Urteil des OLG Hamm vom 30.11.2010

OLG Hamm (produkt, wirkung, werbung, verordnung, ernährung, management, uwg, lebensmittel, verbraucher, kläger)

Oberlandesgericht Hamm, I-4 U 88/10
Datum:
30.11.2010
Gericht:
Oberlandesgericht Hamm
Spruchkörper:
4. Zivilsenat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
I-4 U 88/10
Vorinstanz:
Landgericht Essen, 41 O 100/09
Tenor:
Die Berufung der Beklagten gegen das 10. März 2010 verkündete Urteil
der 1. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Essen wird
zurückgewiesen.
Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Der Beklagten bleibt nachgelassen, die Zwangsvollstreckung des
Klägers durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des zu
vollstreckenden Betra-ges abzuwenden, wenn nicht der Kläger vor der
Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
G r ü n d e
1
A.
2
Der Kläger ist ein Verband zur Bekämpfung unlauteren Wettbewerbs.
3
Die Beklagte wirbt im Internet unter der von ihr gehaltenen Domain
www.internetadresse.de mit den streitgegenständlichen Werbeaussagen, wie sie im
Tenor festgehalten sind, für Nahrungsergänzungsmittel, vorliegend für das Produkt "J-
Management". Wegen der genauen Darstellung wird auf die Anlage K 2/1 zur
Klageschrift Bezug genommen.
4
Der Kläger hat wie tenoriert Unterlassung einer Werbung für Lebensmittel mit
irreführenden Aussagen u.a. nach §§ 8 I, III Nr. 2; 3; 4 Nr. 11 UWG i.V.m. § 11 I Nr. 2
LFGB verlangt. In erster Instanz haben die Parteien im Detail über die Verbotswidrigkeit
der streitgegenständlichen Aussagen gestritten.
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Das Landgericht hat die Beklagte gemäß Tenor zu Ziff. I.1. mit dem insoweit
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angefochtenen Teilanerkenntnis- und Schlussurteil gestützt auf § 11 I Nr. 2 LFGB i.V.m.
§§ 8, 3, 4 Nr. 11 UWG zur Unterlassung der dort bezeichneten Werbeaussagen in
Bezug auf das Produkt "J-X-Management" verurteilt,
es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung zu verhängenden
Ordnungsgeldes bis zu 250.000,00 €, ersatzweise Ordnungshaft, oder einer
Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, zu vollziehen an dem Geschäftsführer, im
geschäftlichen Verkehr zu unterlassen, für das Produkt
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"J-X-Management" wie folgt zu werben:
8
1.
9
J-X-Management - zur gezielten Gewichtskontrolle
10
TV-bekannter Bestseller! Vergessen sie alles, was Sie bisher über das Abnehmen
gelesen oder gehört haben. Die meisten Diäten funktionieren einfach nicht, weil sie
die Intelligenz des Fettstoffwechsels nicht "verstehen". Diese haben aber einige
Wissenschaftler jetzt entschlüsselt. Und das Resultat ist: Sie besitzt nämlich
körpereigene Hormone, die wunderbar - auf natürliche Art und Weise - Fett
"fressen". Sie müssen lediglich diese Hormone aktivieren.
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Genau das tut unsere Weltneuheit "J-X-Management". Dabei berücksichtigt J, dass
innerhalb von 24 Stunden, im Laufe des Tags und der Nacht, unser Stoffwechsel
verschiedene fettfressende Hormone produziert. Deshalb gibt es eine Kapsel für
morgens, mittags und abends - mit unterschiedlichen Rezepturen zur
Unterstützung der jeweiligen, körpereigenen Schlankheitshormone. Alle
Substanzen in J stammen aus dem Garten der Natur und sind somit zu 100%
natürlich.
12
Die Wirkung von J ist im Jahre 2005 durch eine Pilotstudie getestet worden. Das
Ergebnis dort: Nach 6 Wochen durchschnittlicher Gewichtsverlust von 3,4 kg. Nach
8 Wochen ca. 4 cm Verlust am Taillen-umfang (individuelle Einzelergebnisse).
Dennoch ist J kein "Schnell-Schuß-Produkt". Bitte geben Sie Ihrem Körper
mindestens 4 bis 6 Wochen Zeit. Der Stoffwechsel muss sich erst einmal
umstellen. Dies kann von Mensch zu Mensch völlig unterschiedlich andauern. Bei
dem einen geht es innerhalb von 4 Wochen - bei dem anderen kann es bis zu 3
Monaten dauern. Also - alles völlig normal. Wenn Sie bedenken, dass es teilweise
viele Jahre dauert, bis Sie die überflüssigen Pfunde auf den Rippen haben und mit
J innerhalb von nur 4 bis 12 Wochen tolle Ergebnisse erzielen können, dann ist
diese Zeitspanne doch äußerst gering - oder?!
