Urteil des OLG Hamm vom 05.02.1980

OLG Hamm (gemeinschaftliches eigentum, verwaltung, wiederherstellung des ursprünglichen zustandes, gegenstand des verfahrens, gesetz, eigentum, verwalter, vereinbarung, fenster, beschwerde)

Oberlandesgericht Hamm, 15 W 277/79
Datum:
05.02.1980
Gericht:
Oberlandesgericht Hamm
Spruchkörper:
15. Zivilsenat
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
15 W 277/79
Vorinstanz:
Landgericht Essen, 7 T 266/79
Tenor:
Der angefochtene Beschluß wird aufgehoben. Auf die sofortige
Beschwerde des Beteiligten zu 1) vom 12. August 1979 wird der
Beschluß des Amtsgerichts Essen-Steele vom 24. Juli 1979
aufgehoben.
Die Beschlüsse der Wohnungseigentümer der
Wohnungseigentumsanlage ... und ... in ... vom 12. März 1979 zu den
Tagesordnungspunkten 4 b und 4 c werden für ungültig erklärt.
Die Gerichtskosten der Verfahren erster, zweiter und dritter Instanz
werden den Beteiligten zu 2) bis 83) als Gesamtschuldnern auferlegt.
Eine Erstattung außergerichtlicher Kosten findet in den drei Instanzen
nicht statt.
Der Wert des Gegenstandes der zweiten - insoweit in Abänderung des
angefochtenen Beschlusses - und dritten Instanz wird auf je 5.000,- DM
festgesetzt.
Gründe
1
1)
2
Die Beteiligten zu 1) bis 83) sind Wohnungseigentümer innerhalb der aus mehreren
Gebäuden bestehenden Wohnungseigentumsanlage ... und ... in ... die von der
Beteiligten zu 84) verwaltet wird.
3
In einer Eigentümerversammlung vom 12. März 1979 haben die anwesenden
stimmberechtigten Wohnungseigentümer unter anderem beschlossen:
4
zu Punkt 4 a der Tagesordnung mit 54 Ja-Stimmen gegen 4 Nein-Stimmen,
5
"den Außenanstrich sämtlicher Fenster und Balkontüren sowie der Holzelemente in den
Loggien einschließlich Nacharbeiten der Kittfalze an den Innenseiten der Fenster und
Türscheiben durchführen zu lassen und gleichzeitig den Verwaltungsbeirat sowie die
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Türscheiben durchführen zu lassen und gleichzeitig den Verwaltungsbeirat sowie die
Wohnungseigentümer Hartwich, Nykamp und Tüllmann in Zusammenarbeit mit dem
Verwalter zu ermächtigen, über die endgültige Auftragsvergabe bis 15. Mai 1979 zu
entscheiden;"
zu Punkt 4 b der Tagesordnung mit 54 Ja-Stimmen gegen 4 Nein-Stimmen,
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"die Stahlgitter der Balkone auf dem Wege der Eigenhilfe zu streichen, wobei die Farbe
von der Gemeinschaft zu Lasten der Instandhaltungsrücklage zur Verfügung gestellt
werde und die Arbeiten bis zum 30. September 1979 auszuführen seien;"
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zu Punkt 4 c der Tagesordnung mit 52 Ja-Stimmen gegen 6 Nein-Stimmen,
9
"den Anstrich der Balkonunterseiten sowie der Stirnseiten und Brüstungen der Loggien
(innen) auf dem Wege der Eigenhilfe zu erneuern, wobei die Farbe (Grundfarbe weiß)
von jedem Wohnungseigentümer selbst zu beschaffen sei"
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§ 7 Abs. 1 der für die Wohnungseigentümergemeinschaft maßgebenden
Teilungserklärung vom 30. Mai 1974 bestimmt, daß die Instandhaltung der zum
gemeinschaftlichen Eigentum gehörenden Teile des Gebäudes einschließlich der
äußeren Fenster und des Grundstücks der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer
obliegt; sie ist vom Verwalter zu veranlassen. Nach § 5 Abs. 3 der Teilungserklärung
dürfen die Wohnungseigentümer die im gemeinschaftlichen Eigentum stehenden Teile
des Gebäudes nicht eigenmächtig verändern. Dies gilt auch für den Außenanstrich des
Gebäudes, der Fenster, Rolläden, Loggien- bzw. Balkonverkleidungen und der
Wohnungsabschlußtüren. Änderungen der äußeren Gestalt oder des Anstriches der
Gebäude bedürfen des Beschlusses der Wohnungseigentümerversammlung mit
einfacher Mehrheit.
