Urteil des OLG Karlsruhe vom 15.01.2002

OLG Karlsruhe: fotokopie, letztwillige verfügung, eigenhändiges testament, original, handschriftlich, ergänzung, erblasser, willenserklärung, datum, schriftstück

OLG Karlsruhe Beschluß vom 15.1.2002, 14 Wx 114/01
Errichtung eines formwirksamen Testaments: Ergänzung der Kopie eines unvollständigen Textes des Testierenden
Leitsätze
1. Ein formwirksames Testament verlangt keine einheitliche Errichtungshandlung und kann auch aus nicht miteinander verbundenen Blättern
bestehen, wenn deren Zusammengehörigkeit erkennbar ist.
2. Der Testierende kann früher von ihm Geschriebenes zu seinem nunmehr gewollten Testament vollenden, ohne daß es darauf ankommt, ob er die
früheren Teile von vornherein in Testierabsicht oder zu einem anderen Zwecke niedergeschrieben hatte.
3. Ein formwirksames Testament kann auch dadurch hergestellt werden, daß der Testierende die Fotokopie eines von ihm eigenhändig
geschriebenen unvollständigen Textes eigenhändig ergänzt.
Tenor
1. Auf die Beschwerde der Beteiligten Nr. 1 wird der Beschluß des Landgerichts Freiburg vom 27.09.2001 - 4 T 190/01 - aufgehoben.
2. Die Sache wird zur erneuten Behandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Beschwerdeverfahrens, an das Notariat - Nachlaßgericht -
B zurückverwiesen.
3. Der Geschäftswert wird für das Verfahren der weiteren Beschwerde auf 150.000,00 EUR festgesetzt.
Gründe
I.
1
1. Die Erblasserin I W ist am 27.08.1999 im Alter von 90 Jahren in B verstorben. Sie war ledig und kinderlos, Eltern und Geschwister waren
vorverstorben. Die Beteiligte Nr. 1 ist die Enkelin einer Schwester der Mutter der Erblasserin; der Beteiligte Nr. 2 ist der Sohn eines Bruders der
Erblasserin.
2
Mit notariellem Testament vom 31.05.1988 hatte die Erblasserin den Beteiligten Nr. 2 zum Alleinerben eingesetzt und zu Gunsten seines Sohnes
H W ein mit öffentlicher Urkunde vom 17.09.1996 erweitertes Vermächtnis angeordnet (I, Beilagen).
3
Die Beteiligte Nr. 1 nimmt für sich in Anspruch, infolge Erbeinsetzung Alleinerbin der Erblasserin geworden zu sein und hat mit Schriftsatz ihrer
Verfahrensbevollmächtigten Rechtsanwältin K - diese war Vermögensbetreuerin der Erblasserin gewesen - vom 30.05.2000 (I 13/19) die
Erteilung eines entsprechenden Erbscheins beantragt. Als Anlagen A 1, A 3 und A 4 waren dem Antrag beigefügt die Fotokopien zweier jeweils
für sich wie auch in ihrer Zusammensetzung unvollständiger handschriftlicher Schriftstücke (A 3 und A 4), sowie die handschriftlich ergänzte
Fotokopie (A 1) einer Zusammensetzung der beiden den Anlagen A 3 und A 4 zugrundeliegenden Originale oder deren Fotokopien.
4
Der Text der Anlage A 3 lautet:
"21.11.97
5
Ich I W hinterlasse mein
6
Vermögen nach meinem Tod";
7
Anlage A 4 trägt lediglich den Schriftzug
8
"I W"
9
sowie - auf den Kopf gestellt - die Buchstabenfolge "We".
10 Die vorgelegte Fotokopie A 1 war durch ein weiteres Datum "10.8.98", durch den Namenszug "M S" sowie durch den Namenszug "I W" in der
Weise ergänzt worden, daß folgender Text entstand:
"21.11.97
10.8.98
11 Ich I W hinterlasse mein
12 Vermögen nach meinem Tod M S
13 I W
14 I W"
15 Gegenüber dem Nachlaßgericht hat die Beteiligte Nr. 1 durch Rechtsanwältin K vortragen lassen, bei der Anlage A 1 handele es sich um ein in
zwei Etappen zu Gunsten der Beteiligten Nr. 1 errichtetes Testament, das formell und materiell voll wirksam sei. Auf dem der Anlage A 4
zugrundeliegenden Original habe die Erblasserin vor Abfassung des Textes nach Anlage A 3 den Kugelschreiber ausprobiert und ihre
Unterschrift geübt gehabt. Die von der Beteiligten Nr. 1 gefertigte Fotokopie - die Originale waren auf Veranlassung der Beteiligten Nr. 1 von
Rechtsanwältin K in Verwahrung genommen worden - habe die Erblasserin im August 1998 in der dargestellten Weise durch Datum, Namen der
Bedachten und Unterschrift ergänzt.
