Urteil des OLG Hamm vom 08.01.1980

OLG Hamm (einkommen, unterhalt, rechtskraft, höhe, herausgabe, inhalt, minderung, rechtsmittel, unterhaltsrente, betrag)

Oberlandesgericht Hamm, 2 UF 344/79
Datum:
08.01.1980
Gericht:
Oberlandesgericht Hamm
Spruchkörper:
2. Senat für Familiensachen
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
2 UF 344/79
Vorinstanz:
Amtsgericht Essen, 103 F 17/78
Tenor:
Auf die Berufungen beider Parteien wird unter Zurückweisung der
Rechtsmittel im übrigen das am 5. Juni 1979 verkündete Urteil des
Amtsgerichts - Familiengerichts - Essen (103 F 17/78) zu Ziff. III und IV
teilweise abgeändert:
Ziff. III wird insgesamt wie folgt neu gefaßt:
Der Antragsgegner wird verurteilt, an die Antragstellerin ab Rechtskraft
des Scheidungsurteils eine monatliche Unterhaltsrente von 530,- DM,
und zwar jeweils im voraus, zu zahlen.
Das weitergehende Unterhaltsbegehren der Antragstellerin wird
abgewiesen.
In Ziff. IV entfallen die Zuweisung des Briefmarkenalbums mit
verschiedenartigen Briefmarken an den Antragsgegner sowie die
Verpflichtung der Antragstellerin zur Herausgabe dieses Albums,
Insoweit wird der Antrag des Antragsgegners zurückgewiesen. Im
übrigen verbleibt es bei den in Ziff. IV getroffenen Anordnungen.
Bezüglich der Kosten des ersten Rechtszuges verbleibt es bei der
Kostenentscheidung des angefochtenen Urteils. Die Kosten des
Berufungsverfahrens werden zu 3/4 der Antragstellerin und zu 1/4 dem
Antragsgegner auferlegt.
Tatbestand
1
Die Parteien haben am 15. April 1976 die Ehe miteinander geschlossen. Die
Antragstellerin ist 27 Jahre, der Antragsgegner 37 Jahre alt. Für beide Parteien war es
die zweite Eheschließung. Der Antragsgegner hat aus erster Ehe eine am 8. September
1967 geborene Tochter ..., die bei seinen Eltern lebt. Die Ehe der Parteien ist kinderlos
geblieben.
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Die Parteien leben seit dem 10. Januar 1978 getrennt. Sie haben am 22. November
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1976 den Güterstand der Gütertrennung vereinbart.
Die Antragstellerin hat keinen Beruf erlernt. Sie ist schwer beschädigt und
arbeitsunfähig krank. Der Grad der Minderung der Erwerbsfähigkeit beträgt nach dem
Bescheid des Versorgungsamts Dortmund vom 21. Mai 1979 70 %.
4
Der Antragsteller ist als Schriftsetzer in der ... und ... in ... tätig.
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Das Amtsgericht hat durch das angefochtene Verbundurteil, auf dessen Inhalt Bezug
genommen wird, die Ehe der Parteien geschieden (Ziff. I), den Versorgungsausgleich
geregelt (Ziff. II) und unter Ziff. III den Antragsgegner verurteilt, an die Antragstellerin ab
Rechtskraft des Scheidungsurteils einen monatlichen im voraus zu zahlenden
Unterhaltsbetrag von 650 DM zu zahlen; das weitergehende Unterhaltsverlangen der
Antragstellerin hat es abgewiesen.
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Unter Ziff. IV hat das Amtsgericht schließlich eine Hausratsverteilungsregelung
getroffen, und in diesem Rahmen dem Antragsgegner ein Briefmarkenalbum mit
verschiedenen Briefmarken als Alleineigentum zugewiesen; außerdem hat es die
Antragstellerin zur Herausgabe des Briefmarkenalbums an den Antragsteller
verpflichtet.
7
Gegen dieses Urteil richten sich die wechselseitigen Berufungen der Parteien.
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Die Antragstellerin, die zunächst auch die Zurückweisung des Scheidungsantrages
begehrt, insoweit je - ... doch ihr Rechtsmittel ... zurückgenommen hat, verlangt eine
monatliche Unterhaltsrente in Höhe von 1.000 DM und wendet sich gegen die
Verurteilung zur Herausgabe des Briefmarkenalbums. Sie behauptet, das in Rede
stehende Briefmarkenalbum nicht in ihrem Besitz gehabt zu haben.
