Urteil des OLG Karlsruhe vom 08.05.2013

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OLG Karlsruhe Urteil vom 8.5.2013, 6 U 34/12
Leitsätze
1. Die für eine Klage auf Feststellung der Schadensersatzverpflichtung erforderliche
Wahrscheinlichkeit, dass der Berechtigte aufgrund einer mittelbaren Patentverletzung einen
Schaden erlitten hat, ist in der Regel zu bejahen, wenn zumindest eine rechtswidrig und
schuldhaft begangene mittelbare Patentverletzung stattgefunden hat. Dies gilt auch dann, wenn
die mittelbare Patentverletzung durch das Anbieten eines der in § 10 Abs. 1 PatG genannten
Mittel begangen wurde.
2. Besteht ein Verfahrenspatentanspruch auf den aufeinander aufbauenden Verfahrensschritten
des Codierens und Decodierens von Daten, macht der Verwender eines die patentgemäßen
Verfahrensschritte des Decodierens ausführenden Mittels von dem Verfahren mit allen seinen
Merkmalen Gebrauch, wenn die zu decodierenden Daten zuvor ohne sein Zutun in
patentgemäßer Weise codiert wurden.
3. Das tatsächliche Bestehen einer Herstellungs- und/oder Lieferbereitschaft kann weder für den
Tatbestand des Anbietens im Sinne des § 9 PatG noch des § 10 PatG verlangt werden.
4. Für ein Angebot zur Benutzung der Erfindung im Sinne des § 10 Abs. 1 PatG reicht es aus,
dass der Angebotsempfänger das Mittel bestimmungsgemäß an Endabnehmer weiterliefert, die
die Erfindung dann benutzen.
5. In grenzüberschreitenden Fällen ist auch ein im Ausland ansässiger Lieferant für die
Verletzung inländischer Patentrechte mitverantwortlich, wenn er die patentverletzenden
Vorrichtungen in Kenntnis des Klagepatents und in Kenntnis des Bestimmungslandes liefert.
6. Der "doppelte Inlandsbezug" in § 10 Abs. 1 PatG setzt nicht voraus, dass der im Ausland
ansässige Lieferant seine Verfügungsgewalt im Inland verliert.
7. Eine stillschweigende Benutzungserlaubnis zur Anwendung eines patentgemäßen
Verfahrens kann in der Lieferung von Mitteln nicht gesehen werden, die unter Verwendung
weiterer nicht lizenzierter Vorrichtungen zur Ausübung des patentgemäßen Verfahrens führen.
Tenor
I. Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Landgerichts Mannheim vom 09. März 2012 -
Az. 7 O 43/10 - unter Zurückweisung der sofortigen Beschwerde der Beklagten im Kostenpunkt
aufgehoben und im Übrigen wie folgt neu gefasst:
1. Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin allen Schaden zu ersetzen,
welcher der Klägerin und/oder dem I.R. dadurch entstanden ist und noch entsteht, dass die
Beklagte in dem Zeitraum vom 18.02.1995 bis einschließlich zum 27.06.2011 im Inland
Empfänger (MP2-Geräte)
angeboten oder in Verkehr gebracht hat,
die zur Ausübung eines Verfahrens im Inland zum Übertragen digitalisierter, blockcodierter
Tonsignale unter Verwendung von Skalenfaktoren, die bei der Blockcodierung der digitalisierten
Tonsignale aus dem Betrag des Spitzenwertes einer Sequenz (Block) von Signalwerten gebildet
und in quantisierter Form den abgetasteten Signalwerten der betreffenden Sequenz hinzu
geführt werden, geeignet und bestimmt sind, wobei
- coderseitig
a) aus einer Anzahl von k zeitlich aufeinanderfolgenden Skalenfaktoren
(scf
11
, scf
12
bis scf
1k
; ...scf
n1
, scf
n2
, ...scf
nk
) jeweils eines Frequenz-
Teilbandes des in n Teilbändern unterteilten Tonsignals (mit n 1) die
Differenzen
d
12-11
=
scf
12
- scf
11
bis
d
1k
-
1 (k- 1)
=
scf
1k
- scf
1 (k- 1);
.
.
.
d
n2
-
n1
= scf
n2
- scf
n1
bis
d
nk
-
n(k – 1)
= sfn
nk
- scf
nk (k – 1)
nach Vorzeichen und Betrag gebildet werden;
b) die gemäß Schritt a) gebildeten (k – 1) * n Differenzen in zumindest
zwei Werteklassen eingestuft werden, von denen jede Werteklasse eine
Menge von einer oder mehreren möglichen Differenzen umfasst,
c) aufgrund der gemäß Schritt b) gebildeten Folge von (k – 1) * n
Werteklassen – getrennt für jedes der n Teilbänder – Skalenfaktoren
selektiert und mit einer Kenninformation versehen werden, wobei die
Anzahl von aufeinanderfolgenden, unterschiedlichen selektierten
Skalenfaktoren innerhalb der Folge kleiner oder gleich der Anzahl der
aufeinanderfolgenden, unterschiedlichen Skalenfaktoren des betrachteten
Teilbandes ist, und wobei die Kenninformation die Zuordnung der
selektierten Skalenfaktoren zu jeweils einem oder mehreren der K-Blöcke
der abgetasteten Signalwerte des betreffenden Teilbandes identifiziert,
und bei dem
- decoderseitig
d) anhand der Kenninformation den Blöcken der abgetasteten
Signalwerte die zugehörigen selektierten Skalenfaktoren zugeordnet
werden, und
e) aus den abgetasteten Signalwerten sowie den zugeordneten
selektierten Skalenfaktoren wieder Tonsignale erzeugt werden, die mehr
oder weniger den ursprünglichen Tonsignalen entsprechen,
dadurch gekennzeichnet, dass
bei der Blockcodierung innerhalb von irrelevanz- und
redundanzmindernden Tondaten-Reduktionsverfahren
folgende Verfahrensschritte vorgesehen werden:
f) die gemäß Schritt a) gebildeten (k – 1) n Differenzen werden in mehr als
zwei Werteklassen eingestuft;
g) bei der Selektion der Skalenfaktoren gemäß Schritt c) wird getrennt für
jedes der n Teilbänder ein Übertragungsmuster neuer Skalenfaktoren
nach psychoakustischen Gesichtspunkten bezogen auf die Vor- und
Nachverdeckungseffekte des menschlichen Gehörs bestimmt, wobei
zwischen psychoakustisch relevanten Änderungen der Skalenfaktoren
unterschieden wird, und
h) als Kenninformation eine Steuerinformation verwendet wird, welche
angibt, an welchen Stellen k sich die neuen Skalenfaktoren befinden.
(Anspruch 1 EP 568 532, mittelbare Verletzung)
2. Die Beklagte wird verurteilt, der Klägerin schriftlich in geordneter Form (gegliedert nach
Kalendervierteljahren) Rechnung zu legen, in welchem Umfang die Beklagte die zu Ziffer I. 1.
bezeichneten Handlungen in dem Zeitraum vom 18.02.1995 bis einschließlich 27.06.2011
begangen hat und zwar unter Angabe
a) der einzelnen Lieferungen (unter Vorlage der Rechnungen und Lieferscheine)
mit
aa) Liefermengen, Zeiten und Preisen,
bb) Marken
der
jeweiligen
Erzeugnisse
sowie
allen
Identifikationsmerkmalen wie Typenbezeichnung, Artikelbezeichnung,
laufender Produktnummer,
cc) den Namen und Anschriften der gewerblichen Abnehmer,
b) der einzelnen Angebote (unter Vorlage schriftlicher Angebote) mit
aa) Angebotsmengen, Zeiten und Preisen,
bb) Marken
der
jeweiligen
Erzeugnisse
sowie
allen
Identifikationsmerkmalen wie Typenbezeichnung, Artikelbezeichnung,
laufender Produktnummer,
cc) den Namen und Anschriften der gewerblichen Angebotsempfänger,
c) der nach den einzelnen Faktoren aufgeschlüsselten Kosten sowie des erzielten
Gewinns,
d) der Namen und Anschriften der Hersteller, Lieferanten und anderer Vorbesitzer,
jeweils mit der Anzahl der hergestellten, erhaltenen oder bestellten
Erzeugnisse.
II. Die Beklagte trägt die Kosten erster Instanz und die Kosten des Berufungs- und des
Beschwerdeverfahrens.
III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung gemäß Ziffer I. 2
(Rechnungslegung) gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 10.000,00 EUR abwenden, wenn
nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet. Ansonsten können
die Parteien die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des aus dem Urteil
vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Gegenseite vor der Vollstreckung Sicherheit
in gleicher Höhe leistet.
IV. Die Revision und die Rechtsbeschwerde werden nicht zugelassen.
Gründe
I.
1 Die Klägerin nimmt die Beklagte wegen Verletzung des europäischen Patents EP 0 586
532 (Anlage K 1) aus eigenem Recht und abgetretenem Recht in Anspruch. Zu den
benannten Vertragsstaaten gehört Deutschland. Der Hinweis auf die Erteilung des am
27.06.1991 angemeldeten und eine Priorität vom 26.01.1991 beanspruchenden
Klagepatents wurde am 18.01.1995 bekanntgemacht. Das Klagepatent ist wegen Ablaufs
der Schutzdauer inzwischen erloschen. Der unabhängige Verfahrensanspruch des
Klagepatents hat in der Verfahrenssprache folgenden Wortlaut:
2 Wegen des weiteren Inhalts des Klagepatents wird auf die als Anlage K 1 vorgelegte
Patentschrift Bezug genommen. Im Patentregister eingetragener Inhaber des Klagepatents
ist das I.R..
3 Die in China ansässige Beklagte ist OEM-Herstellerin von sog. MP2-Geräten, die - ggf. im
Zusammenwirken mit einem PC und einer Software - dazu ausgebildet und geeignet sind,
die im DVB-Signal umfassten, nach den Vorgaben des Standard ISO/IEC 11172-3
(MPEG-1 Standard; im Folgenden: STANDARD - vgl. Anlage K5) oder ISO/IEC 13818-3
(MPEG-2 Standard, der für das maßgebliche Format auf den STANDARD verweist - vgl.
Anlage K6) komprimierten Audiosignale in der Ausbaustufe Layer II zu empfangen und zu
decodieren (im Folgenden einheitlich: angegriffene Ausführungsformen), namentlich DVB-
USB-Sticks, TV-Karten mit DVB-Funktionalität und USB-TV-Boxen mit DVB-Funktionalität
einerseits und mobile TV-Geräte mit integriertem DVB-Empfänger andererseits. Die
Beklagte bewarb und bewirbt ihre Produkte einschließlich der angegriffenen
Ausführungsformen auf ihrer englischsprachigen Internetseite. Sie war mit ihren Produkten
sowohl auf der Messe CeBIT 2010 (vgl. Anlage K3) als auch auf der Messe CeBIT 2011
vertreten.
