Urteil des OLG Hamm vom 19.02.1980

OLG Hamm (grunddienstbarkeit, grundstück, eigentum, angemessene frist, dingliches recht, grundbuch, abtretung, eigentümer, errichtung, beschwerde)

Oberlandesgericht Hamm, 15 W 300/79
Datum:
19.02.1980
Gericht:
Oberlandesgericht Hamm
Spruchkörper:
15. Zivilsenat
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
15 W 300/79
Vorinstanz:
Landgericht Bielefeld, 3 T 466/79
Tenor:
Die weitere Beschwerde wird zurückgewiesen.
Der Wert des Gegenstandes der weiteren Beschwerde wird auf 5.000,-
DM festgesetzt.
Gründe:
1
I.
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1)
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Die Firma ... war ursprünglich Eigentümerin aller zusammenhängenden Grundstücke
Gemarkung ... Flur ... Flurstücke ... in .... Auf den Grundstücken Flur ... Flurstücke ... und
... hat sie ... Reihenhäuser errichtet. Die Grundstücke Flur ... Flurstücke ... und ... sind für
die Errichtung von Garagen bzw. Einstellplätzen vorgesehen worden.
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Die Beteiligten zu 1) und 2) sind neben 10 weiteren Personen zwischenzeitlich als
Miteigentümer zu je 1/12 Anteil des im Grundbuch von Gütersloh Blatt ... verzeichneten
Grundstücks Gemarkung Spexard Flur ... Flurstück ... eingetragen. Dieses Grundstück
ist mit ... Garagen (Nr. ...) bebaut. In Abt. II dieses Grundbuchs ist unter Nr. ... eine
Grunddienstbarkeit (nämlich das Recht, den Garagenplatz Nr. ... zur Errichtung und
Unterhaltung einer Garage zu nutzen) für den jeweiligen Eigentümer des Grundstücks
Gemarkung ... Flur ... Flurstück ... (Grundbuch von ... Blatt ...) eingetragen. Eigentümerin
dieses mit einem Reihenhaus bebauten herrschenden Grundstücks ist weiterhin die
Firma .... Dieses Grundstück war seit dem 4. September 1979 für die Eigentümerin
selbst mit einem Erbbaurecht belastet. Dieses Erbbaurecht hat die Firma ... durch
notariellen Vertrag vom 20. Oktober 1978 (Urkundenrolle Nr. ... des Notars ... in ...) an
die Beteiligten zu 1) und 2) zu je 1/2 Anteil veräußert, die ebenfalls am 4. September
1979 als Erbbauberechtigte zu diesen Anteilen im Grundbuch von ... Blatt ... eingetragen
worden sind.
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2)
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Der erwähnte notarielle Vertrag vom 20. Oktober 1978 ist im Hinblick auf die
Garagennutzung in der notariellen Verhandlung vom 10. August 1979 (Urkundenrolle
Nr. ... des Notars ... in ...) abgeändert worden. Es heißt darin u.a.:
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"§ 6 Abs. 1+2 bekommen folgende Fassung:
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Abs. 1:
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Die Verkäuferin verkauft an die Käufer von dem Grundstück Gemarkung ... Flur ...
Flurstück ... eingetragen beim Amtsgericht ... im Grundbuch von ... Blatt ... je 1/12
Miteigentumsanteil. Sie verkauft ferner an die Eheleute ... die Rechte aus der im
Grundbuch von ... Blatt ... eingetragenen Grunddienstbarkeit in Abt. ... Nr. ... auf
Benutzung der Garage Nr. .... Die Verkäuferin tritt hiermit diese Grunddienstbarkeit an
die jeweiligen Berechtigten aus dem auf dem Flurstück ... der Flur ... Gemarkung ... noch
einzutragenden Erbbaurecht ab. Diese werden als erstes die Käufer sein, die diese
Abtretung hiermit annehmen. Sie beantragen, die Abtretung im Grundbuch Blatt ... bei
der Post Abt. ... Nr. 1 ... einzutragen. ..."
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Mit Schriftsatz vom 16. August 1979 hat Notar ... beim Grundbuchamt ... unter Vorlage
von Ausfertigungen der Verhandlungen vom 20. Oktober 1978 und vom 10. August 1979
nebst weiterer Unterlagen beantragt, die in Abt. ... unter Nr. ... im Grundbuch von ... Blatt
... eingetragene Grunddienstbarkeit auf die jeweiligen Berechtigten des auf dem
Grundstück Gemarkung ... Flur ... Flurstück ... eingetragenen Erbbaurechts
umzuschreiben. Er hat die Abtretung einer Grunddienstbarkeit mit der Übereignung des
herrschenden Grundstücks der Abtretung der Grunddienstbarkeit an die Berechtigten
aus dem Erbbaurecht, welches auf dem Grundstück nachträglich bestellt wird,
gleichgestellt, da alle Herrschaftsrechte des Eigentümers auf den Erbbauberechtigten
übergegangen seien.
