Urteil des OLG Karlsruhe vom 09.11.2016

treu und glauben, stand der technik, grad des verschuldens, patentverletzung

OLG Karlsruhe Urteil vom 9.11.2016, 6 U 37/15
Befugnis des Patentlizenznehmers zur Erteilung von Unterlizenzen
Leitsätze
1. Sofern dem ausschließlichen Lizenznehmer eine Befugnis zur Erteilung von Unterlizenzen zusteht (vgl. BGH
GRUR 2002, 801, 803 - Abgestuftes Getriebe), kann diese Befugnis mangels ausdrücklicher Regelung keinen
weiteren Umfang haben als die eigene Nutzungsbefugnis des Lizenznehmers.
2. Die Reichweite der Nutzungsbefugnis des Lizenznehmers ist mangels konkreter Festlegung unter Rückgriff
auf den aus dem Vertrag und den sonstigen Umständen erkennbaren Zweck der Lizenzeinräumung zu
bestimmen.
3. Zur Verwirkung von Ansprüchen wegen Patentverletzung.
4. Der nach Verjährung des Schadensersatzanspruchs verbleibende Restschadensersatzanspruch gemäß § 141
Satz 2 PatG i.V.m. § 852 BGB kann sich - anders als die Eingriffskondiktion gemäß § 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 2
BGB - auch auf den vom Verletzer erzielten Gewinn erstrecken (Fortführung von BGHZ 71, 86 -
Fahrradgepäckträger II).
Tenor
1. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Landgerichts Mannheim vom 06.02.2015 (Az. 7 O 289/10)
wird unter Abweisung der weitergehenden Klage mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass Ziffer 5. des Tenors
(Feststellung der Schadensersatzpflicht) wie folgt lautet:
Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin allen Schaden zu ersetzen, der ihr
durch die unter Ziffer 1. bezeichneten, seit dem 26. Dezember 2003 begangenen Handlungen
entstanden ist und noch entstehen wird, wobei der Anspruch für Handlungen nach Ziffer 1., die vor
dem 1. Januar 2007 begangen worden sind, auf die Herausgabe dessen, was die Beklagte durch diese
Handlungen erlangt hat, nach den Vorschriften über die Herausgabe einer ungerechtfertigten
Bereicherung beschränkt ist.
2. Die Anschlussberufung der Klägerin gegen das Urteil des Landgerichts Mannheim vom 06.02.2015 (Az. 7 O
289/10) wird zurückgewiesen.
3. Von den Kosten des Berufungsverfahrens tragen die Klägerin 10 %, die Beklagte 90 %.
4. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Vollstreckung kann gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 %
des aus dem Urteil vollstreckbaren Betrages abgewendet werden, wenn nicht die Gegenseite vor der
Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils beizutreibenden Betrages leistet.
5. Die Revision gegen dieses Urteil wird nicht zugelassen.
Beschluss
Der Streitwert wird für das Berufungsverfahren auf 2.000.000,00 EUR festgesetzt.
Gründe
I.
1
Die Klägerin nimmt die Beklagte wegen Patentverletzung auf Unterlassung, Auskunft und
Rechnungslegung, Feststellung der Schadensersatzpflicht, Rückruf und Urteilsveröffentlichung in Anspruch.
2
Die Klägerin ist eingetragene Inhaberin des am 22.05.1998 angemeldeten Europäischen Patents EP 0 881
145 B1 betreffend eine Spannungsversorgungsvorrichtung (im Folgenden: Klagepatent), das die Priorität
vom 31.05.1997 der DE 19722922 in Anspruch nimmt. Deutschland gehört zu den benannten
Vertragsstaaten. Der Hinweis auf die Erteilung des Klagepatents wurde am 26.11.2003 veröffentlicht. In
der erteilten Fassung haben die Patentansprüche 1, 2 und 3 folgenden Wortlaut (mit Bezugszeichen):
3
Hinsichtlich des weiteren Inhalts der Klagepatentschrift wird auf Anlage K 1 Bezug genommen.
4
Die Ls. hat mit Schriftsatz vom 17.06.2011 beim Bundespatentgericht Nichtigkeitsklage (Anlage B17)
erhoben. Mit Urteil vom 18.12.2013 (Az. 5 Ni 31/11 (EP)) hat das Bundespatentgericht das Klagepatent mit
Wirkung für das Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland dadurch teilweise für nichtig erklärt, dass
von den angegriffenen Patentansprüchen 1, 2, 3 und 7 die Patentansprüche 1, 3 und 7 in folgendem
Umfang in Wegfall kommen:
5
a) Patentanspruch 1 entfällt;
b) Patentanspruch 3 entfällt, soweit rückbezogen auf Patentanspruch 1;
c) Patentanspruch 7 entfällt, soweit unmittelbar rückbezogen auf Patentanspruch 1 oder 3, im Rückbezug
auf Patentanspruch 3 aber nur insoweit, als dieser auf Patentanspruch 1 rückbezogen ist.
6
Das Urteil des Bundepatentgerichts ist nach Rücknahme der dagegen eingelegten Berufungen
rechtskräftig. Die Klägerin trägt der Beschränkung des Klagepatents im vorliegenden Verletzungsstreit
dadurch Rechnung, dass sie eine Kombination der erteilten Ansprüche 1 und 2 geltend macht.
7
Die Klägerin schloss am 3.12.1998 mit der K. (nachstehend auch: K.), einem Unternehmen der Airbus
Gruppe, das als Anlage K 16 vorliegende „Teaming Agreement“, welches die Entwicklung, Herstellung,
Vermarktung und Betreuung des sog. „Advanced System“ betrifft, eines 110V-Stromversorgungssystems
für Passagierflugzeugsitze. Darin wird der K. für die Vertragsdauer ein „exclusive user’s right“ gegen
Zahlung von Stücklizenzgebühren eingeräumt, wobei die Klägerin nach dem Lizenzvertrag zur
Geltendmachung von Verletzungsansprüchen berechtigt bleibt. Wegen des weiteren Inhalts wird auf
Anlage K 16 Bezug genommen.
8
Die Beklagte, ein in den USA ansässiges Unternehmen, liefert Spannungsversorgungseinrichtungen
insbesondere an deutsche Sitzhersteller, die Flugzeughersteller beliefern, wie die in Baden-Württemberg
ansässigen Unternehmen A. und R.. Die angegriffenen Spannungsversorgungseinrichtungen (im Folgenden:
angegriffene Ausführungsformen), deren Ausgestaltung nach Anlagen K6, K7, K9 ersichtlich ist, stellen eine
Versorgungsspannung mit 110 Volt, 60 Hertz als Wechselspannung zur Verfügung, wenn beide Pole eines
Steckers detektiert werden und zwar bezogen aufeinander innerhalb von 50 ms (Anlage K6: „Both pins of
the PED-plug are detected in the outlet unit within 50 ms maximum of each other“), wobei zum Zwecke
der Detektion am Ende der Stecklöcher der Steckdose Mikroschalter vorgesehen sind und die
Spannungsaufschaltung im Falle der ordnungsgemäßen Detektion durch den getrennt angeordneten
Schaltungsblock Control CCA erfolgt.
9
Zur Beilegung wechselseitiger Patentverletzungsvorwürfe schlossen die K. und die Airbus S.A.S. einerseits
sowie die G. andererseits (nachstehend auch: G.) im Jahr 2003 ein in der Anlage B 42 vorliegendes
„Settlement Agreement“, das unter Ziffer 3 e) auszugsweise wie folgt lautete:
10
„Notwithstanding anything to the contrary in this Agreement, (…), each of Airbus and K., for itself and for
its Affiliates, covenants not to sue or initiate legal action of any kind on any legal theory against GD AES,
or its Affiliates, or its or their directors, officers, employees, agents or customers, relating both to (i) any
patents owned by Airbus or K. as of the Effective Date, or which Airbus or K. has the right to assert, as of
the Effective Date including but not limited to United States Patent No. 6,016,016, and related in any way
to power management systems and any continuations, divisions, refiles, reissues or reexaminations of any
such patents or the application from which it issued, and any extensions thereof, or any foreign
counterparts thereto, and (ii) products marketed as of the Effective Date and made, used, offered for sale,
sold, or imported by or on behalf of GD AES or its Affiliates.“
11 Die Klägerin ist der Auffassung, der inländische Vertrieb der angegriffenen Ausführungsformen verletze den
deutschen Teil des Klagepatents. Die Beklagte könne sich nicht auf die zwischen der Klägerin und K.
bestehende Lizenzvereinbarung berufen. Der Beklagten stehe auch kein Benutzungsrecht aus dem
Settlement Agreement zu. Die K. sei nicht in der Lage gewesen, der Rechtsvorgängerin der Beklagten eine
Unterlizenz zu erteilen, da ihr eine solche Befugnis aus dem in der Anlage K 16 vorgelegten „Teaming
Agreement“ nicht zugestanden habe. Überdies beinhalte das „Settlement Agreement“ kein positives
Benutzungsrecht für die Rechtsvorgängerin der Beklagten. Die in dem Vertrag enthaltene Regelung eines
covenant not to sue stelle vielmehr einen schuldrechtlichen Prozessvertrag dar, dessen Wirkungen sich
nach dem Verfahrensrecht des Gerichtsortes, mithin nach deutschem Recht, richteten. Eine solche
schuldrechtliche Vereinbarung zwischen der K. und der Rechtsvorgängerin der Beklagten könne die
Klägerin als Patentinhaberin jedoch nicht binden.
12 Die Ansprüche der Klägerin seien weder verwirkt noch verjährt. Sie (die Klägerin) habe erst etwa ein Jahr
vor Klageerhebung, nämlich im Herbst 2009, Kenntnis vom Verletzungsgegenstand und den
Verletzungsumständen erhalten; sie habe vorher auch keine Kenntnis von diesen Umständen haben
müssen. Ein besonderer, auf Investitionen seit 2005 zurückzuführender Besitzstand der Beklagten werde
bestritten.
13 Die Klägerin hat in erster Instanz beantragt,
14
die Beklagte zu verurteilen:
15
1. es bei Meidung eines vom Gericht in jedem Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes,
ersatzweise Ordnungshaft bis zu sechs Monaten oder Ordnungshaft zu unterlassen,
16
eine Spannungsversorgungseinrichtung zur Bereitstellung einer Versorgungsspannung in Form einer
Wechselspannung von mindestens 110 Volt und 50 bis 60 Hertz für elektrische Geräte in einer
Flugzeugkabine mit einer Steckdose, an die ein Gerät mit einem Stecker anschließbar und auf die eine
Versorgungsspannung aufschaltbar ist, anzubieten, in den Verkehr zu bringen, in Verkehr bringen zu
lassen oder zu den genannten Zwecken einzuführen,
17
wobei die Steckdose einen Steckerdetektor aufweist, der die Anwesenheit eines in die Steckdose
eingesteckten Steckers detektiert und ein entfernt von der Steckdose angeordnetes Versorgungsgerät
vorgesehen ist, das über eine Signalleitung und über eine Versorgungsleitung für die
Versorgungsspannung mit der Steckdose verbunden ist, wobei das Versorgungsgerät die
Versorgungsspannung auf die Steckdose aufschaltet, wenn der Steckerdetektor die Anwesenheit des
Steckers über die Signalleitung an das Versorgungsgerät meldet, wobei der Steckerdetektor derart
ausgebildet ist, dass er die Anwesenheit von zwei Kontaktstiften des Steckers in der Steckdose detektiert
und das Versorgungsgerät die Versorgungsspannung nur dann auf die Steckdose aufschaltet, wenn die
Anwesenheit von zwei Kontaktstiften des Steckers gleichzeitig detektiert wird,
18
[Patentanspruch 1]
19
wobei
20
das Versorgungsgerät die Versorgungsspannung nur dann aufschaltet, wenn zwischen der Detektion des
ersten und des zweiten Kontaktstiftes des Steckers eine maximale Kontaktzeit nicht überschritten wird;
21
[Patentanspruch 2]
22
der Steckerdetektor mechanische Schalter aufweist, die durch die eingesteckten Kontaktstifte des
Steckers betätigt werden;
23
[Patentanspruch 3]
24
insbesondere wenn
25
die Spannungsversorgungseinrichtung mehrere Versorgungsgeräte und eine zentrale Spannungsquelle
aufweist, wobei die Spannungsquelle die Spannungsversorgung der Versorgungsgeräte bildet und durch
ein Steuersignal abschaltbar ist;
26
[Patentanspruch 7]
27
2. der Klägerin für die Zeit ab dem 26. Dezember 2003 Auskunft zu erteilen über den Vertriebsweg der
unter Ziff. 1. beschriebenen Produkte, insbesondere unter Angabe der Namen und Anschriften der
gewerblichen Abnehmer oder Auftraggeber;
28
3. der Klägerin unter Vorlage eines einheitlichen geordneten Verzeichnisses darüber Rechnung zu legen,
in welchem Umfang sie die unter Ziffer 1. bezeichneten Handlungen seit dem 26. Dezember 2003
begangen hat und zwar unter Angabe
29
a. der Menge der erhaltenen oder bestellten Erzeugnisse und Teilerzeugnisse sowie der Namen und
Anschriften der Hersteller, Lieferanten und anderer Vorbesitzer sowie der bezahlten Preise;
30
b. der einzelnen Lieferungen, aufgeschlüsselt nach Lieferzeiten und Preisen und Typbezeichnungen sowie
den Namen und Anschriften der Abnehmer oder Auftraggeber,
31
c. den einzelnen Angeboten, aufgeschlüsselt nach Angebotsmengen, -zeiten, - preisen und
Typbezeichnungen sowie den Namen und Anschriften der Angebotsempfänger sowie der Flugzeugtypen
und Fluggesellschaften, für die sie bestimmt waren,
32
d. der betriebenen Werbung aufgeschlüsselt nach Werbeträgern, deren Auflagenhöhe,
Verbreitungszeitraum und Verbreitungsgebiet,
33
e. der nach einzelnen Kostenfaktoren aufgeschlüsselten Gestehungskosten und des erzielten Gewinns,
34
sowie zum Nachweis der Angaben zu a. und b. die entsprechenden Einkaufs- und Verkaufsbelege
(Rechnungen, soweit nicht vorhanden Lieferscheine) in Kopie vorzulegen;
35
4. die unter Ziff. 1. bezeichneten, seit dem 26. November 2003 in Verkehr gebrachten Erzeugnisse
gegenüber den gewerblichen Abnehmern unter Hinweis auf den gerichtlich (Urteil des LG Mannheim vom
<...>) festgestellten patentverletzenden Zustand der Sache mit der verbindlichen Zusage zurückzurufen,
etwaige Entgelte zu erstatten sowie notwendige Verpackungs- und Transportkosten sowie mit der
Rückgabe verbundene Zoll- und Lagerkosten zu übernehmen;
36
5. Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin allen Schaden zu ersetzen, der durch
die unter Ziffer 1. bezeichneten seit dem 26. Dezember 2003 begangenen Handlungen entstanden ist und
noch entstehen wird;
37
6. Der Klägerin wird gestattet, Urteilskopf und Urteilstenor auf Kosten der Beklagten durch eine in drei
aufeinanderfolgenden Ausgaben der Zeitschrift „Aircraft Interiors Magazine“ erscheinende halbseitige
Anzeige öffentlich bekannt zu machen.
