Urteil des OLG Hamm vom 17.01.1980

OLG Hamm (elterliche sorge, kind, elterliche gewalt, mutter, beschwerde, wirtschaftliche lage, wohnung, erziehung, eltern, vater)

Oberlandesgericht Hamm, 3 UF 75/79
Datum:
17.01.1980
Gericht:
Oberlandesgericht Hamm
Spruchkörper:
3. Senat für Familiensachen
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
3 UF 75/79
Vorinstanz:
Amtsgericht Recklinghausen, 4 F 79/78
Tenor:
Die Beschwerde wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, daß die
Beteiligte zu 2) in Abänderung des angefochtenen Beschlusses zu II 1
und 2 das Recht hat, das Kind ... an jedem 1. und 3. Sonntag jeden
Monats und an jedem zweiten Oster-, Pfingst- und Weihnachtsfeiertag
von 10.00 Uhr bis 18.00 Uhr bei sich zu haben. Der Beteiligte zu 1) hat
dafür zu sorgen, daß das Kind an den Besuchstagen pünktlich an seiner
Wohnung zur Abholung bereit gehalten wird.
Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei.
Die außergerichtlichen Kosten des Beschwerdeverfahrens haben der
Beteiligte zu 1) zu 1/5 und die Beteiligte zu 2) zu 4/5 nach einem Wert
von 5.000,- DM zu zahlen.
Gründe
1
Die Ehe der Parteien wurde durch Urteil des OLG Hamm vom 25.10.1977 -3 UF 90/77-
geschieden. Aus der Ehe stammt das am 28.09.1974 geborene Kind .... Von seiner
Geburt bis März 1976 wurde das Kind von der Mutter des Beteiligten zu 1) versorgt.
Dann nahm die Beteiligte zu 2) das Kind zu sich. Im Sommer 1977 war die Beteiligte zu
2) für ca. 8 Wochen im Krankenhaus. Nach ihrer Entlassung aus dem Krankenhaus zog
sie zu dem Zeugen ... mit dem sie auch heute noch zusammenlebt. Sie bewohnt mit ihm
eine Wohnung, bestehend aus Küche, Schlafzimmer, Wohnzimmer und Bad. Das Kind
wurde während des Krankenhausaufenthaltes der Mutter des Zeugen ... Frau ... in
Pfleße gegeben. Dort blieb es auch nach der Entlassung der Mutter aus dem
Krankenhaus, bis der Beteiligte zu 1) am 22.05.1978 das Kind nach einem Besuch
gegen den Willen der Beteiligten zu 2) bei sich behielt.
2
Spätestens seit Ende 1977/Anfang 1978 geht die Beteiligte zu 2) in Dortmund der
Gewerbsunzucht nach. Der Zeuge ... bringt hierzu die Beteiligte zu 2) drei- bis viermal in
der Woche gegen 18.00 bis 19.00 Uhr nach Dortmund und holt sie zwischen 2.00 bis
3.00 Uhr morgens wieder ab.
3
Der Beteiligte zu 1) verbüßte von Oktober 1975 bis April 1978 eine Freiheitsstrafe
wegen Trunkenheit am Steuer, Urkundenfälschung und Fahren ohne Führerschein. Seit
seiner Entlassung ist er bei der ... als Schweißer beschäftigt. Er wohnt in der
ehemaligen ehelichen Wohnung der Parteien, bestehend aus Schlafzimmer,
Wohnküche und Bad. Während der Arbeitstage wird das Kind von der am 30. 08.03.
geborenen Mutter des Beteiligten zu 1) versorgt.
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Im vorliegenden Verfahren streiten die Parteien darüber, wem von ihnen nach der
Scheidung die elterliche Sorge für ihr Kind übertragen und in welcher Weise das
Besuchsrecht des nicht sorgeberechtigten Elternteils geregelt werden soll.