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Der Rechtspfleger des Grundbuchamts hat diesen Eintragungsantrag durch Beschluß
vom 4. September 1979 zurückgewiesen, da die Grunddienstbarkeit als Bestandteil des
herrschenden Grundstücks von diesem im Hinblick auf § 1019 BGB nicht getrennt,
vielmehr nur zusammen mit dem herrschenden Grundstück übertragen werden dürfe.
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Der Erinnerung der Beteiligten zu 1) und 2) vom 13. September 1979 haben
Rechtspfleger und Grundbuchrichter nicht abgeholfen.
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Die mit der Vorlage an das Rechtsmittelgericht als Beschwerde gegen den
zurückweisenden Beschluß des Rechtspflegers geltende Erinnerung ist vom
Landgericht durch Beschluß vom 30. Oktober 1979 zurückgewiesen worden. Hiergegen
richtet sich die weitere Beschwerde der Beteiligten zu 1) und 2) vom 3. Dezember 1979.
14
II.
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Das statthafte, in der rechten Form eingelegte und auch sonst zulässige Rechtsmittel
bleibt in der Sache ohne Erfolg, weil die angefochtene Beschwerdeentscheidung nicht
auf einer Verletzung des Gesetzes beruht (§ 78 GBO).
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1)
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Das Landgericht hat in der Sache auf die zulässige Erstbeschwerde der Beteiligten zu
1) und 2) die amtsgerichtliche Zurückweisung des gestellten Eintragungsantrages ohne
Rechtsfehler bestätigt. Steht einer beantragten Eintragung ein Hindernis entgegen, so
hat das Grundbuchamt entweder den Antrag unter Angabe der Gründe zurückzuweisen
oder dem Antragsteller eine angemessene Frist zur Hebung des Hindernisses zu
bestimmen (§ 18 Abs. 1 Satz 1 GBO). Die Wahl zwischen Zurückweisung und
Zwischenverfügung kommt nur in Betracht, wenn die Zurückweisung nicht zwingend
geboten ist. Ein derart zwingendes Gebot liegt vor, wenn der gestellte
Eintragungsantrag inhaltlich nicht vollziehbar ist (Herrmann in
Kuntze/Ertl/Herrmann/Eickmann - KEHE -, Grundbuchrecht, 2. Aufl., Rz. 20 zu § 18
GBO). Mit Recht ist das Landgericht davon ausgegangen, daß im Grundbuch nur solche
Eintragungen vorgenommen werden dürfen, die durch Rechtsnorm vorgeschrieben oder
zugelassen sind, dazu aber nicht die Abtretung einer Grunddienstbarkeit durch den
Eigentümer des herrschenden Grundstücks an den Berechtigten aus dem auf diesem
Grundstück lastenden Erbbaurecht gehört.
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2)
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Es entspricht der einhelligen Auffassung in Rechtsprechung und Schrifttum, daß eine
Grunddienstbarkeit nicht für sich allein auf einen anderen Berechtigten übertragen
werden kann. Das hat seinen Grund in der zwingenden gesetzlichen Ausgestaltung
dieser Rechtsfigur, die zu den typisierten Formen des Sachenrechts gehört und insoweit
keine Änderung zuläßt. Die Grunddienstbarkeit ist ihrem Wesen nach subjektiv dinglich.
