Urteil des OLG Hamm vom 07.01.1980

OLG Hamm (zpo, wiederaufnahme des verfahrens, schutz der ehe, kläger, falle, wirkung, gegenstand, bezug, feststellungsklage, erklärung)

Oberlandesgericht Hamm, 8 U 196/79
Datum:
07.01.1980
Gericht:
Oberlandesgericht Hamm
Spruchkörper:
8. Zivilsenat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
8 U 196/79
Vorinstanz:
Landgericht Dortmund, 12 O 847/78
Tenor:
Die Berufung des Klägers gegen das am 6. Juli 1979 verkündete Urteil
der 12. Zivilkammer des Landgerichts Dortmund wird auf seine Kosten
zurückgewiesen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Dem Kläger bleibt nachgelassen, die Zwangsvollstreckung durch
Sicherheitsleistung in Höhe von 2.500,-- DM abzuwenden.
Der Wert der Beschwer beträgt 50.000,-- DM.
Tatbestand
1
Der Kläger ging am 28.6.1945 vor dem Standesamt in xxx mit Frau xxx die Ehe ein.
Etwa 1 Jahr später trennten sich die Ehegatten.
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In der Folgezeit lebte Frau xxx mit dem Beklagten zusammen.
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Durch Urteil des Landgerichts Dortmund vom 1.7.1964 "wurde" die am 18.11.1947 vor
dem Standesamt xxx von der Frau xxx mit dem Beklagten eingegangene Ehe
geschieden.
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Am 8.1.1970 starb Frau xxx. Sie hinterließ ein Vermögen im Werte von etwa 190.000,--
DM. Das Vermögen ist zum Teil bei dem Amtsgericht Dortmund hinterlegt.
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Der Kläger hat behauptet, Frau xxx habe mit dem Beklagten niemals die Ehe vor einem
Standesamt geschlossen, vielmehr sei sie lediglich - am 22.11.1947 - in xxx kirchlich
getraut worden.
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Der Kläger hat beantragt,
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festzustellen,
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1) daß zwischen dem Beklagten und Frau xxx, geborene xxx, verstorben am
8.1.1970, niemals eine Ehe bestanden hat, ferner
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2) daß Frau xxx, geborene xxx, bis zu ihrem Tode mit ihm verheiratet war.
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Der Beklagte hat beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Er hat behauptet, er sei mit Frau xxx verheiratet gewesen. Die Eheschließung im Jahre
1945 mit dem Kläger sei nur zum Schein erfolgt.
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Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Hinsichtlich der Gründe wird auf die
Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils Bezug genommen.
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Gegen dieses Urteil wendet sich der Kläger unter Wiederholung seines gesamten
erstinstanzlichen Vorbringens.
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Er beantragt,
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festzustellen,
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1) daß zwischen dem Beklagten und Frau xxx, geborene xxx, verstorben am
8.1.1970, niemals eine Ehe bestanden hat,
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2) daß Frau xxx, geborene xxx, bis zu ihrem Tode mit dem Kläger verheiratet war.
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Der Beklagte ist nicht vertreten.
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Hinsichtlich der Einzelheiten wird auf die vorbereitenden Schriftsätze sowie die Anlagen
dazu Bezug genommen, deren Inhalt Gegenstand der mündlichen Verhandlung war.
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Entscheidungsgründe
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Die Berufung ist zulässig, sie hat sachlich jedoch keinen Erfolg.
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Es kann dahinstehen, ob der Kläger in entsprechender Anwendung der §§ 606 ff. ZPO
die begehrte Feststellung mit Wirkung gegenüber jedermann verlangen kann. Hierüber
zu befinden ist Aufgabe des zuständigen Familiengerichts (§ 23b Abs. 1 Nr. 1 GVG, §
606 Abs. 1 S. 1 ZPO). Nachdem das zunächst angerufene Familiengericht den
Rechtsstreit mit Billigung des Klägers an das Landgericht verwiesen hat, war allein zu
prüfen, ob die Feststellung im Rahmen der "allgemeinen" Feststellungsklage gemäß §
