Urteil des OLG Karlsruhe vom 22.12.2016

wohl des kindes, jugendamt, persönliche anhörung, auflage

OLG Karlsruhe Beschluß vom 22.12.2016, 5 WF 191/16
Auswahl des für die Amtsvormundschaft örtlich zuständigen Jugendamtes
Leitsätze
1. Im Verfahren über einen Antrag eines Jugendamtes auf Entlassung und Bestellung eines anderen
Jugendamtes zum Vormund kommt eine Abweichung von den Vorgaben des SGB VIII zur örtlichen Zuständigkeit
der Jugendämter allenfalls im Ausnahmefall aus Gründen des Kindeswohls in Betracht.
2. Zumindest im Anwendungsbereich des § 88a SGB VIII könnte von einer Bindung der Familiengerichte an die
Vorgaben des SGB VIII zur örtlichen Zuständigkeit der Jugendämter auszugehen sein.
Tenor
1. Auf die Beschwerde des Jugendamtes B. wird der Beschluss des Amtsgerichts - Familiengerichts - Bad
Säckingen vom 27.09.2016 aufgehoben und der Antrag des Jugendamtes A. vom 24.08.2016 zurückgewiesen.
2. Gerichtskosten des Verfahrens beider Instanzen werden nicht erhoben, außergerichtliche Kosten werden
nicht erstattet.
3. Der Verfahrenswert des Beschwerdeverfahrens wird auf 3.000,00 EUR festgesetzt.
Gründe
I.
1 Gegenstand des Verfahrens ist die Bestimmung des für die Amtsvormundschaft zuständigen Jugendamtes.
2 Der am … 2002 geborene, aus Afghanistan stammende Betroffene hält sich als unbegleiteter Flüchtling in
Deutschland auf. Er wurde, nachdem er am 01.01.2016 im Zug von Kiel nach Zürich an der Schweizer
Grenze aufgegriffen worden war, vom insofern gemäß § 88a Abs. 1 SGB VIII zuständigen Jugendamt A. in
Obhut genommen, zunächst am 01.01.2016 vorläufig gemäß § 42a SGB VIII und sodann am 01.02.2016
gemäß § 42 SGB VIII, und zunächst in S. im Landkreis A. untergebracht. Eine Zuweisungsentscheidung nach
§ 42b SGB VIII wurde nicht getroffen (AS 9, 121; 6 F 40/16 AS 1). Mit Beschluss vom 16.02.2016, 6 F 40/16
(AS 3) stellte das Familiengericht Bad Säckingen im Wege der einstweiligen Anordnung auf Anregung des
Jugendamtes A. vom 11.02.2016 (6 F 40/16 AS 1) das Ruhen der elterlichen Sorge fest, ordnete für den
Betroffenen eine Vormundschaft an und bestellte das Jugendamt A. zum Vormund.
3 Spätestens seit dem 08.04.2016 ist der Betroffene in einer Jugendhilfeeinrichtung in B. untergebracht (AS
11, 121). Mit Schreiben vom 13.07.2016 stellte das Jugendamt A. vor diesem Hintergrund ein
Übernahmeersuchen an das Jugendamt B. auf Grundlage des § 88a Abs. 4 SGB VIII, welches das Jugendamt
B. mit Schreiben vom 18.07.2016 unter Hinweis darauf ablehnte, dass eine Übernahme auf Grundlage des §
88a Abs. 2 Satz 3 SGB VIII in Betracht käme (AS 13 bis 17).
4 Mit Schriftsatz vom 24.08.2016 (AS 13) hat das Jugendamt A. beim Familiengericht die Entlassung als
Vormund und die Bestellung des Jugendamtes B. zum Vormund beantragt. Das Jugendamt B. ist der
Übernahme der Betreuung entgegengetreten (AS 23). Mit Beschluss vom 27.09.2016 hat das
Familiengericht das Jugendamt A. als Vormund entlassen und das Jugendamt B. zum Vormund bestellt (AS
29). Mit am 24.10.2016 beim Amtsgericht eingegangenem Schriftsatz (AS 39) hat das Jugendamt B.
hiergegen Beschwerde eingelegt.