16 2. Das Nachlaßgericht hat den Antrag der Beteiligten Nr. 1 auf Erteilung eines Erbscheins zu ihren Gunsten mit Beschluß vom 17.11.2000 (I
49/55) mit der Begründung zurückgewiesen, das vorgelegte zusammenkopierte und dann ergänzte Schriftstück erfülle nicht die Form eines
eigenhändigen Testaments nach § 2247 BGB. Ausdrücklich offen gelassen hat das Nachlaßgericht die sich angesichts der unterschiedlichen
Schriftbilder der einzelnen Textteile stellende Frage, ob die auf der von der Beteiligten Nr. 1 vorgelegten zusammengesetzten Fotokopie
vorgenommenen Ergänzungen überhaupt von der Erblasserin stammen.
17 3. Dagegen hat die Beteiligte Nr. 1 unter dem 30.05.2001 Beschwerde eingelegt (I 87), die sie mit Anwaltsschriftsatz vom 10.09.2001 (II 9/13)
unter Vorlage der den Fotokopien A 3 und A 4 zugrundeliegenden Urschriften (II 15 und II 17) begründet hat. Sie hat nunmehr die Auffassung
vertreten, die Schriftstücke A 1 und das Original der Fotokopie A 3 seien zusammen als ein eigenhändiges Testament gemäß § 2247 BGB
anzusehen.
18 Mit Beschluß vom 27.09.2001 (II 19/29) hat das Landgericht die Beschwerde der Beteiligten Nr. 1 zurückgewiesen, ihr die Gerichtskosten des
Beschwerdeverfahrens sowie etwaige dem Beteiligten Nr. 2 im Beschwerdeverfahren entstandene außergerichtliche Kosten auferlegt und den
Beschwerdewert auf 1 Million DM festgesetzt.
19 Zur Begründung hat das Landgericht ausgeführt, das als Anlage A 1 vorgelegte Schriftstück stelle kein wirksames Testament dar, weil es zum
überwiegenden Teil aus einer Fotokopie bestehe und die handschriftlichen Einfügungen für sich allein keinen Sinn ergäben; auch die im
Beschwerdeverfahren vorgelegten Originale der Fotokopie A 3 und A 4 zusammen mit dem Schriftstück A 1 ergäben kein formwirksames
Testament, weil zum einen die Zusammengehörigkeit der einzelnen Blätter nicht erkennbar sei und zum anderen die Erblasserin - nach dem
Vortrag der Beteiligten Nr. 1 - die den Anlagen A 3 und A 4 zugrundeliegenden Originalschriftstücke nicht mit Testierwillen hergestellt gehabt
habe. - Seiner Wertfestsetzung hat das Landgericht den vom Nachlaßgericht mit 1 Million DM angenommenen Wert des Aktivnachlasses
zugrunde gelegt.
20 4. Gegen die Zurückweisung ihrer Beschwerde durch das Landgericht wendet sich die Beteiligte Nr. 1 mit ihrer mit Anwaltsschriftsatz vom
23.10.2001 (II 43) eingelegten und unter dem 26.11.2001 begründeten (II 95/101) weiteren Beschwerde, welcher der Beteiligte Nr. 2 mit
Anwaltsschriftsatz vom 14.12.2001 (II 111/113) entgegengetreten ist. Sie hält den vom Landgericht vermißten inneren Zusammenhang zwischen
dem Original zu Anlage A 3 und den handschriftlichen Einfügungen der aus A 3 und A 4 zusammenkopierten Fotokopie (A 1) für gegeben und
rügt unzureichende Aufklärung des Sachverhalts durch die Vorinstanzen.