11
2)
12
Mit Schreiben vom 2. April 1979, das am 3. April 1979 beim Amtsgericht Essen-Steele
eingegangen ist, hat der Beteiligte zu 1) beantragt, die Beschlüsse der
Eigentümerversammlung vom 12. März 1979 zu den Tagesordnungspunkten 4 b und 4 c
für ungültig zu erklären. Er hat zur Begründung seines Antrages vorgetragen, sowohl die
Stahlgitter der Loggien als auch die Balkonunterseiten und -stirnseiten seien
gemeinschaftliches Eigentum. Es sei eine angemessene Instandhaltungsrücklage zur
Durchführung ordnungsgemäßer Instandhaltungsarbeiten am gemeinschaftlichen
Eigentum vorhanden. Beschlüsse, Instandhaltungsarbeiten in Eigenhilfe durchzuführen,
bedürften der Zustimmung alter 83 Wohnungseigentümer; ein Mehrheitsbeschluß
genüge nicht. Diejenigen Wohnungseigentümer, die derartige Selbst- oder
Eigenhilfearbeiten nicht selbst durchführen könnten und Handwerker auf eigene Kosten
beauftragen müßten, würden mit höheren Kosten belastet als diejenigen, die die
Eigenhilfearbeiten durchzuführen imstande seien. Das Gleichheitsprinzip werde verletzt.
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Diesem Antrag sind verschiedene Wohnungseigentümer entgegengetreten. Sie haben
im wesentlichen geltend gemacht: Für diese von jedem schnell und billig zu erledigende
Verschönerungsarbeiten am Gemeinschaftseigentum bedürfe es lediglich eines
Mehrheitsbeschlusses. Faktisch beinhalteten diese Arbeiten nichts anderes als die
Instandhaltung des Sondereigentums, zu der der Eigentümer nach § 7 Abs. 2 der
Teilungserklärung ohnehin verpflichtet sei. Wohnungseigentümer, die zur Selbsthilfe
nicht imstande seien, würden nicht stärker belastet als solche, die die angesprochenen
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Instandhaltungsarbeiten selbst ausführen könnten, da auch Selbsthilfearbeiten
bewertbar seien. Der einzelne Wohnungseigentümer habe bei Bestellung eines
Handwerkers in der Regel den gleichen Betrag für die Arbeit zu entrichten wie im Falle
der Vergabe durch den Verwalter. Indes würden die Wohnungseigentümer, die gerne
selbst diese Arbeit verrichteten, zumindest finanzielle entlastet. Außerdem habe eine
Reihe von Wohnungseigentümern - berechtigt durch einen Eigentümerbeschluß - auf
eigene Kosten die Seiten- und Stirnflächen der Loggien plattiert und damit der
Gemeinschaft auf Jahre Unterhaltungsarbeiten erspart; solche Eigentümer könnten
billigerweise nicht mit Kosten für Verschönerungsarbeiten an Loggien belastet werden,
die nicht der eigenen Nutzung unterlägen. Andere hätten die teilweise vorhandenen
Nischen auf den Loggien durch den Einbau eines Holzelementes mit Tür geschlossen.
Nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung hat das Amtsgericht Essen-Steele
durch Beschluß vom 24. Juli 1979 den Antrag des Beteiligten zu 1) auf Aufhebung der
Eigentümerbeschlüsse vom 12. März 1979 zu den Tagesordnungspunkten 4 b und 4 c
zurückgewiesen.
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Die sofortige Beschwerde des Beteiligten zu 1) vom 12. August 1979 hat das
Landgericht, nachdem der beauftragte Richter der Beschwerdekammer eine mündliche
Verhandlung vom 27. September 1979 durchgeführt hatte, durch Beschluß vom 29.
