Urteil des OLG Hamm vom 15.12.2010

OLG Hamm (antragsteller, in angemessener weise, gesetzlicher vertreter, antrag, auszahlung, durchführung, vertreter, anordnung, begehren, tag)

Oberlandesgericht Hamm, II-2 WF 264/10
Datum:
15.12.2010
Gericht:
Oberlandesgericht Hamm
Spruchkörper:
2. Senat für Familiensachen
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
II-2 WF 264/10
Vorinstanz:
Amtsgericht Ahaus, 10 F 382/10
Tenor:
Auf die sofortige Beschwerde des Antragstellers wird der Beschluss des
Amtsgerichts – Familiengericht – Ahaus vom 8.10.2010 abgeändert.
Dem Antragsteller wird ratenfreie Verfahrenskostenhilfe unter
Beiordnung von Rechtsanwältin U in C bewilligt.
Gründe
1
I.
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Der Antragsteller beantragt, die Zustimmung der Antragsgegnerin zur Beantragung der
Auszahlung des anteiligen Sozialgeldes für die Kinder E (geb. 9.8.1996), O (geb.
1.11.1997) und C1 C2 (geb. 20.11.2000) während der Besuchskontakte bei ihm
familiengerichtlich zu ersetzen.
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Die Beteiligten waren miteinander verheiratet. Die Antragsgegnerin ist Inhaberin des
Aufenthaltsbestimmungsrechts für die drei vorgenannten, aus der Ehe
hervorgegangenen Kinder der Beteiligten; i. Ü. besteht gemeinsames Sorgerecht. Beide
Beteiligte beziehen Leistungen nach dem SGB II, die Antragsgegnerin auch für die bei
ihr lebenden Kinder. Die drei vorgenannten Kinder nehmen Besuchskontakte beim
Antragsteller wahr, die 14tägig von freitags 14.00 Uhr bis sonntags 18.00 Uhr
stattfinden.
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Da der Antragsteller nach seinen Angaben nicht über die Mittel verfügt, die Kinder
während der Umgangskontakte angemessen zu ernähren, hat er zunächst bei der Arbeit
für C (AfB) beantragt, ihm Leistungen für die Ausübung der Umgangskontakte zu
gewähren. Nach negativer Bescheidung und Zurückweisung des Widerspruchs schloss
sich ein Verfahren vor dem Sozialgericht an. Nach Durchführung einer Beweisaufnahme
zur Höhe der entstehenden Fahrtkosten bei Durchführung der Umgangskontakte erteilte
der Vorsitzende dem Antragsteller u. a. den rechtlichen Hinweis, dass grundsätzlich ein
Anspruch auf anteiliges Sozialgeld in Betracht komme, dieser aber durch die Kinder
selbst, vertreten durch die gesetzlichen Vertreter, gestellt werden müsse. Sein daraufhin
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bei der AfB gestellter Antrag auf Auszahlung des anteiligen Sozialgeldes für die drei
Kinder während der Besuchskontakte bei ihm wurde dahingehend beantwortet, dass
über den Antrag entschieden werden könne, wenn die Vollmachten beider gesetzlicher
Vertreter vorlägen. In einem weiteren Schreiben teilte die AfB mit, der Lebensmittelanteil
für die Kinder betrage je Tag bis August 2010 insgesamt 9,62 € und ab September 2010
je Tag insgesamt 9,74 €.
Der Antragsteller hat sein Begehren zunächst im Wege der einstweiligen Anordnung
geltend gemacht (Az. 10 F 324/10). Sein Antrag wurde durch Beschluss des
Amtsgerichts vom 16.7.2010 zurückgewiesen. Im vorliegenden Hauptsacheverfahren
macht der Antragsteller geltend, bereits der eigentlich für die Sommerferien
vorgesehene dreiwöchige Besuchskontakt der Kinder habe nicht stattfinden können,
weil ihm die finanziellen Mittel fehlen würden, um die Kinder zu versorgen. Aus diesem
Grund habe nach den Sommerferien auch nur ein Wochenendkontakt für zwei Stunden
stattfinden können.
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Die Kindesmutter weigert sich, die begehrte Zustimmung zu erteilen. Die Kosten für die
Ausübung des Umgangsrechts würden grundsätzlich den Umgangsberechtigten treffen.
Fahrtkosten würden nicht anfallen, da der Umgangspfleger die Kinder regelmäßig
transportiere. Der Antragsteller zahle keinen Kindesunterhalt. Es sei daher nicht
gerechtfertigt, wenn der Antragsteller Beteiligung an den Sozialleistungen verlange,
zumal für sie ein Teil der anfallenden Kosten auch dann weiterlaufe, wenn die Kinder
sich beim Vater aufhalten.