38 Die Beklagte hat beantragt,
39
die Klage abzuweisen.
40 Sie hat vorgetragen, sie verletze das Klagepatent nicht. Die angegriffenen Ausführungsformen machten
schon keinen Gebrauch von der technischen Lehre des Klagepatents. Merkmal 7 (i.V.m. Merkmalen 3 und
6) des Anspruchs 1 werde nicht verwirklicht. Die angegriffenen Ausführungsformen seien nicht in einer
vom Klagepatent vorausgesetzten Weise gegen Manipulation gesichert. Ferner erfordere Merkmal 7, die
Anwesenheit der zwei Kontaktstifte „gleichzeitig“, d.h. zu dem exakt gleichen Zeitpunkt zu detektieren.
Die unstreitige Zeitdifferenz von bis zu 50 ms zwischen der Detektion der einzelnen Kontaktstifte eines
Steckers bei den angegriffenen Ausführungsformen falle daher nicht unter eine wortsinngemäße Auslegung
von „gleichzeitig“. Mangels Verwirklichung des ursprünglichen Anspruchs 1 seien auch die Merkmale der
ursprünglichen rückbezogenen Ansprüche 2 und 3 nicht verwirklicht. Der Vertrieb der angegriffenen
Ausführungsformen sei nicht rechtswidrig, weil alle Lieferungen nach Deutschland von der Lizenz der
Klägerin an K. gedeckt seien, die zu Gunsten der gesamten Airbus-Gruppe gelte; alle für Deutschland
bestimmten Lieferungen der angegriffenen Ausführungsformen würden nach dem Wissen der Beklagten in
Airbus-Flugzeugen installiert.
41 Jedenfalls aber sei die Beklagte zur Benutzung des Klagepatents berechtigt. Die K., die ausschließliche
Lizenznehmerin des Klagepatents und zur Erteilung von Unterlizenzen berechtigt sei, habe der
Rechtsvorgängerin der Beklagten, der G., in einem mit dieser abgeschlossenen „Settlement Agreement“
eine Unterlizenz an dem Klagepatent erteilt. Nach dem auf das „Settlement Agreement“ anzuwendenden
Recht des Staates Virginia räume der unter Ziffer 3 e) des Agreements vereinbarte
covenant not to sue der
Beklagten ein positives Benutzungsrecht ein.
42 Zumindest seien Ansprüche der Klägerin wegen Verletzung des Klagepatents verwirkt. Die angegriffenen
Ausführungsformen seien der Klägerin seit 2002 bekannt gewesen, zumindest hätte sie doch Kenntnis
haben müssen. Die Kenntnis der Klägerin werde insbesondere belegt
43
- durch ein Schreiben der K. vom 15. Mai 2002 (Anlage B 44), in dem diese ausführe, die Klägerin habe ihr
entsprechend der Kooperationsvereinbarung („Teaming Agreement“) vom 03. Dezember 1998 eine
exklusive Lizenz an dem US Patent 6,016,016 eingeräumt, die sie berechtige, eine Klage wegen
Patentverletzung geltend zu machen; die Klägerin habe ihr gegenüber ihr Einverständnis mit dem
geplanten Vorgehen mitgeteilt,
- durch Bestellungen der Klägerin bei der Beklagten und der bezeichneten Rechtsvorgängerin aus den
Jahren 2003, 2004, 2005, 2007 und 2009,
- durch eine E-Mail von Herrn Sch., Senior Engineer Cabin Electrical Systems, vom 17.02.2004, in der
dieser nach einem Angebot für das EmPower System frage,
- durch eine Besprechung am 15.04.2004 bei der …, zu der die bezeichnete Rechtsvorgängerin ihr „YES!“-
System präsentiert habe und an welcher Vertreter der Klägerin - darunter ein Mitglied der Abteilung
„Cabin Electronics“ - teilgenommen hätten, und
- durch eine E-Mail eines Mitarbeiters der Klägerin - Herr K. - vom 18.09.2008, in welcher bestätigt werde,
dass ihm das EmPower Stromversorgungsmodul für Sitze bekannt sei.
44 Überdies müsse sich die Klägerin die Kenntnis des Miterfinders des Klagepatents, Herrn S., zurechnen
lassen. Die Beklagte habe im Vertrauen auf ein Nichtvorgehen der Klägerin gegen sie aus dem Klagepatent
erhebliche Investitionen getätigt und keine Alternativlösungen entwickelt. Sie erhebt zudem die Einrede
der Verjährung.
45 In Ansehung der Produkte, die vor dem 01.09.2008 auf den Markt gebracht worden seien, bestehe kein
Rückrufsanspruch.
46 Mit dem angefochtenen Urteil, auf das wegen aller Einzelheiten Bezug genommen wird, hat das
Landgericht der Klage überwiegend stattgegeben. Das Klagepatent in seiner vom Bundespatentgericht für
rechtsbeständig erachteten Fassung werde von der angegriffenen Ausführungsform verletzt. Das gelte
auch für das Erfordernis, dass die Anwesenheit von zwei Kontaktstiften „gleichzeitig“ detektiert werden
müsse. Das Klagepatent verlange keinen vollständigen Ausschluss von Manipulationsmöglichkeiten,
sondern bezwecke lediglich eine höhere Sicherheit als bei den aus dem Stand der Technik bekannten
Vorrichtungen. Ein Zeitunterschied von 50 ms bei der Detektion der beiden Stifte führe nicht aus dem
Schutzbereich heraus.
47 Die Klägerin habe der Patentbenutzung nicht zugestimmt. Selbst nach dem Vortrag der Beklagten seien
Lieferungen an inländische Abnehmer nur dann nicht rechtswidrig, wenn die Abnehmer der Beklagten
allein an Airbus-Konzerngesellschaften weiterlieferten, was nicht festgestellt werden könne.
48 Auch ein Benutzungsrecht aufgrund einer ihr erteilten Unterlizenz am Klagepatent stehe der Beklagten
nicht zu. Dabei könne offen bleiben, ob die Klägerin der K. eine Lizenz mit der Befugnis zur Erteilung von
Unterlizenzen eingeräumt habe. Bei der kollisionsrechtlichen Qualifikation sei die
lex fori anzuwenden,
wobei allerdings eine kollisionsrechtliche Auslegung erforderlich sei. Danach handele es sich bei dem in
Ziffer 3.e des Settlement Agreement vereinbarten
covenant not to sue nicht um eine sachenrechtliche
Verfügung über das Patentrecht, sondern um einen schuldrechtlichen Prozessvertrag. Schon nach dem
eindeutigen Wortlaut verzichte die K. lediglich auf die klageweise Geltendmachung von Ansprüchen, die
aus patentverletzenden Handlungen der Rechtsvorgängerin der Beklagten erwüchsen, ohne aber zugleich
ein positives Benutzungsrecht einzuräumen. Der Vertragstext unterscheide zwischen der Einräumung
positiver Rechte und bloßer Vorteile wie einem Klageverzicht. Nach Art. 27 Abs. 1 S. 1 EGBGB und der
getroffenen Rechtswahl sei das Recht des Staates Virginia anzuwenden. Die getroffene Rechtswahl führe
aber nicht dazu, dass die
lex causae neben der Frage des Zustandekommens auch für Zulässigkeit und
Wirkungen eines solchen Prozessvertrages maßgeblich sei. Diese richteten sich vielmehr nach dem
Verfahrensrecht des Gerichtsortes. Das
pactum de non petendo führe nach dem insoweit maßgeblichen
deutschen Recht zur Unzulässigkeit der Klage. Die Klägerin als Patentinhaberin sei aber nicht an diesen
covenant not to sue gebunden, denn die Ausnahmevorschrift des § 15 Abs. 3 PatG, die die
Sukzessionsfestigkeit von Lizenzen anordne, sei auf das vorliegende
pactum de non petendo nicht
anwendbar.
49 Die aus der Patentverletzung resultierenden Ansprüche der Klägerin seien nicht verwirkt. Dass
Wissensvertreter der Klägerin über einen langen Zeitraum hinweg Kenntnis von der Patentverletzung
gehabt hätten, könne dem Vortrag der Beklagten nicht entnommen werden. Die Ansprüche seien auch
nicht verjährt.
50 Der Anspruch auf Rückruf gemäß § 140a Abs. 3 S. 1 PatG richte sich auch gegen die Beklagte als
ausländische Gesellschaft. Der Rückruf sei nicht unverhältnismäßig; die Art und Weise des Rückrufs sei der
Beklagten überlassen und müsse im Tenor nicht spezifiziert werden.
51 Ein Anspruch auf Urteilsbekanntmachung nach § 140e PatG sei nicht gegeben. Denn ein berechtigtes
Interesse der Klägerin sei nicht dargetan; der Gefahr eines möglichen Austauschs einzelner Systeme durch
die Beklagte werde bereits durch die Unterlassungsverurteilung begegnet.
52 Gegen dieses Urteil richtet sich die Berufung der Beklagten, mit der sie ihr auf Klageabweisung gerichtetes
Prozessziel weiterverfolgt. Sie vertieft ihr Vorbringen, dass die angegriffenen Ausführungsformen das
Klagepatent nicht verletzten. Merkmal 3 setze voraus, dass das Einführen gerade eines Steckers (und nicht
eines anderen Gegenstandes) detektiert werde; dies sei bei der angegriffenen Ausführungsform nicht der
Fall. Der Kern der Erfindung bestehe darin, dass ein Signal an das Versorgungsgerät nur dann gesendet und
eine Versorgungsspannung auf die Steckdose nur dann aufgeschaltet werde, wenn die Anwesenheit von
zwei Kontaktstiften eines Steckers gleichzeitig detektiert werde. Damit solle sichergestellt werden, dass es
definitiv ein Stecker sei, der in die Steckdose gesteckt werde. Erforderlich sei deshalb, dass die
Anwesenheit von zwei Kontaktstiften zum exakt gleichen Zeitpunkt detektiert werde, sobald diese in der
Steckdose anwesend seien. Jeglicher Zeitabstand zwischen der Detektion beider Stecker werde vom
Klagepatent ausgeschlossen; anderenfalls sei auch unklar, wo die Grenze zu ziehen sei. Merkmal 8 gebe
nur eine Möglichkeit an, die Gleichzeitigkeit der Steckerdetektion umzusetzen; es sei im Hinblick auf
Merkmal 7 nur so zu verstehen, dass die maximale Kontaktzeit, die nicht überschritten werden dürfe,
ebenfalls null sei.
