Urteil des OLG Hamm vom 02.04.2017

OLG Hamm (auskunft, abweisung der klage, einkünfte, unterlagen, einkommen, auskunftspflicht, unternehmer, zpo, widerklage, angabe)

Oberlandesgericht Hamm, 6 UF 26/79
Datum:
20.06.1979
Gericht:
Oberlandesgericht Hamm
Spruchkörper:
6. Senat für Familiensachen
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
6 UF 26/79
Vorinstanz:
Amtsgericht Gelsenkirchen, 21.12.1978
Tenor:
Auf die Berufung der Klägerin und die Anschlußberufung des Beklagten
wird das am 21. Dezember 1978 verkündete Teilurteil des Amtsgerichts -
Familiengericht - Gelsenkirchen abgeändert.
Der Beklagte wird unter Einbeziehung der durch das angefochtene Urteil
bereits erkannten Auskunftsverpflichtung verurteilt, der Klägerin Auskunft
über sein, gesamtes Vermögen per 1. September 1978 und seine
sämtlichen Einkünfte in den Jahren 1976, 1977 und 1978, die Bar- und
Sachleistungen, die er aus selbständiger und unselbständiger Arbeit,
aus Bank- und Sparguthaben, aus Wertpapieren oder sonstigem
Vermögen bezieht, zu geben und ein Verzeichnis über den Bestand
seiner Sachen und Rechte, insbesondere über seine Bankkonten,
Wertpapier- und Sparguthaben zu dem oben genannten Stichtag zu
erteilen sowie nachprüfbar aufzuschlüsseln und die dazu gehörenden
Belege vorzulegen.
Die weitergehende Klage bleibt abgewiesen.
Auf die Widerklage wird die Klägerin verurteilt, Auskunft über ihr
Vermögen und ihre Einkünfte, beginnend mit dem Jahre 1976, zu
erteilen.
Im übrigen werden die Rechtsmittel beider Parteien zurückgewiesen.
Von den Kosten des Berufungsrechtszuges tragen der Beklagte 3/4 und
die Klägerin 1/4.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand
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Die Parteien sind getrenntlebende Eheleute. Inzwischen ist auch ein
Ehescheidungsverfahren anhängig gemacht worden, und zwar beim Familiengericht
Rheinberg.
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Nachdem der Beklagte der Klägerin Anfang September 1978 die Kontovollmacht
entzogen hatte und ihr nur noch Unterhalt für sie und die beiden aus der Ehe
hervorgegangenen Kinder ..., geboren am 17. Februar 1977, und ..., geboren am 10. Juli
1978, in Höhe von monatlich 1.000,- DM zahlte, hat die Klägerin zunächst im Wege der
Stufenklage Auskunft über das Vermögen und die Einkünfte des Beklagten in der Zeit
vom Anfang des Jahres 1977 bis September 1978 einschließlich der Vorlage der
Einkommensteuerbescheide nebst Unterlagen begehrt. Sie beabsichtigt, nach Erteilung
der Auskunft ihren und der Kinder Unterhaltsanspruch zu beziffern.
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Die zwischenzeitlich erfolgte Vorlage der Bilanz per 31. Dezember 1977 und des
Gesellschaftsvertrages der Wemhöner KG, deren persönlich haftender Gesellschafter
der Beklagte mit einem Fixum von 1.800,- DM monatlich und 45 % Gewinnbeteiligung
ist, sowie des Mietvertrages über die Geschäftsräume hält die Klägerin leicht für
ausreichend.
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Sie hat beantragt,
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den Beklagten zu verurteilen, vollständig und richtig Auskunft über seine Einkünfte im
Jahre 1977 bis September 1978 zu geben durch Vorlage des
Einkommensteuerbescheides 1977 nebst Unterlagen, die zu diesem
Einkommensteuerbescheid gehören, dem Gesellschaftsvertrag der Firma Wemhöner
KG sowie Angabe seiner gesamten Bankkonten nebst Kontostand Wertpapieren,
Sparbücher sowie Angabe der Kontenbewegung in der entsprechenden Zeit,
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hilfsweise,
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den Beklagten zu verurteilen, über sein Vermögen und sein Einkommen Auskunft zu
erteilen und darüber Belege vorzulegen.
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Der Beklagte hat beantragt,
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Haupt- und Hilfsantrag der Klägerin zurückzuweisen.
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Er hat die Auffassung vertreten, seiner Auskunftspflicht umfassend nachgekommen zu
sein.