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Der Antragsgegner wendet sich gegen die Höhe der gegen ihn ausgesprochenen
Unterhaltsverpflichtung.
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Die Antragstellerin beantragt,
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a)
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den Antragsgegner zu verurteilen, an sie ab Rechtskraft der Scheidung unter Einschluß
des ausgeurteilten Unterhalts monatlich im voraus eine Unterhaltsrente von insgesamt
1.000 DM zu zahlen,
13
b)
14
den Antrag des Antragsgegners auf Herausgabe des Briefmarkenalbums
zurückzuweisen.
15
Sie beantragt ferner,
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die Berufung des Antragsgegners zurückzuweisen.
17
Der Antragsgegner beantragt,
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die Berufung der Antragstellerin zurückzuweisen sowie in teilweiser Abänderung des
angefochtenen Urteils die Unterhaltsklage insoweit abzuweisen, als er - Antragsgegner
- verurteilt worden ist, einen höheren Scheidungsunterhalt als monatlich 300 DM zu
zahlen.
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Beide Parteien wiederholen und ergänzen ihren erstinstanzlichen Vortrag. Wegen der
Einzelheiten ihres Vorbingens wird auf den Inhalt der wechselseitigen Schriftsätze
verwiesen. Der Senat hat zu Zwecken des Beweises eine Verdienstauskunft bei der
Arbeitgeberin des Beklagten eingeholt. Auf den Inhalt der erteilten Auskunft vom 31.
Oktober 1979 (Bl. 107 ff. d.A.) wird Bezug genommen.
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Entscheidungsgründe
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Die zulässigen Berufungen der Parteien haben teilweise Erfolg.
22
1.
23
Unterhalt
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Die Berufung des Antragsgegners ist insoweit teilweise begründet; die der
Antragstellerin ist im vollen Umfang unbegründet.
25
a)
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Die Antragstellerin kann ab Rechtskraft des Scheidungsurteils monatlich nur 530,- DM
an Unterhalt, verlangen. Dieser Anspruch ergibt sich aus §§1569, 1572 BGB, da die
Antragstellerin kein anderweitiges Einkommen hat und eine Erwerbstätigkeit von ihr
wegen ihrer Krankheit nicht erwartet werden kann. Nach der Bescheinigung des Arztes
Dr. Schmitz vom 26.11.1979 liegt bei der Antragstellerin folgendes Krankheitsbild vor,
das auch der Antragsgegner nicht in Abrede stellt: Totaloperation des Uterus
einschließlich Mitnahme beider Adnexe im September 1975, neurocirkulatorische
Dystönie bei Kreislaufregulationsstörung, Narbe an der rechten Brust nach Excision,
Pyelonephritis (Nierenbeckenentzündung), chronische Bronchitis, Zustand nach
dreimaliger Bauchoperation wegen Verwachsungen sowie physische und psychische
Versagenszustände, die immer noch therapieresistent erscheinen. Eine Minderung der
Erwerbstätigkeit vom 70 % ist anerkannt. Zur Zeit leidet die Antragstellerin außerdem an
Herzbeschwerden im Sinne einer Durchblutungsstörung. Mit einer Besserung der
Beschwerde ist in absehbarer Zeit nicht zu rechnen.
27
b)
28
Der Unterhaltsanspruch wird in der genannten Höhe von 530,- DM nicht dadurch
ausgeschlossen, daß die Parteien erst im Jahre 1976 geheiratet haben. Zwar ist der
Senat der Auffassung, daß unter diesen Umständen eine "Ehe von kurzer Dauer" im
Sinne des §1579 I Nr. 1 BGB vorliegt. Das führt aber nicht zum völligen Ausschluß des
Unterhaltsanspruchs, sondern nur insoweit, als die Inanspruchnahme des
Antragsgegners grob unbillig wäre.
