn. 14; vom 27. März 2007 – VI ZR 55/05, juris Rn. 31).
50 Mit der Einführung des 120-Watt-Lasers anstelle des bisher verwendeten 80-Watt-Lasers wurde in diesem
Sinne kein „Neuland“ mit unbekannten Risiken betreten. Wie der Sachverständige Prof. B. in
Übereinstimmung mit Prof. Bm. (I 373) überzeugend dargelegt hat, war die Greenlight-Lasermethode schon
2002 eingeführt und seither vielfach evaluiert worden. Ihr wurde gerade eine besonders niedrige Rate an
schweren Komplikationen zugeschrieben (SB 7).
51 Die Einführung eines stärkeren Lasers hat daran nichts geändert, da jedenfalls ein erfahrener Operateur
dieses Gerät in gleicher Weise beherrschen konnte (SB 9). Zum Behandlungszeitpunkt befand sich das 120-
Watt-System bereits weltweit in der Anwendung (SB 7). Es hatte eine klinische Erprobungsphase an
ausgewählten Zentren erfolgreich bestanden (Bm., I 639). Davon geht ersichtlich auch Prof. Al. aus, wenn
er eine Publikation aus dem Jahre 2008 zitiert, nach der die Behandlung von 305 Patienten an acht Zentren
gute Ergebnisse und eine geringe Komplikationsrate (Kapselperforationen, Inkontinenz) ergeben hat
(28.02.2013, S. 5). Die physikalischen Eigenschaften und die Operationstechnik haben sich im Vergleich zu
dem Vorgängermodell nicht geändert (B., SB 14; II 523; Bm., I 375; A., Anlage K 2, S. 4; 27.02.2013, S. 2;
AH OLG 187), die erhöhte Laserleistung hat lediglich zu einer Erhöhung der möglichen
Operationsgeschwindigkeit geführt, da in kürzerer Zeit mehr Gewebe abgetragen werden kann (Bach, SB
9). Daten, die auf eine erhöhte Komplikationsrate oder gar bisher unbekannte Risiken hätten schließen
lassen, waren im Behandlungszeitpunkt nicht publiziert (B., I 375; A., 27.02.2013, S. 2; Al. 02.2013, S. 4).
Der Sachverständige Prof. B. hat nachvollziehbar den Vergleich zu einem stärker motorisierten PKW
angestellt, den ein erfahrener Autofahrer nach gewisser Eingewöhnungsphase ebenso kontrolliert und
sicher steuern kann wie das schwächer motorisierte Vorgängermodell (SB 9). Prof. Bm. hat dies
übereinstimmend beurteilt und den stärkeren Laser mit einem schärferen Skalpell verglichen, welches in der
Hand des Chirurgen, der damit umzugehen weiß, nicht notwendig zu mehr Verletzungen führt (I 639).
52 Was die wesentlich kritischere Würdigung der Ergebnisse der Erprobungsphase durch Prof. S. (Anlage K 1, S.
5 f; 14.02.2013, S. 2; AH OLG 2 f) und Prof. Al. (Anlage K 3, S. 3; 28.02.2013, S. 4 f; 24.06.2014, S. 7 f)
betrifft, hat der Sachverständige Prof. ... bei seiner Anhörung vor dem Senat zu Recht hervorgehoben, dass
sich die zitierten Warnungen vor Gewebeschäden mit dem 120-Watt-Laser und insbesondere die von Prof.
S. behaupteten vielfachen schweren Schäden an den Nachbarstrukturen in der Erprobungsphase
(14.02.2013, S. 2) auf Fälle von nicht hinreichend sorgfältigem Vorgehen beziehen (Bach, SB 13 f; II 523).
Die von Prof. S. und Prof. Al. zitierten Publikationen warnen jeweils vor einer „falschen Anwendung der
Laserenergie“, einer „intensiven Laserung in einer Position“, der „ungenügende[n] Berücksichtigung
spezieller Risiken dieses Geräts“ und dergleichen, mahnen zu einem vorsichtigen Einsatz des stärkeren
Lasers und weisen auf die Notwendigkeit intensiven Trainings hin (Alken, 28.02.2013, S. 5; II 415;
Sommerkamp, Anlage K 1, S. 5; 14.02.2013, S. 2).
53 Dies steht letztlich nicht in Widerspruch zu der Auffassung des Gerichtsgutachtes Prof. B., der ebenfalls
davon ausgeht, dass die Greenlight-Laserbehandlung mit einer individuellen Lernkurve des anwendenden
Operateurs behaftet ist (SB 13 f). Dieser – letztlich für jede neue Operationsmethode und jedes neue
Operationswerkzeug geltende – Umstand führt aber nicht dazu, dass die Einführung des 120-Watt-Lasers
als „Neulandmethode“ anzusehen ist und entsprechend aufklärungspflichtig war. Eine Aufklärungspflicht
besteht unter diesem Blickwinkel nur dann, wenn in der Fachwelt über bloße Vermutungen hinausgehende
Hinweise darauf bestehen, dass auch bei sorgfältigem Vorgehen mit der Behandlung bestimmte
unbeherrschbare Gefahren verbunden sind, oder dass zumindest unbekannte Risiken derzeit nicht
auszuschließen sind (BGH, Urteil vom 13. Juni 2006 – VI ZR 323/04, juris Rn. 16). Davon zu unterscheiden
ist die Frage, ob der Arzt die Behandlung nach seinen individuellen Kenntnissen und Erfahrungen
übernehmen durfte. Ist der Arzt – wofür allerdings im Streitfall keine Anhaltspunkte bestehen – mit der
Behandlung überfordert, stellt deren Übernahme einen Behandlungsfehler dar, von dem der Arzt sich durch
Aufklärung nicht entlasten kann.
54 Wie der Sachverständige Prof. B. bei seiner Anhörung durch den Senat nochmals bekräftigt hat, wurde im
Behandlungszeitraum in der Fachwelt gerade nicht die Gefahr gesehen, dass mit der Einführung des 120-
Watt-Lasers bisher unbekannte Risiken verbunden sein könnten (II 523). Insbesondere die Gefahr einer
Symphysitis wurde zu dieser Zeit – wie bereits oben dargelegt – nicht beschrieben, sondern erstmals in
einem Fallbericht von Kaplon im Dezember 2008. Demnach bestand auch keine Aufklärungspflicht über die
Gefahr unbekannter Komplikationen.
III.
55 Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 ZPO. Die vorläufige Vollstreckbarkeit wurde gem. §§ 708 Nr. 10, 711
ZPO angeordnet. Gründe, gem. § 543 Abs. 2 ZPO die Revision zuzulassen, liegen nicht vor.