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Des Weiteren ist anzumerken, dass J selbstverständlich keine "Einladung zur
Völlerei" bedeuten soll oder will. Wir empfehlen vielmehr für eine gesunde
Gewichtskontrolle, parallel immer auf eine ausgewogene und kalorienbewusste
Ernährung zu achten sowie auch dem Körper ausreichend Bewegung zu geben.
Denn: Bewegung tut dem Körper immer gut.
14
Bei weiteren Fragen rufen Sie uns gerne jederzeit an - wir freuen uns, wenn wir Sie
auf Ihrem Erfolgsweg ein wenig begleiten dürfen!
15
*Hinweis:
Ernährungswissenschaft es noch nicht unumstritten ist, dass alleine durch die
gezielte Unterstützung der körpereigenen Schlankheitshormone mit besonderen
Nährstoffen eine Gewichtsreduzierung möglich ist. Derzeit hält ein großer Teil der
Ernährungswissenschaftler/innen daran fest, dass ohne weitere Maßnahmen, wie
bspw. Reduzierung/Umstellung der Ernährung sowie auch Steigerung der
körperlichen Bewegung, eine Gewichtsreduzierung nicht möglich ist.
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Verzehrempfehlung:
den jeweiligen Mahlzeiten mit einem großen Glas Wasser schlucken.
17
Wenn zwischen Ihrem Abendessen und dem Beginn Ihrer Nachtruhe mehr als
3 Stunden liegen, nehmen Sie bitte die Abend-Kapsel ca. 1 Stunde vor dem zu Bett
gehen mit einem großen Glas Wasser. Ist die Zeitspanne kürzer, können Sie die
Abendkapsel ebenfalls eine halbe Stunde vor dem Abendessen mit einem großen
Glas Wasser schlucken.
18
Bitte pro Tag grundsätzlich mindestens 3 Liter stilles Wasser trinken!
19
3-Monats-Packung"
20
und dies geschieht wie im Internet-Auftritt vom 05. Juni 2009,
Anlage K 2/1.
21
Wegen des Sachverhalts in erster Instanz und der Begründung wird gemäß § 540 I ZPO
auf den Tatbestand und die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils Bezug
genommen (Bl. 108 ff. d.A.).
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Die Beklagte wehrt sich hiergegen mit ihrer Berufung. Sie meint, bereits die Beurteilung
des Landgerichts sei fehlerhaft, wonach durch die Werbung der angesprochene
Verbraucher den Eindruck gewinnen würde, dass er durch Zuführung der Kapseln
hormonelle Vorgänge im Körper so anregen könne, dass dies ohne weitere
Maßnahmen zur Gewichtsreduzierung führe. Der vom Landgericht monierte Hinweis,
dass "die meisten Diäten nicht funktionieren", sei für sich betrachtet weder irreführend
noch falsch, sondern zutreffend. Hierzu sei Beweis angeboten worden. Die meisten
Diäten würden langfristig nichts bewirken. Diesen Diäten vorzuwerfen, dass sie die
"Intelligenz des Fettstoffwechsels", der letztlich zum JoJo-Effekt führe, nicht verstünden,
sei gerechtfertigt. Es handele sich insoweit nicht um eine Wirkungsaussage für das
Produkt. Für das Gegenteil sei die Klägerin beweispflichtig. Auch die Verwendung des
Begriffs der "fettfressenden" Hormone sei weder irreführend noch unzutreffend. Die
fraglichen Hormone seien vielmehr für die Fettverbrennung im Organismus wichtig, da
sie Fett in Energie umwandelten. Umgangssprachlich und metapherartig würde ihnen
"fettfressende" Wirkung zugesprochen. Die Auffassung des Gerichts, es würde dem
Leser der Eindruck vermittelt, er könne allein durch die Konsumierung des Produkts,
ohne weitere Maßnahmen vorzunehmen, abnehmen, sei unter Berücksichtigung der
weiteren Hinweise und Ausführungen in der Werbung unhaltbar. Im Werbetext würde
unter Hinweis auf die Wissenschaftler, die die Intelligenz des Fettstoffwechsels