5 Das Jugendamt B. trägt vor, die Zuständigkeit für die Amtsvormundschaft sei in § 88a Abs. 4 SGB VIII
geregelt. Eine hiervon abweichende Zuständigkeitsbestimmung komme allenfalls im Ausnahmefall in
Betracht. Ein derartiger Ausnahmefall könne aber vorliegend bereits aus dem Grunde nicht angenommen
werden, dass das Jugendamt A. auch in ca. 10 weiteren Fällen unbegleitete minderjährige Flüchtlinge in B.
untergebracht habe. Es bestehe Bereitschaft, den Fall auf Grundlage des § 88a Abs. 2 Satz 3 SGB VIII zu
übernehmen. Hierdurch würde erreicht, dass das Jugendamt B. nicht nur für die tendenziell aufwendigere
Vormundschaft, sondern auch für die Gewährung von Leistungen der Jugendhilfe zuständig würde und dass
insbesondere der Fall auf die Aufnahmequote des Jugendamtes B. angerechnet würde. Von dieser
angebotenen Möglichkeit habe das Jugendamt A. indes ohne Begründung keinen Gebrauch gemacht.
6 Das Jugendamt A. trägt vor, zwar läge die Zuständigkeit gemäß § 88a Abs. 4 SGB VIII für die
Amtsvormundschaft weiterhin beim Jugendamt A. Diese statische Zuständigkeitsregelung sei indes bereits
im Gesetzgebungsverfahren kritisiert worden. Aufgrund der räumlichen Entfernung zum aktuellen
Aufenthalt des Betroffenen könne der regelmäßige Mündelkontakt gemäß § 1793 Abs. 1a BGB nicht
sichergestellt werden. Dieser sei gerade für den Betroffenen aufgrund dessen psychischer Verfassung von
besonderer Bedeutung. Für das Familiengericht, welches an die Zuständigkeitsregelung des § 88a Abs. 4
SGB VIII nicht gebunden sei, sei alleiniges Entscheidungskriterium das Wohl des Kindes, hinter welchem
anderweitige Erwägungen zurücktreten müssten (AS 13, 27, 121 f.).
7 Der Betroffene wurde persönlich angehört. Er hat sich dahingehend eingelassen, die Bestellung des
Jugendamtes B. zum Vormund zu bevorzugen, da die Betreuung durch das Jugendamt A. zu der Zeit, als er
sich im dortigen Raum aufgehalten habe, ungenügend gewesen sei, während er sich durch das Jugendamt B.
gut betreut fühle. Dauerhaft wolle er nach England, wo seine Schwester lebe.
8 Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf den Akteninhalt verwiesen.
II.
9 1. Die Beschwerde ist zulässig gemäß §§ 58 ff. FamFG.
10 Die Beschwerdeberechtigung des Jugendamts B. in seiner Eigenschaft als bestellter Vormund folgt aus § 59
Abs. 1 FamFG (OLG Celle vom 19. 04.2011, 15 UF 76/10, juris Rn. 9; OLG München vom 26.03.2012, 33 WF
1342/11, juris Rn. 2). Unerheblich ist, dass das Jugendamt B. das Empfangsbekenntnis hinsichtlich des
angefochtenen Beschlusses nicht zurückgegeben hat (I 55), da selbst gerechnet ab Erlass des Beschlusses
die Monatsfrist gemäß § 63 Abs. 1 FamFG bei Eingang der Beschwerde noch nicht abgelaufen war.
11 2. Die Beschwerde ist begründet, da die Zuständigkeit für die Amtsvormundschaft gemäß § 88a Abs. 4 SGB
VIII weiterhin beim Jugendamt A. liegt und vorliegend kein Raum für eine Abweichung von der gesetzlichen
Regelung besteht.
12 a) Die Frage, ob die Vorgaben des § 88a Abs. 4 SGB VIII zur örtlichen Zuständigkeit des Amtsvormunds im
Rahmen des Verfahrens über einen Antrag des ursprünglich zuständigen Jugendamtes auf Entlassung und
Bestellung eines anderen Jugendamtes für das Familiengericht bindend sind, oder ob dem Familiengericht
insofern ein Ermessen zukommt, ist streitig.
13 aa) Die allgemeine Regelung der örtlichen Zuständigkeit für Amtsvormundschaften findet sich in § 87c SGB
VIII. Bereits in diesem Rahmen ist streitig, ob das Familiengericht im Falle eines Entlassungsantrags gemäß §
87c Abs. 3 Satz 3 SGB VIII an die Vorgaben des SGB VIII gebunden ist oder ob dem Familiengericht insofern
ein Ermessensspielraum zukommt (vergleiche zum Meinungsstand Staudinger/Veit, BGB, Stand 2014, §
1791b Rn. 16 und Palandt/Götz, BGB, 76. Auflage 2017, § 1791b Rn. 2, jeweils mit weiteren Nachweisen).