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Das Amtsgericht hat den Verfahrenskostenhilfeantrag zurückgewiesen, wobei es sich
zur Begründung zunächst auf seine Ausführungen im Verfahren auf Erlass einer
einstweiligen Anordnung bezogen hat. Dort hatte es u. a. ausgeführt, es bestehe keine
Anspruchsgrundlage für das Begehren. Es sei auch nicht unbillig, wenn die
Kindesmutter für die Zeit des Aufenthalts der Kinder beim Vater finanziell entlastet
werde, da sie laufende Kosten zu tragen habe und ihr monatlich rund 200 € weniger zur
Verfügung stehen, als wenn der Antragsteller den Mindestunterhalt für die Kinder zahlen
würde. Weiterhin hat es ausgeführt, nach der Entscheidung des Senats vom 30.9.2010
(Az. OLG Hamm 2 WF 200/10) könne der Antragsteller bei entsprechenden
Erwerbsbemühungen einen Stundenlohn von 9,- € brutto erzielen und bereits aus
diesem Grunde die Kosten der Beköstigung der Kinder während der Besuchskontakte
tragen.
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II.
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Die sofortige Beschwerde des Antragstellers ist zulässig und begründet.
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Die hinreichende Erfolgsaussicht der beabsichtigten Rechtsverfolgung ergibt sich aus §
1628 BGB, dessen Voraussetzungen vorliegen.
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Der Antrag auf Auszahlung des anteiligen Sozialgeldes ist gegenüber der zuständigen
Behörde durch den Antragsberechtigten, hier also die betroffenen drei Kinder zu stellen.
Da die Beteiligten aufgrund der insoweit bestehenden gemeinsamen elterlichen Sorge
die Kinder gemeinschaftlich vertreten, müsste der Antrag von beiden Beteiligten als
Vertreter der Kinder gestellt werden. Die Beteiligten können sich hinsichtlich dieser
einzelnen Angelegenheit der elterlichen Sorge nicht einigen; die Antragsgegnerin
verweigert die Mitwirkung.
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Die Regelung dieser Angelegenheit ist auch für die Kinder von erheblicher Bedeutung.
Denn nach dem Vortrag des Antragstellers hat sie direkten Einfluss auf die
Durchführung der Umgangskontakte. Auf die obigen Ausführungen wird Bezug
genommen.
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Die vom Antragsteller beabsichtigte Vorgehensweise entspricht auch dem Kindeswohl
am besten, was maßgebliches Kriterium für die Entscheidung nach § 1628 BGB ist
(Palandt/Diederichsen, BGB, 69. Auflage, § 1628 Rn. 6). Der Antragsteller ist nach
seinen Angaben auf das anteilige Sozialgeld angewiesen, um die Umgangskontakte in
angemessener Weise durchführen zu können. Tatsächlich haben in der Vergangenheit
mehrfach Umgangskontakte nicht stattgefunden, nach Angaben des Antragstellers aus
finanziellen Gründen. Eine regelmäßige Durchführung der Umgangskontakte liegt
allerdings im Interesse der Kinder.
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Soweit das Amtsgericht anführt, unterhaltsrechtlich werde der Antragsteller so
behandelt, als würde er ein Arbeitseinkommen mit einem Stundenlohn von 9,- €
erzielen, kommt es hierauf im vorliegenden Verfahren nicht an. Denn
streitgegenständlich ist der Anspruch auf Leistungen nach dem SGB II, der unabhängig
von der im Unterhaltsrecht vorzunehmenden Einkommensfiktion, die dem Sozialrecht
fremd ist, besteht.
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Schützenswerte Interessen der Antragsgegnerin stehen nicht entgegen. Deren
Anspruch auf Auszahlung der SGB II-Leistungen wird – je nach Entscheidung der
Verwaltungsbehörde – allenfalls in Höhe des auf die Dauer des Aufenthalts der Kinder
beim Antragsteller entfallenden Lebensmittelanteils gekürzt. Da die Antragsgegnerin die
Kinder in dieser Zeit jedoch nicht verpflegen muss, werden ihre Interessen nicht in
schützenswerter Weise berührt. Eine unzulässige indirekte teilweise Überwälzung der
Umgangskosten vom Antragsteller auf sie liegt danach nicht vor. Hinsichtlich der von ihr
angeführten laufenden Kosten für Miete etc. findet eine Kürzung des Sozialgeldes nicht
statt. Schließlich ist auch das Argument des Amtsgerichts, die Antragsgegnerin habe
derzeit ohnehin weniger Geld zur Verfügung, weil der Antragsteller keinen
Kindesunterhalt zahle, obwohl er bei gehöriger Anstrengung hierzu in der Lage wäre,
nicht tragfähig. Denn im vorliegenden Verfahren ist, wie ausgeführt, auf die
tatsächlichen Verhältnisse abzustellen.
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