"entschlüsselt" hätten, sogleich das besagte Sternchen (*) gesetzt, das zu dem am Ende
des Textes aufgeführten Hinweis verweise. Danach sei ohne weitere Maßnahmen wie
beispielsweise Reduzierung/Umstellung der Ernährung sowie auch Steigerung der
körperlichen Bewegung eine Gewichtsreduktion nicht möglich. Es werde mitgeteilt, dass
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das Produkt keine Einladung zur Völlerei darstelle. Es würde für eine gesunde
Gewichtskontrolle auch eine ausgewogene und kalorienbewusste Ernährung sowie
ausreichende Bewegung empfohlen. Aus der erwähnten Pilotstudie ergebe sich dabei,
dass alle Probanden auf einen bestimmten Kalorienhaushalt zu achten gehabt und sich
auch bewegt hätten (3,5 Stunden Sport die Woche). Dementsprechend habe sie, die
Beklagte, sogleich den weiteren Hinweis erteilt, wonach es zu einer gesunden
Gewichtskontrolle auch erforderlich sei, sich zu bewegen und auf eine ausgewogene
und kalorienbewusste Ernährung zu achten. So sei für einen Durchschnittsverbraucher
offenkundig, dass eine Gewichtskontrolle bzw. –reduzierung durch das Produkt allein
gerade nicht versprochen werde. Da der Leser bei Fragen zudem aufgefordert werde,
anzurufen, sei zu erkennen, dass die Produktbeschreibung nicht abschließend und
vollständig sei und keinen Anspruch hierauf erhebe. Ebenso sei fehlerhaft die weitere
Auffassung des Landgerichts, der "Hinweis" in der Produktbeschreibung sei für sich
selbst gesehen zur Täuschung geeignet. Sie, die Beklagte, habe vielmehr den Stand
der derzeitigen Ernährungswissenschaft über die Möglichkeiten zur Unterstützung einer
Gewichtsreduzierung zutreffend wiedergegeben und alles ihr Zumutbare getan, um die
interessierten Leser über das Produkt zutreffend zu informieren. Soweit es der Kläger
bestritten habe, dass es überhaupt Vital- oder Nährstoffe gebe, deren Verzehr den
Stoffwechsel anregen könne, werde weitergehend ein von Apotheken veröffentlichter
Bericht über "die wichtigsten Schlankheitsstoffe" (Anl. BK1) vorgelegt, in dem
verschiedene Vitamine, Mineralstoffe und Spurenelemente aufgeführt seien, die für eine
optimale Fettverbrennung sorgten und sich damit positiv auf die Figur auswirkten und
die sich in dem streitgegenständlichen Produkt ebenfalls wiederfänden.
Zwischenzeitlich lägen ferner entsprechende Stellungnahmen der Europäischen
Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) in Umsetzung der Verordnung EG Nr.
#####/####(I-D-Verordnung) vor. Auf der Grundlage dieser zwischenzeitlich
anerkannten Angaben seien im Umkehrschluss entsprechende Zusammenhänge
zwischen den Vitalstoffen und dem Energiestoffwechsel sowie der damit verbundenen
(natürlichen) hormonellen Aktivität ebenfalls begründet. Die Substanzen hätten eine die
Gewichtskontrolle positiv unterstützende Wirkung und trügen zur normalen
Gewichtsabnahme bei. Da der Hersteller des Produkts bisher der einzige Hersteller auf
der Welt sei, der ein solches Nahrungsergänzungsmittel kreiert habe, in dem speziell
und gezielt alle Vital- und Nährstoffe enthalten seien, die dafür bekannt und anerkannt
seien, den Energiestoffwechsel zu fördern, sei und bleibe das Produkt einzigartig und
eine Weltneuheit.
Die Beklagte beantragt,
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unter teilweiser Aufhebung des Teil-Anerkenntnis- und Schlussurteils des
Landgerichts Essen vom 10.03.2010 die Klage abzuweisen, soweit sie nicht in 1.
Instanz von ihr teilweise anerkannt wurde.
25
Der Kläger beantragt,
26
die Berufung zurückzuweisen.