4 Die Klägerin hat behauptet, sie sei ausschließliche Lizenznehmerin am Klagepatent und
Schadensersatzansprüche der Patentinhaberin seien an die Klägerin abgetreten. Die
Klägerin ist der Auffassung, bei den angegriffenen Ausführungsformen handele es sich um
Mittel, die - in Kombination mit einem Sender - objektiv geeignet seien zur Durchführung
des klagepatentgemäßen Verfahrens und die sich auf ein wesentliches Element der
Erfindung bezögen. Hierum wisse die Beklagte ebenso wie um die entsprechende
Verwendungsbestimmung beim Endabnehmer. Die Klägerin hat behauptet, die Beklagte
habe die angegriffenen Ausführungsformen zur Benutzung in Deutschland gegenüber
Nichtberechtigten nicht nur angeboten, sondern noch während der Laufzeit des
Klagepatents „direkt“ nach Deutschland zur Benutzung im Inland auch an Nichtberechtigte
geliefert, namentlich an die T. GmbH (fortan: T. ) und die T.H.G GmbH (fortan: THG).
5 Die Klägerin hat, nachdem die Parteien den Unterlassungsantrag wegen des Ablaufs der
Schutzdauer des Klagepatents übereinstimmend für erledigt erklärt haben, in erster
Instanz beantragt:
6
I. Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin allen Schaden zu
ersetzen, welcher der Klägerin und/oder dem I.R. dadurch entstanden ist und noch
entsteht, dass die Beklagte in dem Zeitraum vom 18.02.1995 bis einschließlich zum
27.06.2011 im Inland Empfänger (MP2-Geräte)
7
angeboten oder in Verkehr gebracht hat,
8
die zur Ausübung eines Verfahrens im Inland zum Übertragen digitalisierter,
blockcodierter Tonsignale unter Verwendung von Skalenfaktoren, die bei der
Blockcodierung der digitalisierten Tonsignale aus dem Betrag des Spitzenwertes einer
Sequenz (Block) von Signalwerten gebildet und in quantisierter Form den abgetasteten
Signalwerten der betreffenden Sequenz hinzu geführt werden, geeignet und bestimmt
sind, wobei
9
- coderseitig
10 a) aus einer Anzahl von k zeitlich aufeinanderfolgenden Skalenfaktoren (scf
11
, scf
12
bis
scf
1k
; ...scf
n1
, scf
n2
, ...scf
nk
) jeweils eines Frequenz-Teilbandes des in n Teilbändern
unterteilten Tonsignals (mit n 1) die Differenzen
11
d
12-11
=
scf
12
- scf
11
bis
d
1k
-
1 (k- 1)
=
scf
1k
- scf
1 (k- 1);
..
d
n2
-
n1
= scf
n2
- scf
n1
bis
d
nk
-
n(k – 1)
= sfn
nk
- scf
nk (k – 1)
12 nach Vorzeichen und Betrag gebildet werden;
13 b) die gemäß Schritt a) gebildeten (k – 1) * n Differenzen in zumindest zwei Werteklassen
eingestuft werden, von denen jede Werteklasse eine Menge von einer oder mehreren
möglichen Differenzen umfasst,
14 c) aufgrund der gemäß Schritt b) gebildeten Folge von (k – 1) * n Werteklassen – getrennt
für jedes der n Teilbänder – Skalenfaktoren selektiert und mit einer Kenninformation
versehen werden, wobei die Anzahl von aufeinanderfolgenden, unterschiedlichen
selektierten Skalenfaktoren innerhalb der Folge kleiner oder gleich der Anzahl der
aufeinanderfolgenden, unterschiedlichen Skalenfaktoren des betrachteten Teilbandes ist,
und wobei die Kenninformation die Zuordnung der selektierten Skalenfaktoren zu jeweils
einem oder mehreren der K-Blöcke der abgetasteten Signalwerte des betreffenden
Teilbandes identifiziert,
15 um bei dem
16 - decoderseitig
17 d) anhand der Kenninformation den Blöcken der abgetasteten Signalwerte die
zugehörigen selektierten Skalenfaktoren zugeordnet werden, und
18 e) aus den abgetasteten Signalwerten sowie den zugeordneten selektierten
Skalenfaktoren wieder Tonsignale erzeugt werden, die mehr oder weniger den
ursprünglichen Tonsignalen entsprechen,
19
dadurch gekennzeichnet, dass
20 bei der Blockcodierung innerhalb von irrelevanz- und redundanzmindernden Tondaten-
Reduktionsverfahren folgende Verfahrensschritte vorgesehen werden:
21 f) die gemäß Schritt a) gebildeten (k – 1) n Differenzen werden in mehr als zwei
Werteklassen eingestuft;
22 g) bei der Selektion der Skalenfaktoren gemäß Schritt c) wird getrennt für jedes der n
Teilbänder ein Übertragungsmuster neuer Skalenfaktoren nach psychoakustischen
Gesichtspunkten bezogen auf die Vor- und Nachverdeckungseffekte des menschlichen
Gehörs bestimmt, wobei zwischen psychoakustisch relevanten Änderungen der
Skalenfaktoren unterschieden wird, und
23 h) als Kenninformation eine Steuerinformation verwendet wird, welche angibt, an
welchen Stellen k sich die neuen Skalenfaktoren befinden.
24 (Anspruch 1 EP 568 532, mittelbare Verletzung)
25 II. Die Beklagte wird verurteilt, der Klägerin schriftlich in geordneter Form (gegliedert nach
Kalendervierteljahren) Rechnung zu legen, in welchem Umfang die Beklagte die zu Ziffer
I. bezeichneten Handlungen in dem Zeitraum vom 18.02.1995 bis einschließlich
27.06.2011 begangen hat und zwar unter Angabe
26
a) der einzelnen Lieferungen (unter Vorlage der Rechnungen und Lieferscheine) mit
aa) Liefermengen, Zeiten und Preisen,
bb) Marken der jeweiligen Erzeugnisse sowie allen Identifikationsmerkmalen
wie Typenbezeichnung, Artikelbezeichnung, laufender Produktnummer,
cc) den Namen und Anschriften der gewerblichen Abnehmer,
b) der einzelnen Angebote (unter Vorlage schriftlicher Angebote) mit
aa) Angebotsmengen, Zeiten und Preisen,
bb) Marken der jeweiligen Erzeugnisse sowie allen Identifikationsmerkmalen
wie Typenbezeichnung, Artikelbezeichnung, laufender Produktnummer,
cc) den Namen und Anschriften der gewerblichen Angebotsempfänger,
c) der nach den einzelnen Faktoren aufgeschlüsselten Kosten sowie des erzielten
Gewinns,
d) der Namen und Anschriften der Hersteller, Lieferanten und anderer Vorbesitzer,
jeweils mit der Anzahl der hergestellten, erhaltenen oder bestellten Erzeugnisse.
27 Die Beklagte ist der Klage entgegengetreten. Sie hat vorgetragen, sie habe keine der
angegriffenen Ausführungsformen an Nichtberechtigte im Inland angeboten oder gar
geliefert. Das Ausstellen von Produkten und das Verteilen von Katalogen auf der Messe
bedeute kein Anbieten im Rechtssinne, weil die Beklagte bei konkreten Anfragen von
potentiellen Abnehmern noch prüfe, ob diese berechtigt seien, die gelieferten Geräte am
jeweiligen Sitz des Abnehmers überhaupt zu nutzen. Direkt nach Deutschland habe die
Beklagte allenfalls an zur Erfindungsnutzung Berechtigte geliefert. Vertriebshandlungen in
Ansehung der reinen Demodulatoren ohne eigene Decoderfunktion erfolgten stets an
Berechtigte. Denn der zur Decodierung meist auf dem benutzten PC angewandte
Windows Media Player stamme vom lizenzierten Hersteller Microsoft und soweit auf die
bei Geräten der Beklagten teilweise mitgelieferte Software „T.M.“ abgehoben werde,
benutze diese Software wiederum den lizenzierten Decoder von Microsoft Windows.
Hinsichtlich T. bestünden keine direkten Geschäftsbeziehungen. In der Lieferkette trete die
S. Co. Ltd. (fortan: S.) dazwischen. Auch THG, welche ohnehin eine „implizite Lizenz“ am
MPEG-Patentpool der Klägerin erworben habe, sei nicht in Deutschland beliefert worden,
sondern lediglich „free on board“ Hongkong, wo die Verfügungsgewalt über die Ware auf
den Abnehmer übergegangen sei, womit eine Lieferung allein in China liege.
28 Sie ist der Auffassung, eine mittelbare Patentverletzung könne schon aus Rechtsgründen
nicht vorliegen. Die angegriffenen Ausführungsformen seien keine Mittel im Sinne des §
10 PatG. Soweit USB-Sticks, -Cards und -Boxen angegriffen seien, handele es sich um
reine Demodulatoren ohne eigene Decoderfunktion. Das Empfangen und Demodulieren
des DVB-Signals werde vom Verfahrensanspruch des Klagepatents schon nicht erfasst.
Hinsichtlich der mobilen TV-Geräte mit eigenem Decoder für das MPEG-2-Signal sei
darauf hinzuweisen, dass das Decodieren im Stand der Technik grundsätzlich bekannt
gewesen sei, dieses daher keinen wesentlichen Beitrag zum Erfindungsgedanken leiste
und sich diese angegriffenen Ausführungsformen daher zumindest nicht auf ein
wesentliches Element der Erfindung bezögen. Eine Benutzung der Erfindung nach dem
Klagepatent durch die Abnehmer der Beklagten sei ausgeschlossen. Es handele sich
dabei nämlich um Wiederverkäufer und keine Endabnehmer. Allenfalls letztere
verwirklichten die decoderseitigen Schritte des geschützten, mehraktigen Verfahrens,
wobei diese die Schritte nicht vollständig durchführten. Denn die die Codierung des zu
übertragenden Signals betreffenden Verfahrensschritte durch die jeweiligen
Rundfunksender seien dem Endabnehmer nicht zuzurechnen.
