Urteil des OLG Karlsruhe vom 22.01.2013

OLG Karlsruhe: pflichtverteidiger, wahlverteidiger, ermessen, vergütung, bindungswirkung, auszahlung, verfügung, rücknahme, ausnahme, vertreter

OLG Karlsruhe Beschluß vom 22.1.2013, 2 AR 51/12
Leitsätze
Hat der Pflichtverteidiger eines freigesprochenen Angeklagten gemäß §§ 52 Abs. 1 und 2, 14
RVG die Festsetzung der Gebühren eines Wahlverteidigers gegen die Staatskasse beantragt
und ist diesem Antrag entsprochen worden, ist ein danach gestellter Antrag auf Bewilligung einer
Pauschgebühr gemäß § 51 RVG unzulässig.
Tenor
1.
Die Sache wird gemäß §§ 51 Abs. 2 Satz 4, 42 Abs. 3 Satz 2 RVG auf den Senat übertragen.
2.
Der Antrag des gerichtlich bestellten Verteidigers, Rechtsanwalt Dr. X.in D., auf Bewilligung
einer Pauschgebühr wird als unzulässig zurückgewiesen.
Gründe
I.
1 Der dem Beschuldigten durch Verfügung des Strafkammervorsitzenden vom 07.04.2010
beigeordnete Antragsteller, dem Pflichtverteidigergebühren in Höhe von 5395.- Euro
zustehen, begehrt für seine Tätigkeit in erster Instanz wegen der rechtlichen Schwierigkeit
und wegen des Umfangs des Verfahrens eine die gesetzlichen Gebühren um 8.000.- Euro
übersteigende Pauschvergütung.
2 Der Antrag ist unzulässig.
3 Mit dem nach Rücknahme der Revision der Staatsanwaltschaft rechtskräftigen Urteil des
Landgerichts Freiburg vom 18.05.2011 wurde der Angeklagte vom Vorwurf des Betruges
nach 16 Hauptverhandlungstagen, an denen der Antragsteller mit Ausnahme eines Tages
neben einem anderen zuvor bestellten Pflichtverteidiger teilgenommen hatte,
freigesprochen. Nach Bewilligung mehrerer Vorschusszahlungen wurden zuletzt am
06.06.2011 die Pflichtverteidigergebühren und Auslagen des Verteidigers festgesetzt. Mit
Antrag vom 15.03.2012 begehrte der Antragsteller darüber hinaus die Festsetzung und
Auszahlung der Differenz zwischen den Mittelgebühren eines Wahlanwalts und den ihm
bereits ausbezahlten gesetzlichen Gebühren. Diesem Antrag wurde mit dem
Kostenfestsetzungsbeschluss vom 28.03.2012 in vollem Umfang entsprochen und
Differenz-Gebühren in Höhe 1.105,75 Euro zuzüglich Mehrwertsteuer, insgesamt 1.315,84
Euro, festgesetzt. Mit Schriftsatz vom 05.04.2012 beantragte der Verteidiger schließlich die
Festsetzung einer die gesetzlichen Gebühren um 8.000.- Euro übersteigenden
Pauschgebühr. Der Vertreter der Staatskasse ist diesem Antrag, dem nicht zu entnehmen
ist, ob er die Bestimmung des § 42 oder diejenige des § 51 RVG zur Grundlage hat,
entgegengetreten.
II.
4 Bei der hier gegebenen Sachlage ist für die Zuerkennung einer Pauschgebühr kein Raum.
5 Der Pflichtverteidiger eines freigesprochenen Angeklagten kann, wenn ihm die
Pflichtverteidigergebühren als eine unzureichende Vergütung erscheinen, unter den
folgenden Möglichkeiten wählen, eine höhere Vergütung gegenüber der Staatskasse
geltend zu machen:
6 1. Gemäß § 52 Abs. 1 und 2 RVG kann er die Gebühren eines Wahlverteidigers im
Kostenfestsetzungsverfahren geltend machen. Wie ein Wahlverteidiger kann er gemäß §
14 RVG aus dem gesetzlich bestimmten Gebührenrahmen nach billigem Ermessen unter
Beachtung aller Umstände des Einzelfalles, insbesondere der in dieser Vorschrift
aufgeführten Bemessungskriterien, die insgesamt angemessene Gebühr, gegebenenfalls
auch die Höchstgebühren eines Wahlverteidigers, bestimmen und gegen die Staatskasse
festsetzen lassen.