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Durch einstweilige Anordnung vom 23.05.1978 wurde die elterliche Gewalt über das
Kind einstweilen dem Jugendamt ... als Pfleger übertragen. Dieser Beschluß wurde auf
Beschwerde des Beteiligten zu 1) durch Beschluß des erkennenden Senats vom
30.11.78 nach Anhörung der Eltern aufgehoben, weil eine Gefährdung des Kindeswohls
während seines Aufenthalts beim Vater nicht hinreichend glaubhaft gemacht sei, und
die von dem Beteiligten zu 1) getroffenen Maßnahmen für die Betreuung des Kindes im
Rahmen seiner Möglichkeiten sachgerecht seien.
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Durch den angefochtenen Beschluß hat das Familiengericht nach Anhörung der
beteiligten Eltern, des Sachbearbeiters des Jugendamts ... sowie der Zeugen ... und ...
Frau ... die elterliche Gewalt über das Kind dem Vater übertragen und angeordnet, daß
die Mutter das Recht hat, das Kind an jedem 1. und 3. Mittwoch eines jeden Monats bei
sich zu haben. In den Gründen ist u.a. ausgeführt, daß die elterliche Gewalt dem Vater
zu übertragen sei, weil bei ihm die Gewähr für ordnungsgemäße Pflege und Erziehung
des Kindes gegeben sei, wozu die Mutter nicht in der Lage sei.
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Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt des den Beteiligten am 30.01.1979
zugestellten Beschlusses verwiesen.
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Hiergegen wendet sich die Beteiligte zu 2) mit ihrer form- und fristgerecht eingelegten
und begründeten Beschwerde.
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Sie rügt die Auffassung des Familiengerichts, sie sei nicht zur Erziehung des Kindes
geeignet. Sie ist der Auffassung, sie sei zumindest wie der Beteiligte zu 1) in der Lage,
das Kind zu versorgen und zu betreuen. Sie würde auch sofort zu Hause bleiben, wenn
sie das Kind bekäme. Im übrigen könne sie wegen ihrer abendlichen Tätigkeit nicht als
ungeeignet für die Erziehung des Kindes angesehen werden. Demgegenüber werde
das Kind jetzt während der Arbeitszeit des Beteiligten zu 1) überwiegend von seiner
Mutter betreut.
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Hilfsweise bittet sie, die Besuchsregelung dahin abzuändern, daß sie das Kind nicht
mittwochs, sondern sonntags erhalte, da sie nur sonntags das Kind zu sich holen könne.
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Die Beteiligte zu 2) hat beantragt,
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in Abänderung des angefochtenen Beschlusses
13
a)
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ihr die elterliche Gewalt über das Kind ... zu übertragen und
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b)
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dem Beteiligten zu 1) aufzugeben, das Kind an sie herauszugeben,
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c)
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hilfsweise anzuordnen, daß sie das Recht hat, das Kind an jedem 1. und 3. Sonntag im
Monat und an jedem zweiten Oster-, Pfingst- und Weihnachtsfeiertag von 10.00 bis
18.00 Uhr bei sich zu haben.
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Der Beteiligte zu 1) beantragt,
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die Beschwerde zurückzuweisen.
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Er tritt dem Vorbringen entgegen und hält die vom Amtsgericht getroffenen Regelungen
für sachgerecht. Ein Besuchsrecht am Wochenende lehnt er ab, weil er Gelegenheit
haben wolle, sich an seinen arbeitsfreien Tagen um das Kind zu kümmern.
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Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der in der Beschwerdeinstanz
gewechselten Schriftsätze verwiesen.
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Die nach § 621 e ZPO zulässige Beschwerde hat zur Sorgerechtsregelung keinen
Erfolg.