21 Gegen die durch das Landgericht vorgenommene Festsetzung des Beschwerdewerts wendet sich die Beteiligte Nr. 1 mit der Beschwerde
(Anwaltsschriftsatz vom 25.10.2001, [II 73]). Sie erstrebt die Herabsetzung des Geschäftswerts auf 300.000,00 DM (Schriftsatz vom 15.11.2001 [II
85] i. V. m. Schriftsatz vom 23.10.2001 [II 57]).
II.
22 Die gemäß den §§ 27 Abs. 1, 29 FGG zulässige weitere Beschwerde führt zur Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und zur
Zurückverweisung der Sache an das Nachlaßgericht. Die angefochtene Entscheidung hält der rechtlichen Nachprüfung im Ergebnis nicht stand,
weil sie auf einer teilweisen Verkennung der §§ 2231 Nr. 2, 2247 Abs. 1 BGB und einer dadurch bedingten nicht ausreichenden Ermittlung des
Sachverhalts (§ 12 FGG i. V. m. § 2358 BGB) beruht.
23 1. Zutreffend sind freilich die Ausführungen des Landgerichts, wonach die von der Beteiligten Nr. 1 als Anlage A 1 vorgelegte handschriftlich
ergänzte - aus den Anlagen A 3 und A 4 zugrundeliegenden Originalen oder deren Fotokopien zusammenkopierte - Fotokopie für sich allein kein
eigenhändiges Testament nach § 2247 Abs. 1 BGB darstellt. Darauf, ob die diesbezüglichen in Kopie bzw. im Original vorgelegten Schriften von
der Erblasserin stammen, kommt es insoweit nicht an.
24 a) "Eigenhändigkeit" im Sinne von § 2247 Abs. 1 BGB setzt zwingend voraus, daß der Erblasser die Niederschrift selbst angefertigt
(Staudinger/Baumann, BGB, 13. Bearb. 1996, Rnr. 35 zu § 2247), d. h. selbst mit der Hand gezogen (vgl. Palandt/Edenhofer, 61. Aufl. 2002, Rnr.
5 zu § 247) hat. Dies ist, wie das Landgericht und zuvor schon das Nachlaßgericht richtig ausgeführt haben, bei der von der Beteiligten Nr. 1 als
Anlage A 1 vorgelegten handschriftlich ergänzten Fotokopie jedenfalls hinsichtlich der fotokopierten Schriftzüge nicht der Fall. Anders als mittels
Blaupause, Kohlepapier o. ä. hergestellte Durchschriften (eingehend Werner, Zur Eigenhändigkeit letztwilliger Verfügungen - Die Durchschrift als
Testament -, DNotZ 1972, S. 6 ff., m. umfassenden N.) sind Schriftzüge, die sich als auf fototechnischem Weg gewonnenes Abbild des Originals
darstellen, nicht vom Schreiber unmittelbar selbst geformt, so daß die individuellen Merkmale seiner Handschrift nicht hinreichend hervortreten
und damit nicht genügend zuverlässig überprüfbar sind (zu diesen Kriterien als Voraussetzung der Eigenhändigkeit im Sinne der §§ 2231 Nr. 2,
2247 Abs. 1 BGB vgl. etwa BGHZ 47, S. 68 ff., 71 f.; BayObLGZ 1965, S. 258 ff., 261; auch BayObLG, FamRZ 1990, S. 441 f., 442; Soergel/Harder,
BGB, 12. Aufl. 1992, Rnr. 17; Staudinger/Baumann, aaO, Rnr. 28; Burkart, in: Münchener Kommentar BGB, 3. Aufl. 1997, Rnr. 14;
Palandt/Edenhofer, aaO, Rnrn. 5 f. - jeweils zu § 2247).
25 b) Auch der Grundsatz, wonach bei einem nur zum Teil eigenhändig geschriebenen Testament der eigenhändige Teil dann gültig ist, wenn der
formgerecht verfaßte Teil des Testaments für sich einen abgeschlossenen Sinn ergibt (Staudinger/Baumann, aaO, Rnr. 29 zu § 2247 m. w. N.),
führt - wie das Landgericht ebenfalls richtig ausgeführt hat - im vorliegenden Fall nicht dazu, daß die auf der als Anlage A 1 vorgelegten
Fotokopie vorgenommenen handschriftlichen Ergänzungen als Testament der Erblasserin anzusehen sind. Denn die lediglich aus einem Datum,
dem Namen der Beteiligten Nr. 1 und dem sich als Unterschrift darstellenden Namen der Erblasserin bestehenden Ergänzungen sind ohne
eigenständigen Aussagegehalt. Auch unter diesem Gesichtspunkt stellte sich daher nicht die Frage, ob die Ergänzungen überhaupt von der
Erblasserin stammen.