Oktober 1979 zurückgewiesen. Gegen diese Entscheidung richtet sich die sofortige
weitere Beschwerde des Beteiligten zu 1) vom 16. Oktober (richtig: November) 1979.
16
II.
17
Das Rechtsmittel ist statthaft, in rechter Form und Frist eingelegt und auch sonst
zulässig (§§ 43 Abs. 1 Nr. 4, 45 Abs. 1 WEG, 27, 29 FGG). Die Beschwerdebefugnis des
Beteiligten zu 1) ergibt sich schon daraus, daß seine sofortige erste Beschwerde
erfolglos geblieben ist.
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Die sofortige weitere Beschwerde ist auch begründet, weil die
Beschwerdeentscheidung auf einer Verletzung des Gesetzes beruht (§ 27 FGG). Sie
führt zur Aufhebung der land- und amtsgerichtlichen Entscheidung und zur
Ungültigerklärung des Beschlusses der Wohnungseigentümer vom 12. März 1979 zu
den Tagesordnungspunkten 4 b und 4 c. Das Landgericht hat die Voraussetzungen für
die Zulässigkeit eines Mehrheitsbeschlusses gemäß § 21 Abs. 3 WEG verkannt.
19
1)
20
In verfahrensrechtlicher Hinsicht ist das Landgericht zutreffend von einer zulässigen
Erstbeschwerde des Beteiligten zu 1) ausgegangen (§§ 43 Abs. 1 Nr. 4, Abs. 4 Nr. 2, 45
Abs. 1 WEG, 19, 21 FGG). Weitere Erfordernisse - die in der Beschwerdeentscheidung
nicht ausdrücklich erörtert worden sind - waren gleichfalls gegeben: Die Zulässigkeit der
gewählten Verfahrensart folgt aus § 43 Abs. 1 Nr. 4 WEG, der
Beschlußanfechtungsantrag ist innerhalb der Frist des § 23 Abs. 4 Satz 2 WEG von
einem antragsbefugtem Wohnungseigentümer gestellt; der Verpflichtung zur Zuziehung
aller Verfahrensbeteiligten und zur mündlichen Verhandlung mit dem Versuch einer
Schlichtung (§§ 43 Abs. 4 Nr. 2 und 44 Abs. 1 WEG) ist die Vorinstanz gerecht
geworden.
21
2)
22
In der Sache begegnet die Beschwerdeentscheidung jedoch durchgreifenden
rechtlichen Bedenken. Gegenstand des Verfahrens ist die Anfechtung der Beschlüsse
der Wohnungseigentümer vom 12. März 1979 zu den Tagesordnungspunkten 4 b und 4
c. Im Anfechtungsverfahren nach § 43 Abs. 1 Nr. 4 WEG hat das Gericht nicht nur die Art
des Zustandekommens des Beschlusses zu prüfen, sondern auch die Fragen, ob er
dem Gesetz, der Gemeinschaftsordnung oder einer Vereinbarung der
Wohnungseigentümer sowie den Grundsätzen einer ordnungsgemäßen Verwaltung (§
21 Abs. 2 WEG) entspricht (Beschluß des Senats vom 11. August 1970 - 15 W 232/69 -
= OLGZ 1971, 101; Palandt/Bassenge, BGB, 39. Aufl., Anm. 1 d zu § 43 WEG). Einen
Anfechtungsgrund in diesem Sinne stellt es dar, wenn die Wohnungseigentümer einen
Mehrheitsbeschluß über eine Angelegenheit gefaßt haben, welche einem solchen
Beschluß nicht zugänglich war, sondern Einstimmigkeit erfordert hätte (BGH, NJW
1970, 1316; Palandt/Bassenge, Anm. 5 c bb zu § 23 WEG). Die Zulässigkeit eines
Mehrheitsbeschlusses hat das Landgericht zu Unrecht bejaht.
23
a)
24
Da nach § 21 Abs. 1 WEG die Verwaltung des gemeinschaftlichen Eigentums im
Regelfall den Wohnungseigentümern gemeinschaftlich zusteht, können grundsätzlich
Verwaltungsmaßnahmen nur mit Zustimmung sämtlicher Wohnungseigentümer
getroffen werden (Amtl. Begründung zum Entwurf eines WEG; BRatsDrucks. 75/51).