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Der Senat hielte es zwar für grob unbillig, wenn der Antragsgegner nach der Scheidung
der Antragstellerin den vollen Unterhalt zahlen müßte, insbesondere wenn man
berücksichtigt, daß die Antragstellerin noch verhältnismäßig jung ist und daß sie durch
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die Eheschließung mit dem Antragsgegner keinen anderweitigen Unterhaltsanspruch
verloren hat. Jedenfalls konnte sie von ihrem geschiedenen ersten Mann keine
Unterhaltszahlungen erlangen, weil dieser untergetaucht ist. Andererseits ist aber auch
zu berücksichtigen, daß die Antragstellerin schon in jungen Jahren schwer erkrankt ist
und angesichts ihrer gesundheitlichen Beeinträchtigungen in absehbarer Zeit nicht
damit rechnen kann, wieder erwerbstätig zu werden. Mögen diese Beeinträchtigungen
auch nicht im Zusammenhang mit der Ehe stehen, so erscheint doch ein völliger
Ausschluß des Unterhaltsanspruchs nicht gerechtfertigt. Der Senat hält es unter den
obwaltenden Umständen für angemessen, der Antragstellerin die Hälfte dessen,
zuzubilligen, was ihr zustände, wenn die Ehe nicht nur von kurzer Dauer gewesen wäre.
Nur eine darüber hinausgehende Unberhaltsbelastung des Antragsgegners wäre nach
Lage der Dinge als grob unbillig anzusehen.
Der Senat billigt dem geschiedenen Ehegatten entsprechend Ziff. 27 der Hammer
Leitlinien Stand Januar 1980 (bisher veröffentlicht in DAVorm 1979, 818 ff.) in der Regel
3/7 des anrechenbaren Einkommens des Verpflichteten zu. Im vorliegenden Fall
ermäßigt sich dieser Satz somit auf 1,5/7.
31
c)
32
Das anrechenbare Einkommen des Antragsgegners, nach dem sich die Höhe des
Unterhaltsanspruchs der Antragstellerin bestimmt, errechnet sich aufgrund der
Lohnauskunft des Arbeitgebers des Antragsgegners wie folgt:
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Seit der letzten Gehaltserhöhung im Sommer 1979 beläuft sich das
monatliche Durchschnittseinkommen einschließlich des Arbeitgeberanteils
zur vermögenswirksamen Anlage (brutto 52,- DM) und des
Arbeitgeberanteils zur Krankenversicherung (174,- DM) auf
2.700,-
Hinzuzurechnen ist das Urlaubs- und Weihnachtsgeld, umgelegt auf 12
Monate, mit netto mindestens
260,-
2.960,-
Die Zusatzleistung des Arbeitgebers für die vermögenswirksame Anlage ist
dem Antragsgegner mit dem Nettobetrag zu belassen (Ziff. 5 der Hammer
Leitlinien), so daß ein Betrag abzuziehen ist von ca
./. 30,-
Übertrag:
2.930,-
DM
Abzusetzen sind die Beiträge zur Krankenversicherung von monatlich
insgesamt
./.
348,-
DM
2.582,-
DM
ferner der an die Tochter Andrea zu gewährende Tabellenunterhalt. Dieser
beträgt bei dem Einkommen des Antragsgegners für die Zeit ab Januar
1980 lt. Unterhaltstabelle zu Ziff. 18 der neuen Hammer Leitlinien (4.
Einkommensgruppe und 3. Altersstufe)
./.
380,-
DM
2.202,-
DM
34
Dieses Einkommen erhöht sich um die Steuerersparnis, die der
Antragsgegner dadurch erzielt, daß die Antragstellerin mit dem Realsplitting
nach §10 I Nr. 1 n.F. des Einkommensteuergesetzes einverstanden ist und
bereits verbindlich erklärt hat alle hierfür erforderlichen Erklärungen
abzugeben. Diese Steuerersparnis beträgt - wie noch desnäheren
darzulegen ist (s.u. zu d) - rund
270,-
DM
2.472,-
DM
Hiervon kann die Antragstellerin - wie bereits dargelegt - 1,5/7 beanspruchen. Das sind
abgerundet 530,- DM.
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Der Senat hat bei dieser Berechnung die Darlehnsverbindlichkeit nicht berücksichtigt,
die der Antragsgegner noch bis April 1980 mit monatlich 555,- DM abzutragen hat. Mit
Rücksicht auf die nur kurze Zeitspanne bis dahin und mit Rücksicht darauf, daß die
Antragstellerin ohnehin nur die Hälfte des sonst üblichen Ehegattenunterhalts erhält,
erscheint es angemessen, der Antragstellerin auch schon für diese kurze Übergangszeit
den Unterhalt zuzubilligen, der sich ohne Berücksichtigung der Darlehnsverbindlichkeit
des Antragsgegners errechnet.