53 Die Beklagte hält auch an ihrer Auffassung fest, aufgrund der Regelung in Ziffer 3.e des zwischen der K.
und der G. geschlossenen Settlement Agreements zur Benutzung der technischen Lehre des Klagepatents
berechtigt zu sein. Die K. GmbH sei aufgrund von Art. 6 des Teaming Agreements (Anlage K 16)
ausschließliche Lizenznehmerin am Klagepatent. Schon der Wortlaut („exclusive user’s right“) lasse nur
das Verständnis einer ausschließlichen Lizenz zu; der weitere Inhalt des Teaming Agreements, das für die
Abwicklung nach Beendigung der Vertragsbeziehung ein „non-exclusive user’s right“ vorsehe, stehe damit
ebenso in Einklang wie die von der K. in Ziffer 3.g.iv. des Settlement Agreements getroffene Aussage. Eine
beschränkende Auslegung der ausschließlichen Lizenz sei nicht gerechtfertigt; die im Teaming Agreement
vorgesehene Rollenverteilung zwischen Klägerin und K. sei typisch für ausschließliche Lizenzverhältnisse.
Erklärungen außerhalb des Teaming Agreements könnten im Hinblick auf das Schriftformerfordernis gemäß
§ 34 GWB a.F., das auf das Teaming Agreement anwendbar sei, nicht zur Auslegung herangezogen
werden. Dementsprechend handele es sich mangels ausdrücklicher entsprechender Regelung im Vertrag
auch nicht um eine Betriebslizenz.
54 Als ausschließliche Lizenznehmerin sei die K. zur Erteilung von Unterlizenzen berechtigt gewesen; dieses
Recht könne nur in Ausnahmefällen ausgeschlossen werden. Der in Ziffer 3.e des Settlement Agreements
(Anlage B 42) vereinbarte
covenant not to sue unterliege dem Recht von Virginia als Vertragsstatut; er
habe nach der Rechtsprechung der US-amerikanischen Gerichte
ipso iure die Wirkung, dass dem
Begünstigten ein positives Benutzungsrecht im Sinne einer „bare license“, also einer Lizenz ohne
Nebenpflichten erteilt werde. Kollisionsrechtlich sei der
covenant not to sue daher als Lizenzeinräumung
und nicht als Prozessvertrag einzuordnen. Diese dem Begünstigten erteilte Lizenz wirke auch gegenüber
dem Patentinhaber und dessen Rechtsnachfolgern. Dies werde durch das in Anlage B 48 vorgelegte
Gutachten von Prof. C. bestätigt. Das Landgericht habe den von ihm an sich zutreffend wiedergegebenen
kollisionsrechtlichen Ansatz nicht konsequent umgesetzt; für die Auslegung und die Beurteilung der
Wirkungen sei auf das US-amerikanische Recht als Vertragsstatut abzustellen, zumal es um eine einfache
Lizenz und damit um eine rein schuldrechtliche Rechtsposition gehe. Nichts anderes gelte indessen im Fall
der Anwendung des Schutzrechtsstatuts. Ob der
covenant not to sue ein von § 15 PatG vorausgesetztes
positives Benutzungsrecht gewähre, könne nur durch Auslegung des Settlement Agreements geklärt
werden, bei der wiederum das Recht von Virginia als Vertragsstatut zu berücksichtigen sei.
55 Wegen der
ipso-iure-Wirkung komme es weder auf die von der Klägerin befürwortete Auslegung noch
darauf an, ob die Klägerin neben der K. klagebefugt sei. Im Übrigen zeige auch der sonstige Inhalt des
Settlement Agreements, dass die Vertragsparteien eine Unterlizenz am Klagepatent zugunsten der G.
nicht hätten ausschließen wollen. Der Annahme einer Befugnis zur Unterlizenzierung könne nicht
entgegengehalten werden, dass diese das Recht der Klägerin aushöhle. Die Klägerin profitiere über
Lizenzzahlungen von der Nutzung des Klagepatents. Die K. habe durch den Abschluss des Settlement
Agreements, das auch den Verzicht von GD AES auf Patentverletzungsansprüche gegen die K. vorgesehen
habe, die weitere Nutzung der lizenzierten Technologie erst ermöglicht. Deshalb sei die Annahme eines
positiven Benutzungsrechts auch nicht sittenwidrig im Sinne des § 138 BGB.
56 Ferner hält die Beklagte auch daran fest, dass die geltend gemachten Ansprüche verwirkt seien. Der
Klägerin seien die Verletzungsvorwürfe spätestens seit 2002 bekannt gewesen, wie aus Dokumenten
hervorgehe, die im parallel in den USA geführten Verfahren aufgefunden worden seien. Die Klägerin müsse
sich auch die Kenntnis bzw. das Kennenmüssen von Herrn S., Miterfinder des Klagepatents und Mitglied der
Patentabteilung der Klägerin, zurechnen lassen. Im Übrigen habe das Landgericht verkannt, dass
Verwirkung unabhängig von der Kenntnis des Berechtigten von seinem Recht eintreten könne; maßgeblich
sei für das Umstandsmoment nur, ob der Schuldner bei objektiver Würdigung dem Verhalten des
Berechtigten habe entnehmen dürfen, dass dieser sein Recht nicht mehr ausüben werde. Aufgrund des
Settlement Agreements hätten die G. und die Beklagte darauf vertrauen dürfen, dass sowohl die K. als
auch die Klägerin die Lizenzerteilung an die Rechtsvorgängerin der Beklagten anerkennen würden, zumal
die K. im Settlement Agreement ausdrücklich angegeben habe, über eine ausschließliche Lizenz am
Klagepatent zu verfügen. Die Beklagte habe auch darauf vertraut, dass die K. – wie es in Lizenzverträgen
üblich sei – die Patentinhaberin über den Streit um das Klagepatent, über den Vergleich und damit auch
über die Lizenzerteilung informiere. Dass dies unterblieben sei, könne sich nicht zu Lasten der Beklagten
auswirken.
57 Wegen der Im Jahr 2002 gegebenen Kenntnis der Klägerin habe die dreijährige Verjährungsfrist spätestens
Anfang 2003 zu laufen begonnen und sei damit weit vor Klageerhebung abgelaufen.
58 Schließlich habe das Landgericht verkannt, dass die Klägerin für die geltend gemachten
Schadensersatzansprüche nicht aktivlegitimiert sei. Die Klägerin habe nicht dargelegt, dass ihr durch die
Benutzung des Klagepatents durch die Beklagte ein Schaden entstanden sein könne; sie habe nicht
dargetan, dass ihr tatsächlich von der K. irgendwelche Lizenzerträge gezahlt worden seien.
59 Die Klägerin beantragt unter Verteidigung des angefochtenen Urteils die Zurückweisung der Berufung der
Beklagten. Im Wege der Anschlussberufung verfolgt sie den abgewiesenen Antrag auf
Urteilsveröffentlichung weiter. Sie ist der Auffassung, das Landgericht habe eine Verletzung des
Klagepatents in der für rechtsbeständig erachteten Fassung zutreffend bejaht.
60 Der Beklagten stehe kein Benutzungsrecht zu. Das Teaming Agreement sehe bei der gebotenen
Berücksichtigung der Zweckübertragungslehre weder eine ausschließliche Lizenz noch die Befugnis zur
Einräumung von Unterlizenzen vor. Es handle sich um einen Zusammenarbeitsvertrag, der eine enge
persönliche Kooperation zwischen der Klägerin und ihrem Partner K. regle; u.a. solle die Installation der
Systeme im Flugzeug im Regelfall durch die Klägerin erfolgen, die von K. empfohlen werden solle. Eine
ausschließliche Lizenz sei hierfür nicht erforderlich, sondern hätte den Vertragszweck gefährdet. Ein
Automatismus, dass jeder ausschließliche Lizenzvertrag die Befugnis zur Einräumung von Unterlizenzen
beinhalte, bestehe nicht. Es liege gerade kein typischer Fall einer echten ausschließlichen Lizenz vor; das
Fehlen von Vorschriften über die Abrechnung von Lizenzgebühren im Fall der Unterlizenzierung, über
Haftung, Mitteilungen oder Qualitätssicherung spreche gegen eine Befugnis der K. zur Erteilung von
Unterlizenzen, ebenso die kurze Mindestvertragslaufzeit und die kurzen Kündigungsfristen.
61 Es treffe auch nicht zu, dass die Beklagte aus der Vergleichsvereinbarung nach Anlage B 42 eine
Berechtigung am Klagepatent herleiten könne. Für die Durchsetzung des deutschen Teils des Klagepatents
sei deutsches Recht anzuwenden; deshalb beurteilten sich die Rechtswirkungen des
covenant not to sue
nach deutschem Recht. Die Nichtangriffsabrede führe, wie das Landgericht zutreffend erkannt habe, zu
einem Einwand gegen die Zulässigkeit der Klage; dieser prozessuale Einwand bestehe aber nur zwischen
den Vertragsparteien der Vergleichsvereinbarung. Auch die Auslegung der Vergleichsvereinbarung zeige,
dass die K. weder eine Lizenz eingeräumt noch sich zur Freistellung der Beklagten im Verhältnis zur
Klägerin verpflichtet habe. Die Parteien hätten unmissverständlich zum Ausdruck gebracht, dass Produkte
der Rechtsvorgängerin der Beklagten, wie sie zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses vorgelegen hätten,
nicht klageweise aus dem US-Patent 6,016,016 angegriffen werden dürften; sie hätten sich bewusst gegen
die Möglichkeit einer Lizenzierung entschieden. Zudem gehe es nur um die Nutzung der geschützten Lehre
für die seinerzeit vermarkteten Produkte, nicht um zukünftige Produkte. Ziffer 3.g des Settlement
Agreements zeige, dass eine Verfügung über Rechte der Klägerin durch die K. gerade nicht erfolgt sei,
zumal weder eine Lizenzgebühr noch ein sonstiger Vorteil für die Klägerin vereinbart werde. Die pauschale
Behauptung, zur Vermarktung einer Vorrichtung nach dem Klagepatent sei eine Nutzung der Patente der
Beklagten notwendig gewesen, sei technisch falsch. Die Rechtsvorgängerin der Beklagten habe sich um
eine Zusicherung der K. bemüht, dass die Klägerin die ihr zustehenden Rechte nicht mehr geltend machen
werde; diese Zusicherung habe K. aber verweigert. Auch nach US-amerikanischem Recht führe der
covenant not to sue nicht notwendigerweise dazu, dass eine echte Lizenz im Sinne eines
Benutzungsrechts vorliege; vielmehr seien die Gesamtumstände der jeweiligen Vereinbarung zu würdigen.
Eine (im amerikanischen Recht mit dem
covenant not to sue gleichgesetzte) „bare licence“ entspreche
nach deutschem Rechtsverständnis keinem positiven Benutzungsrecht, sondern einer Negativlizenz. Aus
der von der Beklagten zitierten US-amerikanischen Rechtsprechung folge nichts Gegenteiliges.
62 Eine etwaige Unterlizenzierung sei sittenwidrig, weil sie dann bewusst zum Nachteil der Klägerin
geschlossen worden wäre. Ansprüche der Klägerin seien nicht verwirkt und nicht verjährt. Eine etwaige
Kenntnis von Herrn S. sei der Klägerin nicht zuzurechnen, weil dieser nicht der bei der Klägerin für die
Verfolgung von Patentverstößen zuständige Mitarbeiter sei. Verwirkung vor Ablauf der Verjährungsfrist
scheide regelmäßig – und auch hier – aus. Die Aktivlegitimation der Klägerin sei schon deshalb gegeben,
weil es sich bei dem Teaming Agreement nicht um einen ausschließlichen Lizenzvertrag handele,
unabhängig davon aber wegen des Anspruchs der Klägerin auf Stücklizenzgebühren.
63 Der mit der Anschlussberufung weiter geltend gemachte Anspruch auf Urteilsveröffentlichung sei
begründet. Die Beklagte habe die angegriffene Ausführungsform an eine Mehrzahl von Fluggesellschaften
vertrieben. Aufgrund der Vertriebsdauer von ca. 10 Jahren sei davon auszugehen, dass in Zukunft
zahlreiche der so ausgestatteten Flugzeugsitze ausgetauscht werden müssten; dabei dürften die
Fluggesellschaften nicht auf die patentverletzende angegriffene Ausführungsform zurückgreifen. Deshalb
habe die Fachöffentlichkeit ein berechtigtes Interesse daran, den Tenor und seine Reichweite zu erfahren.
64 Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen
sowie auf die Sitzungsniederschriften Bezug genommen.
II.
65 Die zulässige Berufung der Beklagten bleibt in der Sache weitgehend, die ebenfalls zulässige
Anschlussberufung der Klägerin insgesamt ohne Erfolg.