29 Mit dem angefochtenen Urteil, auf das wegen aller Einzelheiten Bezug genommen wird,
hat das Landgericht nach Vernehmung der Zeugin H. die Klage abgewiesen. Die begehrte
Feststellung der Schadensersatzpflicht sowie die Rechnungslegungspflicht der Beklagten
setze voraus, dass wenigstens eine Lieferung an Nichtberechtigte im Inland zur
Benutzung der Erfindung im Inland festgestellt werden könne. Eine Angebotshandlung
nach § 10 PatG, welche Unterlassungsansprüche nach § 139 Abs. 1 PatG zeitige, genüge
nicht. Die erforderliche Feststellung einer gegen § 10 PatG verstoßenden Lieferung der
angegriffenen Ausführungsform an Nichtberechtigte im Inland zur Benutzung der
Erfindung im Inland setze voraus, dass die angegriffenen Ausführungsformen einem
anderen innerhalb der Bundesrepublik Deutschland übergeben werde. Eine Übergabe
des Mittels im Ausland verwirkliche den Tatbestand des § 10 Abs. 1 PatG nicht. Den
sonach erforderlichen Beweis, dass die Beklagte Nichtberechtigten die angegriffenen
Ausführungsformen im Inland geliefert habe, habe die darlegungs- und beweisbelastete
Klägerin nicht führen können. Konkret behauptet habe die Klägerin allein Lieferungen an
die Abnehmer T. und THG. Einen Strengbeweis dahingehend, diesen Abnehmern sei bei
entsprechenden Umsatzgeschäften durch die Beklagte erst im Inland die
Verfügungsgewalt an den angegriffenen Ausführungsformen begründet worden, habe die
Klägerin auch auf ausdrücklichen Hinweis der Kammer nicht angetreten. Diesbezüglich
habe der Klägervertreter in der Sitzung vom 27.01.2012 auf Nachfrage des
Berichterstatters ausdrücklich klargestellt, dass die benannte, zunächst vorbereitend
geladene und unvernommen gebliebene Zeugin Sch. keine Aussage dazu treffen könne,
ob dem Abnehmer THG erst in Deutschland Verfügungsgewalt an den angegriffenen
Ausführungsformen begründet worden sei. Aus der Benennung der T. als „Distributor“
könne der Schluss auf Direktlieferungen der Beklagten nach Deutschland nicht gezogen
werden. Dagegen spreche die von der Beklagten aufgestellte, von der Zeugin bestätigte
und nicht von vornherein unglaubhafte Behauptung, T. werde nicht direkt beliefert,
vielmehr sei unmittelbarer Abnehmer S.. Die gegenbeweislich erhobene Zeugenaussage
sei auch nicht unglaubhaft unter Berücksichtigung der von der Klägerin vorgetragenen
Äußerungen einer anderen Mitarbeiterin der Beklagten anlässlich der Messe CeBIT 2011.
Die dort getroffene Aussage, man habe „in der Vergangenheit auch bereits nach
Deutschland geliefert“, sei unter Zugrundelegung eines offensichtlich nicht juristischen
Sprachgebrauchs allenfalls dahin zu verstehen, dass deutsche Abnehmer zu den Kunden
der Beklagten zählten. Der Aussage könne jedoch kein Aussagegehalt dahin
beigemessen werden, deutschen Abnehmern, die zudem Nichtlizenznehmer seien, wären
durch die Beklagte in der Vergangenheit Verfügungsgewalt an den angegriffenen
Ausführungsformen (erst) im Inland begründet worden. Soweit in einer E-
Mailkorrespondenz die Bereitschaft zur direkten Lieferung nach Deutschland (dort „cif
Hamburg“) erklärt worden sein mag, könne daraus nicht hinreichend gefolgert werden,
dass die Beklagte in der Vergangenheit tatsächlich an Nichtberechtigte direkt ins Ausland
geliefert habe. Die vorgelegten Rechnungen und Frachtpapiere betreffend die Abnehmerin
THG belegten keinen einzigen Fall einer Überlassung der Verfügungsgewalt erst im
Inland und nicht schon in China. Vielmehr bestätige der auf Anlage K 23 ersichtliche
Buchhaltungsvermerk des Abnehmers THG (…) die von der Zeugin getätigte Aussage,
dass die Beklagte mit dem Weitertransport aus China nicht befasst gewesen sei.
30 Die Kosten des Rechtsstreits seien nach § 92 Abs. 1 Satz 1 ZPO i.V. mit §§ 91 Abs. 1 Satz
1, 91a Abs. 1 Satz 1 ZPO gegeneinander aufzuheben. Hinsichtlich der in der Hauptsache
rechtshängig gebliebenen Anträge sei die Klägerin zwar unterlegen. In Ansehung des
übereinstimmend für erledigt erklärten Unterlassungsantrags entspreche es jedoch
billigem Ermessen, der Beklagten die Kosten aufzuerlegen, womit einheitlich auf
Kostenaufhebung zu erkennen sei. Bei summarischer Prüfung wäre der übereinstimmend
für erledigt erklärte Unterlassungsantrag gemäß Art. 64 Abs. 1 EPÜ i.V. mit §§ 139 Abs. 1,
10 Abs. 1 PatG ursprünglich erfolgreich gewesen. Denn unter Berücksichtigung der
bisherigen Rechtsprechung zur mittelbaren Patentverletzung ergäben sich nach dem
bisherigen Sach- und Streitstand gegen § 10 PatG verstoßende Angebotshandlungen der
Beklagten. Die angegriffenen Ausführungsformen seien Mittel, die sich auf ein
wesentliches Element der Erfindung bezögen. Die Parteien gingen übereinstimmend,
ohne dass dies auf patentrechtlich verfehlten Anschauungen beruhe, davon aus, dass die
Codierung und Decodierung umfassende Übertragung eines vom DVB-Signal umfassten
standardgemäßen Audiosignals das patentgemäße Verfahren verwirkliche. Die
angegriffenen Ausführungsformen, die die Decodierung des nach Merkmalen a, b, c, f, g, h
codierten Tonsignals - teils nur im Zusammenwirken mit einem PC und weiterer Software -
nach Merkmalen d und e ermöglichten, seien objektiv zur Verfahrensanwendung
geeignete Mittel, denn die decoderseitige Verarbeitung werde vom Patentanspruch selbst
als Teil des Übertragungsverfahrens in den Merkmalen d und e beschrieben. Ein
funktionell relevanter Beitrag zum Ergebnis des geschützten Verfahrens könne den
angegriffenen Ausführungsformen hiernach nicht abgesprochen werden. Unerheblich
bleibe insoweit der Verweis der Beklagten darauf, die decoderseitigen Merkmale des
geschützten Verfahrens bewegten sich im Stand der Technik. Die Beklagte habe die
angegriffenen Ausführungsformen zumindest bei ihren Messeauftritten auch
Nichtberechtigten im Inland zur Benutzung im Inland angeboten. Der Einwand, die auf der
Messe angesprochenen Abnehmer der Beklagten selbst seien Wiederverkäufer und daher
sei von diesen nicht die Verwirklichung von Teilakten des geschützten Verfahrens zu
erwarten, sei unerheblich, da jedenfalls eine Verwirklichung durch den Endabnehmer
erwartet werden könne. Der Einwand, selbst der Endabnehmer führe das gesamte
geschützte Verfahren nicht aus, dringe ebenso nicht durch. Denn jedenfalls in der
vorliegenden Konstellation könne das patentgeschützte Verfahren durch gegenseitig
zuzurechnende Beiträge beim Sender wie beim Empfänger „nebentäterschaftlich“
durchgeführt werden. „Anbieten“ nach § 10 PatG sei - entgegen der Auffassung der
Beklagten - nicht anders aufzufassen als bei § 9 PatG, insbesondere nicht mit den sog.
„subjektiven“ Tatbestandsmerkmalen bei § 10 PatG zu vermischen. Ausreichend sei
hiernach, dass den Messebesuchern erkennbar gemacht worden sei, die angegriffenen
Ausführungsformen zum Gebrauch in Deutschland überlassen zu wollen. Der interne
Vorbehalt, vor Vertragsschluss, also nach dem patentrechtlichen Angebot die
Berechtigung der Abnehmer noch prüfen zu wollen, sei indes irrelevant. Der Dritte müsse
bei Angebotshandlungen nach § 10 PatG, soweit die sonstigen
Tatbestandsvoraussetzungen vorliegen, schon sicherstellen, dass das (patentrechtliche)
Angebot lediglich an Berechtigte gerichtet sei. Die durch das mittelbar patentverletzende
Angebot begründete Wiederholungsgefahr des Anbietens der angegriffenen
Ausführungsformen rechtfertige den Unterlassungsanspruch auch in Ansehung des
Lieferns. Die Klägerin sei auch aktivlegitimiert gewesen als ausschließliche
Unterlizenznehmerin. Soweit die Beklagte dies überhaupt noch bestritten habe, wäre der
Kammer aufgrund der vorgelegten Anlage K 11 (Agreement and Acknowledgement) eine
entsprechende Überzeugungsbildung möglich gewesen.
31 Gegen dieses Urteil wenden sich die Berufung der Klägerin (Az. 6 U 34/12), mit der sie ihr
erstinstanzliches Prozessziel weiterverfolgt, und die sofortige Beschwerde der Beklagten
(Az. 6 W 30/12), mit welcher sie die Kostenentscheidung angreift, soweit zu ihrem Nachteil
entschieden worden ist. Mit Beschluss vom 03.04.2012 (AS I 277) hat das Landgericht der
sofortigen Beschwerde der Beklagten nicht abgeholfen. Mit Beschluss vom 25.04.2013
(AS II 127) hat der Senat das Berufungs- und das Beschwerdeverfahren zum Zwecke der
gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung miteinander entsprechend § 147 ZPO
verbunden (…). Die Beklagte beantragt unter Verteidigung des angefochtenen Urteils die
Zurückweisung der Berufung und wendet sich gegen die Kostenentscheidung des
Landgerichts (…).
II.
32 Die zulässige Berufung der Klägerin hat in der Sache Erfolg.
A.
33 Die Klage ist zulässig. Insbesondere ist die internationale Zuständigkeit entgegen der in
der ersten Instanz geäußerten Auffassung der Beklagten (Schriftsatz vom 09.01.2012, S. 3,
AS I 219) auch insoweit gegeben, als die Klägerin die Klage auf die Lieferung an THG
stützt. Da die Beklagte ihren Sitz in China hat, kommt der Gerichtsstand der unerlaubten
Handlung nach Art. 5 Nr. 3 EuGVVO zur Begründung der internationalen Zuständigkeit
nicht in Betracht, da dieser voraussetzt, dass die Beklagte ihren Sitz in einem Mitgliedstaat
der Europäischen Union hat, vgl. Art. 4 Abs. 1 EuGVVO. Allerdings begründet § 32 ZPO
außerhalb des Anwendungsbereichs des Art. 5 Nr. 2 EuGVVO einen internationalen
Gerichtsstand (vgl. Art. 4 EuGVVO, Geimer in Zöller, ZPO, 29. Aufl., Art. 2 EuGVVO Rn. 4).
Die deutsche internationale Zuständigkeit ist gegeben, wenn irgendein deutsches Gericht
bei Anwendung der deutschen Gerichtstandsvorschriften zuständig ist (KG GRUR Int.
