Urteil des OLG Hamm vom 19.11.2010

OLG Hamm (hund, zuweisung, kommentar, nutzungsrecht, auflage, antrag, beschwerde, hausrat, zweck, vorschrift)

Oberlandesgericht Hamm, II-10 WF 240/10
Datum:
19.11.2010
Gericht:
Oberlandesgericht Hamm
Spruchkörper:
10. Senat für Familiensachen
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
II-10 WF 240/10
Vorinstanz:
Amtsgericht Dortmund, 106 F 4004/10
Schlagworte:
Umgangsrecht, Hund
Normen:
§§ 1361a, 1684, 743 ff. BGB
Leitsätze:
Kein rechtlicher Anspruch auf "Umgang" mit dem (Familien-)Hund nach
Trennung der Eheleute
Tenor:
Das Beschwerdeverfahren wird von dem Einzelrichter auf den Senat
übertragen.
Die Beschwerde der Antragstellerin vom 16.09.2010 gegen den die
Verfahrenskostenhilfe versagenden Beschluss des Amtsgerichts –
Familiengericht – Dortmund vom 17.08.2010 wird zurückgewiesen.
Gründe
1
I.
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Die Beteiligten sind voneinander getrennt lebende Ehegatten. Der während der Ehe
angeschaffte Hund hält sich vereinbarungsgemäß bei dem Antragsgegner auf. Die
Antragstellerin begehrt mit ihrem Antrag vom 21.07.2010 die Einräumung des Rechts,
den gemeinsamen Hund Z, geboren am 10.02.2008, in der Woche jeweils dienstags
und freitags in der Zeit von 16:30 Uhr bis 20:30 Uhr zu nutzen.
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Das Amtsgericht – Familiengericht – Dortmund hat den Antrag der Antragstellerin auf
Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe mit Beschluss vom 17.08.2010 zurückgewiesen,
weil für die begehrte Umgangs- bzw. Nutzungsregelung keine rechtliche Grundlage
bestehe.
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Hiergegen wendet sich die Antragstellerin mit ihrer form- und fristgerecht bei Gericht
eingegangenen sofortigen Beschwerde, der das Familiengericht nicht abgeholfen hat.
Sie meint, als Miteigentümerin des Hundes ein Nutzungsrecht zu haben.
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Der Antragsgegner verteidigt den angefochtenen Beschluss.
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II.
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Die zulässige Beschwerde der Antragstellerin ist nicht begründet. Zu Recht hat das
Familiengericht den Antrag auf Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe zurückgewiesen,
weil die Rechtsverfolgung der Antragstellerin keine hinreichende Aussicht auf Erfolg hat
(§§ 76 Abs. 1 FamFG, 114 ZPO):
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1.
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Die Antragstellerin hat keinen Anspruch auf eine zeitlich begrenzte Nutzungsregelung
hinsichtlich des Hundes aus § 1361a Abs. 1 S. 1, Abs. 2 BGB.
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a)
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Nach der genannten Vorschrift kann das Familiengericht die Verteilung von
Haushaltsgegenständen während der Dauer des Getrenntlebens der Ehegatten regeln.
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Vom Hausrat sind alle beweglichen Sachen erfasst, die nach den Lebensverhältnissen
der Eheleute üblicherweise der Einrichtung der Wohnung, der Hauswirtschaft und dem
Zusammenleben der Familie, d.h. der gemeinsamen Lebensführung zu dienen bestimmt
sind (vgl. OLG Celle, NJW-RR 2009, 1306, 1307; FamRZ 2009, 1911; Palandt-
Brudermüller, Kommentar zum BGB, 69. Auflage 2010, § 1361a BGB Rn 2 m.w.N.;
Voppel, in: Staudinger, Kommentar zum BGB, Neubearbeitung 2007, § 1361a BGB Rn
8). Nach der wohl überwiegenden Rechtsprechung und Literatur gehören auch Tiere
zum Hausrat (vgl. OLG Schleswig, NJW 1998, 3127). Auch wenn Tiere keine Sachen
sind (§ 90 a BGB), werden die Regelungen zur vorläufigen (§ 1361 a BGB) oder
endgültigen Hausratsverteilung zumindest analog angewendet (vgl. OLG Celle, NJW-
RR 2009, 1306, 1307 betreffend mehrere Papageien; OLG Bamberg, FamRZ 2004, 559
betreffend einen Hund; OLG Naumburg FamRZ 2001, 481 betreffend mehrere Pferde;
OLG Schleswig NJW 1998, 3127 betreffend einen Pudel; OLG Zweibrücken FamRZ
1998, 1432; Götz, in: Johannsen/Henrich, Kommentar zum Familienrecht, 5. Auflage
2010, § 1361a BGB Rn 20). Jedenfalls kann für Haustiere eine sinngemäße
Anwendung des § 1361a BGB angezeigt sein (vgl. Palandt-Brudermüller, a.a.O., §
1361a BGB Rn 10).
