Urteil des OLG Karlsruhe vom 07.01.2002

OLG Karlsruhe: wiedereinsetzung in den vorigen stand, hauptsache, rechtsmittelbelehrung, gerichtsbarkeit, verfahrenskosten, rechtsberatung, verfügung, befangenheit

OLG Karlsruhe Beschluß vom 7.1.2002, 14 Wx 75/01
Wohnungseigentumsverfahren: Verfahren der Richterablehnung
Leitsätze
1. Die Vorschriften der ZPO über die Ablehnung eines Richters finden im Wohnungseigentumsverfahren entsprechende Anwendung.
2. Die Frist zur Einlegung der sofortigen Beschwerde gegen den ein Befangenheitsgesuch zurückweisenden Beschluß richtet sich nach den
Vorschriften des FGG.
3. Wird der abgelehnte Richter nach Beschwerdeeinlegung gegen die Zurückweisung des Ablehnungsgesuchs an ein anderes Gericht versetzt, hat
sich das Ablehnungsverfahren in der Hauptsache erledigt.
4. Erledigt sich das Ablehnungsverfahren nach Beschwerdeeinlegung in der Hauptsache, so sind Gegenstand des Beschwerdeverfahrens die
gesamten das Ablehnungsverfahren betreffenden Verfahrenskosten.
5. Erledigt sich das Ablehnungsverfahren nach Beschwerdeeinlegung in der Hauptsache, so sind Gerichtskosten weder für das landgerichtliche
Verfahren noch für das Beschwerdeverfahren zu erheben. Eine Erstattung außergerichtlicher Kosten hat nicht zu erfolgen.
Tenor
1. Dem Beteiligten M. R. wird wegen der Versäumung der Frist zur Einlegung der sofortigen Beschwerde gegen den Beschluß des Landgerichts
Konstanz vom 07.06.2001 - 1 AR 12/01 B - Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt.
2. Die Hauptsache ist erledigt.
3. Gerichtskosten werden für das Verfahren in allen Instanzen nicht erhoben; außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Gründe
I.
1 An einem beim Amtsgericht Konstanz anhängigen Wohnungseigentumsverfahren - 12 WEG UR II 3/01 - ist der Wohnungseigentümer M. R. als
Antragsteller beteiligt. Mit Schriftsatz vom 10.05.2001 (As. 183) hat er den Richter am Amtsgericht S., der nach der für das Jahr 2001 geltenden
Geschäftsverteilung des Amtsgerichts Konstanz für Wohnungseigentumssachen zuständig war (vgl. As. 323), wegen Besorgnis der Befangenheit
abgelehnt. Sein Ablehnungsgesuch hat der Beteiligte R. unter weitgehender Bezugnahme auf seinen Schriftsatz vom 09.05.2001 (As. 171/181)
damit begründet, Richter am Amtsgericht S. habe die beim Amtsgericht Konstanz zwischen denselben Beteiligten anhängig gewesene
Wohnungseigentumssache 12 WEG UR 73/00 unter Verletzung wesentlicher Verfahrensgrundsätze und unter Nichtbeachtung der höchst- und
obergerichtlichen Rechtsprechung falsch entschieden. Überdies sei der Richter Referendar bei seinem - des Beteiligten R. - früheren
Prozeßbevollmächtigten gewesen; zudem habe Richter am Amtsgericht S. sich mit einem für Wohnungseigentumssachen zuständigen und auch
als Fachautor hervorgetretenen Richter beim übergeordneten Landgericht über die Bedeutung einer BGH-Entscheidung ausgetauscht gehabt.
2 Mit Beschluß vom 07.06.2001 (As. 213/219), der dem Beteiligten R. am 26.06.2001 ohne Rechtsmittelbelehrung zugestellt wurde (As. 231), hat
das Landgericht das Ablehnungsgesuch als unbegründet zurückgewiesen. Dagegen richtet sich die mit Faxschreiben vom 12.07.2001 (As. 295)
eingelegte und am selben Tag beim Oberlandesgericht eingegangene sofortige Beschwerde des Beteiligten M. R. (künftig: Beschwerdeführer).
3 Nachdem dem Beschwerdeführer durch den Senat bekannt gemacht worden war, daß die Tätigkeit des Richters am Amtsgericht S. beim
Amtsgericht Konstanz mit Ablauf des 31.12.2001 enden werde (vgl. die Schreiben des Justizministeriums Baden-Württemberg vom 15.11.2001
[As. 321] sowie des Richters vom 29.11.2001 [As. 319]), hat der Beschwerdeführer gegenüber dem Senat mit Faxschreiben vom 02.01.2002 (As.
329) sein Ablehnungsgesuch für erledigt erklärt.
II.
