Urteil des OLG Karlsruhe vom 21.01.2002

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OLG Karlsruhe Beschluß vom 21.1.2002, 19 W 68/01
Vollstreckungsantrag gegen den Gewerberaumvermieter: Unbegründetheit bei Bemühen um die Durchsetzung von Konkurrenzschutz
Leitsätze
Zur Erledigung eines Zwangsgeldfestsetzungsantrags, mit dem die Unterlassung des Vertriebs von Tabakwaren durch den Mieter der
Vollstreckungsschuldnerin erzwungen werden soll, wenn die Vollstreckungsschuldnerin den Mieter zur Unterlassung des Verkaufs aufgefordert hat,
der Vollstreckungsgläubiger die Erledigung jedoch damit begründete, dass er den Mietvertrag mit der Vollstreckungsschuldnerin gekündigt habe.
Tenor
Die sofortige Beschwerde der Gläubigerin gegen den Beschluss des Landgerichts Konstanz vom 2.11.2001 wird zurückgewiesen.
Die Gläubigerin hat die Kosten der sofortigen Beschwerde zu tragen, deren Wert auf 210 Euro festgesetzt wird.
Gründe
1 Die Gläubigerin (im Folgenden die Klägerin) hat mit ihrer Klage aufgrund einer mietvertraglichen Konkurrenzschutzklausel die beklagte KG u.a.
(Klagantrag Ziff. 1) darauf in Anspruch genommen, dafür Sorge zu tragen, dass ihre Mieterin bzw. ihre Streithelferin es unterlässt, Tabakwaren
anzubieten oder zu veräußern. Da eine Verteidigungsanzeige der Schuldnerin (im Folgenden die Beklagte) ausblieb, erging gegen sie
antragsgemäß Versäumnisurteil, gegen das sie fristgemäß Einspruch eingelegt hat. Die Klage wie auch das Versäumnisurteil waren der von der
Klägerin als Komplementärin der Beklagten benannten REBA GmbH am 28.06. (AS 111) bzw. am 18.07.2001 (AS 127) zugestellt worden. Unter
Vorlage einer vollstreckbaren Ausfertigung des Versäumnisurteils (AS 145) beantragte die Klägerin sodann mit Schriftsatz vom 09.08.2001 (AS
139) gegen die Beklagte gem. § 888 ZPO ein Zwangsgeld festzusetzen mit der Begründung, dass diese ihrer Verpflichtung aus Ziff. 1 des
Versäumnisurteils bisher nicht nachgekommen sei. Der Antrag wurde den Prozessbevollmächtigten der Beklagten gegen Empfangsbekenntnis
am 22.08.2001 (AS 205) zugestellt. Mit Schriftsatz vom 13.08.2001 (AS 153) wies die Beklagte darauf hin, dass sie unter "B. I. GmbH und Co. R."
(nicht "R. A." wie in der Klageschrift) firmiere und Komplementärin die B. I. Verwaltungs- GmbH, diese vertreten durch deren Geschäftsführer M. K.,
sei, bat um entsprechende Rubrumsberichtigung und machte geltend, dass sie ihre Streithelferin, der sie zugleich den Streit verkündet hatte,
zwischenzeitlich mit Schreiben vom 10.08.01 abgemahnt habe. Dem Zwangsgeldantrag ist die Beklagte mit Schriftsatz vom 27.08.2001 (AS 217)
u.a. mit der Begründung entgegengetreten, dass die Wirksamkeit des Versäumnisurteils, insbesondere dessen Zustellung, ebenso fraglich sei wie
ein Anspruch der Klägerin darauf, dass sie - die Beklagte - ihre Mieterin etwa im Klagewege auf Unterlassung in Anspruch nehme. Unter Hinweis
darauf, dass sie mit Schreiben vom 28.08.2001 (AS 233) den Mietvertrag mit der Beklagten fristlos gekündigt habe, kündigte die Klägerin an (AS
225/229), hinsichtlich des Klagantrags Ziff. 1 die Hauptsache für erledigt erklären zu wollen und beantragte, den Vollstreckungsantrag ruhen zu
lassen (AS 223). Im Verhandlungstermin vom 18.10.2001 erklärte die Klägerin sodann auch den Vollstreckungsantrag für erledigt, die Beklagte
trat den Erledigungserklärungen entgegen. Mit Urteil vom 22.11.2001 (AS 295) stellte das Landgericht u.a. die Erledigung des Klagantrags Ziff. 1
fest und mit Beschluss gleichen Datums (AS 319) wies es den Antrag auf Zwangsgeldfestsetzung kostenpflichtig mit der Begründung zurück, dass
fraglich sei, ob das Versäumnisurteil wirksam gegen die Beklagte ergangen und insbesondere die Zustellung ordnungsgemäß gewesen sei.