Nach § 21 Abs. 3 WEG können jedoch die Wohnungseigentümer, soweit die
Verwaltung des gemeinschaftlichen Eigentums nicht durch Vereinbarung der
Wohnungseigentümer geregelt ist, eine der Beschaffenheit des gemeinschaftlichen
Eigentums entsprechende ordnungsgemäße Verwaltung durch Stimmenmehrheit
beschließen. Der Mehrheitsbeschluß ist nur innerhalb bestimmter rechtlicher Schranken
möglich. Er ist nur zulässig über Angelegenheiten im Sinne von § 25 Abs. 1 WEG, also
nicht über solche, die Einstimmigkeit erfordern. Solche Grenzen sind die Ergänzung und
Abweichung vom Gesetz (vgl. § 10 Abs. 1 und 2 WEG), die Abänderung von
Vereinbarungen (soweit diese nicht selbst Mehrheitsbeschlüsse zulassen),
Verfügungshandlungen und bauliche Veränderungen und Aufwendungen im Sinne von
§ 22 WEG (Palandt/Bassenge, Anm. 3 zu § 21 WEG; Soergel/Baur, BGB, 11. Aufl., Rz. 3
zu § 21 WEG). Diese Grenzen sind durch die beiden Mehrheitsbeschlüsse vom 12.
März 1979 überschritten worden. Das Landgericht hat verkannt, daß beide Beschlüsse
einen von den Vorschriften des Wohnungseigentumsgesetzes abweichenden Inhalt
haben.
25
Beschlußinhalte waren hier das Streichen der Stahlgitter der Balkone sowie der
Balkonunterseiten, ferner der Stirnseiten und Brüstungen der Loggien (innen). Betroffen
sind damit Gegenstände des gemeinschaftlichen Eigentums, das im Miteigentum der
Beteiligten zu 1) bis 83) steht. Als gemeinschaftliches Eigentum sind Abschlußgitter und
Bodenplatten von Balkonen (BayObLGZ 1974, 269; Palandt/Bassenge, Anm. 4 b zu § 1
WEG) ebenso anerkannt wie Außenseiten der Balkone und Balkonzwischenwände
(OLG Frankfurt, NJW 1975, 2297; Palandt/Bassenge, a.a.O.). Die ordnungsmäßige
Instandhaltung dieses gemeinschaftlichen Eigentums - dazu gehört die Erneuerung des
Anstrichs als Wiederherstellung des ursprünglichen Zustandes dieser Bauteile - gehört
als Gemeinschaftsaufgabe zu einer ordnungsmäßigen, dem Interesse der Gesamtheit
der Wohnungseigentümer entsprechenden Verwaltung (§ 21 Abs. 5 Nr. 2 WEG) und ist
daher von der Instandhaltung des Sondereigentums abzugrenzen, die dem einzelnen
Wohnungseigentümer obliegt. Für Fragen der Instandhaltung und Instandsetzung im
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Rahmen der ordnungsmäßigen Verwaltung ist in erster Linie die Gemeinschaft der
Wohnungseigentümer durch Beschlußfassung in der Versammlung zuständig.
Außerdem ist auch die Zuständigkeit des Verwalters, der nach § 20 Abs. 2 WEG
zwingend zu bestellen ist, gemäß § 27 Abs. 1 Nr. 2 und Abs. 2 Nr. 2 WEG zu beachten.