27
Er verteidigt das Urteil mit näheren Ausführungen. Er meint, dass die Beklagte nicht
substantiiert zum Fettstoffwechsel und dessen Steuerung durch den menschlichen
Körper vorgetragen habe. Ebenso fehle Vortrag zur Beeinflussung der
Fettstoffwechselvorgänge durch die im Produkt enthaltenen Inhaltsstoffe. Das Einzige,
was die Beklagte vorgelegt habe, seien unwissenschaftliche Äußerungen aus dem
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Internet, die mit ihrem beworbenen Produkt nichts zu tun hätten. Die Beklagte verkenne
sowohl die Anforderungen, die an eine hinreichende wissenschaftliche Absicherung der
ihrem Produkt zugeschriebenen Wirkungen zu stellen seien wie auch an die Darlegung
eines wissenschaftlichen Meinungsstreits. Der Kläger verweist in Bezug darauf, welche
Anforderungen an die wissenschaftliche Erkenntnisgewinnung im Hinblick auf
Wirkungen von Lebensmitteln bzw. in diesen enthaltenen Inhaltsstoffen zu stellen seien,
auf eine Veröffentlichung des Arbeitskreises Lebensmittelchemischer Sachverständiger
im Bundesgesundheitsblatt 2000, S. 540 (Anl. BB1), ferner auf die Verordnung (EG) Nr.
###/### der Kommission vom 18.04.2008 zur Festlegung von
Durchführungsbestimmungen für Anträge auf Zulassung gesundheitsbezogener
Angaben gemäß Art. 15 der Verordnung (EG) Nr. #####/####(I) des Europäischen
Parlaments und des Rates. Bei nährwert- und gesundheitsbezogenen Angaben über
Lebensmittel der I-D-Verordnung sei zur Begründung der Zulassung solcher Angaben
der Nachweis durch Humanstudien zu führen. Welche Anforderungen der europäische
Gesetzgeber an den Nachweis gesundheitsbezogener Lebensmittel stelle, werde
zusätzlich aus dem im Anhang der Verordnung wiedergegebenen Erfordernis der
Zusammenfassung der einschlägigen wissenschaftlichen Daten ersichtlich. Ein solcher
Nachweis der werblich beanspruchten Wirkung sei nicht erbracht worden. Die Beklagte
irre, wenn sie die Auffassung vertrete, dass sie die angesprochenen Verkehrskreise im
Rahmen der in der Werbung getätigten Hinweise über die mangelnde wissenschaftliche
Absicherung hinreichend aufkläre. Der Hinweis sei nach Inhalt und seiner Gestaltung
keineswegs geeignet, die angesprochen Verkehrskreise darüber aufzuklären, dass es
sich bei der beworbenen Gewichtsreduktionsmethode mittels der von der Beklagten
angebotenen Produkte um eine wissenschaftlich nicht untersuchte und unbestätigte
Gewichtsmethode handele. Desgleichen würde nicht darüber aufgeklärt, dass die vor
dem Hinweis getätigten Äußerungen unzutreffend seien, so z.B. die Aussagen der
Funktionsuntüchtigkeit aller Diäten. Der Hinweis sei so gestaltet, dass ein
wissenschaftlicher Meinungsstreit zwischen den Vertretern der Gewichtsreduktion durch
Diäten und angeblichen Vertretern einer Gewichtsreduktion durch Hormonsteuerung
postuliert werde. Da es eine solche wissenschaftliche Auseinandersetzung nicht gebe
(weil in der Wissenschaft nicht, auch nicht vereinzelt, vertreten werde, dass durch die
Zufuhr von Inhaltsstoffen, wie im Produkt der Beklagten enthalten, fettfressende
Hormone mit der Folge der Gewichtsreduktion aktiviert werden könnten), könne der
Hinweis eine aufklärenden Wirkung nicht zeitigen. Dieser führe die angesprochenen
Verkehrskreise vielmehr wiederum in die Irre, weil nämlich ein nicht existierender
wissenschaftlicher Streit suggeriert und eine Absicherung der Werbung durch die
innerhalb der Werbung erwähnte Pilotstudie behauptet werde. Aus dieser Untersuchung
könne wissenschaftlich valide eine gewichtsreduzierende Wirkung des Produkts der
Beklagten nicht abgeleitet werden. Auch die Auffassung des Landgerichts, dass durch
die streitgegenständliche Werbung dem Leser der Eindruck vermittelt werde, er könne
allein durch die Konsumierung des Produkts abnehmen, sei nicht zu beanstanden; denn
ein solcher Eindruck werde durch die Werbung genau vermittelt. Auch soweit die
Beklagte darauf hinweise, dass das Produkt keine Einladung zur Völlerei bedeute, und
empfohlen werde, auf eine ausgewogene kalorienbewusste Ernährung sowie
Bewegung zu achten, könne hierin eine hinreichende Aufklärung nicht gesehen werden.