66 A. Benutzung der technischen Lehre des Klagepatents
67 1. Das Klagepatent betrifft eine Spannungsversorgungsvorrichtung zur Bereitstellung einer
Versorgungsspannung für elektrische Geräte in einer Flugzeugkabine. Nach der Beschreibung dienen
solche Vorrichtungen dazu, dem Fluggast über Steckdosen, die zumeist im Bereich eines Passagiersitzes
oder einer Sitzgruppe angeordnet sind, eine Spannungsversorgung zum Betreiben von elektrischen
Geräten zur Verfügung zu stellen. Dabei sind – so die Beschreibung weiter – zwei Sicherheitsaspekte zu
berücksichtigen: Einerseits dürfen über das elektrische Gerät keine Störungen in das elektrische Bordnetz
des Flugzeuges eingespeist werden, andererseits muss die Sicherheit der Passagiere gewährleistet sein.
68 Bekannt war, im Interesse der Sicherheit der Passagiere eine Gleichspannung bis zu 30 V an der Steckdose
zur Verfügung zu stellen. Dies hat den Nachteil, dass nicht jedes elektrische Gerät mit einer niedrigen
Gleichspannung betrieben werden kann und dass spezielle Verbindungskabel erforderlich sind. Auf der
anderen Seite war bekannt, dass die zu den Steckdosen gehörigen Spannungsversorgungsvorrichtungen
den Passagieren Netzspannung zur Verfügung stellen, so dass praktisch jedes elektrische Gerät mit seinem
Netzstecker angeschlossen werden kann; die Spannungsversorgung wurde in diesen Systemen über einen
vom Flugpersonal ausgehändigten Schlüsselschalter an der Steckdose ein- bzw. ausgeschaltet. Die
Beschreibung kritisiert, dass damit die genannten Sicherheitserfordernisse nicht erfüllt werden.
69 Die FR 2 653 944 A1, die dem Oberbegriff des Patentanspruchs 1 zugrunde liege, beschreibt ein System
aus Steckdose und entfernt von der Steckdose angeordnetem Versorgungsgerät, die über Signalleitungen
und Versorgungsleitungen miteinander verbunden sind. Die Steckdose weist einen Steckerdetektor auf, der
die Anwesenheit des Gehäusesteckers an der Steckdose detektiert und über die Signalleitung an das
Versorgungsgerät melde, welches dann die Versorgungsspannung über die Versorgungsleitungen auf die
Steckdose aufschaltet.
70 Vor diesem Hintergrund wird als Aufgabe formuliert, für Flugzeugkabinen eine
Spannungsversorgungsvorrichtung zu schaffen, die eine höhere Sicherheit gegen fehlerhafte Aufschaltung
der Versorgungsspannung auf die Steckdose gewährt.
71 Zur Lösung schlägt Anspruch 1 in der vom Bundespatentgericht aufrechterhaltenen Fassung eine
Spannungsversorgungseinrichtung vor, deren Merkmale sich wie folgt gliedern lassen:
72
(1) Spannungsversorgungseinrichtung zur Bereitstellung einer Versorgungsspannung für elektrische
Geräte in einer Flugzeugkabine
(2) mit einer Steckdose
73
(a) an die Steckdose ist das Gerät mit einem Stecker anschließbar;
(b) auf die Steckdose ist die Versorgungsspannung aufschaltbar;
74
(3) die Steckdose weist einen Steckerdetektor auf, der die Anwesenheit eines in die Steckdose
eingesteckten Steckers detektiert;
(4) es ist ein entfernt von der Steckdose angeordnetes Versorgungsgerät vorgesehen;
75
(a) das Versorgungsgerät ist über eine Signalleitung und
(b) über eine Versorgungsleitung für die Versorgungsspannung mit der Steckdose verbunden,
76
(5) das Versorgungsgerät schaltet die Versorgungsspannung auf die Steckdose auf, wenn der
Steckerdetektor die Anwesenheit des Steckers über die Signalleitung an das Versorgungsgerät meldet,
(6) der Steckerdetektor ist derart ausgebildet, dass er die Anwesenheit von zwei Kontaktstiften des
Steckers in der Steckdose detektiert und
(7) dass das Versorgungsgerät die Versorgungsspannung nur dann auf die Steckdose aufschaltet, wenn die
Anwesenheit von zwei Kontaktstiften des Steckers gleichzeitig detektiert wird;
(8) das Versorgungsgerät schaltet die Versorgungsspannung nur dann auf die Steckdose auf, wenn
zwischen der Detektion des ersten und des zweiten Kontaktstiftes des Steckers eine maximale Kontaktzeit
nicht überschritten wird.
77 2. Das Landgericht hat die technische Lehre des Klagepatents zutreffend wiedergegeben. Wie im Stand der
Technik gemäß FR 2 653 944 A1, von der das Klagepatent ausgeht, wird ein Freischaltschutz durch eine
schaltbare Steckdose und ein damit verbundenes Versorgungsgerät verwirklicht, das eine
Versorgungsspannung auf die Steckdose nur dann aufschalten soll, wenn (aus Sicht der Erfindung)
sichergestellt ist, dass die Steckdose sachgemäß, also durch Einstecken eines Steckers, benutzt wird. Der
bereits im Stand der Technik bekannte Steckerdetektor arbeitet mit einem speziellen Schaltkriterium, das
voraussetzt, dass die gleichzeitige Anwesenheit von zwei Kontaktstiften des Steckers in der Steckdose
festgestellt wird, bevor die Versorgungsspannung aufgeschaltet wird (vgl. BPatG, Urt. v. 18.12.2013, 5 Ni
31/11 (EP), S. 16 f.).
78 Im Zentrum der Erfindung steht somit der Steckerdetektor. Seine Funktion im Rahmen der
Gesamtvorrichtung, nämlich die Anwesenheit eines in die Steckdose eingesteckten Steckers zu detektieren
und dies an das Versorgungsgerät zu melden, wird in den Merkmalen 3 und 5 beschrieben. Wie der
Steckerdetektor die Anwesenheit eines in die Steckdose eingesteckten Steckers erkennt, wird in mehreren
Schritten in den Merkmalen 6 bis 8 konkretisiert. Merkmal 6 stellt klar, dass ein Stecker mit zwei
Kontaktstiften detektiert werden soll, wie er jedenfalls in Europa üblich ist; dabei handelt es sich um
diejenigen beiden Kontaktstifte, die die Versorgungsspannung führen (BPatG a.a.O. S. 18). Die
Anwesenheit der beiden Kontaktstifte soll nach Merkmal 7 gleichzeitig festgestellt werden. Wenn zwei
Kontaktstifte gleichzeitig eingesteckt sind, kann nach der Beschreibung [0012] mit hoher
Wahrscheinlichkeit davon ausgegangen werden, dass keine unsachgemäße Benutzung vorliegt, sondern
tatsächlich ein Stecker eingesteckt wurde.
79 Die damit erreichte Verbesserung der Sicherheit gegen ungewolltes Aufschalten der Versorgungsspannung
wäre allerdings vergleichsweise gering, wenn lediglich verlangt würde, dass zu irgendeinem Zeitpunkt
zwei Kontaktstifte gleichzeitig eingesteckt sind; dieses Kriterium wäre z.B. auch erfüllt, wenn zuerst ein
Metallstift eingesteckt wird und dann zu einem deutlich späteren Zeitpunkt ein zweiter hinzukommt.
Deshalb konkretisiert Merkmal 8 die „gleichzeitige“ Detektion weiter: Die Versorgungsspannung soll nur
dann aufgeschaltet werden, wenn zwischen der Detektion des ersten und des zweiten Kontaktstiftes des
Steckers eine maximale Kontaktzeit nicht überschritten wird. Da das „Eingesteckt-Sein“ vom Detektor
fortlaufend überprüft wird (vgl. Merkmale 3, 6), bedeutet dies, dass „die beiden Kontaktstifte annähernd
zum gleichen Zeitpunkt in die Steckdose hineingesteckt werden“ müssen, damit die Versorgungsspannung
aufgeschaltet wird. „Wird eine zu große Zeitdifferenz zwischen dem Einstecken der zwei Kontaktstifte
festgestellt, wird von einer Manipulation der Steckdose ausgegangen“ und keine Versorgungsspannung
aufgeschaltet (vgl. [0013] und BPatG a.a.O. S. 24).
80 Um den Zweck der Erfindung zu verwirklichen, die Sicherheit gegen fehlerhaftes Aufschalten der
Versorgungsspannung zu erhöhen, wird – insoweit ist der Beklagten zuzustimmen – die maximal zulässige
Zeitdifferenz klein anzusetzen sein. Entgegen der Auffassung der Beklagten muss aber die Zeitdifferenz,
wie sich aus dem Vorstehenden ergibt, nicht zwingend Null sein. Eine kleine Differenz, die aus Sicht des
Fachmanns – ein Diplomingenieur (FH) der Elektrotechnik, der in einem Unternehmen für
Elektroapparatebau beschäftigt ist und für besondere Anforderungen ggf. einen Sicherheitsingenieur für
den Flugzeugbereich hinzuziehen wird (BPatG a.a.O. S. 13) – immer noch mit hoher Wahrscheinlichkeit auf
das Einstecken eines Steckers schließen lässt, ist nach den insoweit eindeutigen Darlegungen in der
Beschreibung nicht ausgeschlossen. Eine solche kleine Zeitdifferenz kann z.B. möglichen geringfügigen
Längenunterschieden der Kontaktstifte eines Steckers oder den Schaltzeiten in der Detektionsschaltung
Rechnung tragen.
81 3. Angesichts dieses Verständnisses der technischen Lehre sind die Einwendungen der Beklagten gegen die
Annahme einer wortsinngemäßen Verletzung des Klagepatents unbegründet. Die Verwirklichung der
Merkmale 1, 2 und 4 ist nicht streitig; dies beruht nicht auf unrichtiger patentrechtlicher Beurteilung. Aber
auch die weiteren Merkmale werden wortsinngemäß benutzt.
82 Zutreffend hat das Landgericht darauf hingewiesen, dass das Klagepatent lediglich eine hohe
Wahrscheinlichkeit einer sachgemäßen Benutzung erreichen kann und will, ohne aber die Möglichkeit einer
Manipulation gänzlich auszuschließen. Die Anwesenheit eines in die Steckdose eingesteckten Steckers
(Merkmal 3) wird eben (nur) dadurch erkannt, dass der Detektor das annähernd gleichzeitige Einstecken
zweier Kontaktstifte feststellt; weitere Vorkehrungen zur Steigerung der Sicherheit wie etwa ein
Gehäusedetektor werden nur für bevorzugte Ausführungsformen beschrieben [0015 ff.], vom Hauptantrag
1 aber nicht vorausgesetzt. Dass bei der angegriffenen Ausführungsform die Versorgungsspannung auch
dann aufgeschaltet werden kann, wenn andere Metallgegenstände (etwa die Zinken einer Gabel)
annähend gleichzeitig eingesteckt werden, führt daher aus der Verwirklichung der Merkmale 3, 5 und 6
(„des Steckers“) nicht heraus.
83 Auch der Umstand, dass nach den Feststellungen des Landgerichts (LGU S. 7) die Pole eines Steckers mit
einem Zeitabstand von 50 ms (0,05 Sekunden) detektiert werden, steht nach dem Ausgeführten der
Verwirklichung der Merkmale 7 und 8 nicht entgegen. Denn es handelt sich um eine derart kleine
Zeitdifferenz, dass die Stecker im Sinne der Beschreibung „annähernd zum gleichen Zeitpunkt“ in die
Steckdose gesteckt werden, so dass eine Manipulation mit hinreichender Wahrscheinlichkeit
ausgeschlossen werden kann. Dies wird insbesondere dadurch belegt, dass die angegriffene
Ausführungsformen den Sicherheitsanforderungen im Passagierluftfahrtverkehr genügt, wie sie u.a. durch
die von der Beklagten vorgelegte Spezifikation von Airbus (Anlage B 14) dokumentiert werden, der zufolge
„die Spannung … nur aufgeschaltet werden [darf], wenn beide Kontaktstifte gleichzeitig eingesteckt
werden“. Ohne Erfolg macht die Beklagte demgegenüber geltend, bei einer Bewegungsgeschwindigkeit von
10 km/h werde durch die von der angegriffenen Ausführungsform zugelassene Zeitdifferenz von ein
Abstand (im Sinne einer unterschiedlichen Länge) der Kontaktstifte von 83 cm zugelassen
(Berufungsbegründung vom 13.05.2015, S. 19 = AS II 61). Denn zum einen bezieht sich diese Angabe auf
eine Zeitdifferenz von 300 ms, während nach der den Senat bindenden Feststellung des Landgerichts bei
der angegriffenen Ausführungsform die maximale Zeitdifferenz 50 ms beträgt. Zum anderen erscheint eine
„Einsteck-Geschwindigkeit“ von 10 km/h = 3,6 m/s unrealistisch hoch, geht es doch beim Einstecken eines
Steckers in eine Steckdose um einen Weg von wenigen Zentimetern. Jedenfalls aber sehen die Fachleute
aus der Luftfahrtindustrie, wie ausgeführt, die Steckerdetektion der angegriffenen Ausführungsform trotz
der Zeitdifferenz von 0,05 Sekunden als „gleichzeitig“ an.