26 2. Fehlerhaft sind indessen die Ausführungen des Landgerichts, mit denen es seine Auffassung begründet, die handschriftlich ergänzte
Fotokopie A 1 ergebe auch im Zusammenhang mit den im Beschwerdeverfahren vorgelegten Originalen der Fotokopie kein formwirksames
Testament.
27 a) Dabei verkennt das Landgericht nicht, daß das Gesetz (§§ 2231 Nr. 2, 2247 BGB) - wie in Rechtsprechung (z. B. RGZ 111, S. 247 ff., 252; BGH
NJW 1974, 1083 f., 1084; BayObLGZ 1984, S. 194 ff., 196) und Literatur (z. B. Burkart, aaO, Rnr. 18; Staudinger/Baumann, Rnr. 46;
Erman/Schmidt, BGB, 10. Aufl. 2000, Rnr. 10 - jeweils zu § 2247) allgemein anerkannt ist - keine einheitliche Errichtungshandlung verlangt, das
Testament vielmehr auch sukzessive zu verschiedenen Zeiten und an verschiedenen Orten geschrieben sein kann. Weiter verkennt das
Landgericht nicht, daß das Testament auch aus nicht miteinander verbundenen Blättern bestehen kann, wenn die Zusammengehörigkeit der
einzelnen Blätter erkennbar ist (BayObLG FamRZ 1991, S. 370 f., 371; Staudinger/Baumann, aaO, Rnr. 53 zu § 2247; Burkart, aaO, Rnr. 34 zu §
2247) und die Unterschrift den gesamten Text deckt.
28 b) Seine Auffassung, die Originale der vorgelegten Fotokopie in Verbindung mit den auf dieser vorgenommenen handschriftlichen Ergänzungen
stellten - unabhängig von der vom Landgericht nicht diskutierten Frage, ob sämtliche Handschriften tatsächlich von der Erblasserin stammen -
schon deshalb kein "untrennbares Ganzes" und damit kein formwirksames Testament der Erblasserin dar, begründet das Landgericht vielmehr
damit, daß die Erblasserin nach dem Vortrag der beim Schreibakt anwesend gewesenen Beteiligten Nr. 1 bei der Niederschrift vom 21.11.1997
nicht den Willen gehabt habe, letztwillig zu verfügen, und daß mangels Vorhandenseins von Seitenzahlen o. ä. nicht erkennbar sei, daß die
Originalschriftstücke und die ergänzte Fotokopie im Zusammenhang eine einheitliche Willenserklärung verkörperten.
29 Mit diesen Überlegungen kann das Nichtvorliegen eines formwirksamen Testaments indessen nicht begründet werden.
30 aa) Die Entscheidung der Frage, ob auf mehreren Blättern niedergelegte Handschriften eine einheitliche Erklärung darstellen und von der
Unterschrift gedeckt werden, liegt zwar im wesentlichen auf tatsächlichem Gebiet und ist daher von der Tatsacheninstanz zu treffen (vgl.
BayObLGZ 1991, S. 158 ff., 161). Diese Entscheidung ist aber vom Gericht der weiteren Beschwerde auf Rechtsfehler zu überprüfen. Dabei ist
eine Tatsachenfeststellung insbesondere dann rechtsfehlerhaft, wenn sie auf einer mit dem Gesetz nicht in Einklang stehenden rechtlichen
Voraussetzung beruht (Kahl, in: Keidel/Kuntze/Winkler, FGG, 14. Aufl. 1999, Rnr. 47 zu § 27).