Gegen diesen Beschluss wendet sich die Klägerin mit ihrer sofortigen Beschwerde mit dem Ziel, die Erledigung ihres Vollstreckungsantrags
festzustellen und die Verfahrenskosten insoweit der Beklagten aufzuerlegen.
2 Gegen den angefochtenen Beschluss ist nach § 793,I ZPO die sofortige Beschwerde gegeben, die zulässig (§ 577 ZPO), insbesondere auch
fristgemäß ist, da mangels Zustellungsnachweises nicht feststeht, ob die Notfrist des § 577 II ZPO in Gang gesetzt worden ist. Erfolgte die
Zustellung, was zu vermuten ist, zugleich mit der am 26.11.2001 erfolgten Zustellung des Urteils in dieser Sache (AS 325), war sie mit Eingang bei
Gericht am 07.12.2001 (AS 331) in jedem Falle rechtzeitig.
3 In der Sache bleibt die Beschwerde im Ergebnis ohne Erfolg. Allerdings vermag die vom Landgericht gegebene Begründung die Zurückweisung
des Vollstreckungsantrags nicht zu rechtfertigen. Zum einen geht auch das Landgericht in seinem zwischenzeitlich rechtskräftig gewordenen Urteil
davon aus, dass die Klage ursprünglich zulässig (und begründet) war, ohne in diesem Zusammenhang auf die insoweit von der Beklagten
erhobenen Bedenken einzugehen. Unbeschadet der Frage der Bindung (§ 318 ZPO) des Landgerichts an diese Feststellung im
Vollstreckungsverfahren sind jedenfalls die von der Beklagten erhobenen Bedenken gegen die Wirksamkeit des Versäumnisurteils sowie der
Zustellung dieses Urteils wie auch der Klage nicht begründet. Die Parteiidentität der Beklagten allein aufgrund der Schreibweise der Bezeichnung
"R.A." kann nicht ernsthaft in Frage gestellt werden. Unrichtig ist allerdings die Benennung des gesetzlichen Vertreters der Beklagten in der
Klageschrift wie auch im Versäumnisurteil. Diese Angabe ist indessen für die Parteibezeichnung nicht maßgeblich. Maßgeblich ist diese Angabe
jedoch für zu bewirkende Zustellungen, da Zustellungsadressat der gesetzliche Vertreter der beklagten KG ist (§ 171,I ZPO; Zöller/Stöber, 22. Aufl.,
§ 171 ZPO, Rdn. 1), hier mithin der Geschäftsführer der Komplementär-GmbH der Beklagten. An diesen wurden aber weder die Klageschrift noch
das Versäumnisurteil zugestellt. Die falsche Bezeichnung des gesetzlichen Vertreters der Beklagten, an den zugestellt werden sollte, schadet
nach § 187 ZPO allerdings dann nicht, wenn ihm das zuzustellende Schriftstück tatsächlich zugegangen ist und er mithin Gelegenheit hatte, von
dessen Inhalt Kenntnis zu nehmen. Dass dies aber der Fall war, davon ist hier auszugehen; die Beklagte macht denn auch nicht etwa geltend,
dass weder der Geschäftsführer ihrer Komplementär-GmbH noch ihre Prozessbevollmächtigten je in Besitz der Klageschrift sowie das
Versäumnisurteils gelangt sind. Jedoch steht nicht fest, zu welchem Zeitpunkt der Zugang an die Beklagte erfolgte. Die Einspruchsschrift vom
25.07.2001 der Prozessbevollmächtigten der Beklagten lässt allerdings darauf schließen, dass diesen (§ 176 ZPO) bzw. der Beklagten die
Klageschrift wie auch das Versäumnisurteil zuvor, d.h. spätestens am 25.07.2001 zugegangen sind. Im Übrigen ist den Akten zu entnehmen, dass
die Beklagte auf Anforderung des Gerichts mit Verfügung vom 17.08.2001 (AS 152) in Ergänzung zur Streitverkündungsschrift mit Schriftsatz ihrer
Prozessbevollmächtigten vom 23.08.2001 (AS 207) Abschriften der Klageschrift sowie des Versäumnisurteils eingereicht hat, so dass in jedem
Falle festgestellt werden kann, dass diese Schriftstücke der Beklagten bzw. ihren Bevollmächtigten spätestens unmittelbar zuvor zugegangen
waren, folglich spätestens zu diesem Zeitpunkt die Zustellungen gem. § 187 ZPO als bewirkt angesehen werden können (vgl. etwa BGH NJW
1984, 926 S.927). Unbeschadet der Frage, auf welchen Zeitpunkt für die Heilung der Zustellungsmängel letztlich abzustellen ist, hat die Klägerin
ihren Antrag auf Festsetzung eines Zwangsgelds zu einem Zeitpunkt gestellt (10.08.2001 - AS 139), zu dem die Beklagte unstreitig im Sinne ihrer
Verurteilung tätig geworden ist, indem sie ihre Streithelferin mit Schreiben vom 10.08.2001 (AS 177) zur unverzüglichen Einstellung des Verkaufs
von Zigaretten aufgefordert hat. Aufgrund ihrer Verurteilung war die Beklagte gehalten, dafür Sorge zu tragen, dass ihre Streithelferin
insbesondere den Verkauf von Zigaretten unterlässt, d.h. zur Vornahme einer nach § 888 ZPO zu vollstreckenden unvertretbaren Handlung (vgl.