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Zu Recht hat das Amtsgericht nach Scheidung der Ehe die elterliche Sorge über das
Kind der Parteien dem Beteiligten zu 1) übertragen. Wird die Ehe der Eltern geschieden,
so bestimmt das Familiengericht nach § 1671 BGB, welchem Elternteil die elterliche
Sorge über ein gemeinschaftliches Kind zustehen soll. Begehren beide Eltern die
elterliche Sorge, trifft es nach § 1671 Abs. 2 BGB die Regelung, die unter
Berücksichtigung der gesamten Verhältnisse dem Wohle des Kindes am besten
entspricht. Unter Voranstellung des allein maßgeblichen Kindeswohls hat also das
Familiengericht die Verhältnisse beider Eltern zu prüfen und gegeneinander
abzuwägen. Maßgeblich ist hier zunächst die Eignung der Eltern zur Übernahme der für
das Kindeswohl zentralen Beziehung- und Betreuungsaufgaben. Insbesondere ist
hierbei der Grad der inneren Bereitschaft jedes Elternteils zu berücksichtigen, das Kind
zu sich zu nehmen und die Verantwortung für die Versorgung und Erziehung zu tragen
(Hinz in Münchener Kommentar, BGB, § 1671 BGB, Rdn. 34 m.w.N.; ständige
Rechtsprechung des Senats, vgl. Beschluß vom 16.02.78 in 3 UF 258/77; 15.11.79 in 3
UF 177/79; 11.12.1979 in 3 UF 413/79). Des weiteren spielen die wirtschaftliche Lage,
die Wohnverhältnisse sowie die Möglichkeit der Unterbringung und Betreuung des
Kindes eine Rolle. Schließlich sind die Fragen der Erziehungskontinuität, die Folgen
eines Umgebungswechsels und die sonstigen besonderen Umstände des Einzelfalls zu
berücksichtigen (vgl. wie vor und OLG Hamm in FamRZ 1977, 744 ff., 1979, 853; OLG
Düsseldorf in FamRZ 79, 631).
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Unter Berücksichtigung dieser Gesetzeslage und obergerichtlichen Grundsätze ist nach
den durchgeführten Ermittlungen die elterliche Sorge zu Recht dem Beteiligten zu 1)
übertragen worden. Nach der Stellungnahme des Vertreters des Jugendamts wird, das
Kind von der Großmutter und dem Vater gemeinsam gut versorgt. Irgendwelche
Bedenken sind nicht zutage getreten. Insoweit kann jedoch auch zu Gunsten der
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Beteiligten zu 2) davon ausgegangen werden, daß sie in gleicher Weise die Möglichkeit
hätte, für das Kind zu sorgen. Auch die räumlichen Verhältnisse sind bei den Beteiligten
in etwa gleich. Die Wohnung der Beteiligten zu 2), die sie zusammen mit dem Zeugen ...
bewohnt, und die Wohnung der Großmutter des Beteiligten zu 1) haben den gleichen
Zuschnitt, während die eigene Wohnung des Beteiligten zu 1) ein Zimmer weniger hat.
Die Möglichkeiten der Beteiligten zu 2) können auch deshalb nicht als besser
angesehen werden, weil sie ihre Tätigkeit aufgeben will, wenn das Kind zu ihr kommt.
Dieser Umstand ist nur von untergeordneter Bedeutung. Entscheidend für die getroffene
Regelung ist die bessere Erziehungseignung des Beteiligten zu 1). Dem Elternteil ist die
elterliche Sorge zu übertragen, der besser zur Erziehung geeignet ist. Hier kommt es
weniger auf die Vorbildung oder Ausbildung an, als auf die Bereitschaft, das Kind zu
sich zu nehmen und die Verantwortung für die Erziehung und Versorgung zu tragen.
Dies ist hier bei dem Beteiligten zu 1) der Fall.
Die bessere Erziehungseignung des Beteiligten zu 1) ergibt sich aus seiner im
Verhältnis zur Beteiligten zu 2) eindeutig größeren Bereitschaft, das Kind zu sich zu
nehmen und die Verantwortung für die Versorgung und Erziehung des Kindes zu tragen.