Danach gehört es zu den Aufgaben und Befugnisses des Verwalters, die für die
ordnungsmäßige Instandhaltung und Instandsetzung des gemeinschaftlichen
Eigentums erforderlichen Maßnahmen zu treffen und die damit zusammenhängenden
Zahlungen und Leistungen zu bewirken und entgegenzunehmen. Diese selbständige
Zuständigkeit des Verwalters kann nach § 27 Abs. 3 WEG durch Vereinbarung der
Wohnungseigentümer nicht eingeschränkt werden. Alle mit der ordnungsmäßigen
Instandhaltung und Instandsetzung verbundenen Kosten sind Kosten der Verwaltung im
Sinne des § 16 Abs. 2 WEG. Nach dem Gesetz tragen die Wohnungseigentümer zu der
gemeinschaftlichen Verwaltung durch anteilige Geldleistungen bei. Zur
ordnungsmäßigen Verwaltung gehört daher die Ansammlung einer angemessenen
Instandhaltungsrückstellung (§ 21 Abs. 5 Nr. 4 WEG), die als gemeinschaftliches Geld
vom Verwalter zu verwalten ist (§ 27 Abs. 1 Nr. 4 WEG). Der Verwalter hat die ihm
gemäß § 27 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 Nr. 2 WEG obliegenden Verwaltungsaufgaben nach
Maßgabe des Wirtschaftsplans (vgl. § 28 Abs. 1 Nr. 3 und Abs. 2 WEG) unter
Verwendung der gemeinschaftlichen Mittel durchzuführen. Die Instandhaltungsarbeiten
sind nach dem Gesetz demnach aus der Instandhaltungsrücklage zu finanzieren.
Die beiden angefochtenen Mehrheitsbeschlüsse weichen von dieser gesetzlichen
Regelung ab. Sie verpflichten den einzelnen Wohnungseigentümer hinsichtlich der
Instandhaltung gemeinschaftlichen Eigentums zu einer persönlichen Dienstleistung
gegenüber der Gemeinschaft, obwohl der Eigentümerversammlung durch das Gesetz
keine Befugnis dazu eingeräumt worden ist. Derartige Mehrheitsbeschlüsse sind daher
als inhaltlich unzulässig anzusehen (KG, OLGZ 1978, 146 = Rpfleger 1978, 146 = WEM
1978, 54). Dieser Auffassung stimmt der Senat zu. Dabei macht es keinen Unterschied,
ob diese persönlichen Leistungen durch Eigenarbeit (persönliche Vornahme der
Anstriche) oder durch die Veranlassung von Drittleistungen (Beauftragung eines
Handwerkers usw.) erbracht werden, was das Landgericht ebenfalls verkannt hat. Denn
in beiden Fällen wird der Wohnungseigentümer in bezug auf das gemeinschaftliche
Eigentum zu einer persönlichen Tätigkeit angehalten, mag diese in der Vornahme des
Anstrichs oder in der Beauftragung eines Dritten bestehen, obwohl er nach dem Gesetz
auf die Kostenübernahme der durch die Organe der Wohnungseigentümergemeinschaft
zu veranlassenden Tätigkeit beschränkt ist.
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Der Beteiligte zu 1) betont mit Recht, daß diese gesetzliche Regelung auch durchaus
sinnvoll ist. Im Regelfall ist die Instandhaltung des gemeinschaftlichen Eigentums
einheitlicher und wirtschaftlicher gewährleistet, wenn sie zentral durchgeführt und nicht
den einzelnen Wohnungseigentümern überlassen wird. Auch mögen viele Erwerber von
Wohnungseigentum gerade in der rechtlich so ausgestalteten Pflege des
gemeinschaftlichen Eigentums einen Vorteil gegenüber dem Eigenheim sehen, weil sie
sich dann nicht mehr - abgesehen von der Kostenübernahme und der Mitwirkung im
Beschlußorgan der Wohnungseigentümer Versammlung - um die Instandhaltung und
Instandsetzung des Objekts persönlich bemühen müssen.
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Die gesetzliche Regelung, daß sich die Verpflichtung des Wohnungseigentümers im
Hinblick auf die Instandhaltung und Instandsetzung des gemeinschaftlichen Eigentums
auf die anteilige Übernahme der. Kosten beschränkt und nicht die Heranziehung zu
persönlichen Dienstleistungen beinhaltet, gilt nach der Auffassung des Kammergerichts
29
(a.a.O.) dann nicht, wenn die Wohnungseigentümer eine Vereinbarung über persönliche
Dienstleistungen getroffen haben oder wenn bei deren Fehlen im Einzelfall die
Verpflichtung des einzelnen Eigentümers, sich zu persönlichen Dienstleistungen
heranziehen zu lassen, im Wege der Auslegung der Teilungserklärung und der sonst
bestehenden Vereinbarungen unter Berücksichtigung der besonderen Verhältnisse der
Gemeinschaft und der örtlichen Gegebenheiten festgestellt werden kann. Auch diese
Auffassung führt hier nicht zur Zulässigkeit der beiden Mehrheitsbeschlüsse.