31 bb) Im vorliegenden Fall beruht die durch das Landgericht vorgenommene tatsächliche Beurteilung, wonach die im Beschwerdeverfahren
vorgelegten Originalschreiben vom 21.11.1997 zusammen mit den auf der Fotokopie dieser Schriftstücke vorgenommenen handschriftlichen
Ergänzungen auch dann keine einheitliche letztwillige Verfügung der Erblasserin darstellen können, wenn die Handschriften jeweils von der
Erblasserin stammen, auf einer Verkennung der rechtlichen Voraussetzungen, unter denen eine Einheitlichkeit der Willenserklärung zu bejahen
ist.
32 (1) Da das Testament nach dem Gesetz nicht in einer einheitlichen Handlung errichtet werden muß (vgl. oben zu a), kommt es nicht darauf an,
wann, unter welchen Umständen und in welcher Reihenfolge der Testierende die einzelnen Bestandteile der Erklärung geschrieben hat, wenn
nur außer Zweifel steht, daß diese einzelnen Bestandteile von ihm stammen und von ihm in ihrer Gesamtheit als einheitliche Erklärung gewollt
waren, und wenn diese einheitliche Erklärung durch die Unterschrift des Erblassers gedeckt ist. Maßgeblich ist dabei allein, daß die letztwillige
Verfügung am Ende der nötigen Form entspricht (Erman/Schmidt, aaO, Rnr. 10 zu § 2247) und der Erblasser sie als seine rechtsverbindliche
letztwillige Verfügung ansah und als solche behandelt wissen wollte (vgl. BayObLGZ 1970, S. 173 ff., 178). Daraus folgt, daß der Testierende
früher von ihm Geschriebenes durch eigenhändige Ergänzung zu seinem nunmehr gewollten Testament vollenden kann, ohne daß es - wie das
Landgericht meint - darauf ankommt, ob die früheren Teile von vornherein in Testierabsicht oder zu einem anderen Zweck niedergeschrieben
hat. Dies entspricht ständiger Rechtsprechung (vgl. nur RGZ 115, S. 111 ff., 114, und aus neuerer Zeit BayObLGZ 1984, S. 194 ff., 196) und
nahezu einhelliger Literaturmeinung (etwa Kregel, in: BGB-RGRK, 12. Aufl. 1975, Rnr. 18; Soergel/Harder, aaO, Rnr. 35; Staudinger/Baumann,
aaO, Rnr. 46; Burkart, aaO, Rnr. 24; Palandt/Edenhofer, aaO, Rnr. 18 - jeweils zu § 2247).
33 (2) Daraus, daß der Erblasser bereits früher - auch ohne Testierabsicht - Geschriebenes handschriftlich zu einem formgültigen Testament
ergänzen kann und das Testament auch aus nicht körperlich miteinander verbundenen Blättern bestehen kann, wenn diese ihrem Inhalt nach
erkennbar zusammengehören, folgt, daß die Ergänzung von früher Geschriebenem zu einem Testament auch in der Weise erfolgen kann, daß
die Ergänzung nicht auf dem Original der unvollständigen früheren Erklärung, sondern auf einer hierzu gefertigten Fotokopie geschieht. Ein
Bedürfnis hierfür kann gegeben sein, wenn dem Erblasser - wie im hier zu entscheidenden Fall - zur Ergänzung nur die Fotokopie zur Verfügung
stand, weil das Original weggeben worden war.
34 Im vorliegenden Fall ergänzen sich der handschriftliche Originaltext "Ich I W hinterlasse mein Vermögen nach meinem Tod" und der auf der
Fotokopie hiervon handschriftlich eingefügte Name der Beteiligten Nr. 1 zu einer letztwilligen Verfügung, die von dem auf der Fotokopie
handschriftlich als Unterschrift darunter gesetzten Namenszug der Erblasserin gedeckt wird. Original und ergänzte Fotokopie sind zwar nicht
durch Seitenzahlen oder ähnliche Zeichen als zusammengehörend gekennzeichnet. Dies war aber angesichts dessen, daß das Original zur
Ergänzung nicht zur Verfügung stand, auch nicht möglich und hindert - entgegen der Meinung des Landgerichts - die Annahme einer
einheitlichen Willenserklärung nicht. Denn die "Verklammerung" des auf Original und dessen Fotokopie handschriftlich niedergelegten Textes zu
einem einheitlichen Ganzen ergibt sich aus ihrem inneren Zusammenhang, der vom Urheber in für den Leser erkennbarer Weise durch die
räumliche Anordnung der Ergänzungen auf der Fotokopie des Originaltextes dargestellt worden ist.