4 Die gemäß § 46 Abs. 2 ZPO statthafte sofortige Beschwerde - zur entsprechenden Anwendbarkeit der §§ 42 ff. ZPO im Verfahren der Freiwilligen
Gerichtsbarkeit und damit auch im Wohnungseigentumsverfahren vgl. BayObLG, NJW-RR, 2000, S. 748 ff.; Zimmermann, in:
Keidel/Kuntze/Winkler, FGG, 14. Aufl. 1999, Rdnr. 39 zu § 6; Bärmann/Pick/Merle, WEG, 8. Aufl. 2000, Rdnr. 52 zu § 44 - ist zulässig, da die
Nichteinhaltung der Notfrist von zwei Wochen zur Einlegung des Rechtsmittels (§ 22 Abs. 1 Satz 1 FGG; dazu, daß sich die Frist zur Einlegung der
sofortigen Beschwerde gegen den das Befangenheitsgesuch zurückweisenden Beschluß nach den Vorschriften des FGG richtet, vgl. die
Nachweise bei BayObLGZ 1974, S. 446 ff., 447) vom Beschwerdeführer infolge Fehlens einer Rechtsmittelbelehrung nicht verschuldet war, so daß
dem Beschwerdeführer auf seinen Antrag (As. 295) Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren war (§ 22 Abs. 2 Satz 1 FGG).
5 Indessen hat eine Hauptsacheentscheidung über die sofortige Beschwerde nicht mehr zu ergehen: Weil der abgelehnte Richter seit dem
01.01.2002 nicht mehr beim Amtsgericht Konstanz tätig ist, kommt eine Entscheidung durch ihn nicht mehr in Betracht. Dadurch ist das für das
Ablehnungsgesuch erforderliche Rechtsschutzbedürfnis entfallen (vgl. Zimmermann, aaO, Rdnr. 63 zu § 6) und das Beschwerdeverfahren hat sich
in der Hauptsache erledigt (vgl. BayObLG, FamRZ 2000, S. 498 ff.). Deshalb hat der Beschwerdeführer das Beschwerdeverfahren mit Recht für in
der Hauptsache erledigt erklärt und - dahin ist der mit dieser Erklärung verbundene Hinweis auf die ihm entstandenen Kosten zu verstehen - die in
der Hauptsache gegenstandslos gewordene Beschwerde auf den Kostenpunkt beschränkt (vgl. BGHZ 86, S. 393 ff., 395; BayObLG, FamRZ 2000,
S. 498 ff.).
6 Nachdem sich das Ablehnungsverfahren in der Hauptsache erledigt hat, sind Gegenstand des Beschwerdeverfahrens die gesamten das
Ablehnungsverfahren betreffenden Verfahrenskosten (hierzu Zimmermann, aaO, Rdnr. 47 zu § 13 a; Kahl, in: Keidel/Kuntze/Winkler, aaO, Rdnr.
94 zu § 19 [jeweils m.w.N.]), mithin die Gerichtskosten sowie die außergerichtlichen Kosten der Beteiligten.
7 a) Gerichtskosten sind für das Ablehnungsverfahren nicht zu erheben, was klarzustellen war. Für das landgerichtliche Verfahren ergibt sich dies
daraus, daß die Kosten der Richterablehnung zu den Kosten des zugrundeliegenden Verfahrens gehören (BayObLG, FamRZ 2000, 498 ff.;
Thomas/Putzo, ZPO, 23. Aufl. 2001, Rdnr. 4 zu § 46; Musielak/Smid, 2. Aufl. 2000, Rdnr. 6 zu § 46). Und das Beschwerdeverfahren ist gemäß §
131 Abs. 1 Satz 2 KostO gebührenfrei, weil die Beschwerde weder zurückgewiesen, noch verworfen, noch zurückgenommen worden ist und somit
kein Gebührentatbestand nach § 131 Abs. 1 Satz 1 KostO verwirklicht worden ist. Die Kosten für ein im Rahmen des Verfahrens der Freiwilligen
Gerichtsbarkeit in Wohnungseigentumssachen durchgeführtes Richterablehnungsverfahren richten sich nicht etwa nach § 48 Abs. 1 und Abs. 3
WEG, sondern nach § 131 Abs. 1 KostO (eingehend hierzu OLG Düsseldorf, Rpfleger 1983, S. 370; ferner Weitnauer, WEG, 8. Aufl. 1995, Rdnr. 3
zu § 48; Bärmann/Pick/Merle, aaO, Rdnr. 2 zu § 48 m.w.N. in Fn. 1).
8 b) Eine Erstattung der außergerichtlichen Kosten hat nicht zu erfolgen. Die Anordnung einer Kostenerstattung nach § 47 WEG setzt - nicht anders
als eine solche nach § 13 a Abs. 1 Satz 1 FGG (hierzu BayObLG, aaO; Keidel/Zimmermann, aaO, Rdnr. 6 a zu § 13 a) - voraus, daß die an einem
Verfahren Beteiligten unterschiedliche Entscheidungen anstreben. Dies ist beim - nicht kontradiktorischen - Richterablehnungsverfahren indessen
nicht der Fall (vgl. BayObLG, JurBüro 1989, Sp. 1737; OLG Köln, MDR 1994, S. 627; Zöller/Herget, ZPO, 22. Aufl. 2001, Rdnr. 13 zu § 91 -
Stichwort: "Richterablehnung").
9 3. Da weder Gerichtskosten anfallen noch Kostenerstattung zu erfolgen hat, besteht kein Anlaß für die Festsetzung eines Geschäftswertes.