14 bb) Die örtliche Zuständigkeit für Amtsvormundschaften betreffend unbegleitete ausländische Kinder und
Jugendliche hat der Gesetzgeber erst mit Gesetz zur Verbesserung der Unterbringung, Versorgung und
Betreuung ausländischer Kinder und Jugendlicher vom 28. Oktober 2015 speziell in § 88a Abs. 4 SGB VIII
geregelt. Familienrechtliche Kommentierungen erörtern den Spezialfall des § 88a SGB VIII bislang nicht
gesondert (Palandt/Götz, a.a.O., Rn. 2; MünchKomm/Wagenitz, BGB, 6. Auflage 2012, § 1791b Rn. 9 bis 11;
Staudinger/Veit, a.a.O., Rn. 16). In sozialrechtlichen Kommentierungen wird teilweise von einer Bindung der
Familiengerichte an die Vorgaben des SGB VIII ausgegangen (Schlegel/Voelzke/Lange, jurisPK SGB VIII, 1.
Aufl. 2014, 88a Rn. 47), teilweise vom Gegenteil (Hauck/Noftz/Bohnert, SGB, Stand 05/16, § 88a SGB VIII,
Rn. 31). Mit dem Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgericht (Beschluss vom 18.02.2016, 14 UF 12/16, juris
Rn. 12) hat der Senat eine Bindung verneint. Der Senat hat jedoch ausgeführt, in der Regel sei von den
Zuständigkeitsvorschriften des SGB VIII auszugehen, hiervon könne aber im Ausnahmefall aus Gründen des
Kindeswohls abgewichen werden (Beschluss vom 16.06.2016, 5 WF 48/16, nicht veröffentlicht).
15 cc) Ob an dieser Auffassung festzuhalten ist, oder ob nicht zumindest im Anwendungsbereich des § 88a SGB
VIII von einer Bindung der Familiengerichte an die Vorgaben des SGB VIII hinsichtlich der örtlichen
Zuständigkeit der Jugendämter auszugehen ist, erscheint fraglich.
16 (1) Grundsätzlich ist davon auszugehen, dass gesetzliche Vorgaben und damit die Vorgaben des SGB VIII zur
örtlichen Zuständigkeit gemäß Art. 20 Abs. 3, 97 Abs. 1 GG für die Familiengerichte bindend sind.
17 (2) Sofern im Anwendungsbereich des § 87c Abs. 3 Satz 3 SGB VIII ein Ermessensspielraum der
Familiengerichte angenommen wird, ging auch die zugrundeliegende Rechtsprechung von einer derartigen
Bindung aus, nahm aber an, dass das SGB VIII keine Vorgabe bezüglich der vom Familiengericht zu
treffenden Entscheidung enthalte und mithin die Vorschriften des BGB über die Vormundschaft nicht
verdränge. Es sei daher auf §§ 1887, 1889 BGB zurückzugreifen, wonach die Entscheidung orientiert am
Wohl des Kindes zu erfolgen habe (OLG Hamm vom 11.10.1994, 15 W 274/94, juris Rn. 12; Bayerisches
Oberstes Landgericht vom 17.05.1996, 1Z BR 72/96, juris Rn. 10).
18 (3) Gegen die Übertragung dieser Überlegungen auf den Spezialfall der örtlichen Zuständigkeit für
unbegleitete ausländische Kinder und Jugendliche gemäß § 88a SGB VIII bestehen Bedenken. Nach dem
expliziten Willen des Gesetzgebers sollen „die örtliche Zuständigkeit für vorläufige Schutzmaßnahmen bzw.
für Leistungen an unbegleitete ausländische Minderjährige ... und für die Amtsvormundschaft ... nicht - wie
bisher - auseinanderfallen können, sondern stets demselben örtlichen Träger zugeordnet“ sein (BT-
Drucksache 18/5921, Seite 29). In systematischer Hinsicht ist bei einer Gesamtschau der §§ 42, 42a, 42b,
42c, 87 Satz 2, 88a SGB VIII festzustellen, dass der Gesetzgeber ein Verteilungsverfahren geschaffen hat,
welches daran orientiert ist, sowohl die Kindeswohlinteressen im Einzelfall umzusetzen als auch dem sich
aus den hohen Fallzahlen ergebenden Bedürfnis nach Verteilungsgerechtigkeit im Verhältnis der staatlichen
Institutionen Rechnung zu tragen. Als gesetzlicher Ansatzpunkt für die Berücksichtigung besonderer
Kindeswohlgesichtspunkte im Einzelfall wurde einerseits mit § 42a Abs. 2 Satz 1 Nr. 1, Satz 2 SGB VIII die
Möglichkeit des jeweiligen Jugendamtes eingeführt, einen Betroffenen, welcher sich in seiner Obhut
befindet, aus Gründen des Kindeswohls vom Verteilungsverfahren auszunehmen, andererseits mit § 88a
Abs. 2 Satz 3 SGB VIII die Möglichkeit eines anderen Jugendamts, aus Gründen des Kindeswohls oder aus
sonstigen humanitären Gründen die Zuständigkeit zu übernehmen. Deshalb spricht viel dafür, dass daneben
weder Raum noch ein Bedürfnis für ein familiengerichtliches Ermessen besteht. Das könnte zumindest
solange gelten, wie nicht feststeht, dass über die nach dem SGB VIII den Jugendämtern zugewiesenen
Ermessensspielräume keine kindeswohlgerechte Lösung zustande kommt, etwa weil das nach § 88a Abs. 2
Satz 3 SGB VIII um Übernahme ersuchte Jugendamt die Übernahme abgelehnt hat und das um Übernahme
ersuchende Jugendamt in Reaktion hierauf das Familiengericht anruft (zu alldem vertieft
Schlegel/Voelzke/Lange, a.a.O., § 87c Rn. 61 ff, 88a Rn. 45 ff.).