Die diesbezüglichen Hinweise brächten lediglich zum Ausdruck, dass das Produkt
natürlich gegen eine Völlerei und eine unausgewogene sowie kalorienreiche Ernährung
ebenso wenig ankomme wie gegen ein bewegungsarmes Leben. Diese Hinweise
würden von den angesprochenen Verkehrskreisen lediglich dahingehend verstanden,
dass ein Übermaß an Energiezufuhr und eine Bewegungsarmut durch das beworbene
Produkt nicht kompensiert werden könne. Hiermit sei jedoch keine Aufklärung darüber
verbunden, dass dem Produkt die werblich beanspruchte Wirkung der
Gewichtsreduktion nicht zukomme. Schließlich könne die Beklagte auch nicht damit
gehört werden, dass die im Produkt enthaltenen Vitamine, Mineralstoffe und
Spurenelemente als "wichtige Schlankheitsstoffe" für eine optimale Fettverbrennung
sorgten. Abgesehen davon, dass der unter Verweis auf die Anlage BK1 getätigte
Vortrag der Beklagten nach § 531 II ZPO unzulässig sei, lasse sich dieser
Veröffentlichung auch nicht entnehmen, dass bei einem Mangel an den insoweit
vorgestellten Vitaminen, Mineralstoffen und Spurenelementen es zu körperlichen
Vorgängen kommen könne, die eine vermehrte Gewichtszunahme auslösten oder eine
Gewichtsabnahme blockierten. Von einer wissenschaftlichen Grundlage der insoweit zu
den einzelnen Inhaltsstoffen getätigten Äußerungen könne keine Rede sein.
Die Akte LG Essen 41 O 94/06 = Senat 4 U 45/07 lag zu Informationszwecken vor und
war Gegenstand der mündlichen Verhandlung.
29
B.
30
Die zulässige Berufung der Beklagten ist unbegründet.
31
Der Kläger kann von ihr aus §§ 8 I, III Nr. 2; 3; 4 Nr. 11 UWG i.V.m. § 11 I Nr. 2 LFGB die
Unterlassung der streitgegenständlichen Aussagen in Bezug auf das Produkt "J-X-
Management" verlangen. Durch diese wird, wie das Landgericht zutreffend festgestellt
hat, suggeriert, dass allein das beworbene Produkt (bildlich gesprochen) "Fette frisst"
und so in einer Zeit von 4 bis 12 Wochen zu einer maßgeblichen Gewichtsreduzierung
führt. Das aber ist unzutreffend. Die Beklagte behauptet eine solche Wirkung selbst
nicht, geschweige denn insoweit eine entsprechende wissenschaftliche Absicherung.
Auch der diesbezügliche Sternchenhinweis ist untauglich, diese Vorstellung der
angesprochenen Verkehrskreise zu korrigieren oder wieder zu beseitigen.
32
I.
33
Die Klagebefugnis des Klägers ist nach § 8 III Nr. 2 UWG gegeben.
34
Die allgemeinen Voraussetzungen für die wettbewerbliche Inanspruchnahme der
Beklagten sind erfüllt. Die Beklagte hat mit ihrer Werbung unzweifelhaft geschäftlich
gehandelt hat im Sinne von § 2 I Nr. 1 UWG.
35
Bei § 11 I Nr. 2 LFBG handelt es sich um eine Marktverhaltensregelung i.S.v. § 4 Nr. 11
UWG. Die Vorschrift geht auf die Regelungen der Etikettierungsrichtlinie
#####/####/EG zurück und hat damit im Verhältnis des Unternehmers zum Verbraucher
den nötigen Bezug zum Europarecht.
36
II.
37
Nach § 11 I Nr. 2 LFBG ist es verboten, Lebensmittel mit irreführenden Angaben zu
bewerben, wobei eine Irreführung insbesondere dann vorliegt, wenn den Mitteln
Wirkungen beigelegt werden, die ihnen nach den Erkenntnissen der Wissenschaft nicht
zukommen oder die wissenschaftlich nicht gesichert sind. So ist irreführend etwa auch
eine Schlankheitswerbung, die einem Produkt bei Einnahme eine dauerhaft-anhaltende
gewichtsreduzierende Wirkung beilegt, ohne dass dabei die Ernährungsgewohnheiten
und die Art und den Umfang der körperlichen Betätigung geändert werden müssten (vgl.