Berechtigt aus ihr ist der jeweilige Eigentümer des herrschenden Grundstücks. Nach §
96 BGB ist eine Grunddienstbarkeit (§ 1018 BGB) Bestandteil des herrschenden
Grundstücks. Zwar kann sie in Wirklichkeit nicht Bestandteil der das Grundstück
bildenden Grundfläche sein; wohl aber muß sie als Bestandteil "gelten" und als solcher
behandelt werden. Wegen dieser Bestandteilseigenschaft kann sie nicht vom
herrschenden Grundstück getrennt werden, sondern wird vielmehr von den Verfügungen
mitergriffen, die das herrschende Grundstück betreffen. Diese Untrennbarkeit ergibt sich
aus § 1019 BGB, wonach die Grunddienstbarkeit notwendig einen Vorteil für das
Grundstück des Berechtigten bieten muß (KGJ 43 A 128, 132; Beschluß des Senats
vom 14. August 1979 - 15 W 182/79 -; Erman/Ronke, BGB, 6. Aufl., Rz. 13 vor § 1018
BGB; Palandt/Bassenge, BGB, 39. Aufl., Einf. 3 vor § 1018 BGB). Eine selbständige
Übertragung der dem jeweiligen Grundstückseigentümer zustehenden
Grunddienstbarkeit ist daher ausgeschlossen. Die Trennung der Grunddienstbarkeit
vom herrschenden Grundstück würde eine Änderung ihres Inhalts bedeuten und sie als
solche beseitigen (KG, OLG 34, 193). Infolge ihrer Untrennbarkeit vom herrschenden
Grundstück geht sie auf jeden Rechtsnachfolger im Eigentum des herrschenden
Grundstücks ohne weiteres über. Dem Ausschluß selbständiger Übertragbarkeit
entspricht die Unmöglichkeit einer Ausübungsüberlassung des Rechts ohne das
Grundstück (Westermann, Die Bestimmung des Rechtssubjekts durch Grundeigentum,
Seite 66).
20
3)
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Die Unübertragbarkeit der Grunddienstbarkeit gilt auch für den hier zu beurteilenden
Fall, daß dieses Recht vom Eigentümer des herrschenden Grundstücks auf den
Berechtigten an dem auf diesem Grundstück lastenden Erbbaurecht abgetreten wird.
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Den Beschwerdeführern ist zwar zuzugeben, daß das Erbbaurecht als
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grundstücksgleiches Recht angesehen wird (vgl. etwa Palandt/Bassenge, Anm. 2 b bb
zu § 873 BGB), die Benutzung des belasteten Grundstücks durch den Eigentümer auf
Zeit ausschließt und ferner ein im Sinne des § 1018 BGB Berechtigter auch der
jeweilige Inhaber eines grundstücksgleichen Rechts sein kann (Erman/Ronke, Rz. 4 zu
§ 1018 BGB; Palandt/Bassenge, Anm. 3 zu § 1018 BGB). Mit der Bestellung des
Erbbaurechts am herrschenden Grundstück wird jedoch entgegen der Meinung der
Beschwerdeführer nicht die Bestandteilseigenschaft der Grunddienstbarkeit im Hinblick
auf das herrschende Grundstück gelöst.
Bei der hier zu beurteilenden Grunddienstbarkeit wird der Träger des Rechts nämlich
allein durch das Eigentum am herrschenden Grundstück bestimmt. Eine
Rechtsnachfolge hinsichtlich des Grundstückseigentums, der die Grunddienstbarkeit
folgen würde, ist nicht eingetreten. Das Erbbaurecht ist zwar ein grundstücksgleiches
Recht, es kann aber nicht dem Eigentum als dem grundsätzlich unbeschränkten Recht
an der Sache gleichgestellt werden. Das Erbbaurecht gehört vielmehr zu den
beschränkt dinglichen Rechten, die, soweit sie reichen, die Rechtsmacht des
Hauptrechtsinhabers ausschließen. Die Rechtsmacht des Eigentümers wird im Hinblick
auf die Grunddienstbarkeit durch die Bestellung des Erbbaurechts nicht aufgehoben.
Das Erbbaurecht hat die Nutzung des belasteten Grundstücks zur Errichtung eines
Bauwerks und gegebenenfalls - wie hier - die vereinbarte Erstreckung auf den für das
Bauwerk nicht erforderlichen Teil des Grundstücks (§ 1 Abs. 2 ErbbauVO) zum Inhalt.
Hauptsache muß immer die Nutzung fremden Baugrundes bleiben. Diese Belastung
erfaßt nicht die Grunddienstbarkeit, die ausschließlich mit dem Eigentum am Grundstück
verbunden ist. Die Rechte und Pflichten aus dem Eigentum verbleiben aber auch nach
der Belastung mit dem Erbbaurecht allein bei dem Grundstückseigentümer (Ingenstau,
ErbbauVO, 4. Aufl., Rz. 7 zu § 1 ErbbauVO). Mag der Ausschluß der Rechtsmacht des
Eigentümers beim Erbbaurecht hinsichtlich Besitz und Nutzung des Grundstücks auch
weitgehend sein, so ändert das aber nichts an der hier vorliegenden, ursprünglich
vereinbarten Zuordnung der Grunddienstbarkeit zum jeweiligen Eigentümer des
herrschenden Grundstücks. Allein das Eigentum bestimmt bei ihr den Berechtigten.
Auch eine Abtretung an den Erbbauberechtigten würde eine selbständige, vom
vermittelnden Grundstückseigentum losgelöste sein, die das Gesetz nicht zuläßt.