Die Teilungserklärung vom 30. Mai 1974 enthält keine ausdrückliche Befugnis der
Eigentümerversammlung, von den einzelnen Wohnungseigentümern tätige Mitarbeit bei
der Instandhaltung des gemeinschaftlichen Eigentums allgemein oder in bezug auf
bestimmte Teile verlangen zu können. Die Erklärung knüpft vielmehr an die gesetzliche
Regelung an. Nach § 4 der Teilungserklärung bestimmt sich nämlich das Verhältnis der
Wohnungseigentümer untereinander nach den Vorschriften der §§ 10 bis 29 WEG,
soweit im folgenden nicht etwas anderes geregelt ist. Der Einsatz persönlicher
Dienstleistungen wird in den folgenden Bestimmungen nicht anerkannt. Nach § 7 Abs. 1
der Teilungserklärung obliegt im Gegenteil die Instandhaltung der zum
gemeinschaftlichen Eigentum gehörenden Teile des Gebäudes einschließlich der
äußeren Fenster und des Grundstücks der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer und
ist vom Verwalter zu veranlassen. § 13 Nr. 1 Buchstabe e der Teilungserklärung sieht
vor, daß die Wohnungseigentümer zur Ansammlung einer Instandhaltungsrückstellung
für das gemeinschaftliche Eigentum verpflichtet sind und zu diesem Zweck einen
jährlichen Betrag nach § 21 Abs. 5 Nr. 4 WEG zu entrichten haben, der sich nach der
jeweiligen Wohnfläche errechnet. Mag auch die Teilungserklärung bei der jeweiligen
Erläuterung des Sondereigentums neben den anderen Räumen die Loggien
ausdrücklich nennen, so ist deshalb nicht die Instandhaltung angrenzender Teile des
Gemeinschaftseigentums derjenigen des Sondereigentums zugeordnet, zumal auch
andere Räume des Sondereigentums an Teile des Gemeinschaftseigentums grenzen,
ohne daß diese Teile durch den jeweiligen Wohnungseigentümer instandzuhalten
wären. Eine derartige Zuordnung würde solche Teile im übrigen ganz den
Instandhaltungsbeschlüssen der Wohnungseigentümer entziehen. Sie fehlt auch in der
Teilungserklärung vom 30. Mai 1974, nach deren § 5 Nr. 3 Satz 2 die
Wohnungseigentümer den Außenanstrich des Gebäudes, der Fenster, Rolläden,
Loggien- bzw. Balkonverkleidungen und der Wohnungsabschlußtüren nicht
eigenmächtig verändern dürfen. Wenn nach § 5 Nr. 3 Satz 3 der Teilungserklärung
Änderungen der äußeren Gestalt oder des Anstrichs der Gebäude nur des Beschlusses
der Wohnungseigentümerversammlung mit einfacher Mehrheit bedürfen, so ist damit
erkennbar der Beschluß über das Erfordernis der Änderung - möglicherweise auch als
eines über die Instandhaltung und Instandsetzung hinausgehenden Eingriffs - gemeint.
Einen anderen Beschlußgegenstand bildet demgegenüber die Art, in der die
Instandhaltungsmaßnahme durchzuführen ist, indem entweder (als gemeinschaftliche
Verwaltung) der Verwalter unter Verwendung gemeinschaftlicher Mittel hierfür das
Erforderliche veranlaßt oder aber (als Sonderverwaltung) die Wohnungseigentümer
Teile des Gemeinschaftseigentums durch tätige Mithilfe instandsetzen.