38
BGH GRUR 2006, 429, 430 – Schlank-Kapseln; Senat MD 2005, 73, 76 –
Pressehaftung; Piper/Ohly/Sosnitza, UWG, 5. Aufl. 2010, § 5 Rn. 300). Das ist
vorliegend, wie auch bereits im früheren Verfahren 4 U 45/07 der Fall. Davon, dass
entsprechend allein das streitgegenständliche Produkt diese Wirkung leistet, geht die
Beklagte selbst nicht aus.
1.
39
Mit dem Landgericht ist davon auszugehen, dass der angesprochene Verbraucher nach
der streitgegenständlichen Werbung den Eindruck gewinnt, dass das Produkt "J-X-
Management" selbst zur Gewichtsreduzierung führt, und zwar allein und insofern ohne
weitere Maßnahmen.
40
Es wird in der angegriffenen Werbung bereits im ersten Absatz betont, dass man "keine"
entsprechende Diät bräuchte, um das Gewicht zu kontrollieren. Man müsse "lediglich",
nämlich durch das fragliche Produkt, die diesbezüglichen Hormone aktivieren. Ein
Abnehmen werde allein durch die jetzt entschlüsselte Aktivierung der körpereigenen
Hormone, die "Fett fressen" würden, ermöglicht. Es geht so wiederum um die
Behauptung einer Abnahme, ohne das Essen zu reduzieren und eine Diät einzuhalten.
Der Sternchenhinweis bei "Wissenschaftler" wird alsdann schon inhaltlich nicht darauf
bezogen, dass die zuvor getroffene Kernaussage in Frage gestellt wird. Wissenschaftler
sind in der späteren "Auflösung" gerade auch nicht benannt. Der Hinweis wird, was
letztlich nicht entscheidend ist, nicht bei dem behaupteten Wirkungszusammenhang
angebracht.
41
"Genau das", nämlich dass lediglich durch das vorliegende Produkt die Hormone
aktiviert würden, tue die Weltneuheit J X Management. Die Aktivierung würde so durch
das Produkt bewirkt. Dabei bestärkt auch der Produktname, was wiederum in erster
Linie nicht entscheidend ist, den durch die Kernaussage vermittelten Eindruck. Morgens,
mittags und abends würden mit unterschiedlichen Rezepturen von Nährstoffen die
jeweiligen körpereigenen Schlankheitshormone unterstützt.
42
Der Hinweis auf die Pilotstudie (der Fa. BB-N-IP Limited) aus dem Jahre 2005 (Anl. K
25) bringt zum Ausdruck, dass die Wirkung des Produkts positiv getestet worden sei.
Die einzige Einschränkung dabei geht dahin, dass die Wirkung, die offenbar
uneingeschränkt erfolgen soll, Zeit braucht. Die damals von der Beklagten vorgelegte
Studie ist freilich nicht in der Lage, eine solche Produktwirkung hinreichend
wissenschaftlich abzusichern. Die Studie entsprach bereits nicht den anerkannten
wissenschaftlichen Grundsätzen. Ihre Autoren sind nicht mitgeteilt. Eine
Veröffentlichung, die Grundvoraussetzung für eine wissenschaftliche
Auseinandersetzung ist, ist nicht erfolgt. Die unveröffentlichte und anonyme Studie ist zu
einem solchen Nachweis nicht in der Lage (s.a. OLG Düsseldorf, Urt. v. 11.08.2009, in
der Sache 20 U 41/08; Hinweisbeschluss des KG vom 22.05.2009, in der Sache 5 U
110/ 07). Vor allem kommt hinzu, dass diese Studie im Hinblick auf die Wirkung allein
durch die Einnahme des Mittels nicht einschlägig und die Bezugnahme auf sie schon
deshalb irreführend ist. Dort war den Teilnehmern eine tägliche Kalorienaufnahme von
2000 kcal empfohlen, ferner sollten sie sich mindestens 3,5 Stunden in der Woche
körperlich bewegen. Insofern gab es andere Grundvoraussetzungen. Die Studie entfernt
sich von der nunmehr getroffenen Grundaussage, allein die Einnahme des Produkts
könne eine maßgebliche Reduzierung des Körpergewichts bewirken, und zwar ohne
eine auch besonders beachtetet Veränderung der Ernährungsgewohnheiten und des
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Bewegungsverhaltens.