BGH NJW-RR 1996, 460). Zu welcher Maßnahme die Klägerin die Beklagte mit dem beantragten Zwangsgeld konkret anhalten wollte, ist ihrem
Antrag, der lediglich mit einem Untätigbleiben der Beklagten begründet worden ist, nicht zu entnehmen. Da die Beklagte indessen unstreitig tätig
geworden ist, den Verkauf von Zigaretten seitens ihrer Streithelferin zu unterbinden, war der Vollstreckungsantrag bereits im Zeitpunkt der
Antragstellung unbegründet (vgl. dazu etwa Zöller/Stöber, § 888 Rdn. 11). Eine andere Beurteilung wäre angezeigt, wenn die Beklagte etwa von
vornherein gehalten gewesen wäre, ihre Streithelferin im Klagewege auf Unterlassung in Anspruch zu nehmen. Eine solche Verpflichtung bestand
jedoch allenfalls ab dem Zeitpunkt, zu dem feststand, dass außergerichtliche Bemühungen der Beklagten keinen Erfolg haben würden, weil die
Streithelferin eine Unterlassungsverpflichtung ernsthaft und endgültig leugnet. Dies war aber erst mit deren Beitrittserklärung zum Rechtsstreit mit
Schriftsatz vom 02.10.2001 der Fall. Überdies hätte der Beklagten eine klageweise Inanspruchnahme ihrer Streithelferin auch zumutbar sein
müssen (vgl. BGH a.a.O.). Die Zumutbarkeit wäre aber vorliegend mangels Erfolgaussicht einer Klage zu verneinen gewesen, da der Mietvertrag
der Beklagten mit der Streithelferin keine mit der Konkurrenzschutzklausel der Parteien korrespondierende Klausel enthält und folglich die
Klägerin keine rechtliche Handhabe hatte, den Tabak- bzw. Zigarettenverkauf der Streithelferin zu unterbinden. Einer weiter in Betracht zu
ziehenden Kündigung des Mietvertrags stand die vereinbarte Mietdauer von fünf Jahren entgegen. Ob in der erfolgten Abmahnung der
Streithelferin seitens der Beklagten ein erledigendes Ereignis liegt, kann dahinstehen; denn die Klägerin hat hierauf nicht abgestellt bzw. hierin
keine Erfüllung ihres Vollstreckungsanspruchs gesehen, vielmehr insoweit auf ihre unter dem 28.08.2001 (AS 23) ausgesprochene fristlose
Kündigung des Mietvertrags mit der Beklagten abgestellt. Da der Vollstreckungsantrag, wie darlegt, zu diesem Zeitpunkt nicht bzw. nicht mehr
begründet war, fehlt es an der maßgeblichen Voraussetzung für die mit der sofortigen Beschwerde weiterhin begehrte Feststellung der Erledigung
mit der Kostenfolge aus § 788 ZPO.
4 Die Kostenentscheidung folgt aus § 97,I ZPO, der Beschwerdewert entspricht den durch das Vollstreckungsverfahren verursachten Kosten, das
sind bei Zugrundelegung eines Gebührenstreitwerts von 10.000 DM für das Vollstreckungsverfahren, d.h. 50 % des Hauptsachewerts (vgl. hierzu
etwa Schneider, Streitwert, 10. Aufl., Rdn. 3508 ff), bei zwei 3/10 Anwaltsgebühren zzgl. Auslagenpauschale ohne Umsatzsteuer
(Gerichtsgebühren sind nicht angefallen - vgl. Zöller/Stöber, § 888, Rdn. 20) 410,55 DM = rd. 210 EUR.