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Im Wege der Auslegung der Teilungserklärung oder sonstiger Vereinbarungen in
Verbindung mit besonderen Verhältnissen der Gemeinschaft ergibt sich ebenfalls keine
Zulässigkeit des Mehrheitsbeschlusses. Es fehlen bereits Anknüpfungspunkte für eine
Auslegung. Die Versammlung der Wohnungseigentümer hat allerdings am 24. Juni
1976 unter Punkt 9 der Tagesordnung beschlossen, daß die Kachelung der Loggien zu
Lasten derjenigen Wohnungseigentümer, die dies wünschen, genehmigt werde. Aber
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dieser Beschluß hatte nur eine Gestattung und nicht eine Verpflichtung zur tätigen
Mithilfe zum Inhalt. Hätte er zu einer tätigen Mithilfe verpflichtet, dann wäre er ebenfalls
nicht aus einer Vereinbarung abzuleiten gewesen. Aus der Tatsache der unterbliebenen
Anfechtung dieses nicht von allen Wohnungseigentümern gefaßten Beschlusses ließe
sich nicht ableiten, daß die Wohnungseigentümer dem Gesetz und der
Teilungsvereinbarung zuwider in der Folgezeit zu Dienstleistungen zum Zwecke der
Instandhaltung von Teilen des gemeinschaftlichen Eigentums herangezogen werden
können. Außerdem hat sich in der mündlichen Verhandlung des Landgerichts
herausgestellt, daß die damals interessierten Wohnungseigentümer nicht entlastet
werden sollten, soweit es um den Anstrich der übrigen Loggien gehe.
Die örtlichen Gegebenheiten legen schließlich auch nicht die Zulässigkeit eines
Mehrheitsbeschlusses nahe, der schon im Wege der Auslegung der Teilungserklärung
nicht entnommen werden könnte. Es ist auch bei vergleichbaren großen
Mietwohnblöcken nicht üblich, daß die Mieter den Anstrich derartiger Gebäudeteile
übernehmen.
32
Die Ausführungen des Landgerichts zur Begründung seiner Ansicht, daß die
angefochtenen Beschlüsse einer ordnungsmäßigen Verwaltung entsprechen, die die
Interessen der Gesamtheit der Wohnungseigentümer berücksichtigt, treffen nicht die
Rechtslage. Nach § 21 Abs. 4 WEG kann zwar jeder Wohnungseigentümer eine dem
Interesse der Gesamtheit der Wohnungseigentümer entsprechende Verwaltung nach
billigem Ermessen verlangen, soweit Vereinbarungen oder Beschlüsse nicht vorliegen.
Dieses Verlangen hat aber dort Grenzen, wo das Gesetz eine bestimmte Verwaltung
vorschreibt, das Verlangen von dieser gesetzlichen Regelung abweicht und auch nicht
durch eine Vereinbarung der Wohnungseigentümer gedeckt wird.
33
b)
34
Da bereits die Unzulässigkeit eines auf § 21 Abs. 3 WEG beruhenden
Mehrheitsbeschlusses aus der dem Gesetz fremden Befugnis der
Eigentümerversammlung folgt, den Wohnungseigentümern eine Verpflichtung zur
tätigen Mithilfe aufzuerlegen, ist keine Stellungnahme zu der weiteren Frage
erforderlich, ob selbst eine entsprechende Vereinbarung im Hinblick darauf, daß die den
Wohnungseigentümern gemäß § 21 Abs. 1 WEG zustehende gemeinschaftliche
Verwaltung durch die in §§ 26-28 WEG geregelten Aufgaben des Verwalters
eingeschränkt ist, hingenommen werden könnte. Das Kammergericht (a.a.O.) hat mit
beachtlichen Erwägungen gemeint, das Gesetz begründe für die Durchführung der
Instandhaltungsmaßnahmen eine doppelte Zuständigkeit, wenn es auch in ersten Linie
die Aufgabe der Eigentümer sein möge, über die einzelnen Instandhaltungsmaßnahmen
mehrheitlich zu beschließen, und vornehmlich Sache des Verwalters, diese Beschlüsse
auszuführen. Immerhin dürfte dies Auffassung an § 27 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 Nr. 3, Abs. 3
WEG zu messen sein (Palandt/Bassenge, Anm. 1 zu § 21 WEG).