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Durch das angefochtene Teilurteil, auf dessen Inhalt Bezug genommen wird, hat das
Familiengericht unter Abweisung des Hauptantrages auf den Hilfsantrag den Beklagten
verurteilt, der Klägerin Auskunft zu erteilen über sein Vermögen und Einkommen aus
den Jahren 1977 bis September 1978 und hinsichtlich der Auskunft Belege vorzulegen.
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Hiergegen wenden sich beide Parteien mit der Berufung. Die Klägerin erstrebt eine
Erweiterung der Auskunftspflicht des Beklagten u.a. auch jetzt auf das Jahr 1976; der
Beklagte will die Abweisung der Klage und im Wege der Widerklage die Verurteilung
der Klägerin zur Auskunftserteilung über deren Vermögen und Einkünfte, beginnend mit
dem Jahre 1976.
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Die Klägerin trägt vor:
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Im Hinblick darauf, daß die Auskunft zwecks Bezifferung eines Unterhaltsanspruches so
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weit gehen müsse, wie dies zur Feststellung des Unterhaltsanspruchs erforderlich sei,
habe das Familiengericht zu Recht ausgeführt, die vom Beklagten bislang gemachten
Angaben erfüllten die Voraussetzungen einer solchen Auskunft in keiner Weise.
Andererseits habe es zu Unrecht eine Verpflichtung des Beklagten verneint, die von ihr
im einzelnen verlangten Unterlagen vorzulegen. Der Beklagte sei verpflichtet, ein
Bestandsverzeichnis über seine Rechte und Sachen zu erteilen, das in nachprüfbarer
Form aufzuschlüsseln sei. Die Aufschlüsselung sei um so mehr erforderlich, als der
Beklagte kein Arbeitnehmer sei, sondern als Unternehmer ständig wechselnde
Einkünfte habe, worüber ihr zuverlässige Grundlagen an die Hand gegeben werden
müßten. In diesem Rahmen gäben die Steuerbescheide einen Überblick über das
jedenfalls dem Finanzamt gegenüber deklarierte Einkommen, und durch die Vorlage der
dazu gehörenden Unterlagen werde sie feststellen können, in welchen Punkten allein
aus steuerlichen Gründen Abzüge gemacht worden seien und wo echte Ausgaben
vorlägen. Des weiteren müßten u.a. Vereinbarungen zwischen den Gesellschaftern über
etwaige Sachleistungen der Gesellschaft an den Beklagten mitgeteilt werden. Die
Auskunft über das Vermögen müsse auch Kontenbewegungen und dergl. erkennen
lassen, um ihr eine Überprüfung zu ermöglichen, ob zwischenzeitlich zu ihren Kosten
Vermögensverschiebungen vorgenommen worden seien. Schließlich sei die
Auskunftserteilung auch auf das Jahr 1976 zu erstrecken, da bei einem Unternehmer
nur eine Übersicht über einen längeren Zeitraum eine zuverlässige Grundlage für den
geltend zu machenden Unterhaltsanspruch gebe.
Die Klägerin beantragt,
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abändernd unter Einbeziehung der bereits erkannten Auskunftsverpflichtung den
Beklagten zu verurteilen, ihr Auskunft über sein gesamtes Vermögen und über seine
gesamt Einkünfte in den Jahren 1976 bis 1978, der Bar- und Sachleistungen, die er aus
selbständiger und unselbständiger Arbeit, aus Bank- und Sparguthaben, aus
Wertpapieren oder sonstigem Vermögen bezieht, zu geben, ein Verzeichnis über den
Bestand seiner Sachen und Rechte, insbesondere über seine Bankkonten, seine
Wertpapier- und Sparguthaben nebst den in den Jahren 1976 bis 1978 erfolgten
Bewegungen zu erteilen sowie nachprüfbar aufzuschlüsseln und die
Einkommenssteuerbescheide für die Jahre 1976 bis 1978 nebst dazugehörenden
Unterlagen vorzulegen.
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Der Beklagte beantragt,
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die Berufung der Klägerin zurückzuweisen,
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mit der eigenen Berufung,
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abändernd die Klage abzuweisen,
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widerklagend,
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die Klägerin zu verurteilen, Auskunft über ihr Vermögen und ihre Einkünfte, beginnend
mit dem Jahre 1976, zu erteilen.
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Er ist, nachdem er in den Schriftsätzen weitere Einzelauskünfte erteilt hat, der Meinung,
seine Auskunftspflicht zumindest jetzt in vollem Umfange erfüllt zu haben.