2002, 327, 328 - EURO-Paletten). Nach § 32 ZPO ist für Klagen aus unerlaubten
Handlungen das Gericht zuständig, an dessen Bezirk die Handlung begangen worden ist.
Bei Begehungsdelikten ist dies sowohl der Ort, an dem der Täter gehandelt hat
(Handlungsort) als auch der Ort, an dem in das geschützte Rechtsgut eingegriffen wurde
(Erfolgsort, BGHZ 124, 245 = NJW 1994, 1414; BGHZ 132, 111; Vollkommer in Zöller,
ZPO, 29. Aufl., § 32 ZPO Rn. 16). Dabei kommt es nicht darauf an, ob tatsächlich eine
Verletzung des nationalen Rechts vorliegt. Es reicht für die Zuständigkeitsbeurteilung aus,
dass eine Verletzung behauptet wird und diese nicht von vornherein ausgeschlossen
werden kann (BGH, GRURInt. 2012, 570, Rn. 18 - OSCAR). Im Entscheidungsfall liegt
nach dem Vortrag der Klägerin der Erfolgsort der der Beklagten vorgeworfenen
Verletzungshandlung in Deutschland. Die Klägerin wirft der Beklagten nämlich in Bezug
auf den Abnehmer THG - nur insoweit hat die Beklagte die Zuständigkeitsrüge erhoben -
eine mittelbare Verletzung des Klagepatents vor, die dadurch begangen worden sei, dass
die Beklagte die im Bundesgebiet ansässige THG mit patentverletzenden
Ausführungsformen beliefert habe.
34 Im Übrigen ergibt sich die internationale Zuständigkeit in entsprechender Anwendung des
§ 39 ZPO jedenfalls daraus, dass die Beklagte in der mündlichen Verhandlung vor dem
Senat die Rüge mangelnder internationaler Zuständigkeit ausdrücklich nicht
aufrechterhalten und die Sachentscheidung des Landgerichts gegen die Berufung
verteidigt hat.
B.
35 Das Landgericht hat zu Recht angenommen, dass die Klägerin aktivlegitimiert ist. Die
ausschließliche Lizenz und die Abtretung der hier geltend gemachten Ansprüche ergibt
sich zum einen aus dem als Anlage K 11 vorgelegten Agreement and Acknowledgment.
Die Eigenschaft der Klägerin als ausschließliche Lizenznehmerin ist auch von der
Beklagten zwischenzeitlich zugestanden (…).
C.
36 Mit Erfolg wendet sich die Berufung gegen die Abweisung des Feststellungsantrags und
des auf Auskunft und Rechnungslegung gerichteten Klageantrags.
37 1. Die Berufung wendet sich zu Recht gegen die Anforderungen, die das Landgericht an
die Begründetheit eines auf Feststellung der Schadensersatzverpflichtung wegen
mittelbarer Patentverletzung gerichteten Antrags stellt. Für die Feststellung der
Schadensersatzverpflichtung genügt es, wenn dargetan wird, dass mit hinreichender
Wahrscheinlichkeit ein Schaden entstanden ist (BGH, GRUR 2001, 1177, 1178 -
Feststellungsinteresse II; GRUR 2006, 839, 842 Rn. 29 - Deckenheizung). Nicht
erforderlich ist, dass im Rahmen des Grundverfahrens mindestens eine unmittelbare
Verletzungshandlung festgestellt wird, vielmehr reicht hier - anders als im
Betragsverfahren - die Wahrscheinlichkeit eines Schadenseintritts aus, wenn die
Voraussetzungen einer mittelbaren Patentverletzung im Übrigen vorliegen (BGH, GRUR
2006, 839, 842 Rn. 29 – Deckenheizung [Klarstellung zu BGH, GRUR 2005, 848, 854];
Scharen, GRUR 2008, 944, 947; vgl. Pitz in Fitzner/Lutz/Bodewig,
Patentrechtskommentar, 4. Aufl. § 139 PatG Rn. 155, der allerdings für einen von der
unmittelbaren Patentverletzung unabhängigen Schaden plädiert). Das Landgericht hat
angenommen, dass hierfür nicht ausreiche, dass das Mittel lediglich angeboten wurde (LU
S. 13). Dem liegt die an sich zutreffende Erwägung zugrunde, dass dem Rechtsinhaber
durch das unberechtigte Anbieten als solches – soweit Rechtsverfolgungskosten nicht
betroffen sind - typischerweise – und zwar sowohl bei der unmittelbaren als auch bei der
mittelbaren Patentverletzung - noch kein Schaden entsteht (vgl. für das
Gebrauchsmusterrecht: BGH, GRUR 2006, 927, 928 Rn. 19 –Kunststoffbügel). Dies gilt
bei der mittelbaren Patentverletzung deshalb in besonderem Maße, weil - soweit nicht
sonstige Schadenspositionen wie etwa Kosten der Rechtsverfolgung betroffen sind - der
nach § 139 PatG i.V. mit Art. 64 Abs. 1 und 3 EPÜ zu ersetzende Schaden derjenige ist,
der durch die unmittelbare Patentverletzung des Abnehmers des Mittels entsteht (BGH,
GRUR 2007, 679, Rn. 44 -Haubenstretchautomat). Dies unterscheidet den
Schadensersatzanspruch einer mittelbaren Patentverletzung von einer unmittelbaren
Patentverletzung, bei der ein Schaden bereits dann eintritt, wenn es in Folge des
Anbietens tatsächlich zu Geschäftsabschlüssen oder Lieferungen kommt, die den
geschützten Gegenstand betreffen. Da der dem Rechteinhaber durch solche Lieferungen
entstandene Schaden durch die patentverletzende Angebotshandlung adäquat und
zurechenbar verursacht ist, wird er im Falle der unmittelbaren Verletzung von der
Ersatzpflicht des anbietenden Verletzers erfasst (vgl. für das Gebrauchsmusterrecht: BGH,
GRUR 2006, 927, 928 Rn. 19 - Kunststoffbügel). Anderenfalls würde die
Schadensersatzpflicht für die Benutzungsform des Anbietens auch in der Praxis häufig
leer laufen (BGH, GRUR 2006, 927, 928 Rn. 19 - Kunststoffbügel). Dieselben Grundsätze
müssen im Falle der mittelbaren Patentverletzung gelten (vgl. BGH, GRUR 2006, 839, Rn.
29 -Deckenheizung). Der in § 10 PatG normierte Gefährdungstatbestand der mittelbaren
Patentverletzung bezweckt, die unberechtigte Benutzung der geschützten Erfindung
bereits im Vorfeld zu verhindern (BGH, GRUR 1992, 40 - beheizbarer Atemluftschlauch;
GRUR 2004, 758, 760 - Flügelradzähler; GRUR 2006, 839, 841 - Deckenheizung; GRUR
2007, 773, 775 - Rohrschweißverfahren). Dies rechtfertigt es, es für die Wahrscheinlichkeit
eines Schadenseintritts Angebotshandlungen nach § 10 PatG genügen zu lassen. Denn
die schadensbegründende unmittelbare Patentverletzung des Abnehmers ist adäquat und
zurechenbar auf die Lieferung des Mittels im Sinne des § 10 PatG zurückzuführen, welche
ihrerseits wiederum adäquat kausal auf die Angebotshandlung zurückzuführen ist. Es stellt
somit eine nach der Fassung des gesetzlichen Tatbestands notwendig voraussehbare
Folge der mittelbaren Patentverletzung dar, so dass der sich aus der unmittelbaren
Verletzung ergebende Schaden „adäquat-kausal“ auf die mittelbare Patentverletzung
zurückgeführt werden kann (Meier-Beck, GRUR 1993, 1, 3).
38 2. Die begehrte Feststellung der Schadensersatzverpflichtung setzt demnach neben der
Wahrscheinlichkeit eines Schadens lediglich eine tatbestandsmäßig vollendete
Verletzungshandlung gemäß § 10 PatG i.V. mit Art. 64 Abs. 1 EPÜ voraus (BGH, GRUR
2012, 1230, Rn. 36 - MPEG-2-Videosignalcodierung) voraus, wobei hierfür eine bloße
Angebotshandlung genügt. Da der sich aus der unmittelbaren Verletzung ergebende
Schaden eine nach der Fassung des gesetzlichen Tatbestands notwendig voraussehbare
Folge der mittelbaren Patentverletzung ist, ist die Wahrscheinlichkeit eines Schadens im
Falle der tatbestandsmäßig vollendeten Verletzungshandlung in der Regel zu bejahen.
39 Zu Recht ist das Landgericht davon ausgegangen, dass eine tatbestandsmäßig vollendete
Verletzungshandlung vorliegt. Nach § 10 PatG ist es jedem Dritten verboten, ohne
Zustimmung des Patentinhabers in der Bundesrepublik Deutschland anderen als zur
Benutzung der patentierten Erfindung berechtigten Personen Mittel, die sich auf ein
wesentliches Element der Erfindung beziehen, zur Benutzung der Erfindung im
Geltungsbereich dieses Gesetzes anzubieten oder zu liefern, wenn der Dritte weiß oder
wenn es aufgrund der Umstände offensichtlich ist, dass diese Mittel dazu geeignet und
bestimmt sind, für die Benutzung der Erfindung verwendet zu werden. Das Landgericht ist
zutreffend davon ausgegangen, dass es sich bei den angegriffenen Ausführungsformen
um Mittel handelt, die sich auf ein wesentliches Element der Erfindung beziehen (a.). Auch
hat es zu Recht angenommen, dass die angegriffenen Ausführungsformen von der
Beklagten auf der CeBIT im Sinne des § 10 PatG angeboten worden sind (b). Darüber
hinaus ist - entgegen der Auffassung des Landgerichts- davon auszugehen, dass die
Beklagte ein Teil der angegriffenen Ausführungsformen durch die Belieferung von THG im
Inland in den Verkehr gebracht hat (c). Zu Recht hat das Landgericht angenommen, dass
eine direkte Belieferung an T. durch die Beklagte nicht nachgewiesen wurde. Es hat
allerdings zu Unrecht angenommen, dass insoweit eine Benutzungshandlung im Sinne
des § 10 PatG nicht bejaht werden kann (d). Auch ist der subjektive Tatbestand des § 10
PatG verwirklicht (e). Auch handelte die Beklagte nicht mit Zustimmung der Klägerin (f). Es
handelt sich bei den Endabnehmern auch um solche, die zur Benutzung der Erfindung
nicht berechtigt sind (f.).
40 a) Das Landgericht hat zu Recht angenommen, dass die angegriffenen
Ausführungsformen Mittel sind, die sich auf ein wesentliches Element der Erfindung
beziehen und dabei nicht nach der Ausgestaltungsart der angegriffenen Ausführungsform
differenziert (LU S. 17).
