Urteil des OLG Karlsruhe vom 24.08.2016

rechtshilfe in strafsachen, haftbefehl, auslieferung, behandlung

OLG Karlsruhe Beschluß vom 24.8.2016, 1 AK 71/16
Leitsätze
1. Wird der Verfolgte lediglich aufgrund eines nationalen Untersuchungshaftbefehls nach § 112 StPO ergriffen
oder ermittelt, begründet dies nach § 14 Abs.1 IRG keine Zuständigkeit des örtlichen Oberlandesgerichts für
eine danach eingehende oder bekannt gewordene Fahndungsausschreibung.
2. Die in § 14 Abs. 2 IRG angelegte Zuständigkeitskonzentration bei mehreren Tatbeteiligten auf das zunächst
befasste Oberlandesgericht hat nicht nur eine Verfahrensbeschleunigung, sondern im Sinne einer Konzentration
auf ein Gericht auch eine einheitliche Behandlung gleichgelagerter Sachverhalte im Auge, welche durch eine
Zulässigkeitsentscheidung oder eine Auslieferungsbewilligung nicht hinfällig wird.
Tenor
Der Antrag der Generalstaatsanwaltschaft Karlsruhe auf Erlass eines Auslieferungshaftbefehls wird
zurückgewiesen.
Gründe
I.
1 Gegen den sich seit 26.11.2015 in der Justizvollzugsanstalt L. aufgrund Haftbefehls des Amtsgerichts G. vom
27.11.2015 befindlichen Verfolgten besteht ein Europäischer Haftbefehl der Staatsanwaltschaft Q./Frankreich
vom 13.12.2015, aus welchem sich ergibt, dass gegen den Verfolgten unter der Androhung einer Höchststrafe
von 15 Jahren ein national gültiger Haftbefehl der Untersuchungskammer beim Gericht in Q./Frankreich vom
„26.06.2016“ (richtig 26.06.2015) besteht. Der gegen den Verfolgten erhobene Vorwurf wird im
Europäischen Haftbefehl der Staatsanwaltschaft Q./Frankreich vom 13.12.2015 nebst rechtlicher Würdigung
wie folgt umschrieben:
2 Wird ausgeführt
II.
3 Der Antrag der Generalstaatsanwaltschaft Karlsruhe vom 08.08.2016 auf Erlass eines
Auslieferungshaftbefehls war zurückzuweisen, weil der Senat jedenfalls derzeit zu einer Sachentscheidung
nicht berufen ist.
4 1. Nach § 14 Abs.1 IRG sind das Oberlandesgericht und die Staatsanwaltschaft bei dem Oberlandesgericht
örtlich zuständig, in deren Bezirk der Verfolgte zum Zwecke der Auslieferung ergriffen oder, falls eine
Ergreifung nicht erfolgt, zuerst ermittelt wird. Zwar wurde der Verfolgte am 26.11.2015 in O. festgenommen,
jedoch nicht aufgrund einer Fahndungsausschreibung der französischen Justizbehörden, sondern aufgrund
eines Haftbefehls des Amtsgerichts G. vom 27.11.2015. Allein die Festnahme im hiesigen Gerichtsbezirk
reicht jedoch nicht zur Begründung der Zuständigkeit des Oberlandesgerichts Karlsruhe aus, denn zum
Zeitpunkt der Ermittlung seines Aufenthalts aufgrund des Europäischen Haftbefehl der Staatsanwaltschaft
Q./Frankreich vom 13.12.2015 durch das Gemeinsame Zentrum Kehl am 27.07.2016 befand sich der Verfolgte
bereits in der JVA L., mithin im Zuständigkeitsbereich des Oberlandesgerichts Stuttgart. Insoweit kann der
Senat auch offen lassen, ob der Verfolgte bereits am 26.11.2015 im SIS zur Fahndung ausgeschrieben war, da
er jedenfalls nicht aufgrund einer solchen Ausschreibung ergriffen oder ermittelt wurde.
5 2. Auch eine örtliche Zuständigkeit nach § 14 Abs.2 IRG besteht jedenfalls derzeit nicht. Werden mehrere
Verfolgte, die wegen der Beteiligung an derselben Tat oder im Zusammenhang damit wegen Begünstigung,
Strafvereitelung oder Hehlerei ausgeliefert werden sollen, in den Bezirken verschiedener Oberlandesgerichte
zum Zwecke der Auslieferung ergriffen oder ermittelt, richtet sich nach dieser Vorschrift die Zuständigkeit
danach, welches Oberlandesgericht oder, solange noch kein Oberlandesgericht befasst ist, welche
Staatsanwaltschaft bei dem Oberlandesgericht zuerst mit der Sache befasst wurde. Soweit die
Generalstaatsanwaltschaft Karlsruhe darauf hinweist, dass sich die Zuständigkeit des Senats daraus ergebe,
dass am 26.11.2015 in O. der Bruder des Verfolgten aufgrund eines Europäischen Haftbefehls der
Staatsanwaltschaft Q./Frankreich vom 29.06.2015 - wenn auch in Form einer Überhaftnotierung aufgrund
eines zunächst vollzogenen Haftbefehls des Amtsgerichts G. vom 27.11.2015 - ergriffen wurde und gegen ihn
im Verfahren 1 AK 139/15 durch den Senat am 16.12.2015 Auslieferungshaftbefehl erging, scheitert eine
Zuständigkeit allerdings nicht daran, dass der Senat bereits am 03.03.2016 die Auslieferung dieses Verfolgten
nach Frankreich für zulässig erklärt und die Generalstaatsanwaltschaft diese am 04.03.2016 bewilligt hat,
denn die in § 14 Abs. 2 IRG angelegte Zuständigkeitskonzentration hat nicht nur eine
Verfahrensbeschleunigung, sondern im Sinne einer Konzentration auf ein Gericht auch eine einheitliche
Behandlung gleichgelagerter Sachverhalte im Auge (Vogel/Burchard in Grützner/Pötz/Kreß, Internationale
Rechtshilfe in Strafsachen, 3. Auflage, § 14 Rn.33), welche durch die genannten verfahrensabschließenden
Entscheidungen bzw. Entschließungen nicht hinfällig wird. Voraussetzung einer solchen
Zuständigkeitskonzentration ist jedoch, dass den Verfolgten eine Beteiligung an derselben Tat vorgeworfen
wird. Ob dies vorliegend der Fall ist, lässt sich dem nicht den Anforderungen des § 83a Abs.1 Nr. 5 IRG
genügenden Europäischen Haftbefehl der Staatsanwaltschaft Q./Frankreich vom 13.12.2015 nicht
entnehmen. Aus diesem ohne Anhang vorgelegten Dokument ergibt sich lediglich, dass der Verfolgte an
„zehn bandenmäßig organisierten Diebstählen und drei bandenmäßig organisierten versuchten Diebstählen“
beteiligt gewesen sein soll. Auch wenn es insoweit nach den Gesamtumständen der Ausschreibung nahe
liegt, dass es sich dabei um dieselben Taten handeln könnte, welche die französischen Justizbehörden auch
seinem Bruder zu Last legen, bedarf es insoweit einer ausdrücklichen Bezeichnung durch die französischen
Justizbehörden, um die ansonsten nicht vorhandene Zuständigkeit des Senats begründen zu können.