Während die damals schon mit dem Zeugen ... zusammenlebende Beteiligte nach ihrem
Krankenhausaufenthalt im Sommer 1977 sich nicht in der Lage sah, das Kind zu sich zu
nehmen, und es in der Pflege der Mutter des Zeugen ... beließ, bemühte sich der
Beteiligte zu 1) seit seiner Haftentlassung im April 1978 darum, das Kind aus der
Pflegestelle zu sich zu nehmen, ohne Rücksicht auf die sich aus der Versorgung und
Betreuung des Kindes für ihn aufgrund seiner Arbeitstätigkeit ergebenden
Schwierigkeiten. Im krassen Gegensatz dazu steht das Verhalten der Beteiligten zu 2),
die ihre Bereitschaft, Verantwortung für das Kind zu übernehmen, erst wieder entdeckte,
als der Beteilige zu 1) am 22.05.1978 das Kind aus der Pflegestelle zu sich genommen
hatte, nachdem sie sich zuvor für ein weiteres Verbleiben des Kindes in der Pflegestelle
ausgesprochen hatte. Dieses Verhalten beruht entweder auf geringerem
Verantwortungsbewußtsein für das Kind, oder der Erkenntnis, daß eine Versorgung des
Kindes durch sie nicht seinem Wohle entsprochen hätte. Folgt man dieser zweiten
Alternative, entspräche es auch heute nicht dem Wohle des Kindes, die Sorge der
Beteiligten zu 2) zu übertragen, weil zwischenzeitlich eine Veränderung der Umstände
bei ihr zugunsten des Kindes nicht eingetreten ist. Die Beteiligte zu 2) lebt nach wie vor
mit dem Zeugen ... zusammen und geht damals wie heute der Gewerbsunzucht nach.
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Der Herausgabeantrag der Beteiligten zu 2) ist mit Zurückweisung ihrer Beschwerde
gegen die Regelung der elterlichen Sorge gegenstandslos. Da dem Beteiligten zu 1) die
elterliche Sorge zusteht, kann von ihm nicht die Herausgabe des Kindes an die
Beteilige zu 2) verlangt werden.
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Auf den Hilfsantrag der Beteiligten zu 2) zum Umgangsrecht ist jedoch der angefochtene
Beschluß des Familiengerichts abzuändern. Im Interesse einer geordneten Abwicklung
des Umgangsrechts mit dem nicht sorgeberechtigten Elternteil ist es angezeigt, an die
Stelle des Mittwoch als Besuchstag den Sonntag zu setzen. Unabhängig von den
Schwierigkeiten der Beteiligten zu 2), das Kind mittwochs zu sich zu nehmen, ist
entscheidend für diese Änderung, daß der Vater wegen seiner Berufstätigkeit das Kind
nur am Wochenende zur Abholung durch die Mutter bereithalten kann. Er trägt aber als
sorgeberechtigter Elternteil die Verantwortung für eine geordnete Abwicklung des
Umgangsrechts. Dementsprechend hat er auch dafür zu sorgen, daß das Kind an den
Besuchstagen an seiner Wohnung zur Abholung bereit gehalten wird. Da er dies wegen
seiner Arbeit an Werktagen nicht kann, war die Umgangsregelung wie geschehen
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abzuändern.
Von der Erhebung von Gerichtskosten für die Beschwerdeinstanz wird nach § 94 Abs. 3
Satz 2 KostO abgesehen, weil die Beschwerde als auch im Interesse des Kindes
eingelegt anzusehen ist. Die Entscheidung über die außergerichtlichen Kosten beruht
auf § 13 a Abs. 1 FGG. Da die Beschwerde nur bezüglich des Hilfsantrages Erfolg hat,
entspricht es der Billigkeit, daß die Beteiligte zu 2) die Kosten des
Beschwerdeverfahrens zu 4/5 trägt, während im übrigen die Kosten vom Beteiligten zu
1) zu tragen sind.
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