41 (1) Die von der Beklagten vertriebenen mobilen TV-Geräte stellen Mittel im Sinne des § 10
Abs. 1 PatG dar, die sich auf ein wesentliches Element der Erfindung beziehen. Die
Erfindung gemäß dem Klagepatent bezieht sich auf ein Verfahren zum Übertragen
digitalisierter, blockcodierter Tonsignale unter Verwendung von Skalenfaktoren. Die
Verwendung solcher Skalenfaktoren dient im Stand der Technik dazu, die zu
übertragende Datenmenge digitalisierter Daten zu reduzieren. Aus der Europäischen
Patentschrift A 64 119 war bei der Blockcodierung von schmalbandigen Sprachsignalen
bekannt, zur Reduktion der Anzahl der pro Block bzw. Teilband zu übertragenden
Skalenfaktoren zunächst die Differenz von aufeinanderfolgenden Skalenfaktoren eines
Blockes bzw. Teilbandes zu bilden. Bei Unter - bzw. Überschreitung eines vorbestimmten
Differenz-Wertebereichs werden danach alle betrachteten Skalenfaktoren übertragen, im
anderen Falle nur der größte der betrachteten Skalenfaktoren. Um decoderseitig erkennen
zu können, für wie viele Skalenfaktoren ein übertragener Skalenfaktor Gültigkeit hat, wird
zusätzlich zu den Skalenfaktoren eine Kenninformation mit übertragen. Die
Klagepatentschrift schildert, dass nach der im Stand der Technik bekannten Kompression
der Skalenfaktoren lediglich redundante Information reduziert wird, nicht dagegen
irrelevante Information aufgrund psychoakustischer Gesichtspunkte, welche die Vor- und
Nachverdeckungseffekte des menschlichen Gehörs berücksichtigen. Die Aufgabe der
Erfindung nach dem Klagepatent besteht demgegenüber darin, für die Skalenfaktoren eine
Informationsreduktion vorzunehmen, bei der neben redundanter Information auch
irrelevante Information reduziert wird.
42 Dies wird nach Patentanspruch 1 durch ein Verfahren erreicht, dessen Merkmale sich wie
folgt gliedern lassen:
43 0 Verfahren zum Übertragen digitalisierter, blockcodierter Tonsignale unter Verwendung
von Skalenfaktoren, die bei der Blockcodierung der digitalisierten Tonsignale aus dem
Betrag des Spitzenwertes einer Sequenz (Block) von Signalwerten gebildet und in
quantisierter Form den abgetasteten Signalwerten der betreffenden Sequenz
hinzugeführt werden,
44
bei dem coderseitig
45 a) aus einer Anzahl von k zeitlich aufeinanderfolgenden Skalenfaktoren (scf
11
, scf
12
bis
scf
1k
; ...scf
n1
, scf
n2
, ...scf
nk
) jeweils eines Frequenz-Teilbandes des in n Teilbändern
unterteilten Tonsignals (mit n 1) die Differenzen
46
d
12-11
=
scf
12
- scf
11
bis
d
1k
-
1 (k- 1)
=
scf
1k
- scf
1 (k- 1);
..
d
n2
-
n1
= scf
n2
- scf
n1
bis
d
nk
-
n(k – 1)
= sfn
nk
- scf
nk (k – 1)
47 nach Vorzeichen und Betrag gebildet werden;
48 b) die gemäß Schritt a) gebildeten (k – 1) * n Differenzen in zumindest zwei Werteklassen
eingestuft werden, von denen jede Werteklasse eine Menge von einer oder mehreren
möglichen Differenzen umfasst,
49 c) aufgrund der gemäß Schritt b) gebildeten Folge von (k – 1) * n Werteklassen – getrennt
für jedes der n Teilbänder – Skalenfaktoren selektiert und mit einer Kenninformation
versehen werden, wobei die Anzahl von aufeinanderfolgenden, unterschiedlichen
selektierten Skalenfaktoren innerhalb der Folge kleiner oder gleich der Anzahl der
aufeinanderfolgenden, unterschiedlichen Skalenfaktoren des betrachteten Teilbandes ist,
und wobei die Kenninformation die Zuordnung der selektierten Skalenfaktoren zu jeweils
einem oder mehreren der K-Blöcke der abgetasteten Signalwerte des betreffenden
Teilbandes identifiziert,
50
und bei dem decoderseitig
51 d) anhand der Kenninformation den Blöcken der abgetasteten Signalwerte die
zugehörigen selektierten Skalenfaktoren zugeordnet werden, und
52 e) aus den abgetasteten Signalwerten sowie den zugeordneten selektierten
Skalenfaktoren wieder Tonsignale erzeugt werden, die mehr oder weniger den
ursprünglichen Tonsignalen entsprechen,
53
dadurch gekennzeichnet, dass
54 f.o) bei der Blockcodierung innerhalb von irrelevanz- und redundanzmindernden
Tondaten-Reduktionsverfahren folgende Verfahrensschritte vorgesehen werden:
55 f) die gemäß Schritt a) gebildeten (k – 1) n Differenzen werden in mehr als zwei
Werteklassen eingestuft;
56 g) bei der Selektion der Skalenfaktoren gemäß Schritt c) wird getrennt für jedes der n
Teilbänder ein Übertragungsmuster neuer Skalenfaktoren nach psychoakustischen
Gesichtspunkten bezogen auf die Vor- und Nachverdeckungseffekte des menschlichen
Gehörs bestimmt, wobei zwischen psychoakustisch relevanten Änderungen der
Skalenfaktoren unterschieden wird, und
57 h) als Kenninformation eine Steuerinformation verwendet wird, welche angibt, an
welchen Stellen k sich die neuen Skalenfaktoren befinden.
58 Die Parteien gehen übereinstimmend davon aus, dass bei der Übertragung eines vom
DVB-Signal umfassten standardgemäßen Audiosignals auf einen Decoder sämtliche
Merkmale des Klagepatents verwirklicht werden. Diese Auffassung beruht nicht auf
unrichtigen patentrechtlichen Anschauungen.
59 Da der Patentanspruch maßgeblich dafür ist, welcher Gegenstand durch das Patent
geschützt ist, sind regelmäßig alle im Patentanspruch benannten Merkmale wesentliche
Elemente der Erfindung im Sinne des § 10 Abs. 1 PatG (BGHZ 159, 76 - Flügelradzähler;
BGHZ 171, 167 = GRUR 2007, 769 Rn. 18 – Pipettensystem; GRUR 2007, 773 Rn. 14 -
Rohrschweißverfahren), soweit sie nicht ausnahmsweise zum Leistungsergebnis nichts
beitragen (BGH, BGHZ 171, 167 = GRUR 2007, 769 Rn. 18 – Pipettensystem, GRUR
2007, 773 Rn. 14 - Rohrschweißverfahren). Leistet ein Mittel einen solchen Beitrag, kommt
es entgegen der Auffassung der Beklagten nicht darauf an, ob das fragliche Mittel im
Oberbegriff oder im kennzeichnenden Teil des Patentanspruchs erwähnt wird (BGH,
GRUR 2004, 758 Rn. 44; BGHZ 171, 167 = GRUR 2007, 769 Rn. 18 – Pipettensystem).
Daher bezieht sich bei einem Verfahrensanspruch eine im Patentanspruch genannte
Vorrichtung, die zur Ausführung des Verfahrens verwendet wird, regelmäßig auf ein
wesentliches Element der Erfindung (BGH, GRUR 2007, 773 Rn. 14 -
Rohrschweißverfahren). Da die USB-TV-Geräte der Beklagten auch als Decoder
fungieren, also selbst einen softwarebasierten Decoder besitzen, der in der Lage ist,
MPEG-2 codierte Signale gemäß den Merkmalen d) und e) zu decodieren, handelt es sich
dabei um Mittel, die sich auf ein wesentliches Element der Erfindung beziehen. Der
Decodiervorgang ist notwendiger Teil des patentgemäßen Übertragungsverfahrens
blockcodierter Tonsignale, da ohne die Decodierung die Merkmale d) und e) des
patentgemäßen Verfahrens nicht verwirklicht werden können, da keine Zuordnung der
Skalenfaktoren erfolgt (Merkmal d) und keine Tonsignale erzeugt bzw. gehört werden
können (Merkmal e).
60 Zwar muss das Mittel so ausgebildet sein, dass eine unmittelbare Benutzung der
geschützten Lehre mit allen ihren Merkmalen durch die Abnehmer möglich ist (BGHZ 115,
205, 208 – beheizbarer Atemluftschlauch; BGH, GRUR 2007, 773, Rn. 18 –
Rohrschweißverfahren). Daran fehlt es jedoch nicht schon dann, wenn bei einem
mehrstufigen Verfahren, wie es Gegenstand des Patentanspruchs 1 des Klagepatents ist,
ein Teil der patentgemäßen Verfahrensschritte nicht von Abnehmern des Anbietenden
oder Lieferanten ausgeführt werden. Es genügt, wenn der Abnehmer bei der Verwendung
des Mittels auf die von dritter Seite bereits zuvor realisierten übrigen Merkmale des
Verfahrensanspruchs zurückgreift (BGH, GRUR 2007, 773, Rn. 19 –
Rohrschweißverfahren; Kühnen, Handbuch der Patentverletzung, 6. Aufl., Rn. 249). Hier
führen die Endabnehmer mittels der in den mobilen TV-Geräten der Beklagten enthaltenen
Decoder zwar nur den Decodiervorgang durch. Auf den Codiervorgang haben sie selbst
keinen Einfluss, da dieser von den Sende- bzw. Fernsehanstalten durchgeführt wird. Die
Codierung der Daten ist jedoch eine notwendige Voraussetzung für das Decodieren. Das
erfindungsgemäße Verfahren funktioniert nur, wenn Coder und Decoder
erfindungsfunktional zusammenwirken. Jedenfalls in einem solchen Fall kann eine
unmittelbare Patentverletzung nicht nur in Alleintäterschaft unter Verwirklichung aller
Verfahrensschritte begangen werden, sondern auch in Mit- und Nebentäterschaft (vgl.