19 b) Letztlich kann dies vorliegend dahinstehen, da selbst bei Annahme eines familiengerichtlichen Ermessens
vorliegend keine Übertragung der Amtsvormundschaft auf das Jugendamt B. in Betracht käme. Eine
Abweichung von den Zuständigkeitsvorgaben des SGB VIII kommt allenfalls im Ausnahmefall aus Gründen
des Kindeswohls in Betracht (Senat a.a.O.). Ein solcher Ausnahmefall kann vorliegend nicht angenommen
werden. Bereits der Umstand, dass sich die entsprechende Problematik allein im Verhältnis der vorliegend
beteiligten Jugendämter aktuell in ca. 10 weiteren Parallelfällen stellt, wovon ein weiterer ebenfalls bereits
beim Senat anhängig ist, schließt die Annahme eines Ausnahmefalls aus. Auch der zur Begründung des
Antrags vorgetragene Gesichtspunkt, nämlich im Wesentlichen das Bedürfnis des Betroffenen nach einer
ortsnahen Betreuung, begründet keinen Ausnahmefall. Vielmehr stellt dieses Bedürfnis den Regelfall dar,
welchen der Gesetzgeber auch der Zuständigkeitssystematik des § 88a SGB VIII zugrunde gelegt hat. Das
gilt auch unter Berücksichtigung des Wunsches des Betroffenen, dass aus diesem Grunde und vor dem
Hintergrund der vom Jugendamt B. erbrachten besseren Betreuungsleistung diesem die Amtsvormundschaft
übertragen werden möge. Ein Bedürfnis für die Annahme eines gegenüber der Zuständigkeitssystematik des
§ 88a SGB VIII vorrangigen Ausnahmefalls scheidet im Übrigen bereits aus dem Grunde aus, dass das
Jugendamt B. wiederholt die Bereitschaft zur Übernahme der Zuständigkeit im Rahmen der
Zuständigkeitssystematik des § 88a SGB VIII zum Ausdruck gebracht hat, nämlich im Wege der Übernahme
der Zuständigkeit auch für die Inobhutnahme und Leistungserbringung gemäß §§ 88a Abs. 2, 3 SGB VIII.
Den vom Jugendamt A. vorgebrachten Gründen des Kindeswohls kann mithin im Rahmen der Vorgaben des
SGB VIII Rechnung getragen werden, weshalb kein Bedürfnis für die Annahme eines Ausnahmefalls
außerhalb der Systematik des SGB VIII besteht. Das Jugendamt A. kann das Jugendamt B., wie von diesem
bereits wiederholt angeboten, um Übernahme gemäß § 88a Abs. 2 Satz 3 SGB VIII ersuchen. Solange das
Jugendamt A. diesen Weg nicht einschlägt, ist auch die Amtsvormundschaft bei ihm zu belassen. Umstände
des Einzelfalls, welche die Annahme eines Ausnahmefalls rechtfertigen würden, sind vorliegend nicht
ersichtlich.
20 c) Der Hinweis des Jugendamtes A., bereits im Rahmen des Gesetzgebungsverfahrens sei die
Zuständigkeitsregelung des § 88a SGB VIII als nicht kindeswohlgerecht kritisiert worden und eine
Zuständigkeitsregelung in Anlehnung an §§ 87 c Abs. 3 SGB VIII, 1889 Abs. 2 BGB vorgeschlagen worden,
steht diesem Ergebnis nicht entgegen. Er spricht vielmehr für das gefundene Ergebnis, da er bestätigt, dass
es sich bei der Zuständigkeitsregelung des § 88a SGB VIII um eine bewusste und mithin gemäß Artikel 20
Abs. 3 GG für Verwaltung und Rechtsprechung bindende gesetzgeberische Entscheidung handelt.