256 ZPO erfolgen kann. Das ist zu verneinen.
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Die Feststellung, daß eine Ehe besteht oder nicht besteht, kann nicht Gegenstand eines
den gewöhnlichen Regeln des Parteiprozesses unterliegenden Rechtsstreits sein, die
zum einen eine Disposition der Parteien über den Streitgegenstand zulassen und zum
anderen die Wirkungen der Rechtskraft auf die Prozeßbeteiligten beschränken. Das
öffentliche Interesse gebietet die Schaffung klarer Verhältnisse, es gebietet
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insbesondere auch, daß diese Frage, sofern sie Gegenstand eines Rechtsstreits ist, in
Übereinstimmung mit der tatsächlichen Lage und mit Wirkung für und gegen alle geklärt
wird. Diesen Erfordernissen hat der Gesetzgeber durch die Erklärung eines solchen
Rechtsstreits zur "Ehesache" und damit die Unterstellung unter die für "Ehesachen"
geltenden besonderen Regeln des Prozeßrechts Rechnung getragen (§§ 606 ff., 638
ZPO), die unter anderem die Aufnahme von Beweisen von Amts wegen sowie die
Berücksichtigung von nicht vorgebrachten Tatsachen zulassen (§ 616 ZPO), die
Anwendung der Vorschriften über die Wirkung eines Anerkenntnisses, über die Folgen
der unterbliebenen oder verweigerten Erklärung über Tatsachen oder über die Echtheit
von Urkunden, über den Verzicht einer Partei auf die Beeidigung der Gegenpartei oder
von Zeugen und Sachverständigen ferner über die Wirkung eines gerichtlichen
Geständnisses ausschließen (§ 617 ZPO) und die schließlich - unter den in § 638 ZPO
näher bezeichneten Voraussetzungen - vorsehen, daß das insofern ergehende
gerichtliche Urteil, wenn es rechtskräftig wird, für und gegen alle wirkt.
Mit dem Ausschluß der allgemeinen Feststellungsklage gemäß § 256 ZPO wird auch
einem aus Art. 6 Abs. 1 Grundgesetz folgenden Gebot Rechnung getragen, der die Ehe
"dem besonderen Schutz der staatlichen Ordnung" unterstellt. Dieser grundgesetzlich
bestimmte Schutz der Ehe wäre unvollkommen, würden außer den "Eheleuten" Dritte
die Möglichkeit haben, diese Frage selbständig zum Gegenstand eines Rechtsstreits zu
machen (vgl. in diesem Zusammenhang die §§ 606 Abs. 1 und 638 ZPO: "Ehe
zwischen den Parteien").
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Eine Ehe hat höchstpersönlichen Charakter. Das gebietet ein Abweichen von den
sonstigen prozessualen Regeln. Demgemäß hat der Gesetzgeber auch in den §§ 606 ff.
ZPO den Kreis der Personen, denen die Befugnis zustehen soll, sich an
entsprechenden Verfahren zu beteiligen, auf die beiden durch das Band der Ehe
verbundenen Partner beschränkt und insofern - abweichend von § 52 ZPO - beschränkt
geschäftsfähige Ehegatten für prozeßfähig erklärt (§ 607 ZPO). Abweichend von § 239
ZPO kann in einer Ehesache im Falle des Todes eines Ehegatten auch nicht ein Erbe
das Verfahren aufnehmen (§ 619 ZPO). Für eine Wiederaufnahme des Verfahrens
gemäß §§ 578 ff. ZPO ist nach dem Tode eines Ehegatten im Falle eines Scheidungs-
oder Aufhebungsurteils kein Raum (BGHZ 43, 239), im Falle der Nichtigkeitsklage steht
dieses Recht lediglich dem Staatsanwalt zu (§ 636 ZPO), der im übrigen - als Vertreter
des Staates - als einziger außer den Ehegatten berechtigt ist, die Nichtigkeitsklage zu
erheben (§ 632 ZPO (vgl. auch § 634 ZPO)). Im Falle des § 638 ZPO steht ihm als
einzigen "Außenstehenden" das Recht zu, Partei des Rechtsstreits zu sein (§§ 638, 634
ZPO).
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Zu diesem Personenkreis gehört der Kläger "in Bezug auf den Beklagten" nicht. Eine
ausdehnende Anwendung der bestehenden einschlägigen Vorschriften verbietet sich im
Hinblick auf den in obigen Bestimmungen unmißverständlich zum Ausdruck
gekommenen Willen des Gesetzgebers.
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Die von dem Kläger erhobene "allgemeine" Feststellungsklage ist nach all dem
unzulässig. Die Berufung war deshalb zurückzuweisen.
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Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung über die
vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf den §§ 708 Ziff. 10, 711 ZPO.
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