BGH, GRUR 2007, 773, Rn. 19 – Rohrschweißverfahren). Es kommt entgegen der
Auffassung der Beklagten auch nicht darauf an, ob ein gemeinsamer Tatwille vorliegt. Die
Täterschaft setzt bei einem Fahrlässigkeitsdelikt - wie es hier vorliegt - keine Tatherrschaft
voraus (vgl. BGH GRUR Int. 2010, 336 Rn. 34). Soweit die Beklagte geltend macht, dass
dem Endabnehmer Täterwille fehle, da er sich über die Codierung und Decodierung der
Fernsehsignale keine Gedanken mache, verkennt sie, dass im Rahmen des § 10 PatG ein
Verschulden des Endabnehmers nicht verlangt wird. Da der in § 10 PatG normierte
Gefährdungstatbestand bezweckt, die unberechtigte Benutzung der Erfindung bereits im
Vorfeld zu verhindern (BGH, GRUR 1992, 40 - beheizbarer Atemluftschlauch; GRUR
2004, 758, 760 - Flügelradzähler; GRUR 2006, 839, 841 - Deckenheizung; GRUR 2007,
773, 775 - Rohrschweißverfahren) kommt es auch nicht darauf an, ob sich die
Endabnehmer das Verhalten der Sendeanstalten zurechnen lassen müssen. Es muss
insoweit genügen, dass sich die Sendeanstalten das Verhalten des Abnehmers
zurechnen lassen müssen, weil dieser als Werkzeug des Sendeunternehmens tätig wird
(vgl. Kühnen, Handbuch der Patentverletzung, 6. Aufl., Rn. 237). Dass sich die
Sendeanstalten das Verhalten der Fernsehzuschauer zurechnen lassen müssen, stellt
auch die Beklagte nicht in Frage.
61 (2) Zu Recht ist das Landgericht auch davon ausgegangen, dass es sich bei den sog.
Demodulatoren, also den USB-TV-Sticks, TV-Karten und USB-TV-Boxen, zu deren
Lieferumfang eine Software mit Decoderfunktion gehört, um Mittel im Sinne des § 10 PatG
handelt. Denn bei diesen wird der erfindungswesentliche Decodiervorgang durch die
mitgelieferte Software vorgenommen.
62 (3) Ohne Erfolg wendet sich die Beklagte gegen die Annahme des Landgerichts, dass
auch die sog. Demodulatoren, also die USB-TV-Sticks, TV-Karten und USB-TV-Boxen,
mit denen keine Software mit Decodierfunktion geliefert wird, Mittel im Sinne des § 10
PatG sind. Zwar empfangen diese angegriffenen Ausführungsformen lediglich das
analoge Trägersignal, demodulieren es und stellen es dem MP2-Transportstrom zur
Verfügung, der an den Computer geliefert wird. Erst dort wird er entsprechend dem
Klagepatent decodiert (…). Die Funktion der Demodulatoren beschränkt sich damit darauf,
das decoderseitig benötigte Signal zu extrahieren. Sie liefern jedoch einen wesentlichen -
und nicht lediglich untergeordneten - Beitrag zu dem Decodiervorgang, da ohne die
Demodulation eine Decodierung nicht erfolgen kann und wirken damit wie ein „Rädchen
im Getriebe“, um die geschützte Erfindung vollständig ins Werk zu setzen (vgl. BGH,
GRUR 2012, 1230, Rn. 34). Dies unterscheidet den Streitfall von dem Sachverhalt, über
den der Bundesgerichtshof in der zitierten Entscheidung „MPEG-Videosignalcodierung“ zu
entscheiden hatte. Dort wurden die codierten Daten auf einer handelsüblichen DVD zur
Verfügung gestellt. Dieser Datenträger leistete aber zu dem von den dort
streitgegenständlichen Patentansprüchen geschützten Decodierungsvorgang und seinem
Ergebnis keinen relevanten Beitrag (BGH a.a.O. Rn. 34). Die codierten Daten hätten
ebenso gut auf einem anderen Datenträger, über ein Kabel oder in sonstiger Weise zur
Verfügung gestellt werden können; umgekehrt können auf einer DVD ebenso gut
beliebige andere, nicht patentgemäß codierte Daten gespeichert werden. Insofern trägt die
DVD tatsächlich zum Leistungsergebnis der dort gegenständlichen Verfahrensansprüche
nichts bei. Hier dagegen wird das zu decodierende Datensignal durch die angegriffenen
Geräte überhaupt erst aus dem empfangenen Rundfunksignal gewonnen, was eine
technische Ausrichtung auf das codierte Datensignal erfordert. Sie sind ferner technisch
dazu bestimmt, dieses Datensignal an den PC und die auf ihm laufende Software zum
Zwecke einer patentgemäßen Decodierung zu übergeben. Damit schaffen die DVB-
Geräte gerade die patentrechtliche Gefährdungslage, die für § 10 Abs. 1 PatG
charakteristisch ist.
63 b) Zu Recht hat das Landgericht auch angenommen, die Beklagte habe die angegriffenen
Ausführungsformen anlässlich der Messe CeBIT 2010 und CeBIT 2011 im Sinne des § 10
PatG angeboten.
64 (1) Zutreffend stellt das Landgericht für die Auslegung des Begriffs „anbieten“ auf den
Bedeutungsgehalt des Anbietens im Sinne des § 9 PatG ab. Danach ist der Begriff des
„Anbietens“ ganz in wirtschaftlichem Sinne zu verstehen und umfasst nicht nur ein
Angebot im Sinne des § 145 BGB (BGH, GRUR 2003, 1031, 1032 – Kupplung für optische
Geräte). Umfasst sind vielmehr auch vorbereitende Handlungen, die das
Zustandekommen eines späteren Geschäfts über einen unter dem Schutz des Patents
stehenden Gegenstand ermöglichen oder befördern sollen (vgl. BGH, GRUR 2003, 1031,
1032; Senat, BeckRS 2004, 18604 Rn. 9). Dies folgt aus dem Zweck des § 9 PatG, dem
Patentinhaber einerseits – sieht man von den im Gesetz geregelten Ausnahmefällen ab –
alle wirtschaftlichen Vorteile zu sichern, die sich aus der Benutzung der patentierten
Erfindung ergeben können, und ihm andererseits einen effektiven Rechtsschutz zu
gewähren (BGH, GRUR 2003, 1031, 1032 – Kupplung für optische Geräte; Senat, BeckRS
2004, 18604 Rn. 9; vgl. für das Gebrauchsmusterrecht: BGH, GRUR 2006, 927, 928 Rn.
14).
65 Von diesem Bedeutungsgehalt des Anbietens ist auch hier auszugehen. Dass im
vorliegenden Fall nicht wie in den zitierten Entscheidungen des Bundesgerichtshofs eine
unmittelbare Patentverletzung, sondern eine mittelbare Schutzrechtsverletzung in Rede
steht, ändert nichts. Der Begriff des Anbietens in § 10 Abs. 1 PatG ist wie in § 9 PatG zu
verstehen (Senat, BeckRS 2004, 18604 Rn. 10; Scharen in Benkard, PatG, 10. Aufl., § 10
Rn. 12). Zutreffend sieht das Landgericht in den Messeauftritten der Beklagten
vorbereitende Handlungen, die das Zustandekommen eines späteren Geschäfts über die
mobilen TV-Geräte der Beklagten ermöglichen oder befördern sollen. Nach den
Feststellungen im landgerichtlichen Urteil, gegen welche sich die Beklagte nicht wendet,
nahm die Beklagte mit ihren Produkten sowohl an der Messe CeBIT 2010 als auch an der
Messe CeBIT 2011 teil. Sie stellte im Jahr 2011 ihre Produkte am Stand der A.Ltd. aus.
Mitarbeiter der Beklagten übergaben einem Mitarbeiter der Klägerin dort eine Broschüre,
in welcher auch das mobile TV-Gerät der Beklagten P. abgebildet war. Die Beklagte
verteilte auf der CeBIT 2010 den als Anlage K 7 vorgelegten Prospekt, in welchem u.a die
DVB-USB-Sticks mit den Modellbezeichnungen T…, T… und T… abgebildet waren.
Bereits das Verteilen eines Werbeprospekts ist dazu bestimmt und geeignet, Interesse an
dem beworbenen Gegenstand zu wecken und diesen betreffende Geschäftsabschlüsse zu
ermöglichen (BGH, GRUR 2003, 1031, 1032 – Kupplung für optische Geräte).
66 Außerdem hat die Beklagte ihre englischsprachige Homepage, auf der sie die
angegriffenen Ausführungsformen anbietet, im Rahmen ihres Ausstellerprofils
www.cebit.de genannt und die Messebesucher damit eingeladen, sich über das
Produktangebot der Beklagten zu informieren. Auch dies stellt ein Angebot in dem o.g.
Sinne dar.
67 Es bedarf deshalb keiner Entscheidung der Frage, ob mit dem 1. Zivilsenat des
Bundesgerichtshofs davon auszugehen ist, dass der bloße Messeauftritt keine
Werbemaßnahme darstellt, bei der zum Erwerb der beworbenen Produkte aufgefordert
wird (BGH, GRUR 2010, 1103, 1104 Rn. 22 –Pralinenform II). Ob die Beklagte zu einer
Lieferung tatsächlich bereit war, insbesondere ob sie eine Belieferung von einer dem
Abnehmer von der Klägerin eingeräumten Lizenz abhängig gemacht hat, kann
dahingestellt bleiben. Denn das tatsächliche Bestehen einer Herstellungs- und/oder
Lieferbereitschaft kann weder für den Tatbestand des Anbietens im Sinne des § 9 PatG
noch des § 10 PatG verlangt werden (für § 9 PatG: BGH, GRUR 2003, 1031, 1032 –
Kupplung für optische Geräte; Senat, BeckRS 2009, 09227 Rn.99). Die Handlungsform
„Anbieten“ stellt keine Vorbereitungshandlung für eine Patentverletzung, sondern eine
eigenständige Benutzungshandlung dar (BGH, GRUR 2003, 1031, 1032 – Kupplung für
optische Geräte). Ohne Erfolg macht die Beklagte geltend, die Aussagen auf der Messe
CeBIT 2011 seien kurz vor Ablauf des Patentschutzes getätigt worden. Auch ein Angebot,
das sich allein auf den Abschluss von Geschäften oder Lieferungen nach Ablauf der
Schutzdauer bezieht, stellt eine Patentverletzung dar (BGH, GRUR 2007, 221, 222 -
Simvastatin).
68 (2) Es liegt auch ein Angebot zur Benutzung der Erfindung vor. Zu Recht hat das
Landgericht den Einwand der Beklagten, die auf der Messe angesprochenen Abnehmer
seien selbst Wiederverkäufer und von diesen sei nicht einmal die Verwirklichung von
Teilakten des geschützten Verfahrens zu erwarten, als unerheblich angesehen (LU S. 18).
Es reicht aus, dass der Angebotsempfänger das Mittel bestimmungsgemäß an
Endabnehmer weiterliefert, die die Erfindung dann benutzen (Scharen in Benkard, § 10
PatG Rn. 12; Kühnen, Handbuch der Patentverletzung, 6. Aufl., Rn. 240; OLG Düsseldorf,
Urt. v. 05.05.2011 – I-2 U 9/10, 2 U 9/10 Rn. 74 a. E. – zitiert nach juris). Wegen § 10 Abs.