21 3. Soweit in erster Instanz von der persönliche Anhörung des Betroffenen abgesehen wurde, wurde dieser
Verfahrensmangel in zweiter Instanz geheilt.
22 a) Gemäß § 159 Abs. 1 Satz 1 FamFG hat das Gericht das betroffene Kind persönlich anzuhören, wenn es
das 14. Lebensjahr vollendet hat. Dieser Grundsatz, welcher in allen Familiensachen gilt, sofern sie nicht
ausschließlich vermögensrechtlicher Art sind (Keidel/Engelhardt, FamFG, 18. Auflage 2014, § 159 Rn. 5),
dient unter anderem dazu, die Stellung des Kindes als Verfahrenssubjekt zu stärken (Keidel/Engelhardt,
a.a.O., Rn. 1), wobei der Gesetzgeber durch seine hervorgehobene Position dessen besondere Betonung
bezweckt hat (BT-Drucksache 16/6308, Seite 240). Abgesehen werden von der persönlichen Anhörung kann
gemäß § 159 Abs. 3 FamFG nur aus schwerwiegenden Gründen. Vor dem Hintergrund der Bedeutung der
persönlichen Kindesanhörung ist diese Regelung orientiert am Kindeswohl auszulegen. Erforderlich ist das
Vorliegen triftiger, das Wohl des Kindes nachhaltig berührender Gründe (MünchKomm/Schumann, FamFG, 2.
Auflage 2013, § 159 Rn. 6, 7; Zöller/Lorenz, ZPO, 31. Auflage 2016, § 159 FamFG Rn. 4;
Johannsen/Henrich/Büte, Familienrecht, 6. Auflage 2016, § 159 FamFG Rn. 8; Keidel/Engelhardt, a.a.O., Rn.
12). Gemessen hieran sind vorliegend keine Gründe ersichtlich, welche das Absehen von einer persönlichen
Anhörung rechtfertigen könnten. Weder ist hierfür die erstinstanzliche Erwägung hinreichend, es drohe kein
schwerwiegender Grundrechtseingriff und der Wille des Kindes sei in hinreichender Form anderweitig
eingeführt worden, noch die Erwägung, dass der Natur des Verfahrens entsprechend keine Beeinflussung
des Verfahrensergebnisses durch die Anhörung zu erwarten war. Die Bedeutung der Kindesanhörung auch
in der vorliegenden Konstellation des Zuständigkeitsstreits zweier Jugendämter ergibt sich bereits daraus,
dass anlässlich des Verfahrens über den Entlassungsantrag (nochmals) zu prüfen ist, ob nicht eine
gegebenenfalls vorrangige zur Übernahme der Vormundschaft geeignete Einzelperson zur Verfügung steht
(MünchKomm/Wagenitz, BGB, 6. Auflage 2012, § 1887 Rn. 3).
23 b) Die Anhörung war in zweiter Instanz nachzuholen. Gemäß § 159 Abs. 4 Satz 4 FamFG konnte die
Anhörung hierbei einem Mitglied des Beschwerdegerichts als beauftragtem Richter überlassen werden, da
der objektive Ertrag der Anhörung für die Entscheidungsfindung hinreichend ist und ein persönlicher
Eindruck des Beschwerdegerichts nicht erforderlich ist (BGH vom 28. April 2010, XII ZB 81/09, juris Rn. 40).
III.
24 1. Veranlassung zur Zulassung der Rechtsbeschwerde gemäß § 70 Abs. 2 FamFG besteht nicht, nachdem die
Rechtsfrage, ob die Vorgaben des § 88a Abs. 4 SGB VIII zur örtlichen Zuständigkeit des Amtsvormunds im
Rahmen des Verfahrens über einen Antrag des ursprünglich zuständigen Jugendamtes auf Entlassung und
Bestellung eines anderen Jugendamtes für das Familiengericht bindend sind, oder ob dem Familiengericht
insofern ein Ermessen zukommt, dahinstehen kann.
25 2. Die Entscheidung über die Kosten folgt aus §§ 81 Abs. 1 Satz 2, 3, Abs. 3 FamFG.
26 3. Die Entscheidung über den Verfahrenswert folgt aus §§ 40, 42 Abs. 2 FamGKG in Anlehnung an § 45
FamGKG.