35
c)
36
Zusammenfassend fehlte der Wohnungseigentümerversammlung vom 12. März 1979
mithin die Befugnis für die beiden Mehrheitsbeschlüsse. Die Versammlungsmehrheit
durfte den einzelnen Wohnungseigentümern nicht in Form tätiger Mithilfe bei der
Instandsetzung gemeinschaftlichen Eigentums mehr Pflichten auferlegen, als sie nach
dem Gesetz und der Teilungsvereinbarung zu erfüllen hatten. Dies entfernte sich vom
37
Grundsatz der gemeinschaftlichen Verwaltung (§ 21 Abs. 1 WEG) in Richtung auf eine
gesonderte Verwaltung der einzelnen Eigentümer in einem Teilbereich. Ob ein
Mehrheitsbeschluß dahin rechtlich zulässig gewesen wäre, den einzelnen
Wohnungseigentümer von der auf ihn entfallenden Umlage der Anstrichkosten zu
befreien, wenn er selbst Pflegearbeiten in einem bestimmten Bereich
gemeinschaftlichen Eigentums übernimmt, bedarf im Hinblick auf die vorliegenden
Beschlüsse keiner Entscheidung. Die beiden Mehrheitsbeschlüsse sind daher für
ungültig zu erklären. Um diesen gestaltenden Anspruch herbeiführen zu können, sind
der angefochtene Beschluß auf die sofortige weitere und der Beschluß des
Amtsgerichts vom 24. Juli 1979 auf die sofortige erste Beschwerde des Beteiligten zu 1)
aufzuheben.
3
38
a)
39
Die Kostenentscheidungen folgen aus § 47 Satz 1 und 2 WEG. Angesichts ihres
Unterliegens entspricht es dem billigem Ermessen, die Gerichtskosten der drei
Instanzen den Beteiligten zu 2) bis 83) als Gesamtschuldnern aufzuerlegen. Eine
Erstattungsanordnung hinsichtlich außergerichtlicher Kosten der Instanzen hat der
Senat entsprechend dem Grundsatz, daß jeder Beteiligte seine Kosten selbst zu tragen
hat und eine Kostenerstattung nur ausnahmsweise bei besonderen Gründen
anzuordnen ist (vgl. Palandt/Bassenge, Anm. 2 b zu § 47 WEG), nicht getroffen. Ein
Ausnahmefall, der eine Erstattungsanordnung nahelegen würde, liegt nicht vor.
40
b)
41
Die Wertfestsetzung für beide Beschwerdeinstanzen folgt aus § 48 Abs. 2 WEG, wobei
der Senat hinsichtlich der Festsetzung zweiter Instanz von der Abänderungsbefugnis
des § 31 Abs. 1 Satz 2 KostO Gebrauch gemacht hat. Der hier maßgebliche
Verfahrensgegenstand (Beschlüsse über Anstreicherarbeiten durch tätige Mithilfe) ist
nur einer einheitlichen Betrachtung und Wertung zugänglich. Alle Wohnungseigentümer
einschließlich der Verwalterin konnten die beiden Beschlüsse - mit Rechtskraftwirkung
der Entscheidung für und gegen alle Beteiligten (§ 45 Abs. 2 Satz 2 WEG) - gerichtlich
überprüfen lassen (§ 43 Abs. 1 Nr. 4 WEG). Es ist daher nicht angebracht, die
Geschäftswerte nach dem Interesse der einzelnen Wohnungseigentümer aufzuspalten
(BayOLG, Rpfleger 1979, 386;Palandt/Bassenge, Anm. 2 zu § 48 WEG), wie es
erkennbar das Landgericht getan hat. Da es sich hier um eine größere Wohnanlage mit
83 Eigentumswohnungen handelt und der Wert der nach den Tagesordnungspunkten 4
b und 4 c auszuführenden Arbeiten gemäß dem vom Beteiligten zu 1) vorgelegten
Kostenangebot der Firma Müller etwa 25.000,- DM betragen soll, erscheint angesichts
der Bedeutung der Angelegenheit ein Geschäftswert von je 5.000,- DM für beide
Beschwerdeinstanzen angemessen.
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