3 PatG ist unerheblich, dass die Abnehmer nicht gewerblich tätig sind.
69 c) Entgegen der Auffassung des Landgerichts liegt auch ein Inverkehrbringen hinsichtlich
der an THG gelieferten angegriffenen Ausführungsformen vor. Unstreitig wurden an THG
die Videoboxen „T…“, „E…“ bzw. „E…“ geliefert (…). Dabei handelt es sich unstreitig um
solche Demodulatoren, bei denen die Software nicht mitgeliefert wird. Das Landgericht hat
angenommen, dass die Lieferung an THG keine Lieferung an Nichtberechtigte im Inland
sei, weil hierzu erforderlich sei, dass die Verfügungsgewalt des Abnehmers erst im Inland
begründet werde. Dem genüge es nicht, dass die Beklagte die Geräte FOB (free on board)
nach Hongkong gesendet habe. Dagegen wendet sich die Berufung der Klägerin mit
Erfolg. Denn entgegen der Auffassung des Landgerichts kommt es nicht darauf an, bis zu
welchem Zeitpunkt die Beklagte nach den getroffenen vertraglichen Vereinbarungen der
an der Versendung der in Deutschland ausgelieferten Ware beteiligten Unternehmen im
Eigentum oder Besitz der Ware gewesen ist. Als Verletzer verantwortlich ist nämlich nicht
nur derjenige, der die geschützte Erfindung selbst rechtswidrig benutzt, sondern auch
derjenige, der sich an der patentverletzenden Handlung beteiligt bzw. an dieser mitgewirkt
hat, sei es als Nebentäter, Mittäter, Anstifter oder Gehilfe. In grenzüberschreitenden Fällen
ist daher auch ein im Ausland ansässiger Lieferant für die Verletzung des inländischen
Patentrechts mitverantwortlich, wenn er die patentverletzenden Vorrichtungen in Kenntnis
des Klagepatents und in Kenntnis des Bestimmungslandes liefert und damit den
inländischen Vertrieb bewusst und willentlich mit verursacht (BGH, GRUR 2002, 509 -
Funkuhr). Für die patentrechtliche Beurteilung kommt es dabei nicht darauf an, ob und bis
zu welchem Zeitpunkt der ausländische Lieferant nach den vertraglichen Vereinbarungen
der an der Versendung und dem Import der in Deutschland ausgelieferten Ware beteiligten
Unternehmen im Eigentum oder Besitz der Ware gewesen ist (BGH, GRUR 2002, 509 -
Funkuhr; OLG Düsseldorf, Urt. v. 05.05.2011 - I -2 U 9/10, 2 U 9, 10 Rn. 73). Da jeder
Beteiligte bereits für eine fahrlässige Verletzung des Klagepatents einzustehen hat, ist in
derartigen Fällen auch unerheblich, ob der im Ausland ansässige Lieferant vorsätzlich mit
einem inländischen Haupttäter, Mittäter oder Gehilfen zusammengewirkt hat (BGH, GRUR
2002, 509 - Funkuhr; OLG Düsseldorf aaO.). Den ausländischen Hersteller oder Händler
patentverletzender Vorrichtungen trifft daher eine Mitverantwortung schon dann, wenn er
seine Erzeugnisse an einen inländischen Abnehmer liefert, von dem er weiß, dass dieser
die Ware bestimmungsgemäß im Bundesgebiet weitervertreibt (LG Düsseldorf, InstGE 1,
154, 155 - Rohrverzweigung; InstGE 3, 174, 175 - Herzkranzgefäß-Dilationskatheter; OLG
Düsseldorf aaO.; Scharen in Benkard, PatG, 10. Aufl. § 9 PatG Rn. 11). Zwar ist hier zu
beachten, dass der Tatbestand des § 10 PatG einen „doppelten Inlandsbezug“ aufweist
(vgl. OLG Düsseldorf aaO Rn. 74). Sowohl das Anbieten und Liefern des Mittels durch den
Dritten (den mittelbaren Verletzer) als auch die vom Angebotsempfänger bzw. Belieferten
vorgesehene Benutzung müssen im Inland erfolgen (vgl. Scharen in Benkard, PatG, 10.
Aufl., § 10 Rn. 14; OLG Düsseldorf aaO Rn. 74). Dafür reicht es jedoch anerkanntermaßen
aus, dass der wegen mittelbarer Verletzung des Schutzrechts in Anspruch Genommene
vom Ausland aus ins Inland einem Dritten zur Benutzung im Inland anbietet und/oder vom
Ausland aus an den Dritten zur Benutzung im Inland liefert (vgl. LG Mannheim, InstGE 5,
179 - Luftdruckkontrollvorrichtung; OLG Düsseldorf aaO.; Keukenschrijver in Busse, PatG,
7. Aufl., § 10 Rn. 12; Scharen in Benkard, PatG, § 10 Rn. 14). Die Beklagte hat den Vortrag
der Klägerin, wonach diese gewusst habe, dass die angegriffenen Ausführungsformen an
THG in Deutschland verschifft werden sollten, nicht bestritten, sondern diesen Vortrag für
unerheblich gehalten (…). Dementsprechend ist davon auszugehen, dass die Beklagte
wusste, dass die von THG bestellte Ware von Hongkong nach Deutschland geliefert
werden sollte und dort von THG weiterveräußert werden sollte.
70 d) Zu Recht hat das Landgericht angenommen, dass die Klägerin nicht nachgewiesen hat,
dass die Beklagte T. direkt beliefert hat. Zur Vermeidung von Wiederholungen wird
insoweit auf die Ausführungen im landgerichtlichen Urteil (LU S. 14 ff.) Bezug genommen.
Der danach der rechtlichen Beurteilung zugrunde zu legende Vortrag der Beklagten, sie
habe S. in China beliefert und diese habe wiederum T. beliefert, reicht jedoch entgegen
der Auffassung des Landgerichts für den im Rahmen des § 10 PatG geforderten doppelten
Inlandsbezug aus. Denn - wie ausgeführt - war es nicht erforderlich, dass die Beklagte ihre
Verfügungsgewalt im Bundesgebiet verlor. Entscheidend ist lediglich, ob der im Ausland
ansässige Lieferant die angegriffenen Ausführungsformen in Kenntnis des
Bestimmungslandes geliefert und damit den inländischen Vertrieb bewusst und willentlich
mit verursacht hat. Die Beklagte räumt selbst ein, dass ihr bewusst war, dass S.
möglicherweise auch Produkte nach Deutschland exportiert (…). Dass die Beklagte die
Belieferung von T. nicht nur gebilligt sondern deren Absatzbemühungen in Deutschland
auch aktiv unterstützt hat, ergibt sich bereits daraus, dass die Beklagte T. auf ihrer Website
als „Distributor“ für den europäischen Markt bezeichnet hat (vgl. Anlage K 13). Dass
letztlich S. und nicht die Beklagte die Lieferung nach Deutschland vorgenommen hat, lässt
die Verantwortlichkeit der Beklagten nicht entfallen.
71 e) Der Tatbestand des § 10 Abs. 1 PatG setzt in subjektiver Hinsicht voraus, dass der
„Dritte“ (also der Anbieter oder Lieferant) weiß oder es aufgrund der Umstände
offensichtlich ist, dass die angebotenen oder gelieferten Mittel dazu geeignet und bestimmt
sind, für die Benutzung der geschützten Erfindung verwendet zu werden. Damit sind zwei
Alternativen eröffnet, das nach dem gesetzlichen Tatbestand erforderliche subjektive
Element festzustellen. Entweder ist dem Dritten bekannt, dass der Abnehmer die Mittel zur
patentgemäßen Benutzung bestimmt hat, oder aus der Sicht des Dritten ist bei objektiver
Betrachtung nach den Umständen mit hinreichender Sicherheit zu erwarten (ist
„offensichtlich“), dass der Abnehmer die angebotenen oder gelieferten Mittel zur
patentverletzenden Verwendung bestimmen wird (BGHZ 168, 124 = GRUR 2006, 839 -
Deckenheizung). Kenntnis und Offensichtlichkeit sind damit zwei Wege, einen Tatbestand
festzustellen, der es - bei Vorliegen der übrigen Voraussetzungen der mittelbaren
Patentverletzung - rechtfertigt, dem Dritten die in dem Angebot oder der Lieferung liegende
objektive Gefährdung des Ausschließlichkeitsrechts des Patentinhabers auch subjektiv als
Verletzungshandlung zuzurechnen. Da sich die Verbotsnorm des § 10 PatG nicht an den
Angebots- oder Lieferungsempfänger, sondern an den Dritten richtet, müssen die
objektiven und subjektiven Voraussetzungen der Norm im Zeitpunkt des Angebots oder
der Lieferung vorliegen. Für die Offensichtlichkeit ist daher maßgeblich, ob zu diesem
Zeitpunkt nach den gesamten Umständen des Falles die drohende Verletzung des
Ausschließlichkeitsrechts aus der objektivierten Sicht des Dritten so deutlich erkennbar ist,
dass ein Angebot oder eine Lieferung unter diesen objektiven Umständen der
wissentlichen Patentgefährdung gleichzustellen ist (BGH, GRUR 2007, 679, 684 Rn. 36 –
Haubenstretchautomat). Aufgrund der Ausgestaltung des internationalen ISO/IESC-
Standards 11172-3 hinsichtlich der Audiodaten war offensichtlich, dass Coder und
Decoder bei der Übertragung von Audiodaten das patentgemäße Verfahren benutzen. Im
Übrigen hat die Klägerin in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat zu Recht darauf
hingewiesen, dass sich die Kenntnis der Beklagten bereits daraus ergibt, dass sie geltend
macht, die Verkäufe seien nur an Wiederverkäufer erfolgt, die entweder von der Klägerin
selbst lizenziert gewesen seien oder die ihrerseits Produkte an Kunden weiter verkauften,
die aufgrund des von der Klägerin lizenzierten Windows-Media-Players berechtigt
gewesen seien (…). Denn ohne Kenntnis von der Gefahr der unmittelbaren
Patentverletzung durch die Abnehmer hätte es solcher Vorsichtsmaßnahmen nicht bedurft.
72 f) Die beanstandete Benutzungshandlung erfolgte auch nicht mit Zustimmung der
Klägerin.
73 (1) Die Beklagte macht hinsichtlich der Demodulatoren, welche mit einer Software mit
Decoderfunktion vertrieben werden, geltend, die mitgelieferte Software „T.M.“ benutze den
Decoder von Microsoft. Bei Microsoft handelt es sich unstreitig um eine Lizenznehmerin
der Klägerin. Da die Klägerin diesen Vortrag mit Nichtwissen bestritten hat, oblag es der
Beklagten, den Beweis hierfür zu erbringen. Denn die Beklagte beruft sich insoweit auf
einen Sachverhalt, der einen üblicherweise verbotenen Eingriff in das Klagepatent zu
einem erlaubten Verhalten macht. Sie macht damit eine Einwendung geltend (BGH,
GRUR 1976, 579, 581 - Tylosin). Insoweit haben die Beklagten keinen Beweis angeboten.