36
d)
37
Die Steuerersparnis von rund 270,- DM hat der Senat wie folgt errechnet:
38
Das durchschnittliche monatliche steuerpflichtige Bruttoeinkommen des
Antragsgegners liegt nach der vorliegenden Lohnauskunft bei
4.100,-
DM
Das steuerpflichtige Urlaubsgeld (jährlich 2.642,04) und Weihnachtsgeld
(jährlich um 2.400,- DM, davon zu versteuern 2.000,- DM) beträgt 4.642,04 DM
im Jahr, umgelegt auf 12 Monate
385,-
DM
Zu versteuerendes Monatsenkommen im Durchschnitt:
4.485,-
DM
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Die monatliche Steuerbelastung des Antragsgegners beträgt hiernach lt.
Lohnsteuertabelle (Steuerklasse II 1)
40
an Lohnsteuer
1.153,30 DM
an Kirchensteuer
99,29 DM
41
insgesamt:
1.252,59 DM
42
Bei Durchführung des Realsplitting nach §10 I Nr. 1 EinkStG vermindert
43
sich das steuerpflichtige Einkommen von
4.485,- PM
um den monatlichen Unterhalt von
530,- DM
44
und beträgt nur noch
3.955,- DM
45
Hiernach beträgt die monatliche Steuerbelastung des Antragsgegners
46
an Lohnsteuer
909,- DM
an Kirchensteuer
77,31 DM
47
insgesamt nur noch:
986,31 DM
48
Die Steuerersparnis beträgt damit
1.252,59
49
./.
986,31
50
266,28
51
Das sind abgerundet 270,- DM.
52
e)
53
Eine steuerliche Belastung der Antragstellerin, die auszugleichen wäre, entsteht bei
Durchführung des Realsplittings nicht, wie sich aus folgender Übersicht ergibt:
54
Die Antragstellerin hat lediglich hat lediglich das Unterhaltsenkommen von
6.360,-
55
jährlich 530,- DM × 12 =
DM
Hiervon gehen folgende steuerlichen Freibeträge ab:
Allgemeiner Tariffreibetrag (§32 VIII EinkStG)
./.
510,-
DM
Werbungskostenpauschale (§9 a Nr. 3 EinkStG)
./.
200,-
DM
Sonderausgabenpauschale (§10 c I EinkStG)
./.
240,-
DM
Vorsorgepauschale (§10 c II EinkStG)
./.
300,-
DM
Körperberhindertenfreibetrag gemäß §33 b EinkStG, bemessen nach einer
Minderung der Erwerbsfähigkeit um 70 %
./.
1.740,-
DM
3.370,-
DM
56
Der verbleibende Betrag liegt unter dem allgemeinen tariflichen Grundfreibetrag von
3.690,- DM (§32 a I Nr. 1 EinkStG).
57
2.
58
Hausratsverteilung
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Insoweit hat das Rechtsmittel der Antragstellerin Erfolg. Das Briefmarkenalbum durfte
nicht dem Antragsgegner zugewiesen werden.
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Im Rahmen der Hausratsverteilung nach der Hausratsverordnung können lediglich
Hausratsgegenstände verteilt werden, d.h. solche Gegenstände, die nach den
Vermögens- und Lebensverhältnissen der Eheleute für deren Wohnung, Hauswirtschaft
und ihr Zusammenleben bestimmt sind. Nicht zum Hausrat gehört das zum persönlichen
Gebraucht Bestimmte, zu dem in aller Regel auch Sammlungen etc. zählen (vgl.
Palandt-Diederichsen, 39. Aufl., Anh. zu §1587 p, §1 HausrVO Anm. 2; Hoffmann-
Stephan, §1 HausrVO Rz. 33, in Komm, zum EheG, 2. Aufl., 1968).
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Ob der Antragsgegner nach allgemeinen Vorschriften einen Herausgabeanspruch hat,
kann dahinstehen; denn zur Entscheidung hierüber ist nicht das Familiengericht
zuständig.
62
3.
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Das angefochtene Urteil ist entsprechend abzuändern.
64
Die Kostenentscheidung beruht auf §§93 a, 97, 515 III ZPO.
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