Im nächsten Absatz wird eine Gewichtskontrolle durch eine kalorienbewusste
Ernährung und ausreichende Bewegung nur zusätzlich empfohlen. Dies geschieht
allerdings nur in der Form der Vermeidung von Extremen ("keine Einladung zur
Völlerei"). Es ist aus der maßgeblichen Sicht der Durchschnittsverbraucher gerade nicht
ersichtlich, dass jedenfalls auch eine bewusste Ernährung (die im Detail nicht
angesprochen ist) und ein bestimmtes Maß an Bewegung die gewünschte
Gewichtsreduzierung (mit-) herbeiführen müssten. Eine Völlerei bedeutet insoweit nur,
dass eine übermäßige Nahrungsaufnahme nicht erfolgen sollte. Bewegung wird
ebenfalls nicht als mit notwendig vorausgesetzt, sondern nur begleitend und am Rande
erwähnt; denn diese soll doch immer gut tun. Im Kern wird weiterhin mitgeteilt, dass
allein das beworbene Produkt die angesprochene Wirkung erzielen würde.
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Diese Darstellung wird durch den anschließenden Sternchenhinweis nicht beseitigt.
Vielmehr wiederholt dieser Hinweis genau den beanstandeten Inhalt, der gerade noch
nicht unumstritten sein soll, nämlich dass "alleine" durch eine gezielte Unterstützung der
körpereigenen Schlankheitshormone, sprich das verkaufte Mittel, eine
Gewichtsreduzierung möglich sei. Dies setzt sich im Folgesatz und im Zusammenhang
mit den Stimmen, die noch (und insofern offenbar auch bald nicht mehr relevant) der
Auffassung seien, dass dies "ohne weitere Maßnahmen" nicht funktionieren solle, fort.
Der Eingangssatz zu Beginn der Werbung, dass es keiner Diät bedürfe, dass man
lediglich durch die Einnahme des Produkts Fett beseitigen und dass man so erheblich
das Gewicht reduzieren könne, findet am Ende der Bewerbung eine ebengleiche
Abrundung.
45
An dieser Stelle ist auch der Stand der derzeitigen Ernährungswissenschaft über die
Möglichkeiten zur Unterstützung einer Gewichtsreduzierung nicht zutreffend
wiedergegeben. Im Hinblick auf Art. 2 I 1 a), i), und ii) der Etikettierungsrichtlinie ist
insoweit zwar eine konkrete Irreführungsgefahr erforderlich. Daran kann es fehlen, wenn
ausdrücklich und klar darauf hingewiesen wird, dass die behauptete Wirkung umstritten
ist (Harte/Henning/Weidert, UWG, 2. Aufl. 2009, § 5 I 2 Nr. 1 Rn. 171). Eine solche
Klarstellung erfolgt vorliegend aber nicht. Abgesehen davon, dass dieser Hinweis der
maßgeblichen Wirkungsaussage in erheblichem räumlichen Abstand nachfolgt, dass
der Sternchenhinweis bei dem unzutreffenden Wort "Wissenschaftler" platziert ist und
auch dass der Streit als nur vorübergehend dargestellt wird, bezieht sich der von der
Wissenschaft geführte Streit jedenfalls nicht – wie in der Werbeaussage suggeriert -
darauf, ob allein durch die Aktivierung der Hormone, die Fett fressen könnten, eine
Gewichtsreduzierung möglich ist und ob daneben weitere Maßnahmen wie die
Umstellung der Ernährung und die Steigerung der körperlichen Bewegung erforderlich
sind. Tatsächlich bezieht sich der wissenschaftliche Streit abweichend hiervon schon
darauf, ob die Aktivierung der Hormone, wie sie das streitige Produkt leisten soll,
maßgeblich überhaupt zu einer Gewichtsreduzierung führen kann. Der eigentliche
Streit, ob die Hormone tatsächlich in der beworbenen Weise wirken, wird im Hinweis
ausgeklammert. Schon dadurch, dass der wissenschaftliche Streit nicht richtig
dargestellt wird, kann dieser Hinweis die Irreführung nicht ausschließen.
46
Die Fehlvorstellung bleibt jedenfalls bei einem maßgeblichen Teil der Verbraucher
bestehen und führt diesen in relevanter Weise irre. Gerade derjenige, der schon einiges
über das Abnehmen gelesen oder gehört hat, wird veranlasst, den vermeintlich
weltneuen Bestseller auszuprobieren. Dabei ist zu beachten, dass gerade Verbraucher,
47
die unter ihrem Übergewicht leiden, unkritischer und schutzbedürftiger sind als andere
Verbraucher. Das hat der Senat schon wiederholt ausgesprochen, und das kommt auch
in den gesetzlichen Regelungen, insbesondere in der I-D-Verordnung zum Ausdruck.