74 (2) Ohne Erfolg macht die Beklagte hinsichtlich aller Ausführungsformen geltend, sie
liefere nur an Wiederverkäufer, die von der Klägerin lizenziert seien. Da sich die Beklagte
durch ihre Messeauftritte an eine unbestimmte Vielzahl von Abnehmern richtete, kann
nämlich nicht davon ausgegangen werden, dass das Angebot sich insoweit lediglich an
Lizenznehmer der Klägerin richtete. Unstreitig handelt es sich bei T. nicht um einen
Lizenznehmer der Klägerin. Ob THG Lizenznehmerin der Klägerin ist, ist zwischen den
Parteien streitig. Die Beklagte hat zum Beweis der Lizenznehmereigenschaft von THG
Zeugenbeweis angeboten. Der Erhebung dieses Beweises bedarf es jedoch im Hinblick
darauf, dass die Belieferung an einen Nichtlizenznehmer - nämlich T. - feststeht, nicht.
75 g) Der Tatbestand der mittelbaren Patentverletzung setzt darüber hinaus voraus, dass die
Abnehmer bzw. hier die Endabnehmer zur Benutzung der Erfindung nicht berechtigt sind.
Davon kann hier ausgegangen werden.
76 (1) Die Gefahr einer Benutzung durch Nichtberechtigte hinsichtlich der angegriffenen
Demodulatoren, welche ohne Software mit Decoderfunktion angeboten werden, ist nicht
deshalb ausgeschlossen, weil die Beklagte in ihren „System“-Requirements darauf
hinweist, dass das Microsoft-Betriebssystem und weitere Microsoft-Komponenten,
insbesondere der Microsoft Media Player als Decoder verwendet werden müssen.
Allerdings ist die Berücksichtigung dieses Vortrags entgegen der Auffassung der Klägerin
nicht deshalb ausgeschlossen, weil er neu ist. Denn bereits in der ersten Instanz hat die
Beklagte vorgetragen, dass die Beklagte in ihren Produktbeschreibungen auf ihrer
Internetseite und auf den Produkten selbst auf so genannte System-Requirements
verweise, wonach ein Windows-Betriebssystem und weitere Microsoft Windows
Komponenten erforderlich seien. Entgegen der Auffassung der Klägerin lässt sich dieser
Vortrag nicht darauf reduzieren, dass der Decoder von Microsoft Windows im
Zusammenwirken mit einer nicht lizenzierten Drittsoftware genutzt werde. Zu Recht hat
das Landgericht den Vortrag in einem darüber hinaus gehenden Sinn verstanden. Denn
die in dem genannten Schriftsatz in Bezug genommene Anlage K 26 führt unter „System
requirements“ den Microsoft Media Player auf. Außerdem hat die Beklagte in der ersten
Instanz vorgetragen, dass „zum Ansehen der DVB-Signale eine Software im PC benötigt
wird, bevorzugt der auf beinahe jedem PC vorhandene Windows Media Player. Auch
Microsoft, der Hersteller des Windows Media Players, besitzt freilich Lizenzen für die
Patente, die von seiner Software decodierte Verfahren betreffen“. Die Klägerin ist diesem
Vorbringen in erster Instanz nicht entgegengetreten.
77 Allerdings bestehen auch keine Anhaltspunkte dafür, dass sich die Abnehmer an die
Vorgaben der Beklagten nicht halten, so dass davon auszugehen ist, dass sie den
Microsoft Media Player auch einsetzen. Da sie daneben aber auch den Demodulator der
Beklagten verwenden, erfolgt die Ausübung der Verfahrensschritte des Decodierens ohne
Zustimmung der Klägerin. Denn bei diesem Sachverhalt ist weder Erschöpfung
eingetreten, noch kann von einer konkludenten Zustimmung der Klägerin zur Ausübung
des patentgemäßen Verfahrens ausgegangen werden. Eine Erschöpfung eines
Verfahrenspatents tritt nämlich dann nicht ein, wenn - wie hier - lediglich eine Vorrichtung
veräußert worden ist, mit deren Hilfe das Verfahren ausgeübt werden kann (BGH, GRUR
1980, 38 - Fullplastverfahren; Kühnen aaO Rn. 1550). Die insoweit darlegungs- und
beweisbelastete Beklagte hat auch keine Anhaltspunkte dafür vorgetragen, die für eine
stillschweigende Zustimmung der Klägerin zur Anwendung des Verfahrens sprechen. Ob
eine solche stillschweigende Zustimmung angenommen werden kann, hängt von den
Umständen des Einzelfalls und insbesondere von den schuldrechtlichen Vereinbarungen
der Parteien ab (BGH, GRUR 1998, 130, 132 - Handhabungsgerät). Fehlen
anderslautende Abreden, ist zwar im Zweifel davon auszugehen, dass derjenige, der vom
Inhaber eines Verfahrenspatents oder dessen Lizenznehmer eine zur Ausübung des
geschützten Verfahrens erforderliche Vorrichtung erwirbt, diese bestimmungsgemäß
benutzen darf (BGH, GRUR 2007, 773 Rn. 28 - Rohrschweißverfahren). Voraussetzung
hierfür ist allerdings, dass die gebrauchsfertige Vorrichtung in ihrer Gesamtheit aus
lizenzierter Quelle stammt; eine stillschweigende Benutzungserlaubnis kommt deshalb
nicht in Betracht, wenn bloß einzelne Komponenten geliefert werden, die unter
Verwendung weiterer nicht lizenzierter Vorrichtungen zur Ausübung des patentgemäßen
Verfahrens führen (Kühnen, aaO. Rn. 1550). Dies ist hier nicht der Fall, da die
Demodulatoren der Beklagten unstreitig nicht aus lizenzierter Quelle stammen.
78 (2) Eine Berechtigung der Endabnehmer ergibt sich auch nicht aus dem Vortrag der
Beklagten, wonach die Sendeanstalten, die die Signale in patentgeschützter Weise
codieren, Lizenznehmer der Klägerin seien, eine Lizenz jedenfalls auf einer
stillschweigenden Duldung beruhe (…). Diesem Vortrag ist die Klägerin in erster Instanz
allerdings nicht entgegengetreten. Erstmals in der mündlichen Verhandlung vor dem
Senat hat sie die Erteilung einer Lizenz bestritten. Der Vortrag der Beklagten ist jedoch
unerheblich. Denn mangels anderer Anhaltspunkte ist davon auszugehen, dass sich die
Zustimmung der Klägerin lediglich auf die coderseitig durchzuführenden
Verfahrensschritte bezieht.
79 3. Da hier keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich sind, dass eine unmittelbare
Patentverletzung durch die Abnehmer nicht in Betracht kommt, ist auch von der
hinreichenden Wahrscheinlichkeit eines Schadens auszugehen. Die Wahrscheinlichkeit
eines Schadens ergibt sich hier bereits aus der festgestellten Offensichtlichkeit einer
Benutzung des Patents durch die Abnehmer. Hinsichtlich des Umfangs der
Schadensersatzverpflichtung ist selbstverständlich, dass sich diese lediglich auf solche
Lieferungen bezieht, bei denen keiner in der Lieferkette zur Verwendung des
patentgemäßen Verfahrens berechtigt war (vgl. Kühnen, Handbuch der Patentverletzung,
Rn. 250). Ein darüber hinausgehende Klageziel verfolgt die Klägerin offensichtlich nicht.
Denn sie hat nicht in Abrede gestellt, dass bei einer Lieferung an zur Nutzung der
Erfindung Berechtigte die geltend gemachten Ansprüche nicht bestehen.
80 4. Da die Ansprüche auf Auskunft und Rechnungslegung entgegen der Ansicht des
Landgerichts lediglich eine vollendete Verletzungshandlung gemäß § 10 PatG i.V. mit Art.
64 Abs. 1 EPÜ voraussetzen (BGH, GRUR 2012, 1230 Rn. 36 - MPEG-2-
Videosignalcodierung), ist auf die Berufung der Klägerin die Beklagte auch zur Auskunft
und Rechnungslegung zu verurteilen.
D.
81 Da nach alledem wegen der festgestellten mittelbaren Patentverletzung der Beklagten die
Klägerin gegen diese einen Anspruch auf Unterlassung hatte, hat die sofortige
Beschwerde der Beklagten keinen Erfolg und der Beklagten sind gemäß § 91a ZPO, § 91
ZPO, § 97 ZPO die Kosten beider Rechtszüge aufzuerlegen. Der in der mündlichen
Verhandlung vor dem Senat erfolgte Hinweis der Beklagten, der Unterlassungsantrag
gehe mangels der Aufnahme eines Warnhinweises zu weit, rechtfertigt eine andere
Kostenentscheidung nicht. Denn in dem vorliegenden Fall wäre bis zum Ablauf der
Schutzdauer des Klagepatents ein Schlechthinverbot auszusprechen gewesen. Die
Endabnehmer und die unmittelbaren Abnehmer der Beklagten haben nämlich, wie die
Beklagte selbst geltend macht, keinen Einfluss darauf, ob das patentgemäße Verfahren
zur Anwendung kommt, so dass ein an sie gerichteter Warnhinweis keine Wirkung hätte.
Dieser Fall ist dem Fall gleich zu behandeln in welchem, die angegriffenen
Ausführungsformen - technisch und wirtschaftlich sinnvoll - ausschließlich in
patentverletzender Weise - und nicht anders verwendet werden können. Insoweit ist
anerkannt, dass ein Schlechthinverbot gerechtfertigt ist (vgl. Kühnen aaO. Rn. 268 mwN.).
Zwar enthielt der Unterlassungsantrag keine Beschränkung dahingehend, dass lediglich
Angebote und Lieferungen an Nichtberechtigte zu unterlassen sind. Insoweit ist - wie unter
II. C. 3. ausgeführt - der Antrag der Klägerin entsprechend auszulegen. Selbst wenn man
dies anders sähe, hätte die Klägerin den Antrag auf Hinweis des Gerichts in dem
erforderlichen Maße beschränkt, was jedoch für die Klägerin mit keiner Kostentragungslast
verbunden gewesen wäre (§ 92 Abs. 2 Nr. 1 ZPO).
III.
82 Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 708 Nr. 10 ZPO, § 711
ZPO. Gründe für die Zulassung der Rechtsbeschwerde und der Revision liegen nicht vor.
Die Entscheidung beruht auf der Anwendung anerkannter Grundsätze auf einen Einzelfall.