35 3. Sonach kann der angefochtene Beschluß keinen Bestand haben, er war vielmehr aufzuheben. Der Senat kann indessen nicht selbst
entscheiden, weil noch weitere Tatsachenfeststellungen zu treffen sind.
36 a) Die in Rede stehenden Schriftstücke stellen nur dann ein Testament der Erblasserin dar, wenn diese die Urheberin sowohl der der Urkunde
zugrunde liegenden Originalschrift als auch der auf der Fotokopie vorgenommenen Ergänzungen war. Hieran bestehen aus den schon im
Beschluß des Nachlaßgerichts vom 17.11.2000 genannten Gründen Zweifel, die auch im Schriftsatz des Prozeßvertreters des Beteiligten Nr. 2
vom 30.01.2001 (I 75/77) unter Hinweis auf das in dieser Sache anhängige Ermittlungsverfahren der Staatsanwaltschaft Freiburg angesprochen
sind. Diesen Zweifeln ist das Landgericht - von seinem Standpunkt aus zu Recht - nicht nachgegangen, weil es für die Entscheidung bei seinem
Verständnis der §§ 2231 Nr. 2, 2274 BGB hierauf nicht ankam.
37 Da die Echtheit des Testaments - wie ausgeführt - aber doch entscheidungserheblich ist und weil sich angesichts der gesamten Umstände -
insbesondere aufgrund des in starkem Maße von den sich auf den notariellen Urkunden vom 31.05.1988 und vom 17.09.1996 vorhandenen
Unterschriften der Erblasserin abweichenden Schriftbildes - Zweifel daran aufdrängen, ob die Erblasserin die einzelnen Elemente des hier zu
beurteilenden Testaments selbst niedergeschrieben hat, sind hierzu gemäß den §§ 2358 BGB, 12 FGG Ermittlungen vorzunehmen (zur
diesbezüglichen Ermittlungspflicht BayObLG FamRZ 1998, S. 644 f. m. w. N.).
38 b) Als Rechtsbeschwerdegericht kann der Senat diese erforderlichen Ermittlungen nicht selbst durchführen. Die Sache war daher
zurückzuverweisen und zwar an das Nachlaßgericht. Die Zurückverweisung an das Nachlaßgericht erschien deshalb als sachgerecht, weil
dieses im wesentlichen denselben Rechtsstandpunkt wie das Landgericht eingenommen hatte - die Frage, ob ein Testament durch auf der
Fotokopie eines unvollständigen Textes vorgenommene Ergänzungen hergestellt werden kann, stellte sich auch für das Nachlaßgericht, weil
dieses bejahendenfalls die Übereinstimmung der Kopie mit dem ihm nicht vorliegenden Original hätte überprüfen müssen (vgl. OLG Köln, NJW-
RR 1993, S. 970) - und weil ein Erbschein gegebenenfalls vom Nachlaßgericht und nicht vom Landgericht zu erteilen sein wird ( zur
Zurückverweisung vgl. Kahl, aaO, Rnr. 66 c zu § 27 m. w. N.). - Das Nachlaßgericht wird auch über die Kosten der Beschwerde zu entscheiden
haben.
III.
39 Da der angefochtene Beschluß unter Zurückverweisung der Sache an das Nachlaßgericht zur erneuten Behandlung und Entscheidung
aufgehoben wurde, erübrigte sich eine Entscheidung über die den vom Landgericht festgesetzten Gegenstandswert betreffende Beschwerde der
Beteiligten Nr. 1. Denn auch der Beschwerdewert wird vom Nachlaßgericht neu zu bestimmen sein.
IV.
40 Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlaßt.
41 Der Geschäftswert für das Verfahren der weiteren Beschwerde wird gemäß den §§ 31 Abs. 1 Satz 1, 131 Abs. 2, 30 Abs. 1 KostO dem Interesse
der Beteiligten Nr. 1 entsprechend in Höhe des vom Senat auf 150.000,00 EUR geschätzten Nachlaßwertes festgesetzt. Diese Schätzung des
Nachlaßwertes basiert auf den Angaben, die der Beteiligte Nr. 2 im Zusammenhang mit der Anzeigenaufnahme gegenüber der Polizei gemacht
hat (II 67).