2.
48
Diese Aussage ist unrichtig. Die Beklagte behauptet selbst nicht, dass die Wirkung der
Gewichtsreduzierung allein aufgrund ihres Produkts zutrifft, dass dieser
Wirkungszusammenhang so wissenschaftlich abgesichert ist und dass die vor ihr
vorgelegte Studie, die gerade auch begleitende Maßnahmen voraussetzt, die Aussage
einer Gewichtsreduzierung allein durch "J-X-Management" konkret stützt. So ist auch
die vom BGH (mit Urteil vom 21.01.2010, Az. I ZR 23/07 – Vorbeugen mit Coffein)
angesetzte Schwelle einer wissenschaftlichen Absicherung nicht erreicht. Entsprechend
falsch ist ferner die weitere Aussage "die Wirkung von … ist durch eine Pilotstudie
getestet". Der Verbraucher liest hier nicht allein "getestet", sondern vielmehr "erfolgreich
getestet" im Sinne von "belegt" (vgl. Senatsurteil v. 09.10.2007, Az. 4 U 45/07, S. 18).
Dies trifft nach der genannten Studie nicht zu.
49
Erst recht kann auch die Möglichkeit eines Anrufes bei der Beklagten für den Fall, dass
man noch Fragen zum Produkt haben sollte, den durch die Werbung verursachten
Falscheindruck nicht wieder eliminieren.
50
Schließlich kann dahinstehen, ob es tatsächlich Vital- und Nährstoffe gibt, deren
Verzehr den Stoffwechsel anregen kann und die für eine optimale Fettverbrennung
sorgen, wie es von der Beklagten vorgelegte Artikel "Die wichtigsten Schlankheitsstoffe"
(Anl. BK1) zum Gegenstand hat. Abgesehen davon, dass es sich hierbei nicht um eine
wissenschaftliche Abhandlung oder Bestätigung handelt, mag es durchaus richtig und
plausibel sein, dass bestimmte Stoffe, die in das Produkt eingeflossen sind, für die
Fettverbrennung besonders wichtig sein mögen, eine positiv unterstützende Wirkung
haben und zur normalen Gewichtsabnahme beitragen. Dies kann dahinstehen. Die
Aussage der Werbung ist nämlich eine andere, und zwar die, dass "J-X-Management"
selbst und letztlich allein zur maßgeblichen Verbrennung von Fett geeignet sei. Dies ist
irreführend und durch konkrete Studien bezogen auf das vorliegende Produkt nicht
abgesichert.
51
III.
52
Auf die Voraussetzungen für gesundheitsbezogene Angaben nach der Verordnung (EG)
Nr. ###/### der Kommission vom 18.03.2008 und der Verordnung (EG) Nr.
#####/####des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Dezember 2006 über
nährwert- und gesundheitsbezogene Angaben über Lebensmittel (ABl. L 404 vom
30.12.2006, S. 9, sog. I-D-Verordnung) und auf deren Art. 12 lit. b), wonach Angaben
über Dauer und Ausmaß der Gewichtsabnahme als unzulässig verboten sind, kommt es
im Streitfall nicht mehr an.
53
Es kann auch dahin stehen, ob der geltend gemachte Unterlassungsanspruch ebenfalls
aus § 4 Nr. 11 UWG i.V.m. § 6 I NährwertkennzeichenVO begründet sein könnte.
Danach ist es verboten, im Verkehr mit Lebensmitteln oder in der Werbung für
Lebensmittel Bezeichnungen, Angaben oder Aufmachungen zu verwenden, die darauf
hindeuten, dass ein Lebensmittel schlankmachende, schlankheitsfördernde oder
gewichtsverringernde Eigenschaften besitzt, jedenfalls (bei einschränkender
54
Auslegung) wenn es sich insoweit um irreführende Angaben handelt. Hierfür spricht,
dass es den angesprochenen Verkehrskreisen nach den obigen Ausführungen in
irreführender Weise suggeriert wird, dass das streitgegenständliche Produkt als solches
ohne bestimmte Begleitmaßnahmen gewichtsreduzierend wirken soll.
IV.
55
Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 708 Nr. 10, 97 I, 713 ZPO.
56
Eine Zulassung der Revision ist nicht veranlasst, § 543 I ZPO.
57