84 4. Somit hat das Landgericht zu Recht eine wortsinngemäße Benutzung der technischen Lehre des
Klagepatents festgestellt.
85 B. Rechtswidrigkeit
86 Das Landgericht hat eine Erschöpfung der Patentrechte für alle im Inland in den Verkehr gebrachten
angegriffenen Ausführungsformen durch eine „Airbus-Konzernlizenz“ verneint (LGU S. 22 f.). Diese
Ausführungen, die keinen Rechtsfehler erkennen lassen, werden mit der Berufung nicht in erheblicher
Weise angegriffen.
87 Die Beklagte beruft sich zur Rechtfertigung der Benutzung der Erfindung vielmehr auf eine einfache
Lizenz, die die K. in Ziffer 3.e des im November 2003 Settlement Agreement der G. eingeräumt habe und
die zu ihren (der Beklagten) Gunsten und zu Lasten der Klägerin als Patentinhaberin wirke. Diese
Verteidigung setzt zum einen voraus, dass es sich bei der Vereinbarung in Ziffer 3.e des Settlement
Agreements um die Einräumung einer Unterlizenz zugunsten der G. als Rechtsvorgängerin der Beklagten
handelte. Dem vorgelagert ist die Frage, ob K. als Lizenznehmerin befugt war, Unterlizenzen mit Wirkung
gegenüber der Klägerin zu vergeben.
88 1. Das Landgericht hat die Auffassung vertreten, die K. habe der Beklagten in Ziff. 3.e des Settlement
Agreements von 2003 keine gegenüber der Klägerin als Schutzrechtsinhaberin wirksame (einfache)
Unterlizenz eingeräumt, sondern ein
pactum de non petendo vereinbart, das lediglich zwischen den
Parteien des Settlement Agreements wirke, aber nicht die Klägerin als Rechtsinhaberin binde. Ob diese
Auffassung den Berufungsangriffen standhält und ob dies ohne weitere Feststellungen zum US-
amerikanischen Recht entschieden werden kann, bedarf im Streitfall keiner Entscheidung.
89 2. Denn die vom Landgericht offengelassene Frage, ob die Klägerin der K. im Teaming Agreement vom
3.12.1998 (Anlage K 16) eine ausschließliche Lizenz mit der Berechtigung zur Erteilung von Unterlizenzen
eingeräumt hat, ist mit der Klägerin zu verneinen.
90
a) Das Teaming Agreement, das als Vertrag zwischen zwei deutschen Gesellschaften trotz seiner
Abfassung in englischer Sprache mangels anderweitiger Rechtswahl deutschem Sachrecht unterliegt (Art.
28 Abs. 2 EGBGB a.F.), enthält keinerlei Regelungen über eine mögliche Unterlizenzierung und die sich
daran anschließenden Rechtsfolgen, etwa über die Abrechnung und die Vergütung in Bezug auf die
Nutzung der Vertragsschutzrechte durch Dritte. Eine ausdrückliche Ermächtigung des Lizenznehmers K.
zur Erteilung von Unterlizenzen wird im Vertrag somit nicht erteilt. Es sind auch sonst keine
Anhaltspunkte dafür vorgetragen, dass die Parteien die Frage der Unterlizenzierung durch die
Lizenznehmerin K. auch nur in den Blick genommen hätten.
91
b) Die Beklagte stützt sich deshalb auf die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, der zufolge der
Lizenznehmer mit dem Erwerb einer ausschließlichen Lizenz, sofern die Vertragsparteien nichts anderes
vereinbart haben, das Recht erwirbt, die Erfindung nicht nur selbst zu nutzen, sondern auch Dritten die
Nutzung zu gestatten (BGH GRUR 2002, 801 juris-Rn. 31 – Abgestuftes Getriebe; vgl. auch BGH GRUR
1953, 114, 118 – Heizflächenreinigung; BGH GRUR 1955, 338, 340 – Beschlagfreie Brillengläser). Die
Anwendung dieser Vermutungsregel auf den Streitfall setzt zumindest voraus, dass der K. im Teaming
Agreement eine ausschließliche Lizenz am Klagepatent eingeräumt worden ist.
92
Die Beklagte beruft sich insoweit auf Art. 6 „Patents/Intellectual Property Rights“, der lautet:
93
„The Parties agree that LHT [die Klägerin] remains the owner of the intellectual property rights concerning
the Advanced System, for which LHT grants to K. an exclusive user’s right in return for the payment of
royalties as stated above for as long as this Agreement is in force.
94
After termination of this Teaming Agreement, K. shall be granted a non-exclusive user’s right in return for
the payment of royalties as stated above, enabling K. to fulfil any obligations it has entered into with
Customers up to the time of such termination.“
95
(
In dem in Bezug genommenen [„as stated above“] Art. 5 ist geregelt, dass die Klägerin für jedes
verkaufte Exemplar des Advanced System (siehe Präambel und Art. 1) eine bestimmte, in Appendix A
betragsmäßig festzulegende Stücklizenz erhält.)
96
Dass das vertragsgegenständliche Advanced System die Nutzung des Klagepatents voraussetzt, ist nicht
streitig. Die Parteien streiten zu Recht auch nicht darüber, dass der K. deshalb mit Art. 6 für die Laufzeit
des Teaming Agreements eine Lizenz am Klagepatent für die im Vertrag näher ausgeführten
Nutzungshandlungen eingeräumt wird.
97
Die Formulierung „LHT grants to K. an
exclusive user’s right“ bedeutet jedenfalls, dass sich die Klägerin als
Lizenzgeberin verpflichtet hat, im Umfang des ausschließlichen Nutzungsrechts der K. keine weiteren
Lizenzen vergeben (sog. Alleinlizenz, vgl. Bartenbach, Patentlizenz- und Know-how-Vertrag, 7. Aufl., Rn.
78 f.). Die Alleinlizenz wird überwiegend als – zumindest im Grundsatz – ausreichend für die
Aktivlegitimation des Lizenznehmers zur Geltendmachung von Ansprüchen wegen
Schutzrechtsverletzung angesehen (vgl. – auch zu den Einschränkungen – OLG Düsseldorf, IPRB 2016, 32
= Mitt 2016, 126 juris-Rn. 5 m.w.N.; Kühnen, Handbuch der Patentverletzung, 8. Aufl., Kap. D. Rn. 113);
ob die Alleinlizenz auch ausreichend ist, um die o.g. Vermutungsregel zugunsten einer Befugnis des
Lizenznehmers zur Unterlizenzierung anzuwenden, ist – soweit ersichtlich – nicht geklärt. Die Parteien
streiten darüber, ob die der K. eingeräumte Lizenz in der Weise ausschließlich ist, dass sie eine Benutzung
durch die Lizenzgeberin selbst ausschließt. Der Lizenzvertrag adressiert auch diese Frage nicht direkt; die
getroffenen Regelungen zeigen aber, dass sich das Teaming Agreement jedenfalls nicht in einer (Allein-
oder Exklusiv-) Lizenz erschöpft.
98
Die Vertragsparteien haben im Teaming Agreement eine Zusammenarbeit zur Entwicklung, Herstellung
und Vermarktung des von der Klägerin konzipierten „Advanced System“ (vgl. Präambel: „LHT has
developed a technical concept…“) vereinbart und geregelt. Art. 1 „Scope“ bestimmt allerdings, dass die
Markteinführung des Advanced System einschließlich der Entwicklung, Herstellung, Vermarktung und
After-sales-Support der alleinigen Verantwortung der K. unterfällt. Auf der anderen Seite beschränkt sich
der Beitrag der Klägerin nicht auf die Lizenzgewährung; sie ist vielmehr zur bestmöglichen Unterstützung
von K. verpflichtet (Art. 2) und soll im Regelfall (wenn der jeweilige Kunde einverstanden ist) die
Installation der Systeme in die jeweiligen Flugzeuge übernehmen (Art. 3), also am Inverkehrbringen
patentgeschützter Systeme beteiligt sein; ferner soll sie zu eigenen Werbeaktivitäten und damit zu
Angebotshandlungen in Bezug auf die vom Klagepatent erfassten Vorrichtungen berechtigt sein (Art. 4).
Diesem differenzierten Lizenz-Kooperations-Verhältnis kann eine Befugnis der K. zur Erteilung jedenfalls
der hier in Rede stehenden Unterlizenz an die Beklagte nicht entnommen werden.
99
Eine Befugnis des ausschließlichen Lizenznehmers zur Unterlizenzierung kann nämlich nur in dem Umfang
bestehen, in dem der Lizenznehmer in die Nutzungsberechtigung des Patentinhabers eingerückt ist
(Ullmann/Deichfuß in: Benkard, PatG, 11. Aufl., § 15 Rn. 104). Die Vergabe von Unterlizenzen hat nach
der Rechtsprechung dingliche Wirkung (BGH GRUR 1987, 37 juris-Rn. 26 f. – Videolizenzvertrag), was
zugleich bedeutet, dass die Befugnis zur Unterlizenzierung ohne ausdrückliche weitergehende
Ermächtigung nur hinsichtlich derjenigen Befugnisse gelten kann, die dem ausschließlichen Lizenznehmer
selbst eingeräumt worden sind (
nemo plus iuris transferre potest quam ipse habet). Im Streitfall müsste
sich also eine Unterlizenz, die der Beklagten möglicherweise in Ziff. 3.e des Settlement Agreements erteilt
worden ist, im Rahmen der Nutzungsbefugnis halten, die der K. eingeräumt worden ist. Das ist indessen
nicht der Fall.
100 Bei der Ermittlung der Reichweite der dem Lizenznehmer eingeräumten Befugnisse ist der aus § 31 Abs. 5
UrhG abgeleitete, aber für das gesamte Immaterialgüterrecht geltende Zweckübertragungsgrundsatz zu
beachten, wonach der Schutzrechtsinhaber im Zweifel keine weitergehende Befugnisse einräumt, als zur
Erreichung des schuldrechtlich festgelegten Zwecks unbedingt erforderlich ist (vgl. BGH GRUR 2000, 788
juris-Rn. 23 - Gleichstromsteuerschaltung; Ullmann/Deichfuß, a.a.O., § 15 Rn. 26).
101 Im Streitfall ist der Zweck der Lizenzgewährung im Teaming Agreement klar formuliert: Bezweckt wird die
Vermarktung des von der Klägerin technisch konzipierten und von K. marktreif zu entwickelnden und
herzustellenden „Advanced System“. Zu
diesem Zweck gewährt die Klägerin eine Lizenz an den
Schutzrechten, die vom „Advanced System“ betroffen werden (Art. 6:
intellectual property rights
concerning the Advanced System). Die Lizenzgewährung bezieht sich nach der insoweit klaren, den
gesamten Vertrag durchziehenden Diktion auf die Nutzung der technischen Lehre für die Vermarktung des
von der Klägerin konzipierten „Advanced System“, nicht etwa auf eine Benutzung der (im Vertrag nicht
näher aufgeführten) Schutzrechte für beliebige andere Systeme. Entscheidend ist dabei nicht die
grammatische Frage, worauf sich der Relativsatz
for which LHT grants to K. an exclusive user’s right
bezieht (auf
Advanced System oder – rechtstechnisch richtig – auf intellectual property rights);
entscheidend ist vielmehr, dass die Schutzrechte, an welchen eine Lizenz gewährt wird, nicht benannt,
sondern durch Bezugnahme auf das „Advanced System” umschrieben werden: Lizenziert werden
diejenigen Schutzrechte der Klägerin, die für die Herstellung und Vermarktung des Advanced System
benötigt werden. Das steht im Einklang mit dem Vertragszweck, das „Advanced System” zu Ende zu
entwickeln und entsprechende Komponenten herzustellen und im Rahmen der dargestellten Kooperation
zu vermarkten.