7 2. Erscheinen die Rahmengebühren als unzumutbar, kann der Pflichtverteidiger ebenso
wie ein Wahlverteidiger anstelle ihrer Festsetzung gemäß § 42 Abs. 2 Satz 2 RVG einen
Pauschgebührenantrag gemäß § 42 Abs. 1 RVG stellen, wenn die Voraussetzungen des §
52 Abs. 1 und 2 RVG vorliegen.
8 3. Der Pflichtverteidiger kann aber auch einen Antrag auf Bewilligung einer Pauschgebühr
gemäß § 51 RVG stellen, der im Gegensatz zu § 42 RVG keine Obergrenze enthält. Er
kann diesen Antrag auch nach der Festsetzung der Pflichtverteidigergebühren stellen,
doch ist diese nicht Voraussetzung für den Antrag.
9 Mit dieser dreifachen Wahlmöglichkeit ist der Pflichtverteidiger eines freigesprochenen
Angeklagten - lässt man die Möglichkeit einer Honorarvereinbarung außer Betracht -
besser gestellt als ein Wahlverteidiger. Hat er indessen seine Wahl getroffen und auf
einem der aufgezeigten Wege eine gerichtliche Entscheidung erlangt, sind die anderen
Möglichkeiten ausgeschlossen. Es liegt auf der Hand, dass einem Verteidiger, dem eine
Pauschgebühr gemäß § 51 RVG bewilligt worden ist, nicht auch noch eine Pauschgebühr
gemäß § 42 RVG zugesprochen werden kann. Gleiches gilt für den umgekehrten Fall.
Ferner ist ein Antrag auf Feststellung einer Pauschgebühr gemäß § 42 RVG unzulässig,
wenn über einen Antrag auf Festsetzung der Wahlverteidigergebühren abschließend
entschieden ist (Thüringer OLG Rpfleger 2008, 98 und 2011, 177f.; OLG Celle StraFo
2008, 398; OLG Bamberg DAR 2011, 237). Schließlich besteht nach Ansicht des Senats
keine Möglichkeit der Bewilligung einer Pauschgebühr gemäß § 51 RVG, wenn dem
Antrag die Bestimmung und antragsgemäße Festsetzung der Wahlverteidigergebühren
gemäß §§ 52, 14 RVG vorangegangen ist. Denn wenn der Verteidiger gemäß § 14 RVG
nach eigenem Ermessen unter Berücksichtigung aller Umstände, zu denen auch die für
die Bewilligung einer Pauschgebühr gemäß § 51 RVG maßgeblichen Kriterien, Umfang
und Schwierigkeit der Tätigkeit des Rechtsanwalts, an erster Stelle gehören, die für
angemessen erachteten Gebühren verbindlich bestimmt hat, ist kein Raum mehr für die
Annahme, diese Gebühren seien für ihn unzumutbar.
10 Im vorliegenden Fall hat der Verteidiger die Mittelgebühren, die einem Wahlverteidiger
zustehen würden, bestimmt; von der hier nicht fern liegenden Möglichkeit, höhere
Gebühren zu bestimmen, hat er keinen Gebrauch gemacht und er hat sich dies auch nicht
vorbehalten. An diese Ausübung seines Gestaltungsrechts ist er gebunden; er kann im
Nachhinein keine höhere Gebühr bestimmen (Hartung/Schons/Enders RVG § 14 Rn 10;
Gerold/Schmidt RVG 20. Aufl. § 14 Rn 4; KG JurBüro 2004, 484; OLG Bamberg aaO) und
es ist ihm nach Auffassung des Senats auch verwehrt, in Widerspruch zu seiner
Bestimmung und unter Umgehung ihrer Bindungswirkung nachträglich einen Antrag
gemäß § 51 RVG zu stellen.
11 Somit musste der Antrag des Verteidigers als unzulässig zurückgewiesen werden.