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Das Landgericht hat in diesem Zusammenhang bedenkenfrei betont, daß der durch § 1
ErbbauVO gewährte Anspruch, das Grundstück in gewisser Weise, hauptsächlich durch
Errichtung eines Gebäudes, zu nutzen, nicht weitergehende Nutzungsrechte des
Eigentümers an den mit dem Eigentum am Grundstück verbundenen Rechten
ausschließe. So kann er beim hier vorliegenden Inhalt der Grunddienstbarkeit durchaus
ein Interesse daran haben, das Recht auf Einrichtung und Unterhaltung einer Garage zu
behalten, weil es eine Einnahmequelle bietet. Auch mag er daran interessiert sein, den
Bestand der Grunddienstbarkeit im Hinblick auf das Erlöschen des Erbbaurechts durch
Zeitablauf (§ 27 ErbbauVO) zu sichern.
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Rechtlich unangreifbar ist ferner die Auffassung des Landgerichts, daß der Hinweis der
Beschwerdeführer auf § 1025 BGB eine Abtretung der Grunddienstbarkeit nicht
rechtfertigen kann. Nach dieser Vorschrift besteht die Grunddienstbarkeit für die
einzelnen Teile fort, wenn das Grundstück des Berechtigten geteilt wird. Die Teilung in
mehrere selbständige Grundstücke ist nicht vergleichbar mit der Bestellung eines
beschränkt dinglichen Rechts am Eigentum des Gesamtgrundstücks; denn bei der
Teilung verbleibt es bei der Aufrechterhaltung, wenn auch Aufspaltung des
vermittelnden Eigentums.
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4)
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Das Landgericht hat den Beschwerdeführern im übrigen Wege aufgezeigt, mit deren
Hilfe sie in den Genuß der Rechte aus der Grunddienstbarkeit gelangen können.
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Ein solcher Weg besteht in der schuldrechtlichen Überlassung der Ausübung dieser
Rechte. Da bei der Grunddienstbarkeit das Eigentum den Berechtigten bestimmt, hat
auch der Besitzübergang am Grundstück, wie er bei der Bestellung eines Erbbaurechts
durch Einräumung des unmittelbaren Besitzes für den Erbbauberechtigten und Verbleib
des mittelbaren Besitzes an dem vom Erbbaurecht erfaßten Boden bei dem
Grundstückseigentümer eintritt (Ingenstau, Rz. 9 zu § 1 ErbbauVO), keinen Wechsel des
Berechtigten zur Folge. Es ist aber möglich, daß der Besitzer eine Befugnis zur
Ausübung des Rechts erhält (Staudinger/Ring, Rz. 5 zu § 1018 BGB; Westermann,
Seite 63). Die Ausübungsüberlassung ist in diesem Falle keine Trennung vom
Grundstück, sondern Ausfluß der Verbindung mit ihm. Im Einzelfall ist die
Ausübungsübertragung da zuzulassen, wo der Zweck der Besitzübertragung an dem
Grundstück es nahelegt, dem Besitzer auch die Vorteile des subjektiv dinglichen Rechts
zu gewähren (Westermann, Seite 63; Gierke, Deutsches Privatrecht, Band II, Seite 86).
Das ist bei dem Erbbauberechtigten durchaus der Fall, weil dieser nicht nur
unmittelbaren Besitz am herrschenden Grundstück erhält, sondern auch ein dingliches
Recht zur Nutzung fremden Baugrundes. Besteht, wie es hier vereinbart ist, die Nutzung
in der Errichtung und Unterhaltung eines Reiheneigenheimes, dann liegt es durchaus
im Rahmen dieses Zweckes der Besitzübertragung am herrschenden Grundstück, dem
Erbbauberechtigten auch Vorteile dieses Grundstücks durch Überlassung der
Ausübung der Grunddienstbarkeit, die auf dem Garagengrundstück lastet, einzuräumen.
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Unabhängig hiervon verbleibt als weitergehende Sicherung des Erbbauberechtigten die
Möglichkeit, die Grunddienstbarkeit für den jeweiligen Eigentümer des herrschenden
Grundstücks zu löschen und für den jeweiligen Erbbauberechtigten neu zu begründen.
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5)
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Die weitere Beschwerde ist unter diesen Umständen zurückzuweisen. Die
Wertfestsetzung beruht auf §§ 131 Abs. 2, 30 Abs. 1 in Verbindung mit § 22 KostO. Eine
Kostenentscheidung gemäß § 13 a Abs. 1 Satz 2 FGG ist nicht veranlaßt.
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