102 Es spricht viel dafür, angesichts dieser aus dem Vertrag selbst ersichtlichen Zweckbestimmung sowie
angesichts der auf der Hand liegenden Bedeutung der Person des Lizenznehmers und
Kooperationspartners in dem hochgradig sicherheitssensiblen technischen Bereich der Flugzeug-
Bordelektrik und schließlich angesichts des Fehlens jeglicher Regelungen über Abrechnungen und
Lizenzzahlungen für Nutzungen des Unterlizenznehmers einen konkludenten Ausschluss der
Unterlizenzierung durch die K. anzunehmen. Selbst wenn ein solcher Ausschluss nicht angenommen
würde, müsste zumindest von einem konkludent vereinbarten Vorbehalt der Zustimmung der Klägerin zu
einer solchen Unterlizenzierung ausgegangen werden (zu dieser Möglichkeit vgl. BGH GRUR 1987, 37
juris-Rn. 24 – Videolizenzvertrag). Wegen der ausschließlich auf die Vermarktung des „Advanced System“
gerichteten Zweckbestimmung der erteilten Lizenz kann jedenfalls nicht angenommen werden, dass die
Lizenznehmerin K. befugt war, ohne vorherige Zustimmung der Klägerin einem Wettbewerber die
Nutzung des Klagepatents im Wege der Unterlizenzierung zu gestatten. Damit würde sie nämlich dem
Unterlizenznehmer weiter reichende Befugnisse einräumen als sie selbst hat. Auch K. war, wie sich aus
dem Gesamtinhalt des Teaming Agreements mit Deutlichkeit ergibt, nicht berechtigt, die für das Advanced
System relevanten technischen Schutzrechte der Klägerin für andere Systeme als das „Advanced System“
zu nutzen, etwa im Rahmen der Kooperation mit einem anderen Anbieter auf dem Markt.
103 Das gilt auch für den Fall einer möglichen Lizenzgewährung im Rahmen eines Vergleichsschlusses. Zwar
kann ein ausschließlicher Lizenznehmer aufgrund seines Ausschließungsrechts Ansprüche wegen
Verletzung des lizenzierten Schutzrechts selbständig und ohne Beteiligung des Schutzrechtsinhabers
geltend machen,
soweit das ihm eingeräumte Benutzungsrecht reicht (Ullmann/Deichfuß, a.a.O., § 15 Rn.
97 m.N. zur st. Rspr.). Ist aber seine Befugnis zur Gewährung von Unterlizenzen ausgeschlossen worden,
kann er ohne Zustimmung des Lizenzgebers auch in einem möglichen der Beilegung eines
Verletzungsstreits dienenden Vergleich keine Unterlizenzen einräumen. Nichts anderes kann gelten, wenn
die eigene Benutzungsberechtigung des ausschließlichen Lizenznehmers diejenige Nutzung der Erfindung,
für die er im Vergleichswege eine Lizenz erteilen will, nicht umfassen würde. Auch in diesem Fall fehlt dem
Lizenznehmer die Befugnis, zu Lasten des Schutzrechtsinhabers über die Nutzung der Erfindung zu
verfügen.
104 Die letztgenannte Konstellation liegt hier vor. Die K. wäre nach dem Teaming Agreement selbst nicht
berechtigt, die Erfindung
unabhängig von der Kooperation mit der Klägerin für die Herstellung und
Vermarktung eines
beliebigen Produkts zu nutzen. Da ihre eigene Benutzungsberechtigung insoweit
beschränkt war, konnte sie einem Dritten (der G.) die entsprechende Befugnis nicht einräumen, ohne von
der Klägerin hierzu ermächtigt zu sein, auch nicht in einem Vergleich zur Beilegung eines
Verletzungsstreits. Eine entsprechende Ermächtigung durch die Klägerin trägt die Beklagte nicht vor; dass
die Klägerin die K. mit der Verfolgung einer von dieser festgestellten Verletzung des Klagepatents betraut
haben mag, genügt nach dem Ausgeführten nicht für eine Befugnis der K. zur Unterlizenzeinräumung.
Ohne Bedeutung ist danach die von der Beklagten aufgeworfene Frage des Schriftformerfordernisses nach
§ 34 GWB a.F. Einer Heranziehung von Erklärungen außerhalb des Teaming Agreements bedarf es nicht;
die für die Entscheidung maßgeblichen Auslegungsfragen können vielmehr anhand des schriftlichen
Vertragstextes selbst beurteilt werden.
105 c) Ein anderes Ergebnis kann auch nicht über die von der Beklagten im Senatstermin vom 12.10.2016
angesprochenen Rechtsinstitute der Duldungs- und der Anscheinsvollmacht erreicht werden. Es ist nicht
dargetan, dass die K. bei einer möglichen Lizenzeinräumung im Rahmen des Settlement Agreements in
Ausübung einer Duldungs- oder Anscheinsvollmacht der Klägerin gehandelt hätte. In diesem
Zusammenhang wäre zunächst die Frage nach dem anwendbaren Recht zu stellen; die Vollmacht ist nach
herrschender Auffassung separat anzuknüpfen. Auch nach deutschem Recht wären aber die
Voraussetzungen beider Institute nicht dargetan. Erforderlich wäre in beiden Fällen ein Handeln des
Vertreters im Namen des Vertretenen, hier also ein Handeln von K. im Namen der Klägerin. Das
Settlement Agreement enthält aber keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass K. als Stellvertreterin für die
Klägerin gehandelt und diese (mit-) verpflichtet hätte. Der Vertrag legt offen, dass K. und Airbus nicht
Inhaber des parallelen US-Patents 6,016,016 sind (Ziff. 3.g); unter den haftungsbegründenden
Mitteilungen von K. („K. hereby represents and warrrants“) werden das Teaming Agreement erwähnt (Ziff.
3.g.i), die Lizenzgewährung in Art. 6 zitiert (Ziff. 3.g.ii) sowie die Fortgeltung des Teaming Agreements
(Ziff. 3.g.iii) und die aus dem „exclusive user’s right“ fließende Aktivlegitimation von K. für Ansprüche
wegen Verletzung des ‘016-Patents garantiert. Davon, dass K. den Vertrag (auch) als Vertreterin der
Klägerin schließt, ist an keiner Stelle die Rede. Im Übrigen fehlt es sowohl an einer Duldung eines
etwaigen Vertreterhandelns durch die Klägerin als auch an einem der Klägerin zurechenbaren
Rechtsschein. Der bloße Umstand, dass die Klägerin sich mit einer Rechtsverfolgung durch K.
einverstanden erklärt hat, stellt keine Duldung eines Vertreterhandelns im Rahmen einer etwaigen
Lizenzierung und auch keinen Rechtsschein einer entsprechenden Bevollmächtigung der K. dar.
106 Auch eine Genehmigung der Unterlizenzgewährung durch die Klägerin kann nicht festgestellt werden. Die
Genehmigung ist eine einseitige empfangsbedürftige Willenserklärung; sie setzt voraus, dass der
Berechtigte – zumindest aus der Sicht des möglichen Erklärungsempfängers – das zustimmungsbedürftige
Rechtsgeschäft kennt (vgl. Ellenberger in: Palandt, BGB, 75. Aufl., Einf. v. § 182 Rn. 2 und § 182 Rn. 3).
Für eine (aus Sicht der Beklagten bestehende) Kenntnis der Klägerin von einer etwaigen Unterlizenzierung
liegen keine hinreichend konkreten Anhaltspunkte vor.
107 C. Rechtsfolgen
108 Durch die Patentverletzung sind – vorbehaltlich der nachstehend zu erörternden Einwendungen – die vom
Landgericht zugesprochenen Ansprüche dem Grunde nach entstanden.
109 1. Der Unterlassungsanspruch ergibt sich aus Art. 64 EPÜ, § 139 Abs. 1 PatG, der Schadensersatzanspruch
aus § 139 Abs. 2 PatG. Die Beklagte hat schuldhaft, nämlich zumindest fahrlässig gehandelt; trotz des mit
der K. geschlossenen Settlement Agreement musste sie mit der Möglichkeit rechnen, dass der Klägerin als
Patentinhaberin – die im Settlement Agreement ausdrücklich erwähnt ist – Ansprüche zustehen. Die
Klägerin ist auch hinsichtlich des Schadensersatzanspruchs aktivlegitimiert, denn es besteht die nicht ganz
entfernte Möglichkeit, dass ihr durch die Verletzungshandlungen Lizenzeinnahmen entgangen sind (vgl.
BGH GRUR 2011, 711 juris-Rn. 13 f. – Cinch-Stecker). Nach dem Teaming Agreement hat die Klägerin
unstreitig Anspruch auf Lizenzzahlungen; ob und in welchem Umfang die K. in der Vergangenheit gezahlt
hat, bedarf in diesem Zusammenhang keiner Klärung, denn die Beklagte behauptet nicht, dass die Klägerin
auf ihren Anspruch verzichtet hätte.
110 2. Die Ansprüche auf Auskunft und Rechnungslegung ergeben sich aus § 140b PatG und einer zu
Gewohnheitsrecht erstarkten Anwendung von § 242 BGB; er umfasst nach ständiger Praxis des Senats
auch einen Anspruch auf Belegvorlage. Dem Schutzrechtsinhaber steht, auch wenn er eine Lizenz am
Klagepatent vergeben hat, ein eigener Anspruch auf Auskunft und Rechnungslegung zu, mit dem er
sämtliche Angaben beanspruchen kann, die er benötigt, um sich für eine der Schadensausgleichsmethoden
zu entscheiden und seinen Anspruch nach der gewählten Methode zu beziffern (BGH a.a.O. Ls. 3 und juris-
Rn. 30 ff.– Motorradteile); zum Umfang ist unter E. noch auszuführen.
111 3. Der Anspruch auf Rückruf patentverletzender Vorrichtungen beruht auf § 140 a Abs. 3 PatG. Das
Landgericht hat den Rückruf aufgrund des erstinstanzlichen Vortrags für nicht unverhältnismäßig erachtet
(LGU S. 31). Durchgreifende Einwendungen werden hiergegen in der Berufungsinstanz nicht erhoben.
112 4. Zu Recht hat das Landgericht aber den Anspruch auf Urteilsveröffentlichung für unbegründet erachtet.
Ein berechtigtes Interesse der Klägerin im Sinne des § 140e S. 1 PatG ist nicht dargelegt. Für die
anzustellende Interessenabwägung kommt es maßgeblich auf den Umfang und die Schwere der
Rechtsverletzung, den Grad des Verschuldens, auf die Beachtung des Rechtsstreits in der Öffentlichkeit und
auf die Folgen der Veröffentlichung für den Verletzer an (vgl. Kühnen, a.a.O., Kap. D Rn. 294 ff.).
113 Die von der Klägerin vorgetragenen Umstände genügen insoweit nicht, um ein berechtigtes Interesse an
der Veröffentlichung zu begründen. Dass der Umfang der Verletzung mittlerweile vergleichsweise groß sein
mag, ist nach dem sogleich unter D. und E. näher Auszuführenden maßgeblich dadurch bedingt, dass die
Klägerin Verletzungsansprüche lange Zeit nicht geltend gemacht hat, obwohl ihr eine Feststellung der
Patentverletzung ohne weiteres möglich und zumutbar war. Dass eine Reihe von Fluggesellschaften in
naher Zukunft vorhandene Flugzeugsitze austauschen werden, besagt zunächst nur, dass weiterhin
Bedarf nach patentgemäßen Vorrichtungen bestehen mag. Auch wenn der Anspruch auf
Urteilsveröffentlichung nicht auf Pirateriefälle beschränkt sein mag, spricht im Streitfall gegen die
Urteilsveröffentlichung, dass der Vorwurf rechtswidrigen Handelns ungewöhnlich schwierige Rechtsfragen
aufwirft, so dass von einem zwar vorhandenen, aber eher geringen Grad des Verschuldens der Beklagten
ausgegangen werden muss. Der von der Klägerin angesprochene Aspekt der Sensibilisierung der (Fach-)
Öffentlichkeit hat im Streitfall ebenfalls eher geringes Gewicht. Denn der Markt, auf dem die angegriffenen
Ausführungsformen vertrieben werden, ist unstreitig jedenfalls auf Anbieterseite eng begrenzt; es ist auch
nicht vorgetragen oder ersichtlich, dass die patentgemäßen Vorrichtungen über ein vielstufiges
Vertriebssystem in den Verkehr gebracht werden. In dieser Situation kann davon ausgegangen werden,
dass die Unterlassungs- und Rückrufsverurteilung ausreicht, um das Interesse der Klägerin an der
Unterbindung der Verletzung und an der effektiven Folgenbeseitigung zu schützen.
114 Die Anschlussberufung der Klägerin ist deshalb unbegründet.
115 D. Verwirkung
116 1. Ansprüche wegen Patentverletzung können nach der Rechtsprechung des X. Zivilsenats des
Bundesgerichtshofs verwirkt sein, wenn sich der Verletzer wegen der Duldung der Verletzungshandlungen
durch den Patentinhaber über einen längeren Zeitraum hin bei objektiver Beurteilung darauf einrichten
durfte und auch eingerichtet hat, dieser werde sein Recht nicht mehr geltend machen, und deswegen die
verspätete Geltendmachung gegen Treu und Glauben (§ 242 BGB) verstößt (BGH GRUR 2001, 323 –
Temperaturwächter; vgl. auch OLG Düsseldorf GRUR-RR 2013, 1 juris-Rn. 89 – Haubenstretchautomat).