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b)
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Es kann dahinstehen, ob § 1361a BGB im vorliegenden Fall überhaupt Anwendung
findet. Vorliegend begehrt die Antragstellerin nicht die Zuweisung des Hundes an sich
selbst für die Dauer der Trennung. Sie ist vielmehr damit einverstanden, dass sich der
Hund während der überwiegenden Zeit bei dem Antragsgegner aufhält. Sie begehrt nur
die Nutzung für wenige Stunden in der Woche. Sinn und Zweck des
Hausratsteilungsverfahrens ist es jedoch, dem antragstellenden Ehegatten die eigene
Nutzung des Hausrats für seine Lebensbedürfnisse zu ermöglichen und eine
Neuanschaffung von Hausratsgegenständen zu vermeiden (vgl. OLG Karlsruhe, FamRZ
1999, 1087). Mit diesem Gesetzeszweck ist das Begehren der Antragstellerin nicht
vereinbar.
15
2.
16
Der Antragstellerin steht auch kein Umgangsrecht mit dem Hund zu:
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Einen solchen Anspruch auf ein Umgangsrecht mit dem Hund, der beim früheren
Partner verblieben ist, besteht nicht (vgl. OLG Bamberg, MDR 2004, 37; OLG Schleswig
, NJW 1998, 3127; Götz, in: Johannsen/Henrich, a.a.O., § 1361a BGB Rn 20; Seier in:
jurisPK-BGB, 5. Auflage 2010, § 1361a BGB Rn 24; a.A.: AG Bad Mergentheim, NJW
1997, 3033f). Die Vorschrift des § 1361a BGB beinhaltet aus den genannten Gründen
kein Umgangsrecht. Eine Analogie zu anderen gesetzlichen Umgangsregelungen
verbietet sich. Insbesondere § 1684 Abs. 1 BGB ist zugeschnitten auf ein am Wohl eines
Kindes orientiertes Umgangsrecht und dient nicht in erster Linie der Befriedigung
emotionaler Bedürfnisse des umgangsberechtigten Elternteils, um die es im Verhältnis
von zwei sich trennenden Partnern zu einem gemeinsam gehaltenen Hund geht;
insoweit gelten gemäß § 90a BGB die Bestimmungen der Hausratsteilung, die nur eine
Zuweisung, aber keine Umgangsregelung vorsehen (vgl. im Einzelnen: Rauscher, in:
Staudinger, Kommentar zum BGB, Neubearbeitung 2006, § 1684 BGB Rn 56 m.w.N.)
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3.
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Ein Anspruch auf Teilhabe an dem Gegenstand aus § 743 Abs. 2 BGB, § 744 Abs. 2
bzw. § 745 Abs. 2 BGB kommt ebenfalls nicht in Betracht.
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Es kann dahinstehen, ob der Hund im Miteigentum der beteiligten Ehegatten steht. Es
kann ferner offen bleiben, ob nach den genannten Vorschriften ein zeitlich begrenztes
Nutzungsrecht an dem Tier oder nur eine Zuweisung des Hundes an einen Berechtigten
erfolgen kann (vgl. dazu: AG Walsrode, NJW-RR 2004, 365: zur Anwendbarkeit der §§
743ff BGB bei einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft). Denn die genannten
Vorschriften sind bei getrennt lebenden Ehegatten nicht anwendbar. Die Regelungen
der Hausratsteilung – hier: § 1361a BGB – haben Vorrang vor den allgemeinen
gesetzlichen Regelungen; sie schließen – abgesehen von Besitzschutzansprüchen –
allgemeine Regelungen aus (vgl. Götz, in: Johannsen/Henrich, a.a.O., § 1361a BGB Rn
22, 43; Palandt-Brudermüller, a.a.O., § 1361b BGB Rn 12 für Ansprüche aus § 985
BGB). Bezweckt wird aus den bereits genannten Gründen die Zuweisung des Hausrats
zur eigenen Nutzung des begünstigten Ehegatten; mit diesem Zweck ist nicht vereinbar,
neben einer Zuweisung eines Hausratsgegenstandes an einen Ehegatten dem anderen
Ehegatten – auf welcher gesetzlichen Grundlage auch immer – ein zeitlich befristetes
Nutzungsrecht einzuräumen.
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Dabei bleibt den Beteiligten unbenommen, im Interesse des Tieres eine andere
Vereinbarung zu treffen. Soweit sich der Antragsgegner einer solchen Vereinbarung
bislang verschließt, scheinen nach dem derzeitigen Sach- und Streitstand dafür –
abgesehen von den formalen Gesichtspunkten – keine nachvollziehbaren Gründe
vorhanden zu sein.
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III.
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Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst (§§ 76 Abs. 1 FamFG, 127 Abs. 4 ZPO).
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