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Die Klägerin erkennt den Widerklageanspruch unter Protest gegen die Kostenlast an
und beantragt im übrigen,
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die Berufung des Beklagten zurückzuweisen.
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Der Beklagte beantragt,
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die Klägerin gemäß deren Anerkenntnis durch Anerkenntnisurteil zu verurteilen.
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Wegen des weiteren Parteivorbringens wird auf den vorgetragenen Inhalt der in beiden
Instanzen gewechselten Schriftsätze und der mit diesen überreichten Unterlagen Bezug
genommen.
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Entscheidungsgründe:
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Die Berufungen beider Parteien sind zulässig.
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Das Oberlandesgericht Hamm ist auch weiterhin zur Entscheidung darüber befugt,
obwohl inzwischen die Ehesache der Parteien beim Amtsgericht - Familiengericht -
Rheinberg rechtshängig geworden ist. Eine Verweisung bzw. Abgabe einer
Familiensache der vorliegenden Art an das für die Ehesache zuständige Gericht hat
nach § 621 Abs. 3 BGB nur bei in erster Instanz befindlichen Verfahren zu erfolgen.
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Beide Berufungen haben aber nur teilweise Erfolg, die des Beklagter ohnehin lediglich
wegen der damit erhobenen Widerklage.
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Die von der Klägerin in der Berufungsinstanz vorgenommene Erweiterung ihres
ursprünglichen Klageantrages ist zulässig. Selbst wenn darin z. T. eine Klageänderung
zu sehen sein sollte, ist dies zulässig, da der Beklagte sich rügelos dazu eingelassen
hat (§ 263 ZPO).
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Die Klägerin kann jedoch vom Beklagten gemäß §§ 1361, 1605 BGB nicht in dem
Umfang Auskunft verlangen, wie sie es teilweise schon mit ihrem erstinstanzlichen
Hauptantrag getan hat und jetzt mit den Berufungsantrag tut.
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Zwar kann der Klägerin leicht, wie das Familiengericht meint, verwehrt werden, in einer
bestimmten Weise Auskunft zu verlangen. Sie ist nicht auf den Anspruch beschränkt,
der Beklagte müsse "Auskunft über Einkommen und Vermögen erteilen und hinsichtlich
der Auskunft Belege vorlegen". Eine solche Beschränkung ergibt sich au dem Gesetz
nicht. Es kann vielmehr, wenn dem Auskunftsberechtigten bekannt ist, daß der
Verpflichtete, wie hier der Beklagte, als Unternehmer oder dergl. über verschiedene
Arten von Einkünften verfügt und Vermögen in unterschiedlicher Weise angelegt hat,
sich von vornherein zur besseren Durchsetzung seines Auskunftsanspruchs sowie zur
Vermeidung einer etwa erforderlichen Ergänzung bei versehentlichem Unterlassen der
Angabe der einen oder anderen Einkunftsart auch die Einzelpositionen titulieren lassen,
auf die es ankommt. Die zu erteilende Auskunft ist nämlich im Urteil so konkret wie
möglich zu bezeichnen (vgl. u.a. BGH LM G 260 Nr. 1; ders. in Betr. 70, 1533). In
gleicher Weise sind nach Auffassung des Senats die Nebenverpflichtungen zur Vorlage
von Belegen so genau wie möglich zu umreißen; denn zu ihrer Durchsetzung ist
ebenfalls eine besondere Titulierung notwendig (vgl. auch BGH Z 33, 373 (378); OLG
Düsseldorf in FamRZ 78, 717).
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Die Auskunftspflicht und die Nebenverpflichtungen bestehen allerdings nur insoweit, als
die Klägerin Angaben und Unterlagen benötigt, um ihren Unterhaltsanspruch berechnen
zu können (vgl. BGH I a.a.O.; Palandt-Diederichsen, 38. Aufl., § 1605 BGB Anm. 2 b).
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In diesem Rahmen kann die Klägerin Auskunft über das Vermögen des Beklagten erst
zum Stichtag vom 1. September 1978 verlangen, da sie bis dahin ohne
Einschränkungen Vollmacht über das Gehaltskonto des Beklagten hatte und deshalb für
die Zeit vorher keine Unterhaltsansprüche mehr geltend zu machen sind. Die Auskunft
hierüber erstreckt sich auch nicht auf Kontenbewegungen. Sie ist zu einem Stichtage zu
erteilen; für eine Pflicht, Bewegungen mitzuteilen, fehlt es an der gesetzlichen
Grundlage.