Sie ist allerdings grundsätzlich restriktiv zu handhaben (BGH aaO S. 327). Beim Unterlassungsanspruch
kommt danach Verwirkung in Betracht, wenn der Rechtsinhaber über einen längeren Zeitraum untätig
geblieben ist, obwohl er den Verstoß gegen seine Rechte kannte oder bei der gebotenen Wahrung seiner
Interessen kennen musste, so dass der Verletzer mit der Duldung seines Verhaltens durch etwaige
Berechtigte rechnen durfte und sich daraufhin einen wertvollen Besitzstand (im Sinne der sachlich-
wirtschaftlichen Basis für die künftige wirtschaftliche Betätigung des Verletzers) geschaffen hat.
Demgegenüber setzt die Verwirkung des Schadensersatzanspruchs keinen schutzwürdigen Besitzstand
voraus, wie er für die Verwirkung des Unterlassungsanspruchs erforderlich ist, sondern nur, dass der
Schuldner auf Grund eines hinreichend lange dauernden Duldungsverhaltens des Rechtsinhabers darauf
vertrauen durfte, dieser werde nicht mehr mit Schadensersatzansprüchen wegen solcher Handlungen an
den Schuldner herantreten, die er auf Grund des geweckten Duldungsanscheins vorgenommen hat (BGH
a.a.O. S. 325 m.w.N. – Temperaturwächter).
117 Der Verwirkungseinwand ist somit Ausfluss des Vertrauensschutzes, der seinerseits auf dem
Verhältnismäßigkeitsprinzip beruht und über den Grundsatz von Treu und Glauben (§ 242 BGB) auch
zivilrechtlichen Ansprüchen Grenzen zieht. Erforderlich ist, dass der Verletzer aufgrund des Verhaltens des
Rechtsinhabers berechtigt darauf vertrauen durfte, der letztere werde seine Rechte nicht mehr geltend
machen, und darauf auch tatsächlich vertraut hat. Für die Verwirkung des in die Zukunft gerichteten
Unterlassungsanspruchs ist zusätzlich (zumindest) erforderlich, dass der Verletzer im Vertrauen auf die
Duldung seines Handelns einen wertvollen Besitzstand erworben hat, der bei Abwägung der beiderseitigen
berechtigten Interessen die Ausübung des Verbietungsrechts als unangemessen erscheinen lässt.
118 Nach der Rechtsprechung des X. Zivilsenats des Bundesgerichtshofs besteht dabei zwischen der Dauer der
Duldung und den Anforderungen, die an das Umstandsmoment zu stellen sind, eine Wechselwirkung. Die
zeitlichen wie die sonstigen Umstände des Falls müssen in ihrer Gesamtheit die Beurteilung tragen, dass
Treu und Glauben dem Gläubiger die Verfolgung des Anspruchs verwehren, mit dessen Geltendmachung
der Schuldner nicht mehr rechnen musste. Je länger aber der Gläubiger untätig bleibt, obwohl eine
Geltendmachung seiner Rechte zu erwarten wäre, desto mehr wird der Schuldner in seinem Vertrauen
schutzwürdig, der Gläubiger werde ihn nicht mehr in Anspruch nehmen (BGH a.a.O. S. 327 –
Temperaturwächter).
119 2. Nach dem Vortrag der Beklagten, den die Klägerin nicht erheblich bestritten hat, sind auf dem Markt für
In-Seat-Versorgungssysteme die Anforderungen der Luftfahrtbehörden und der Flugzeughersteller, im
Streitfall insbesondere Airbus, von besonderer Bedeutung. Die Beklagte hat weiter ohne erhebliches
Bestreiten vorgetragen, dass Airbus bereits im März 2003 eine technische Spezifikation herausgegeben
hat, die für alle Airbus A300, A310, A318/319/321, A330 und A340 Flugzeuge galt und die bestimmte,
120 „die Spannung darf nur aufgeschaltet werden, wenn beide Kontaktstifte gleichzeitig eingesteckt werden
und der passende Stecker sich vollkommen in der Steckdose befindet“.
121 Damit wird der Kern dessen umschrieben, was die durch das Klagepatent geschützte Erfindung leistet. Da
die Klägerin mit Airbus kooperierte, war ihr – wie ebenfalls nicht erheblich streitig ist – die zitierte
technische Spezifikation bekannt. Weiter ist unstreitig, dass es auf dem Markt bis heute nur zwei Produkte
gab und gibt, die die Anforderungen erfüllten, nämlich das Produkt der K. und die angegriffene
Ausführungsform bzw. deren in Bezug auf die Lehre des Klagepatents übereinstimmendes
Vorgängerprodukt. Schließlich ist unstreitig, dass die Klägerin über Jahre hinweg die – im Übrigen frei
verfügbare – angegriffene Ausführungsform von der Beklagten bzw. ihrer Rechtsvorgängerin bezogen hat,
offenbar im Rahmen ihrer auf die Wartung von Passagierflugzeugen gerichteten Tätigkeit.
122 Die Klägerin macht insoweit geltend, sie habe gleichwohl bis 2009 keine Kenntnis davon gehabt, dass die
angegriffene Ausführungsform das Klagepatent verletzte. Da sie im Rahmen ihrer Wartungstätigkeit eine
Vielzahl von Flugzeugen untersuche und prüfe und dabei mehr als 100.000 verschiedene Typen von
Bauteilen bestelle und verarbeite, sei es ihr nicht möglich und jedenfalls nicht zumutbar zu kontrollieren,
ob beim einzelnen Bauteil eine Schutzrechtsverletzung vorliege. Zudem habe die K. als Lizenznehmerin
fast immer steigende Umsätze und Stückzahlen berichtet, so dass kein Anlass zu den Vermutung
bestanden habe, dass eine Verletzung in nennenswertem Umfang stattfinden könne (AS I 148 f.).
123 Ob dieser Vortrag geeignet ist, eine Duldung der Patentverletzung auszuschließen, erscheint fraglich.
Maßgeblich ist aus der objektivierten Sicht der Beklagten, ob sich das Verhalten der Klägerin als Duldung
darstellt. Allerdings trifft die Klägerin keine Marktbeobachtungspflicht. Wenn aber auf dem Markt der In-
Seat-Versorgungssysteme nur zwei Anbieter miteinander in Wettbewerb stehen und die Spezifikation
eines Hauptabnehmers eine dem Klagepatent entsprechende Lösung vorgibt, dann liegt bei objektiver
Würdigung für die Klägerin der Schluss nahe, dass nicht nur das von ihrer Lizenznehmerin K. angebotene,
sondern auch das einzige Alternativprodukt, das in den von ihr gewarteten Flugzeugen eben dieses
Herstellers eingesetzt wird, diese Spezifikation erfüllen und damit möglicherweise in den Schutzbereich des
Klagepatents fallen könnte. Jedenfalls bestehen für die Beklagte Anhaltspunkte für die Annahme, dass die
Klägerin in dieser Situation die Benutzung der technischen Lehre durch die angegriffene Ausführungsform
prüfen wird. Dabei ist zu beachten, dass nach der zitierten „Temperaturwächter“-Entscheidung des
Bundesgerichtshofs eine Verwirkung auch dann in Betracht kommt, wenn der Rechtsinhaber über einen
längeren Zeitraum untätig geblieben ist, obwohl er den Verstoß gegen seine Rechte kannte
oder bei der
gebotenen Wahrung seiner Interessen kennen musste, so dass der Verletzer mit der Duldung seines
Verhaltens durch etwaige Berechtigte rechnen durfte (vgl. BGH GRUR 2001, 323, 325 –
Temperaturwächter). Wenn die Klägerin trotz der dargestellten Umstände über mehrere Jahre hinweg
nicht nur untätig bleibt, sondern fortlaufend eben dieses Wettbewerbsprodukt von der Beklagten bezieht,
dann kann die Beklagte dies bei objektiver Würdigung als Duldung der Patentverletzung verstehen.
124 3. Gleichwohl ist der mögliche Duldungszeitraum bei der gebotenen Berücksichtigung der weiteren
Umstände des Streitfalls nicht ausreichend, um berechtigtes Vertrauen der Beklagten in die Duldung der
Patentverletzung begründen zu können. In der Entscheidung „Temperaturwächter“ (BGH GRUR 2001,
323), in der Verwirkung angenommen worden ist, hatte die Klägerin frühzeitig durch Untersuchung der
angegriffenen Ausführungsform positive Kenntnis vom Verletzungssachverhalt erhalten und in Kenntnis der
Verletzung 14 Jahre zugewartet; zudem ließ das Verhalten des Geschäftsführers der Klägerin den Schluss
zu, dass die Klägerin das fragliche Bauteil wegen seiner Mangelhaftigkeit nicht als ernst zu nehmendes
Konkurrenzprodukt ansehe und daher eine nähere Befassung nicht für lohnend halte. Im Fall
„Haubenstretchautomat“ (OLG Düsseldorf GRUR-RR 2013, 1) hatte die Klägerin mindestens 12 Jahre lang
mit der Verfolgung der Patentverletzung zugewartet; auch hier kamen tatsächliche Umstände hinzu, die
für eine Verwirkung sprachen.
125 Im Streitfall kann nicht festgestellt werden, dass die Klägerin die technischen Eigenschaften der
angegriffenen Ausführungsform vor 2009 geprüft und die Patentverletzung damit positiv zur Kenntnis
genommen hätte. Aus dem Vortrag der Beklagten ergibt sich auch nicht, dass sie belastbare Anhaltspunkte
dafür gehabt hätte, dass die Klägerin trotz positiver Kenntnis der patentverletzenden Eigenschaften keine
Schritte gegen den Vertrieb der angegriffenen Ausführungsformen unternahm; erst recht gibt es nach wie
vor keine Grundlage für die Annahme, dass Organe der Klägerin oder sonstige Wissensvertreter
(Mitarbeiter oder sonstige Beauftragte, die für die Klägerin über die Verfolgung der möglichen
Patentverletzung zu entscheiden haben, vgl. Kühnen, a.a.O., Kap. E Rn. 491) vom Verletzungstatbestand
Kenntnis hatten und gleichwohl von einer Verfolgung absahen. Dabei wird nicht verkannt, dass eine
Verwirkung – wie erwähnt – auch dann in Betracht kommen kann, wenn der Rechtsinhaber über einen
längeren Zeitraum untätig geblieben ist, obwohl er den Verstoß gegen seine Rechte bei der gebotenen
Wahrung seiner Interessen kennen musste. Im Rahmen der zur Beurteilung des Vertrauensschutzes
anzustellenden Interessenabwägung macht es aber einen Unterschied, ob aus Sicht des Verletzers für den
Rechtsinhaber lediglich
Veranlassung bestand, eine mögliche Verletzung zu prüfen, oder ob aus seiner Sicht
positive Kenntnis vom Verletzungssachverhalt vorliegt und der Rechtsinhaber trotzdem untätig bleibt. Im
ersteren Fall kann ein Vertrauenstatbestand erst nach einem längeren Zeitraum angenommen werden als
im letzteren Fall.
126 Vorliegend ist die Spezifikation von Airbus, die für eine aus Sicht der Beklagten gegebene Duldung
erhebliche Bedeutung hat, im März 2003 erschienen. Das Klagepatent ist aber erst Ende 2003 erteilt
worden ist. Von einer Duldung der Patentverletzung konnte die Beklagte frühestens nach Ablauf eines
Zeitraums ausgehen, der typischerweise für die Prüfung des Bestehens und die Entscheidung über die
Geltendmachung von Patentverletzungsansprüchen benötigt wird, also ab dem zweiten Quartal 2004.
Dass die K. die Klägerin bereits 2002 von der in den USA geführten patentrechtlichen Auseinandersetzung
mit der G. informiert haben mag, reicht für einen Vertrauenstatbestand ebensowenig aus wie etwa der
Umstand, dass die angegriffene Ausführungsform in einer Fachzeitschrift beworben wurde, die der
Mitarbeiter der Klägerin und Miterfinder des Klagepatents, Herr S., bezog. Gleiches gilt für die weiteren von
der Beklagten vorgelegten Unterlagen (Anlagen BK 3, BK 5, B 78, B 79).
127 Die Klage ist Ende 2010 eingereicht worden, so dass die Klägerin etwa 6 Jahre und 9 Monate mit der
Geltendmachung von Ansprüchen zugewartet hat. Angesichts des Umstands, dass klare Anhaltspunkte für
eine positive Kenntnis der Organe oder sonstigen Wissensvertreter der Klägerin vom
Verletzungstatbestand nicht vorlagen, und wegen des Gebots einer restriktiven Handhabung des
Verwirkungseinwands reicht dieser Zeitraum nicht aus, um berechtigtes Vertrauen der Beklagten darauf zu
begründen, dass die Klägerin die ihr zustehenden Ansprüche nicht mehr geltend machen wird.