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Die Auskunft über die Einkünfte hat sich nach der Rechtsprechung der Familiensenate
des Oberlandesgerichts Hamm bei einem selbständigen Unternehmer auf mehrere
Jahre zu erstrecken, da die Unterhaltsberechtigten nur so einen hinreichenden
Überblick über das durchschnittliche Einkommen erhalten (vgl. Urteil des 4. Senats für
Familiensachen in 4 UF 121/78 OLG Hamm und Urteil des erkennenden Senats in 6 UF
10/78 OLG Hamm). Die Klägerin hat deshalb auch zu Recht die Einkünfte des Jahres
1976 neben denen der Jahre 1977 und 1978 in ihr Auskunftsverlangen einbezogen.
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Die Verpflichtung zur Beifügung von Belegen umfaßt nach der Rechtsprechung auch
solche, denen die Richtigkeit der Zahlenangaben entnommen werden kann. Dazu
gehören bei Unternehmern grundsätzlich die Bilanzen nebst Gewinn- und
Verlustrechnungen, Gesellschaftsverträge und Vereinbarungen der Gesellschafter über
sonstige Zuwendungen oder Sachleistungen, die als Einkommen anzurechnen sind.
Darüberhinaus sind nach Auffassung des Senats aber auch Konto und Depotauszüge
zum infrage kommenden Stichtag sowie Sparverträge vorzulegen. Nicht vorzulegen sind
jedoch in ehelichen- und familienrechtlichen Unterhaltsstreitigkeiten, hier folgt der Senat
der Auffassung von Palandt-Diederichsen (a.a.O., Anm. 3), Steuererklärungen und
Steuerbescheide nebst den dazu gehörenden Unterlagen. Einmal ist nämlich auch im
Familienverbande das Steuergeheimnis grundsätzlich zu wahren. Zum anderen ist
insbesondere im Zusammenhang mit einem Ehescheidungs- bzw. einem ehelichen
Unterhaltsverfahren ein Mißbrauch der auf einem solchen Wege erlangten Kenntnisse
durch den Auskunftsberechtigten nicht schlechthin auszuschließen. Dagegen muß der
Verpflichtete von vornherein geschützt sein. Derartige Urkunden mögen zwar freiwillig
zur Erfüllung der Auskunftspflicht vorgelegt werden können, soweit sie sich als Belege
bzw. als Grundlage für die Berechnung eines Unterhaltsanspruchs eignen; ein
Anspruch auf Vorlage besteht jedoch nicht.
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Der vorstehend umrissenen Auskunfts- und Vorlagepflicht ist der Beklagte entgegen
seiner Auffassung bisher nicht vollständig nachgekommen. Die Vorlage der Bilanz 1977
nebst Gewinn- und Verlustrechnung sowie des Gesellschaftsvertrages und die
inzwischen erfolgte Anhäufung von Einzelangaben in den Schriftsätzen reicht zur
Erfüllung dieser Verpflichtungen nicht aus. Wie bereits das Familiengericht zutreffend
ausgeführt hat, ist zur Auskunftserteilung gem. §§ 259, 260 BGB erforderlich, daß der
Verpflichtete ein geordnetes Verzeichnis mit einer zusammenfassenden Darstellung der
Einnahmen und Ausgaben sowie des Vermögens, aufgeschlüsselt in Einzelbeträge
bzw. jedenfalls in die einzelnen Einkunfts-, Ausgaben- und Anlagearten, vorlegt. Die
Frage, inwieweit bei Vorliegen von Teilzusammenstellungen eine Bezugnahme auf
diese, verbunden mit einer abschließenden eigenen Erklärung über die Vollständigkeit
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der früheren Angaben, die zum Gegenstand der Versicherung nach § 260 Abs. 2 BGB
gemacht werden kann, als zulässig anzusehen wäre, stellt sich vorliegend nicht, da
bisher keinerlei geordnete Teilzusammenstellung vorliegt.
Die Widerklage, die in der Berufungsinstanz gem. § 530 Abs. 1 ZPO bereits deswegen
zulässig ist, weil die Klägerin durch ihr Anerkenntnis in die Zulassung eingewilligt hat,
ist nach dem genannten Anerkenntnis in vollem Umfange begründet. Gemäß ihrem
Anerkenntnis war die Klägerin auf den Antrag des Beklagten zu verurteilen.
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Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 92, 93, 97 ZPO.
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Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Ziff. 1 und 10,
713 ZPO.
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