128 Somit kann offen bleiben, ob der Vortrag der Beklagten die Annahme eines wertvollen, im Vertrauen auf
die Duldung geschaffenen Besitzstandes unter Berücksichtigung der dargestellten „Wechselwirkung“ mit
dem Zeitmoment ausreichend ist. Ferner bedarf keiner Entscheidung, ob die restriktivere Rechtsprechung
des I. Zivilsenats des Bundesgerichtshofs zur Verwirkung des Unterlassungsanspruchs (BGH GRUR 2012,
928 juris-Rn. 22 – Honda-Grauimport; BGHZ 198, 159 juris-Rn. 21 – Hard Rock Cafe; BGH GRUR 2014, 363
juris-Rn. 15 f. – Peter Fechter; BGH GRUR 2016, 705 juris-Rn. 50 – ConText) auf das Patentrecht zu
übertragen ist.
129 D. Verjährung
130 1. Nach § 141 S. 1 PatG i.V.m. § 195 BGB verjähren Ansprüche wegen Patentverletzung in drei Jahren; die
Verjährung beginnt mit dem Schluss des Jahres, in dem der Anspruch entstanden ist und der Verletzte die
anspruchsbegründenden Umstände und die Verantwortlichkeit der Beklagten bzw. ihrer Rechtsvorgängerin
kannte oder ohne grobe Fahrlässigkeit kennen musste, § 141 S. 1 PatG i.V.m. § 199 Abs. 1 BGB. Das setzt
voraus, dass dem Verletzten die relevanten Tatsachen so vollständig und sicher bekannt oder infolge grober
Fahrlässigkeit unbekannt sind, dass sie einen zwar nicht risikolosen, aber doch einigermaßen
aussichtsreichen Erfolg einer Klage versprechen und dem Verletzten daher bei verständiger Würdigung der
Sachlage eine Klage zuzumuten ist (vgl. BGH GRUR 2012, 1279 juris-Rn. 53 – DAS GROSSE RÄTSELHEFT).
131 2. Da die Beklagte die angegriffene Ausführungsform zumindest bis Ende 2014 fortlaufend in den Verkehr
gebracht hat, scheidet eine Verjährung des Unterlassungsanspruchs aus. Denn jede neue
Verletzungshandlung begründet einen neuen Unterlassungsanspruch und setzt damit nach § 199 Abs. 1
Nr. 1 PatG eine neue Verjährungsfrist in Gang (vgl. BGH GRUR 2015, 780 juris-Rn. 23 – Motorradteile;
Kühnen, a.a.O., Kap. E Rn. 486).
132 3. Dagegen sind Schadensersatzansprüche, die vor dem 01.01.2007 entstanden sind, sowie der Anspruch
auf Rückruf patentverletzender Erzeugnisse, die vor diesem Datum in den Verkehr gebracht wurden,
verjährt. Auch wenn positive Kenntnis vom Verletzungssachverhalt nicht festgestellt werden kann, muss
die von der Klägerin behauptete Unkenntnis in der dargestellten Situation als grob fahrlässig gewertet
werden. Auch hier ist freilich zu beachten, dass der Berechtigte nicht verpflichtet ist, den Markt zu
beobachten (Kühnen, a.a.O., Rn. 488 m.w.N.). Grob fahrlässige Unkenntnis liegt aber dann vor, wenn dem
Gläubiger die Kenntnis fehlt, weil er die im Verkehr erforderliche Sorgfalt in ungewöhnlich grobem Maße
verletzt und auch ganz naheliegende Überlegungen nicht angestellt oder naheliegende Erkenntnis- oder
Informationsquellen nicht genutzt und unbeachtet gelassen hat, was jedem hätte einleuchten müssen. Ihm
muss persönlich ein schwerer Obliegenheitsverstoß bei der Verfolgung seines Anspruchs vorzuwerfen sein
(BGH a.a.O. juris-Rn. 55 – DAS GROSSE RÄTSELHEFT). So liegt es hier. Unstreitig gab es für 110V-In-Seat-
Versorgungssysteme nur zwei Anbieter, nämlich die Lizenznehmerin der Klägerin (K.) und die Beklagte
bzw. ihre Rechtsvorgängerin. Die Spezifikationen eines der beiden Hauptabnehmer, Airbus, verlangten die
Detektion des gleichzeitigen Einsteckens der beiden Pins eines Steckers und damit den Kern der
patentgeschützten Lehre. Dies musste der Klägerin als Schutzrechtsinhaberin Veranlassung geben, die
Frage der Patentverletzung zu prüfen, was auch ohne weiteres möglich gewesen wäre, weil die Klägerin
aufgrund ihrer Wartungstätigkeit ohnehin mit den angegriffenen Ausführungsformen zu tun hatte. Wenn
sie in dieser Situation von der Prüfung der patentverletzenden Eigenschaften der angegriffenen
Ausführungsformen absah, unterließ sie Maßnahmen, die ihr als Schutzrechtsinhaberin zur Wahrung ihrer
Interessen offensichtlich oblagen. Dass sie derartige Prüfungen allein der Lizenznehmerin K. übertragen
hätte, ist nicht vortragen und wäre auch mit der dargestellten Kooperation kaum vereinbar.
133 4. Nicht verjährt ist aber der Restschadensersatzanspruch nach § 141 S. 2 PatG i.V.m. § 852 BGB. Der
Anspruch verjährt in 10 Jahren ab Entstehung (§ 852 S. 2 Alt. 1 BGB); diese Frist war für die geltend
gemachten Ansprüche bei Klageerhebung nicht abgelaufen.
134 Danach ist die Beklagte für den verjährten Zeitraum verpflichtet, diejenigen Vermögensvorteile, die sie
durch die Patentverletzung auf Kosten der Klägerin erlangt hat, nach den Vorschriften über die Herausgabe
einer ungerechtfertigten Bereicherung herauszugeben. Es handelt es sich nicht um eine Rechtsgrund-,
sondern um eine Rechtsfolgenverweisung auf das Bereicherungsrecht; der Anspruch aus § 141 S. 2 PatG
i.V.m. § 852 BGB bleibt nach Rechtsnatur und Voraussetzungen ein Schadensersatzanspruch, dessen Inhalt
und Umfang sich aber nach dem Bereicherungsrecht richten (vgl. BGHZ 71, 86 Ls. 2 und juris-Rn. 61 –
Fahrradgepäckträger II). Schadensersatz ist also nur noch im Umfang des durch die Schutzrechtsverletzung
auf Kosten des Schutzrechtsinhabers Erlangten zu leisten.
135 Als das durch eine Schutzrechtsverletzung auf Kosten des Schutzrechtsinhabers Erlangte kann zunächst –
wie bei der Eingriffskondiktion (§ 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 2 BGB) – der Gebrauch des immateriellen
Schutzgegenstandes anzusehen sein (BGHZ 82, 299 juris-Rn. 46 – Kunststoffhohlprofil II [zu § 812 BGB]),
hier also die Benutzung der technischen Lehre des Klagepatents. Da diese Benutzung nicht in Natur
herausgegeben werden kann, ist gemäß § 818 Abs. 2 BGB ihr Wert zu ersetzen. Für die Wertbestimmung
ist der objektive Verkehrswert des Erlangten maßgeblich, der jedenfalls nach den Grundsätzen der
Lizenzanalogie bemessen werden kann; die angemessene Lizenz stellt die Werteinschätzung dar, welche
die verkehrsbeteiligten Kreise einem solchen Gebrauch entgegenbringen (BGHZ 71, 86 juris-Rn. 49 –
Kunststoffhohlprofil II).
136 Anders als die Eingriffskondiktion ist der Anspruch auf Herausgabe des Erlangten nach § 141 S. 2 PatG
i.V.m. § 852 BGB aber nicht zwingend auf die Lizenzanalogie beschränkt. Vielmehr kann im Rahmen des
Restschadensersatzanspruchs grundsätzlich auch der Verletzergewinn als auf Kosten des
Schutzrechtsinhabers durch die Rechtsverletzung Erlangtes angesehen werden (str., wie hier LG
Düsseldorf, Mitt 2000, 458, 461 – Dämmstoffbahn; LG Düsseldorf, InstGE 1, 33, 37 -
Mehrfachkontaktanordnung, LG Mannheim, Urt. v. 16.01.2004, Az. 7 O 403/03, juris-Rn. 117; Meyer-Beck,
GRUR 1993, 1, 5; Tilmann, Mitt. 282, 283; Nieder, Mitt. 2009, 540; Hülsewig, GRUR 2011, 673; Rinken in:
Fitzner/Lutz/Bodewig, Patentrechtskommentar, 4. Aufl., § 141 Rn. 40; a.A. Kühnen, a.a.O., Kap. E Rn. 494;
Kraßer/Ann, Patentrecht, 7. Aufl., § 35 Rn. 152).
137 Während nämlich bei der verschuldensunabhängigen Eingriffskondiktion erforderlich ist, dass der
herauszugebende Vermögensvorteil
unmittelbar auf Kosten des Bereicherungsgläubigers erlangt worden ist
(st. Rspr., vgl. BGH NJW 2015, 229 Rn. 25), so dass als Bereicherung des Schutzrechtsverletzers im Sinne
des § 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 2 BGB nur der – durch das Schutzrecht ausschließlich dem Inhaber zugewiesene
– Gebrauch des immateriellen Schutzgegenstands als Bereicherung in Frage kommt, ist für eine solche
Beschränkung im Rahmen des Restschadensersatzanspruchs kein Raum. Dieser hat dieselben
Voraussetzungen wie der „unverjährte“ Schadensersatzanspruch, so dass insbesondere Verschulden
erforderlich ist, und er bleibt seiner Natur nach ein Schadensersatzanspruch. Ebenso wie es aber für den
Ersatz des Schadens nach §§ 249 ff. BGB nur darauf ankommt, ob der Schaden adäquat-kausal durch das
anspruchsauslösende Verhalten verursacht worden ist, kommt es auch beim Restschadensersatzanspruch
nur darauf an, dass zwischen der Bereicherung des Verletzers (auf die der Schadensersatzanspruch
beschränkt ist) und dem anspruchsbegründenden Delikt ein adäquat-kausaler Zusammenhang besteht und
dass die Bereicherung im Fall rechtmäßigen Verhaltens beim Geschädigten entstanden wäre; insofern hat
das Tatbestandsmerkmal „auf Kosten … erlangt“ in § 852 S. 1 BGB und § 141 S. 2 PatG eine andere
Bedeutung als bei der Eingriffskondiktion. Die mittels einer unerlaubten Handlung bewirkte
Vermögensänderung zugunsten des Schädigers soll nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs eben
nicht auf Fälle der Unmittelbarkeit der Vermögensverschiebung beschränkt sein; die
Vermögensverschiebung muss sich nicht zwischen dem Schädiger und dem Geschädigten vollziehen. Der
Begriff "auf Kosten ... erlangt" ist in § 852 Abs. 3 BGB a.F. / § 852 S. 1 BGB n.F. auf die Handlung abgestellt,
durch die die Vermögensverschiebung bewirkt worden ist. Da es eine unerlaubte war, kommt es nicht
darauf an, auf welchem Wege sich die dadurch veranlasste Vermögensverschiebung vollzogen hat (so
BGHZ 71, 86 juris-Rn. 62 – Fahrradgepäckträger II). In der zitierten Entscheidung – die den Fall einer
unberechtigten Abnehmerverwarnung betraf – hat der Bundesgerichtshof deshalb Lizenzgebühren für
erstattungsfähig nach § 852 Abs. 3 BGB a.F. erachtet, welche die dortige Beklagte dadurch erlangt hatte,
dass Abnehmer wegen der Verwarnung bei Lizenznehmern der Beklagten anstatt bei der Klägerin bestellt
hatten (a.a.O. juris-Rn. 63).
138 Angesichts dieser dogmatischen Grundentscheidung kann der Verletzergewinn nicht von vornherein vom
Restschadensersatz gemäß § 141 S. 2 PatG i.V.m. § 852 BGB ausgeschlossen werden. Freilich ist – wie
stets in Fällen der Schadensberechnung anhand des Verletzergewinns – zu prüfen, welcher Anteil am
erzielten Gewinn adäquat-kausal auf der Benutzung der Erfindung beruht.
139 Somit hat die teilweise Verjährung des Schadensersatzanspruchs keine Auswirkungen auf den Umfang des
in Ziff. 3 des Tenors des angefochtenen Urteils zugesprochenen Rechnungslegungsanspruchs.
Demgegenüber ist der teilweisen Verjährung und der daraus folgenden Beschränkung des
Schadensersatzanspruchs auf die Herausgabe des Erlangten beim Feststellungsausspruch Rechnung zu
tragen.
140 E. Nebenentscheidungen
141 Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 92 Abs. 1, 97 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige
Vollstreckbarkeit auf §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO. Gründe für eine Zulassung der Revision nach § 543 Abs. 2
ZPO liegen nicht vor. Es handelt sich um eine Einzelfallentscheidung, die hinsichtlich des Lizenzeinwands
auf einer Auslegung des Teaming Agreements beruht.